Günnis Reviews

Kategorie: Konzertberichte (page 4 of 44)

17.08.2023, Monkeys Music Club, Hamburg: ANTAGONIZERS ATL + RED BRICKS

…und ANTI-HEROS. Die waren mein primärer Grund für den Konzertbesuch, sollte die US-Oi!-Band, die bereits seit den 1980ern besteht, doch erstmals seit über 20 Jahren drei Gigs in Deutschland absolvieren: in Essen, tags darauf in Hamburg, anschließend in Berlin. Dazu später mehr. Wäre nicht viel potenzielles Publikum bereits zum „Spirit of the Streets“-Festival aufgebrochen gewesen, wäre das Monkeys an diesem Donnerstag sicherlich noch um einiges besser besucht gewesen. Trotzdem bot sich eine ordentliche Kulisse, als ich mir endlich meinen zweiten RED-BRICKS-Gig anschauen konnte. Die machen sich ja eigentlich nicht gerade rar, aber seit sie ihren neuen Sänger haben, hat es irgendwie nie bei mir gepasst. Im Vorprogramm von THE OPPRESSED hatte ich sie zuletzt sogar nur knapp verpasst. Nun ging aber alles klar: Die Hamburger spielten sechs Song ihres im vergangenen Jahr erschienenen Debütalbums, dazu ein paar jüngere Songs, u.a. das brandneue, am Tag nach dem Gig online veröffentlichte Stück „They Shall Not Pass“. SHARP-Attitüde traf auf die hohe Musikalität erfahrener Bandmitglieder; zwei Gitarren zauberten unkitschige Streetpunk-Melodien, auf die der Sänger mit kräftigem Organ durchdachte Texte mit unwiderstehlichen, oft zum Fäusterecken einladenden Refrains legte. Abgerundet wurde der tolle Auftritt bei ziemlich gutem, differenziertem Sound vom „Ultra Violence“-Cover mit gesanglicher Unterstützung des Publikums. RED BRICKS, die kürzlich auch auf dem englischen Rebellion-Festival aufgetreten sind, sind definitiv eine der Bands der Stunde. Schade nur, dass Bassist Keith an diesem Abend unabkömmlich war. Ersetzt wurde er vom ANTAGONIZERS-Bassisten, der angesichts der kurzen Vorbereitungszeit seine Sache erstaunlich gut machte.

Die ANTAGONIZERS als Atlanta begleiten ihre Nachbarn ANTI-HEROS auf deren Europatour und traten ebenfalls als Quintett mit zwei Gitarren auf. Der Sänger der anscheinend seit den 2010ern existenten Band sorgte von der ersten Sekunde an für Stimmung; völlig entfesselt peitschte er vom Bühnenrand das Publikum an und haute mit kräftiger Background-Unterstützung einen feinen Singalong nach dem anderen heraus, dass es die reinste Freude war. Anfänglich wurde der Gesang noch stark von einer der Gitarren überlagert, aber der Tonmann besserte im Laufe der ersten Songs nach. Der Funke jedenfalls sprang über, einige Gäste (inkl. euer werter Chronist) schwangen fröhlich das Tanzbein und durften sich über das BLITZ-Cover „Warriors“ freuen, für dessen Refrain der Sänger sich ins Publikum begab und die Meute mitsingen ließ. Auf Ansagen verzichtete man größtenteils, als habe man keine Zeit zu verlieren und wolle dem europäischen Publikum so viele Songs wie möglich präsentieren. Einer davon war zudem brandneu. Ein begeisternder Gig, doch die gute Stimmung konnte leider nicht bis zum Ende des Abends gehalten werden…

…denn nachdem die ANTI-HEROS Backing-Band (zu der auch einer der beiden ANTAGONIZERS-Klampfer zählt) als Intro eine ziemlich geil aufgepimpte Version des 4-SKINS-Instrumentals „The Spy from Alaska“ gezockt hatten, betrat Sänger und Bandkopf Mark die Bühne mit einem T-Shirt, das seine Sympathien fürs Trump-Lager mehr als nur erahnen ließ. Das machte dann auch rasch im Publikum die Runde, woraufhin sich ein nicht unbeträchtlicher Teil der Anwesenden in den Pub-Bereich zurückzog und lieber miteinander trank, als die Band vor der Bühne zu unterstützen. Da auch ich dazuzählte, kann ich hier zum Gig nichts weiter schreiben. US-Oi!-Legende hin oder her, auf so etwas habe ich keinen Bock. Nach dem Gig habe Mark dann noch etwas von „Joe Biden ist schlimmer als Hitler und Stalin zusammen, man erzählt euch in Deutschland nicht die Wahrheit!“ gefaselt und auf Facebook hat er Videos von Alt-Right-MAGA-Deppen gepostet. Der dürfte sich aber mal ganz kräftig im Geflecht aus Verschwörungsideologien, Rechtspopulismus und Fehlinformationen verheddert haben. Das Monkeys-Team war davon genauso überrascht wie wir. Schade, denn diese Band bedeutete mir mal etwas und ich hatte mich wochenlang auf den Gig gefreut. Zeichen der Zeit…

21.07.2023, IsoVinyl, Buxtehude: DEEP DYED

Mehr oder weniger durch Zufall war ich darauf gestoßen, dass es nicht nur wieder einen Plattenladen in meiner alten Wahlheimat gibt, sondern dort an einem Freitagabend auch ein Gratis- bzw. Hutspenden-Konzert eines jungen, als „Psych-Pop“ bezeichneten Hamburger Quartetts namens DEEP DYED spielen sollte. Da ich Buxtehude ohnehin mal wieder einen Besuch abstatten wollte, bot es sich an, von der Maloche kommend statt nach Hause direkt in die andere Richtung zu gondeln. In der Este-Metropole angekommen, orderte ich erst mal ‘nen Burger (der teuerste, den ich jemals hatte – verdammte Inflation!) und ‘n Bierchen in der WaschBar, in deren Außenbereich kurioserweise die Band nur einen Tisch weiter von mir saß. Ich brauchte für mein Mahl etwas länger, sodass sie schon zu spielen begonnen hatte, als ich mich am Fleth in den gemütlichen Plattenladen mit Wohnzimmeratmosphäre drängelte und dem ersten Set beiwohnte, das fast ausschließlich auf die ruhigeren Stücke setzte, von denen ein Großteil vom just als LP, MC und CD veröffentlichten Debütalbum „Unmade Beds“ gestammt haben dürfte.

Die Instrumentierung war klassisch: Drums, Bass, zwei Gitarren, Gitarristin und Gitarrist teilten sich den englischsprachigen Gesang. Beide harmonierten gut miteinander; meist wechselten sie sich ab, manchmal ertönte der Gesang auch mehrstimmig. Eine musikalische Zuordnung fällt nicht leicht, Indie-Pop-Rock als Oberbegriff dürfte passen, in einer ein bisschen post-punkigen Ausrichtung, ohne allzu düster zu werden. Dieses erste Set klang sehr zurückgenommen, verträumt, melancholisch, dabei sehr musikalisch mit größtenteils unverzerrten Gitarren, denen zum genüsslichen Zuhören einladende Melodien und Harmonien entlockt wurden. Eine Coverversion befand sich wohl darunter, die ich aber zugegebenermaßen nicht erkannt habe. Kurz vor Ende des Sets ging der Hut rum, der vom spendierfreudigen Buxtehuder Publikum gut gefüllt wurde.

