Die Frankfurter STRASSENJUNGS werden oftmals zur ersten Generation deutscher Punkbands gezählt und tatsächlich waren sie 1977 mit ihrem Debüt „Dauerlutscher“ verdammt früh am Start. Dass es sich um so etwas wie ein Industrieprojekt auf einem Major-Label handelte, das vom auch kommerziell interessanten Punk-Boom ein Stück abbekommen wollte, handelte ihnen in der Punkszene jedoch auch den Ruf ein, wenig authentische Pseudos zu sein, zumal es sich musikalisch mehr um „angepunkten“ Straßen-Rock’n’Roll handelte. Dabei wird jedoch gern übersehen, dass Bandkopf Niels Selzer nach der ersten LP im Prinzip eine ganz neue Band formierte, die ohne die etablierte Musikindustrie auskam. Mit dem selbstgegründeten Label „Tritt Records“ folgte er dem D.I.Y.-Prinzip und veröffentlichte Alben wie „Wir ham ne Party“ und „Los!“ in Eigenregie. Auch in den Folgejahren blieb man stets mehr oder weniger aktiv und brachte es schließlich auf eine stattliche Anzahl an Plattenveröffentlichungen.

2012 schließlich entwickelte Selzer den bandbiographischen Dokumentarfilm „Dauerlutscher-Report 1“, der von seinem „Tritt“-Label auf DVD gepresst wurde. Mit Sonnenbrille sitzt er vor Computer-Monitoren in seinem Homestudio o.ä. und führt streng chronologisch durch die Band-Historie, von Jahr zu Jahr bzw. von Album zu Album. Gespickt mit der einen oder anderen Anekdote wird anhand alter Live- und TV-Aufnahmen, Videoclips und Fotos der Werdegang dokumentiert, angefangen beim „Dauerlutscher“ über die Neugründung bei weiterhin rock’n’rolligerem Sound, die ‘80er, in denen man sich klanglich deutlich der Neuen Deutschen Welle zuneigte bis in die ‘90er, in denen man anscheinend deutlich hardrockiger wurde und öffentlichkeitswirksam zusammen mit dem damaligen Eintracht-Frankfurt-Trainer „Stepi“ den Verein besang, sich musikalisch an einem Anti-Hooligan-Fanprojekt beteiligte und sogar im unsäglichen „Bärbel Schäfer“-Trash-Talk auftrat. Auch in den 2000ern ging’s für die STRASSENJUNGS weiter, u.a. mit einem vom „WDR Rockpalast“ übertragenen Live-Gig. Dass man sich den „Arsch abgetourt“ habe, avanciert zum geflügelten Wort der Doku.

In ihrer hessischen Heimat dürften die STRASSENJUNGS einen wesentlich höheren Stellenwert genießen als hier im Norden und so kannte ich als einziges vollständiges Album bisher lediglich die „Wir ham ne Party“, die ich etwas, nun ja, speziell empfand. Das eingedeutschte „Do you wanna dance“-Cover „Immer weiter gehn“ ist mir jedoch dauerhaft im Ohr geblieben, wenngleich mir die Band eher ein Rätsel blieb. Dies hat sich mit dem „Dauerlutscher-Report 1“ ein gutes Stück weit geändert. Rund 90 Minuten lang plaudert Selzer nicht unsympathisch und durchaus humorvoll aus dem Nähkästchen. Dass dabei nicht viel Zeit für Tiefergehendes oder Details bleibt, liegt auf der Hand; um den Zuschauer anzufixen langt’s aber dicke, wenngleich die STRASSENJUNGS irgendwie ein Kuriosum bleiben: Pubertäre Sex-Texte mischen sich mit antikapitalistischen Statements, raue Straßenlyrik trifft auf Albernheiten und biederer Altherren- bzw. breitbeiniger Prollrock auf künstlerisch ambitionierten NDW auf frechen Punk etc. pp, seitens des Zuhörers Fremdschämpotential auf ehrlichen Respekt – auch nach einem groben Durchhören der bei Spotify hinterlegten Songs scheint mir das STRASSENJUNGS-Œuvre vor allem eine große Wundertüte zu sein, in der herumzuwühlen und nach Perlen zu tauchen bestimmt Spaß machen kann, weshalb ich es mir ausdrücklich vorbehalte.

Die Dokumentation wirkt semiprofessionell und wurde augenscheinlich ebenfalls in D.I.Y.-Manier zusammengeschustert, was durchaus seinen Charme hat, wenngleich Selzer offenbar auf ein paar alberne Computereffekte nicht verzichten konnte. Bei all seinem Engagement für die Band ist schwer vorstellbar, dass es eine Bandphase gab, in der er sich aus gesundheitlichen Gründen im Hintergrund halten und seinen Sängerposten abgeben musste – was sicherlich auch eine spannende Zeit war, von der man gern mehr erfahren hätte. Bei aller Kritik an den STRASSENJUNGS, deren Punk-Anspruch ihnen die Szene nicht immer abnimmt, haben sie es doch anscheinend geschafft, eine Nische derart zu besetzen, dass ihre Musik noch immer einträglich ist. Bei genauerer Betrachtung ist dies eine Nische, mit der andere aus der Punk-Subkultur stammende, etwas jüngere Bands es zu wesentlich größeren Erfolgen gebracht haben; zumindest drängen sich gewisse Vergleiche auf. Insofern ist einer meiner ersten Eindrücke nach Sichtung des Films dann auch, dass die Punkszene mitunter zu hart mit der Band ins Gericht geht, die es immerhin irgendwie verstand, ihrem D.I.Y.-Prinzip jahrzehntelang treu zu bleiben. Ich liege sicherlich nicht komplett verkehrt, wenn ich der Band attestiere, öfter mal einen Spagat zwischen dem, worauf man selbst gerade am meisten Bock hatte und gewissen kommerziellen Experimenten probiert zu haben. So oder so ist der „Dauerlutscher-Report 1“ gerade auch ein pop- und subkulturell interessantes Zeugnis, bei dem die Zeit wie im Flug verging – möglicherweise aber eben auch deshalb, weil ich bereits im Vorfeld neugierig auf diese für mich nie richtig greifbar gewesene Band gewesen bin. Wer hingegen eine anarchische Punkumentary erwartet, wird woanders sicherlich besser bedient.