mittag, günter - um jeden preis - im spannungsfeld zweier systemeOhne die Einheit Deutschlands wäre es in der DDR zu einer „wirtschaftlichen Katastrophe mit unübersehbaren sozialen Folgen“ gekommen.- Diese Bankrotterklärung, abgegeben von einem der mächtigsten Männer der DDR, steht am Ende seiner Betrachtung über vierzig Jahre praktizierte sozialistische Planwirtschaft: Günter Mittag, Ökonom, Politbüromitglied, Stellvertreter Honeckers im Spätsommer 1989, analysiert als Beteiligter die Strukturen der Macht und die Ambitionen der Mächtigen, sucht nach den Ursachen für den verhängnisvollen Zustand der DDR-Wirtschaft und findet sie unter anderen in den enormen Aufwendungen für „innere Sicherheit“ und Rüstung, im Mißverhältnis von Subventionen, Konsumtion und produktiver Akkumulation, im Vereiteln längst fälliger Reformen. Systembedingte Abhängigkeiten und subjektives Versagen werden dem Urteil der Geschichte preisgegeben. (Verlagstext)

in seinem ich glaube schon 1991, also kurz nach der Wiedervereinigung, veröffentlichten Buch gibt sich Mittag weitestgehend ideologiefrei, verliert kaum ein schlechtes Wort über die BRD bzw. den Kapitalismus allgemein und sieht den Untergang der DDR und die Wiedervereinigung als folgerichtig an. Er rechnet vor, warum die DDR so oder so nicht mehr überlebensfähig gewesen wäre und nennt neben den Reparationszahlungen an die UdSSR, die die BRD nicht zu leisten hatte, und dem Handelsembargo zahlreiche innenpolitische Gründe, die sich mit Ignoranz und Ahnungslosigkeit der Parteigenossen zusammenfassen lassen. Er kritisiert deutlich die exorbitanten Ausgaben für Sicherheit, Militär und verordnete Massenveranstaltungen, das Festhalten an Subventionen für quasi alle Verbauchswaren etc. und bemängelt einen falsch verstandenen Kurs im Sinne der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sein Buch liest sich wie ein ziemlicher Abgesang, seine nur zurückhaltend geäußerte Kapitalismuskritik ließe sich evtl. aber damit begründen, dass aus seiner Sicht zum Zeitpunkt des Schreibens noch Hoffnung bestand, dass sich der Kapitalismus nicht wieder gänzlich entfesseln würde. Seinerzeit bestand ja noch die UdSSR, Gorbatschow wird von Mittag in den höchsten Tönen gelobt. Interessant ist es jedenfalls, etwas tiefere Einblicke in die DDR-Wirtschaft zu bekommen, als es bei anderen Politbüro-Autoren bisher möglich war. Seine Aussagen laufen hingegen denen von Krenz und anderen konträr, die im Nachhinein behaupten, die DDR wäre gar nicht so pleite gewesen. Tja, je mehr man liest, desto mehr Ansichten, Meinungen und vermeintliche Wahrheiten erfährt man. Was soll man nun glauben? 😉