Anschließend war eine gute Stunde Pause angesagt, die prima genutzt werden konnte, um sich aus dem – mir bis dato auch vollkommen unbekannten – Laden nebenan, dem Flethensitzer, Buxtehuder Craft-Bier zu holen und sich damit an den mit einigen Tischen und Bänken ausgestatteten Fleth zu, äh, flethzen. Beinahe müßig zu erwähnen, dass mir auch dieses Buxtehude-eigene Bier vollkommen neu war. Der plötzlich eintretende Regen trübte die angenehm sommerliche Stimmung leider ein wenig, dafür traf ich aber erst jetzt eingetroffene alte Bekannte und konnte ein Pläuschchen mit Iso halten, der seinen Plattenladen als kulturellen Treffpunkt verstanden wissen will und ihn ohne kommerzielle Gewinnabsicht betreibt. Bei alldem wurde mir ein wenig warm ums Herz.

Dieser Zustand hielt auch beim zweiten, dem etwas „wilderen“ Set an. Ein Song, bei dem es etwas mehr zur Sache ging, hatte während des ersten Sets bereits einen Ausblick darauf geliefert. Die Klampfen wurden nun auch verzerrt gespielt, der Sound bekam mehr Nachdruck, die feinen Melodien und melancholische Ausrichtung blieben aber erhalten. Hin und wieder musste ich dabei an ursprünglichen Grunge denken, aber dieser Vergleich hinkt. Das machte nicht nur mir Laune, auch DEEP DYED hatten sichtlich Spaß und ließen sich zu gleich zwei Zugaben überreden. Ich bin nun wahrlich nicht alle Tage auf einem Konzert einer jungen, frischklingenden Indie-Band und kann mit vielem aus diesem Bereich auch so gar nichts anfangen, aber das hier war ‘ne wirklich coole Nummer in heimeligem, intimem Ambiente zwischen Platten von Hardrock bis Schlager und Alf-Hörspielen.

Am Donnerstag, 31.08.2023 spielen DEEP DYED ihre offizielle Record-Release-Show im Hafenklang.

DEEP DYED bei Bandcamp:
https://deepdyed.bandcamp.com/

09.07.2023, Monkeys Music Club, Hamburg: SHEER TERROR

Die NYHC-Legende SHEER TERROR im Monkeys? Hatte die da nicht gerade erst gespielt? Ja, im November, aber ohne mich, und tatsächlich lag mein letztes SHEER-TERROR-Konzert beinahe unentschuldbar schon wieder saulange zurück (2015 war’s). Offenbar hatte das Monkeys der Band auf ihrer Sommer-Tour kurzerhand mit diesem Slot ausgeholfen, entsprechend kurzfristig war das Konzert für diesen Sonntag anberaumt worden. Es war der Sonntag eines wunderschönen Wochenendes, das sich beinahe wie Sommerferien angefühlt hatte, wenngleich Hamburg unter einem Hitze-Hoch ächzte. Der krönende Abschluss dieses Wochenendes sollte dieser Gig werden, für den ich mir vornahm, es nicht zu übertreiben, da ich am nächsten Morgen wieder zur Maloche musste.

Um 20:00 Uhr sollte es eigentlich losgehen, doch als ich um kurz nach halb acht eintraf und die 18,- EUR an der Abendkasse latzte, war noch ziemlich tote Hose. So richtig voll sollte es auch bis 20:30 Uhr nicht mehr werden, als die Band um Wutbrocken Paul Bearer mit „Here To Stay“ loslegte, aber das war wohl auch nicht zu erwarten. Um die 30 Besucherinnen und Besucher dürften ob des wuchtigen P.A.-Sounds, des genialen, bandtypischen Gitarren-Tunings und Pauls brachialem, fiesen Gebrüll ebenso verzückt gewesen sein wie ich. Der Fokus des Sets lag auf den Klassikern wie „I, Spoiler“, „Twisting and Turning“, dem außergewöhnlichen „Roses“ mit Pauls cleanem Gesang, „3 Year Bitch“, „Ashes, Ashes“ usw., angereichert mit Material vom starken Comeback-Album „Standing Up For Falling Down“ oder auch dem (ebenfalls clean gesungenen, punkrockig-melancholischen) OLD-97‘S-Cover „Salome“.

Zwischendurch ließ sich Paul seine berüchtigten Spoken-Word-Beiträge natürlich nicht nehmen. Den ersten widmete er dem leider vor wenigen Tagen an den Folgen seiner langen Krankheit verstorbenen GROWING-MOVEMENT-Sänger und ehemaligen APPD-Sportminister Loll – ein schöner Nachruf auf einen alten Haudegen, den ich seinerzeit als Talkshow-Gast bei „Vera am Mittag“ über die Mattscheibe flimmern sah und den Auftritt abfeierte. Im zweiten machte er unmissverständlich klar, dass Homophobie in der Hardcore-Szene nichts verloren hat, schon gar nicht im Jahre 2023. Beim dritten war ich gerade Wasser abschlagen und bekam daher nicht alles mit, aber er übte wohl (Selbst-)Kritik an der New Yorker Hardcore-Szene, die er polemisch als so etwas wie eine internationale T-Shirt-Verkaufsindustrie bezeichnete. Damit nicht so ganz d’accord ging einer der Gäste, der Paul auf Deutsch ein paar Widerworte gab, die dieser nicht verstand, woraufhin der Besucher um Nachsicht bat („I cannot so good English“) und ein Kumpel von ihm insofern dolmetschte, als er Paul sagte, sein Kollege sei not angry at him, wovon Paul nämlich ausgegangen war. Shakehands, alles gut, weiter im Programm mit Original-Hatecore der alten Schule (lange bevor Neonazis diese Bezeichnung für sich adaptierten).

Einer der Höhepunkte war erwartungsgemäß „Just Can’t Hate Enough“, eine der SHEER-TERROR-„Hymnen“ schlechthin. Doch damit war dann leider auch schon Schluss; auf das eigentlich noch auf der Setlist verzeichnete, zum festen Live-Bestand der Band zählende THE-CURE-Cover „Boys Don’t Cry“ musste man leider verzichten – auch die „One More Song!“-Rufe lockten Paul nicht mehr aus dem Backstage zurück. Gut möglich, dass er seiner Kondition Tribut zollen musste; der Gute wird ja auch nicht jünger und bei seiner körperlichen Konstitution sind Temperaturen wie an diesem Wochenende sicherlich noch mal wesentlich kräftezehrender als für unsereins, die wir zudem keine Hardcore-Show abreißen müssen. Ich gönnte ihm seinen Feierabend und freute mich darüber, einen geilen Gig bei Spitzensound erlebt zu haben, der mich zu ein paar grobmotorischen Zuckungen und Tanzschritten verleitet, mir vor allem aber Songs um die Ohren gehauen hatte, die mir viel bedeuten und mich seinerzeit dazu inspiriert hatten, selbst ‘ne kleine Krawallcombo zu gründen. Ich wünsche SHEER TERROR noch viele geile Konzerte vor wesentlich mehr Publikum auf ihrer Tour!

Nach einem lütten Absacker ging’s flugs nach Hause, denn für den späten Abend waren Regen und Gewitter angesagt und ich war nur in T-Shirt und Kutte unterwegs. Zu Hause ließ ich das Wochenende mit Kopfhörern in den Ohren bei ein, zwei Bierchen auf dem Balkon ausklingen, wo ich aufs Gewitter wartete, das irgendwann eher zaghaft kam, aber die ersehnte leichte Abkühlung mit sich brachte…

09. + 10.06.2023, Gaußplatz, Hamburg: GAUSSFEST 2023

Auch im 31. Jahr seines Bestehens lud der Hamburger Gaußplatz zum zweitägigen Gratis-Open-Air-Festival, und mit meiner kleinen Kapelle war ich diesmal sogar live dabei. Das Billing wurde mehrfach durcheinandergewürfelt, wir waren für die leider verhinderten DETROIT 442 nachgerutscht. So traf ich mich am Freitag also direkt nach der Lohnarbeit mit den anderen Motherfuckers + Familienanhang am Proberaum, wo wir einen Bollerwagen mit unseren Plünnen befüllten, den wir anschließend durch den Stadtteil zogen. Am Aldi legten wir ‘nen Zwischenstopp ein, um noch ‘ne Palette Discount-Dosenbier mitzunehmen, als unsere Mobiltelefone einen Alarm meldeten: Schwarze Rauchwolken zogen aus der Hafencity kommend durch die Stadt und das Dachgeschoss eines Gebäudes brannte. Grund: Auf einer Baustelle waren Gasflaschen explodiert. Offenbar bereits zum wiederholten Male… Ein paar Böller zum Salut also. An beiden Tagen herrschte bestes Wetter, dem man aufgrund der Platzvegetation und -bebauung aber auch meist gut in den Schatten ausweichen konnte. GOSSESIEBEN aus Wittmund um Rohrpost-Fazinemacher Torben sollten gegen 18:00 Uhr den Liveband-Reigen eröffnen, waren aber noch mit Aufbau und Soundcheck beschäftigt. Wir holten uns unsere Freibier-/-mampf-Stempel bei Bühnen- und Soundchef Wurzel ab, waren überrascht, dass sogar ‘n Schein für die Bandkasse abfiel, und köpften die erste Pulle.

Als der Soundcheck durch war, ließen sich GOSSESIEBEN nicht lange bitten und traten den bereits zahlreich versammelten Musik- Connaisseuren mit ihrem deutschsprachigen Hardcore-Punk der schnörkellosen alten Schule kräftig in die Hintern. Torben bellte, angepeitscht von seinen drei Bandkollegen, aggressiv ins Mikro, legte gut paar Meter auf der Bühne zurück und kotzte sich über diverse eklige Missstände kräftig aus, dass es eine Freude war. Mit „Stadt der Mörder“ von LEFT JAB fand sich eine originell gewählte Coverversion mit Stadtteil- und Gaußplatzbezug im Set und ich freute mich über diesen gelungenen, schön anstachelnden Festivaleinstand!

GOSSESIEBEN bei Bandcamp:
https://gossesieben.bandcamp.com/

Dann sollten und wollten wir ran, an einen schnellen Umbau war aber nicht zu denken: Ein verdammtes Kabel für Hollers Bass-Amp fehlte. Die Technikdepots des Platzes wurden auf den Kopf gestellt, aber nix zu machen: Ein Ersatzgerät musste her. Dieses war dann aber rasch gefunden und eingestöpselt. Weiter zum Monitor-Check. Nix zu hören, mach ma‘ lauter. Immer noch nix. Noch lauter. Nix. Irgendwann des Rätsels Lösung: Sabotage! Die Dinger waren gar nicht an. Herrlich die Noisecore-Feedback-Orgie, als sie dann eingeschaltet wurden. „Das war unser Konzert, vielen Dank für eure Aufmerksamkeit“, scherzten die Kollegen von der Bühne. Teile des Publikums scharten bereits länger ungeduldig mit den Hufen und bewarfen uns mit Schmutz und Unrat. Gitarrist Kais kleiner Sohn tat es ihnen gleich, wenn er nicht gleich selbst auf der Bühne herumsprang und uns verprügelte. Anarchie und Anomie! Zum Glück gab’s Bier. Nachdem wir beschlossen hatten, dass das mit den Monitoren jetzt so gehe, legten wir direkt los, um Schlimmeres zu verhindern. Mein Gekeife ließen wir während der ersten Songs von Wurzel und seinem Kompagnon einpegeln. Der Gig machte Laune und klappte weitestgehend ohne weitere Probleme. Das Publikum bestachen wir mit dem warmen Billigdosenbier. Das war ‘ne reichlich bekloppte Idee, weil das gekühlte Flaschenpils nur ‘nen lumpigen Euro kostete (inflationsfreie Zone Gaußplatz!), funktionierte kurioserweise aber trotzdem. Wir zockten in ungefähr 40 Minuten 14 Stücke, darunter zum zweiten Mal überhaupt „Blutgrätsche“, und mit „Phoenix aus der Flasche“ gab’s ‘ne Livepremiere. Irgendwann turnte Kais kleiner Racker wieder auf der Bühne herum (natürlich mit Hörschutz, durch den kleine Kinder immer so aussehen, als müssten sie in viel zu jungen Jahren schon auf dem Bau arbeiten – mit dem Presslufthammer!), konterkarierte unseren Hatepunk mit Cuteness und stahl uns glatt die Show. Da wir ohnehin schon im Zeitverzug waren und nun mal auch keine Rockstars sind, übersprangen wir den Tschüß!-Zugabe!-Na-gut…-Teil und zockten das PROJEKT-PULVERTOASTMANN-Cover ohne vorausgehendes Brimborium. Dass wir daraus eigentlich ein Duett mit Originalsänger Snorre hätten machen können, der genau vor der Bühne stand, fiel mir leider erst im Nachhinein ein… Da ein paar Unentwegte dann aber trotzdem noch mehr wollten, spielten wir einfach „Blutgrätsche“ noch mal. Es war uns ein Vergnügen! Auf der Bühne war’s übrigens so warm, dass das obligatorisch von mir verschüttete Bier am Schluss komplett weggetrocknet war und ich die nun welligen Setlists einfach wieder einpacken konnte.

Wir sind auch bei Bandcamp:
https://disillusionedmotherfuckers.bandcamp.com/

Nun stand das Heimspiel für Weste, Nina, Needlz und Toni, sprich: die LIQUOR SHOP ROCKERS an. Vor ein paar Jahren hatten wir mit ihnen anlässlich meines Geburtstags schon mal im Gängeviertel gespielt. Die Band hatte letztes Jahr leider krankheitsbedingt absagen müssen und ist durch den ganzen Brexit-Mist und dessen Auswirkungen auf ihren schottischen Gitarristen Needlz ohnehin gebeutelt. Umso schöner, dass es dieses Jahr geklappt hat! Teile des Auftritts verschwimmen in meiner Erinnerung etwas, da ich viel in Smalltalk involviert war, aber nach, ich glaube, anfänglichen Soundproblemen war das wieder ‘ne feine Mischung aus Punkrock und Hardcore-Vibes, dargereicht von alten Szenehasen. Und diese verstehen es nach wie vor, ordentlich Druck zu machen, Spielfreude an den Tag zu legen und eingängige Songs mit dem nötigen Maß an Aggression und Verbindlichkeit herauszuschmettern. Wie Needlz an der Klampfe abgeht, grenzt an Sport und ist ein echter Hingucker, ebenso natürlich der hochgewachsene Weste, der in seiner Gestik seinen HC-Hintergrund nicht verbergen kann (und vermutlich auch gar nicht will, wozu auch?). Nina lässt den Viersaiter ordentlich knarzen und Toni schenkt seinem Drumkit kräftig einen ein. Dass Weste für den einen oder anderen Text zum Spickzettel greifen musste, kann man ihnen kaum verdenken. Klasse Band, die uns den Umständen zum Trotz hoffentlich noch lange erhalten bleibt!

LIQUOR SHOP ROCKERS bei Bandcamp:
https://liquorshoprockers.bandcamp.com/

Mittlerweile war’s dunkel geworden und das französische Heavy-Punk-Trio CAPRICÖRN stand auf der Bühne. Das kannte ich bisher noch nicht, klopfte mit seinem flotten MOTÖRHEAD- und Crust-beeinflussten Hardcore-Punk aber gut aufs Mett. Die englischsprachigen Texte teilten sich der Gitarrist und der Bassist, wobei letzterer zunächst gar nicht zu hören war, aber anscheinend rasch das Mikro ausgewechselt bekam. Die eher düstere Stimmung der Musik passte zur Dunkelheit, die rauen Stimmen schmirgelten gut was weg und an den Instrumenten war man ziemlich tight. Der dominante Bass klang nicht selten – nicht unähnlich der vorausgegangenen Band – wie ‘ne zweite Klampfe. Vor ungefähr ‘nem Jahr ist das aktuelle Album „Sink In Tears“ erschienen, das ziemlich gut durchläuft. Atmosphärischer Stoff mit gutem Gespür für interessante, griffige Songs, live sehr überzeugend dargeboten. Nach dem letzten Akkord ging’s für mich aber flugs in die Koje, schließlich sollte es am nächsten Abend pünktlich weitergehen.

CAPRICÖRN bei Bandcamp:
https://capricornrock.bandcamp.com/

Tatsächlich ging’s Samstag sogar dermaßen pünktlich los, dass HOT SCHROTT bereits spielten, als ich um kurz nach 18:00 Uhr wieder auf dem Platz eintraf. Die hatten ein Heimspiel und stießen auf reges Interesse, sicherlich nicht nur, weil dieser Auftritt als ihr vorletzter überhaupt angekündigt worden war. Ich hatte ehrlich gesagt bis hierhin kaum Berührungspunkte mit der Band, weil mich die in den Plattenkritiken herangezogenen Vergleiche in Richtung Rachut und Früh-/NDW-Punk eher abgeschreckt hatten. „Post-Emotion-Punk“ bezeichnet das Quintett seinen Stil, der mit mal süßlichem, mal rauem weiblich-männlichem Wechselgesang ebenso punktet wie mit zeitgeistkritischen Texten. Manche Songs wurden um ‘ne Geige ergänzt. Der Sound klingt häufig etwas monoton und minimalistisch, die Drums bewusst zurückgenommen. Textlich scheint’s zuweilen aber bischn verklausuliert und eigen zuzugehen. Die Vergleiche kann ich nachvollziehen und so ganz meine Mucke spielen HOT SCHROTT nicht, kreativer als die zigste D-Beat-Combo sind sie aber allemal. Ehrlich gesagt diente mir der Gig ‘ne ganze Weile als Hintergrundbeschallung zum Ankommen, Essen und zu trinken Beginnen, vor der Bühne herrschte aber großer Andrang.

HOT SCHROTT bei Bandcamp:
https://hotschrott.bandcamp.com/

Die Berliner NOT THE ONES hatte ich mir als hörenswerte Band notiert, von der ich mir beizeiten vielleicht mal Vinyl zulegen sollte. Nun stehen mittlerweile so viele Namen auf dieser Liste, dass ich diesen zunächst gar nicht mehr so recht zuordnen konnte, es mir dann aber wie Schuppen aus den Ohren fiel: Klar, das Punktrio mit seinem ‘77er-Sound britischer Machart und den frischen, oft eingängigen Melodien! Die Sängerin/Gitarristin stellte den neuen Drummer Victor vor und kommunizierte relativ viel mit dem Publikum. Den Gaußplatz kannten NTO offenbar von mehreren vorausgegangenen Konzerten. Eine schnelles Nachschlagen in meinem Konzerttagebuch ergab, dass ich sie auf der 2017er Ausgabe des Festivals ins Gespräch vertieft ignoriert hatte. Herrje. Mir lief der Gig bei tollem Sound jedenfalls gut rein. Schnörkelloser melodischer Oldschool-Punkrock bei herrlichem Sonnenschein ist und bleibt halt was Feines!

NOT THE ONES bei Bandcamp:
https://nottheones.bandcamp.com/

Leider waren die Berliner bereits die vorletzte Band, denn die multinationale Latino-Punkband DEATH MARIACHIS, die eigentlich mit BUTCHER BABY auf ‘ner kleinen Tour hätte sein sollen, hatte leider kurzfristigst abgesagt. Der BUTCHER-BABY-Auftritt wurde daraufhin lange hinausgezögert bzw. die MARIACHIS-Spielzeit blieb einfach ungenutzt. Ungefähr 21:45 Uhr dürfte es gewesen sein, als die Londoner, die u.a. ein Mitglied der RESTARTS in ihren Reihen wissen, zum Angriff bliesen. Das war ‘ne sehr rotzige Mischung aus klassischem UK-Iro-und-Nieten-Punk der Marke EXPLOITED und Konsorten sowie wüstem und heavy US-Geballer à la POISON IDEA. Rüpelig, asig, auf Krawall gebürstet und oberkörperfrei, ohne, dass man ihnen dafür den Strom abstellen würde. Irgendwas von POISON IDEA wurde sogar gecovert, angeblich auch etwas von ZZ TOP verpunkt – was aber auch ein Scherz gewesen sein kann. Im Publikum wurden Pyros gezündet, vor der Bühne betrunken gepogt und das Bier floss bei diesem treibenden Beat doppelt so schnell die Kehlen herunter. „No Pasaran“ gab’s einmal im regulären Set und abschließend noch mal als Zugabe, dann war Feierabend. Schade, dass es das jetzt gewesen sein soll, denn der Gig war als letzter BUTCHER-BOYS-Auftritt überhaupt angekündigt. Warum diese vielen Bandauflösungen?

BUTCHER BABY bei Bandcamp:
https://butcherbaby.bandcamp.com/

Die Party war aber noch nicht vorbei und an diesem Abend machte ich ungefähr bis zur magischen Grenze von 2:00 Uhr, nach der bekannterweise meist nichts Gutes mehr passiert, weiter, saß auf den Stufen des Holzrondells, trank, quatschte mit alten und neuen Bekannten (und schleppte gefühlt alle fünf Minuten meine Pionierblase aufs Klo). Eine schöne zweitägige Auszeit war das mal wieder; danke dafür an den Gaußplatz und Vogelfrei e.V., alle Bands und Mitmenschen, die zum Gelingen beigetragen haben, die Veltins-Brauerei und nicht zuletzt Flo (Farbfotos) und Torben (Schwarzweißfotos) für die Schnappschüsse unseres Gigs! Am 11.11. sind wir übrigens wieder dort zu sehen, dann in der Platzkneipe El Dorado zusammen mit unseren verhaltensauffälligen Kollegen vom INBREEDING CLAN für einen Soli-Gig!

26.-28.05.2023, Amphitheater, Gelsenkirchen: ROCK-HARD-FESTIVAL 2023

Auf dem Rock-Hard-Festival war ich bisher zweimal, in den Jahren 2015 und 2016. Das Gelsenkirchener Amphitheater mitten im Grünen am Rhein-Herne-Kanal ist sicherlich einer der schönsten Open-Air-Konzertorte Deutschlands und dürfte so um die 8. bis 10.000 Besucherinnen und Besucher fassen, will sagen: Das Festival ist kein überdimensioniertes Spektakel à la Wacken & Co. Dieses Jahr sah das Billing derart vielversprechend aus, dass es selbst bei mir, der ich nun eigentlich kein großer Festival-Gänger bin, zu kribbeln begann und ich letztlich den Entschluss fasste – bzw. mir die Erlaubnis meiner besseren Hälfte einholte –, dann doch mal wieder zu partizipieren. Ausschlaggebend hierfür waren in erster Linie die Ankündigung, dass Tom Warriors TRIPTYKON hier ein spezielles CELTIC-FROST-Klassikerset Schland-exklusiv darreichen würden und ich die Chance erhalten sollte, erstmals in meinem Leben (!) TESTAMENT live zu sehen. Mit HOLY MOSES, DISCHARGE, ENFORCER, KNIFE, den für die verhinderten EXODUS eingesprungenen SODOM und MSG, die ich 2015 bereits ebenda gesehen hatte, klang aber auch der Rest vom Fest vielversprechend – und bei den übrigen Bands dürfte bestimmt wieder die eine oder andere Entdeckung zu machen sein, dachte ich mir.

Als ich mich im Februar auf die Suche nach einer Unterkunft begab, musste ich ernüchtert feststellen, dass es seinerzeit wesentlich einfacher war, günstige, privatvermietete Zimmer in Gelsenkirchen zu finden. Die Preise sind explodiert bei zugleich anscheinend ausgedünntem Angebot – oder ich war schlicht zu spät dran. Letztlich kam ich in einem Nobel-Appartement unter, das für mich als Alleinreisenden sehr großzügig bemessen und nun auch nicht gerade ein Schnäppchen, dafür aber sehr zentral direkt am Bahnhof gelegen war. Wat soll man machen…

Die Anreise mit diesem komischen Flixtrain von HH nach GE verlief zunächst etwas abenteuerlich, am Ende aber beinahe pünktlich und somit ziemlich flott. Die Bude war schnell bezogen; also noch mal feucht durch den Schritt gewischt, ins legere Beinkleid geschlüpft und die Tradition gewahrt, wenigstens an einem der Tage – diesmal am ersten – zu Fuß zum Festivalgelände zu latschen. In den Jahren 2015 und 2016 hatte mich der Weg durch wunderschöne grüne Wanderwege am Rhein-Herne-Kanal geführt, diesmal ging’s längere Zeit an Bahngleisen entlang. Die gut vier Kilometer waren trotzdem ein Genuss, denn das vielgescholtene Gelsenkirchen lädt mit seinen Sandwegen, Wiesen, Parks und Wäldchen auch abseits des Kanal zum Lustwandeln ein. Die grüne Lunge des Ruhrgebiets, oder wat? Gegen 14:15 Uhr traf ich ein, zog mir meine Eintrittskarte an der Tageskasse, ließ mir mein Bändchen geben, griff zum ersten Fischbrötchen und freute mich auf den Eröffnungs-Act um 15:00 Uhr.

Bei diesem handelte es sich um die Schweden SCREAMER, die mir von zwei Clubgigs als gute Liveband in Erinnerung waren. Seit 2009 sind SCREAMER aktiv und hatten nun ihr fünftes Album „Kingmaker“ im Gepäck, von dem sie zum Einstieg gleich die ersten beiden Songs spielten. Das Quintett zockt klassischen Heavy Metal mit ein paar Ausflügen in Richtung Speed. Der Sound war von Beginn an top, der Gesang vielleicht sogar etwas zu laut (ging in den Höhen aber ein bisschen unter). Das Rund des Amphitheaters füllte sich rasch, die Leute hatten Bock. Meine persönlichen Highlights waren „Demon Rider“ und „Shadow Hunter“, „Screamer“ und „Highway of Heroes“ habe ich hingegen vermisst. Die Band gefällt mir am besten, wenn sie etwas ungestümer zur Sache geht, was sie für meinen Geschmack gern wieder öfter tun dürfte. Eher albern sah das (Beinahe-)Einheitsoutfit mit den weißen Westen aus, dem sich nur der Drummer entzog (deshalb „beinahe“). Dieser hatte natürlich wieder seine Becken pervers hoch hängen, eines seiner Markenzeichen. Die Klampfer boten schöne Twinguitars und Soli. Das ging klar und war ein absolut solider Festival-Auftakt.

MOTORJESUS folgten, die hatte ich seinerzeit auch schon mal hier gesehen und sind mit ihrem Schweinerock-Metal musikalisch nicht ganz mein Ding, was aber nicht viel heißen muss. Sie traten mit einem Ersatzgitarristen für den leider erkrankten festen eigentlichen Sechssaiter an und der Sänger klagte über eine Erkältung, von der man aber nichts hörte – allerdings habe ich den Gig auch nicht konzentriert verfolgt. Dass das ein sehr energiegeladener Auftritt war, blieb mir dennoch nicht verborgen und mit dem sehr gelungenen SACRED-REICH-Cover „Independent“ als Rausschmeißer holten sie mich dann sogar doch noch ab.

Die deutsche Thrash-Institution HOLY MOSES mit Shouterin Sabina als besonders hervorstechendem, weil damals noch seltener als heute anzutreffendem Alleinerstellungsmerkmal hat gerade ihr finales Studioalbum „The Invisible Queen“ veröffentlicht und wird sich nach einer Abschiedstournee auch von der Live-Front verabschieden. Das Intro aus der Konserve begann mit der ‘80er-Pop-Schnulze „Careless Whisper“; die Band stieg direkt mit „Def Con II“ von „The New Machine of Liechtenstein“ ein, jenem ‘89er-Langdreher, von im weiteren Verlauf auch die meisten Stücke stammen sollten (nämlich vier an der Zahl). Mischer oder Mischerin schienen sich mit dem Sound zunächst etwas schwerzutun, das bekamen er oder sie mit der Zeit aber in den Griff. Die 59-jährige, gertenschlanke und agile Sabina war hochmotiviert und hatte sichtlich Spaß, headbangte, röhrte, grunzte und sprang auf der Bühne herum, wenn sie nicht gerade ungekünstelt und sympathisch mit dem Publikum kommunizierte. Vom aktuellen Album wurden das Titelstück sowie das geniale „Cult Of The Machine“ kredenzt, mit „World Chaos“ war einer meiner absoluten Favoriten dabei und ‘ne echte Überraschung hielt man gegen Ende parat: Sabinas Ex-Mann und Ex-HOLY-MOSES-Mastermind Andy Classen kam auf die Bühne, um bei „Finished With The Dogs“ vom gleichnamigen Kultalbum ‘ne zweite Klampfe zu spielen und mitzusingen, wofür Sabina ihm ihr Mikro hinhielt. Da war er, mein erster magischer Moment des Festivals! Leider war dann anschließend nicht mehr genug Zeit, um sowohl „Life’s Destroyer“ als auch „Current of Death“ zu spielen, weshalb Sabina das Publikum abstimmen ließ: „Current of Death“ erhielt den Zuschlag und besiegelte diesen starken Gig, der einen veritablen Moshpit vor der Bühne erzeugt hatte, vor allem aber einen Unterschied wie Tag und Nacht gegenüber dem Reunion-Gig 2015 in der Hamburger Markthalle darstellte, als die Band wie ein zusammengewürfelter Haufen auf mich wirkte und Sabina unbeholfen auf Pömps über die Bühne stackste und die Texte von der Zettelsammlung auf dem Fußboden abzulesen schien. Apropos Markthalle: Sie lud zum ebendort stattfindenden Abschiedskonzert am 27.12. dieses Jahres ein! Wäre ‘ne Überlegung wert…

VICIOUS RUMORS schenkte ich als US-Metal-Muffel mir. Gitarrist und Bandgründer Geoff Thorpe glaubt anscheinend bis heute, NIRVANA & Co. hätten in den ‘90ern den Metal gekillt. Außerdem spielen die gefühlt auf absolut jedem deutschen Metal-Festival. Stattdessen latschte ich zu „Krachmucker TV“-YouTuber Ernie Fleetenkiekers Lesung aus seinem in Kürze auch im offiziellen Handel erscheinenden autobiographischen Pamphlet „Metal-Manifest“. Aufgrund der Hitze stand er nur in Socken, Hotpants und Kutte (ach ja, und Schlips!) da, las auszugsweise aus seinem Buch, kommunizierte mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern, fragte Fachwissen ab, hielt LPs in die Luft und trank Bier. Sehr sympathisch, sehr eloquent, sehr ehrlich, authentisch und, ja – witzig! Ich fürchte, der Schinken muss beizeiten her… Leider schaffte ich’s das Festival über aber zu keiner der zwei oder drei verschiedenen „Kumpels in Kutten“-Ruhrpott-Metal-Fachbuchlesungen mehr.

Apropos Muffel: Die britischen Death-Metal-Urgesteine BENEDICTION hatte ich als Death-Metal-Muffel eher unter schleppend bis doomig abgespeichert, was ja nicht so mein Ding ist – je trashiger der Death Metal klingt, desto besser. In diesem Falle war ich anscheinend zu ignorant, denn BENEDICTION zockten überraschend flotte Stücke, hatten im italienischen Drummer ein Tier an den Kesseln und in Dave Ingram einen Sänger mit herrlich tiefem Organ, verziert mit dezentem Hall. Das zog mir die Falten aus dem Arsch, mit dem ich mich auf die Amphitheater-Stufen gefläzt hatte, und der Pöbel drehte völlig frei, schmiss sogar das teure Bier durch die Gegend. Den Song „Stormcrow“ widmete Ingram TRIPTYKON-Bandkopf Tom Warrior. Die Zugabe wurde im direkten Anschluss an den nominell letzten Song dargereicht, ganz ohne die üblichen Spielchen, die ihr normalerweise vorausgehen. Die Überraschung des Festivals für mich, werde mir in Kürze den „WDR-Rockpalast“-Mitschnitt drücken und die Chose reevaluieren.

Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit dann der langerwartete Headliner des Tages und mein persönlicher Festival-Höhepunkt: TRIPTYKON performing early CELTIC FROST! „Danse Macabre“ kam als Intro aus der Konserve, wobei ich auch „Human (Intro)“ (auf einem Livealbum von den KASSIERERN als „Aufschrei der Kreaturen im Moment des Bewusstwerdens“ gecovert) goutiert hätte. Wie auch immer, „Into the Crypts of Rays“ als erster livegespielter Song flashte mich sofort. Dieser Gitarrensound – hier sogar von gleich zwei Klampfen kreiert –, Toms Stimme, die treibenden Drums und der wummernde Bass – hier stimmte einfach alles! Weiter ging’s durch die großartigen Songs von Meisterwerken wie „Morbid Tales“ und später „To Mega Therion“, abgeschmeckt mit ein bisschen „Emperor’s Return“-Material. Ich hatte CELTIC FROST nie live gesehen; als vor Jahren eine ähnliche Veranstaltung zusammen mit dem damals noch lebenden Martin Ain geplant war, war diese ins Wasser gefallen. Hier war ich nun aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Band spielte vor einem riesigen Backdrop mit dem Giger-Gemälde des „To Mega Therion“-Albums, die Lightshow mit ihren Grün- und Lilatönen war erhaben und Tom in all seiner Bescheidenheit dem Publikum überaus dankbar – dabei haben wir zu danken! Mein zweiter magischer Moment des Festivals, wobei sich der „Moment“ vom ersten bis zum letzten Song erstreckte.

Mit dem natürlich mit Festival-Besucherinnen und -Besuchern überfüllten Linienbus ging’s bis fast vor die Haustür meiner Unterkunft zurück und ich schlief zeitig glückselig ein, schließlich wollte ich am nächsten Tag fit sein.

GÜNNIgfeld und KROKUSwinkel!

Dieses Unterfangen klappte dann auch ganz gut. Die Buslinie vom Vortag fuhr zwar gerade nicht, aber mit einer anderen konnte ich nach einem nahrhaften und fair bepreisten Frühstück vom Bahnhofspassagenbäcker zumindest in die Nähe der entgegengelegenen Seite des Festivalgeländes fahren. Der anschließende Fußmarsch zeigte mir abermals sehr malerische Seiten Gelsenkirchens und pünktlich zum Eröffnungs-Act des heutigen Tages fand ich mich vor der Bühne ein: MIDNIGHT RIDER aus Koblenz um die ehemaligen METAL INQUISITORen Blumi und Cliff haben letztes Jahr ihr zweites Album „Beyond the Blood Red Horizon“ veröffentlicht und spielen trotz nur einer Klampfe recht JUDAS-PRIEST-lastiges Material. Diesen Eindruck verstärkt auch Sänger Wayne, der früher bei einer Priest-Coverband sang, über eine ähnliche Stimmfarbe wie Rob Halford verfügt und auch in seinen Bewegungen mitunter stark an den Metal God erinnert, auf dessen spitze Schreie er aber weitestgehend verzichtet. Blumi kam mit Gipsbein und musste daher auf einem Stuhl sitzend spielen, was seiner Spielfreude aber anscheinend keinen Abbruch tat. „Your Parole“ entpuppte sich als klasse Opener und das getragene „Beyond the Blood Red Horizon“ kam ebenso gut rüber wie „Intruder“, wobei letztgenanntes Stück wirklich sehr stark nach Priests mittlerer Schaffensphase klang. Weiß jemand, welcher Song danach gespielt wurde? Der konnte nämlich auch echt wat. Mit „Demons“ folgte ein echter Hit und mit „Opium Trail“ ging’s zurück zur Debüt-Maxi-Single aus dem Jahre 2008. Vereinzelte spitzere Gesangstöne und Refrainbetonungen wurden durch Echoeffekte verstärkt, auf Backgroundgesang hingegen vollständig verzichtet. Der wäre aber auch tatsächlich nicht nötig gewesen. MIDNIGHT RIDER wurden gut gefeiert und freuten sich sichtlich über den schon zu früher Stunde – 12:30 Uhr – starken Zuspruch, durften sogar für eine Zugabe wiederkommen: ihren Signature-Song „Midnight Rider“! Ein gelungener Auftritt, bei dem meines Erachtens aber der eine oder andere Gitarrensolo-Passus etwas abfiel. Eventuell über einen zweiten Gitarristen nachdenken? Ach ja, und „Always Marching On“ hätte ich mir noch im Set gewünscht – aber man kann nicht alles haben.

Mandy vom Rock-Hard-Team gab nun auf der Bühne bekannt, dass der Flug der Schweden NESTOR gestrichen worden sei und die Band daher später einträfe, weshalb der Ablaufplan geändert werden müsse. Die drei nach dem nächsten Act folgenden Bands wurden also vorgezogen, Nestor auf 18:20 Uhr datiert. Gut wäre vermutlich gewesen, dies öfter mal durchzusagen und hier und da ‘nen entsprechenden Aushang anzubappen, denn das dürfte nicht jeder mitbekommen haben…

KNIFE aus dem Hessischen rüpeln sich mit ihrem angeschwärzten Speed Metal und punkiger Attitüde seit 2019 durch die Szene, haben einige Hits auf Lager und Bock auf ‘nen nietenbesetzten, kettenbehangenen Gig bei prallem Sonnenschein. Eigentlich gehört so was eher in ‘nen stickigen Club, aber auch auf großer Bühne mit protzigem Riesen-Backdrop ließ ich mir den Einstieg „Chromium Pryer“ und Knaller wie „Black Leather Hounds“ (ein verdammter Ohrwurm!), „K.N.I.F.E.“ und natürlich „Sword Loser“ gefallen. Nach „I Am the Priest“ stellte der Sänger mit dem wunderschönen Künstlernamen Vince Nihil seinen Drummer als Kaiser (heißt der mit bürgerlichem Nachnamen so?) und nach dem nächsten Song Basser Gypsy Danger vor, ließ ‘ne schöne Ansage gegen Homophobe, Faschisten und ähnliches Geschmeiß da und kommunizierte und interagierte generell viel mit dem Publikum. Diverse Songs widmete er diversen Personen, bevor’s am Schluss mit „Sacrifice“ noch ein Cover der frühen BATHORY auf die Ohren gab. Unterhaltsamer Gig für Freundinnen und Freunde der etwas gröberen Kelle!

Nun hieß es abwägen: DEPRESSIVE AGE mit ihrem ‘90er-Thrash sind weniger was für Vadder sein‘ Sohn und die krankheitsbedingt leider DISCHARGE ersetzenden VOIVOD habe ich hier schon mal gesehen, sind mir nach den ersten vier Alben aber zu proggy und lahm geworden. Apropos: Was war das eigentlich für ‘ne Nummer, VOIVOD aus ‘nem kleineren Konzert in Ulm, wo sie eigentlich am Abend spielen sollten, herauszukaufen und die Ulmer Szene damit im Regen zu stehen zu lassen? So etwas trägt mit Sicherheit nicht dazu bei, dass die Leute noch Bock haben, sich Konzertkarten im Vorverkauf zu holen – worunter ja größere Teile des Konzertbetriebs ohnehin zu ächzen scheinen. Da hätte ich als DISCHARGE-Ersatz lieber ein, zwei Punk- oder Hardcore-Bands aus dem Pott herangeholt. Ich weiß, das war alles sehr kurzfristig, aber diese Aktion hinterlässt doch einen schalen Beigeschmack. Doch ich hatte ja ohnehin andere Pläne: Schnell mal die Karten-App angeschmissen und nach „Fußballkneipe“ gesucht, 15:30 Uhr war Anpfiff des Erstligafinals. Aha, zwei Kilometer entfernt sollte es eine geben. Nur wenige Meter hinterm Festivalgelände traf ich aber bereits auf einen schnieken Biergarten mit bezahlbarem Imbiss und Fussek-Bezahlfernsehen, wo ich sogar nach Jahren mal wieder gezapftes Alt trinken konnte. Um mich herum bereits zahlreiche Metallerinnen und Metaller, deren Anzahl sich nach und nach erhöhte. Ich war erwartungsgemäß also nicht der Einzige, der Metal mal eben Metal sein ließ und lieber dem Gekicke überbezahlter Söldner beiwohnen wollte. Dass die Nummer für die Region alles andere als gut ausging, ist hinlänglich bekannt und muss hier nicht vertieft werden. Nur eines dazu: Schalke 04 – Seele vom Revier! Jetzt erst recht!

Kopfschmuck…

Zurück auf dem Festival bekam ich immerhin noch das letzte Drittel des BRIAN-DOWNEY’S-ALIVE-&-DANGEROUS-Auftritts mit. Downey, ehemaliger THIN-LIZZY-Drummer, hat sich eine Band zusammengestellt, mit der er das legendäre „Live & Dangerous“-Album wieder auf die Bühne bringt. Für Bass und Gesang hat er tatsächlich eine Art Phil-Lynott-Double gefunden und zockt die Nummern offenbar möglichst originalgetreu. Wer auf diese Art klassischen irischen Hardrocks schwört, dürfte damit viel Freude haben, denn zumindest hier war der Sound astrein, konnten sich die Twin-Gitarren optimal entfalten und war es äußerst respektabel, wie der ja nicht mehr ganz taufrische Downey auf seinem Kit umherwirbelte. Man scheint das Erbe in vollen Ehren zu halten und verzückte das Publikum, das fröhlich mitsang und die Band anfeuerte. The Boys sind mal wieder back in town! Und mit dem Traditional „Whiskey in the Jar“ als krönendem Abschluss kann man ohnehin nicht viel falsch machen. Nicht nur ich schmettere die einst von METALLICA einer jüngeren Generationen wieder nahegebrachte Nummer artig mit.

Nun aber zu einer Band, auf die ich mich so richtig gefreut hatte: NESTOR! Die Schweden haben sich einem Sound zwischen AOR und Pop-Rock der ausgehenden 1980er verschrieben, allerdings jener Variante, die ihre Wurzeln im Hard’n’Heavy-Bereich hat, sprich: Es dominiert Keyboard und -tar (!) zum Trotz eine entschlossen riffende und zuweilen sehr gekonnt solierende Gitarre. Das Retro-Kommando – der Legende nach bereits 1989 gegründet, aber erst vor wenigen Jahren wiedervereint, um nun tatsächlich etwas außerhalb des Proberaums zu reißen – trat zum Rollback in mein Lieblingsjahrzehnt an und zelebrierte diesen mit Mut zu Geschmacksverirrung und Klischee, aber auch einem stets mitschwebenden Augenzwinkern. Da wird Schauspielerin Demi Moore ebenso besungen wie das „lost child on the run“ oder eben jenes magische Jahr 1989, bei dem auch mir ganz warm ums Herz wird. Bis auf das Album „Kids in a Ghost Town“ hat man zwar, von zwei obskuren CD-EPs in den ‘90ern, noch nichts veröffentlicht, ist in diesem speziellen musikalischen Metier aber nach wie vor eine der Bands der Stunde. Dies liegt u.a. daran, dass es sich um kein vom Frontiers-Label zusammengecastetes Studio- oder ein Ein-Mann-Heimprojekt für Bandcamp und Co. handelt, sondern um eine fantastische Live-Band, die in Sänger Tobias Gustavsson eine echte Rampensau in ihren Reihen weiß und der es spielend gelingt, diese spezielle ‘80er-Atmosphäre zu reproduzieren. Tobias hat anscheinend längere Zeit in Deutschland gelebt und versuchte sich an der einen oder anderen deutschsprachigen Ansage respektive Publikumskommunikation („Du bist der Bestes!“), sang das auf der LP mit Samantha Fox (!) eingesungene Duett „Tomorrow“ zusammen mit einer anderen Dame und fiel lediglich aus der Retro-Rolle, als er darum bat, zu diesem Song das Smartphone zu schwenken (argh!). Das als Zugabe nachgeschobene, auf der LP etwas abfallende, weil an das schmissige Original nicht herankommende WHITNEY-HOUSTON-Cover „I Wanna Dance With Somebody“, wurde hier ebenfalls zusammen mit der Gastsängerin intoniert und avancierte zur fulminanten Party, bei der das Amphitheater kollektiv zum Grinsen und Mitsingen bewegt wurde. Der nächste magische Moment!

Muss man tragen können

Eigentlich hätten nun die Bay-Area-Thrash-Urgesteine EXODUS spielen sollen, fielen jedoch (wie deren gesamte Tour mit TESTAMENT und VOIVOD) aus, weil Gitarrist Gary Holt sich um seinen Bruder kümmern muss, der einen schweren Autounfall in Italien erlitten hat. Ein solcher Unfall ist natürlich höchst unerfreulich, aber auf EXODUS hätte ich ohnehin gar nicht unbedingt Bock gehabt. Mittlerweile gelten drei Fünftel der Band als Trumpster und selbst Gary Holt sagt von sich, längst zu den Republikanern übergelaufen zu sein, wäre da nicht deren frauenfeindliche Abtreibungspolitik. Traurig. Umso mehr freute ich mich über den Ersatz: SODOM! Die hatten es nicht weit und gehen eigentlich immer. Kurzer Monitor-Check auf der Bühne und Abfahrt! Überraschend mit „Silence is Consent“, der sich als Top-Opener herausstellte, beginnend, knüppelte und riffte man sich bei einem von Beginn an bombigen Sound quer durch die Bandhistorie, wobei das aktuelle Studioalbum „Genesis XIV“ lediglich mit „Sodom & Gomorrah“ berücksichtigt wurde. „Sodomy & Lust“ und „Agent Orange“ dürfen natürlich in keinem SODOM-Set fehlen, „Blasphemer“ ist frühester Kult, „Nuclear Winter“ eines meiner Lieblingsstücke, „Conflagration“ von der „Partisan“-EP ebenso wie der live besonders mächtig kommende „Caligula“ jüngeren Datums und „Equinox“ – neben „After the Deluge“ mein Favorit vom krachigen „Obsessed by Cruelty“-Langrillen-Debüt – eine Nummer, von der ich nie geglaubt hätte, sie mal live um die Ohren geballert zu kriegen. Ich liebe es, wie die aktuelle SODOM-Besetzung die Setlist immer wieder variiert und das musikalische Banderbe pflegt. Dem kürzlich bedauerlicherweise verstorbenen ex-THE-DAMNED-Bassisten und TANK-Gründer Algy Ward widmete die Band das „Don’t Walk Away“-Cover, und Tom betonte, welch bedeutender Einfluss Algy und seine Musik auf ihn waren. Sehr schöne Geste; R.I.P., Algy! Der ins Steigerlied übergehende „Bombenhagel“ setzte den Schlusspunkt hinter diesen herrlich unprätentiösen Auftritt, bei dem SODOM ohne spektakuläre Show-Elemente oder Konfettiregen allem voran die Musik sprechen ließen. Frank Blackfire an der Klampfe tobte sich am Bühnenrand aus und suchte die Nähe zum Publikum, während Toni Merkel an den Drums seine Fills fast wie weiland Chris Witchhunter (R.I.P.) wirbelte. Yorcks zweite Gitarre sorgt für mehr Druck als früher in Trio-Besetzung und lässt erst gar keine Soundlücken entstehen. Über Fußball wollte Tom verständlicherweise nicht reden und über den hohen Festival-Bierpreis schüttelte er den Kopf. Das tat ich auch, war nun aber trotzdem so richtig in Trinklaune gekommen, brüllte begeistert die Refrains mit und feierte zusammen mit dem Großteil des Amphitheaters diese Institution des Ruhrpott-Thrashs, der alles andere als nur ein Ersatz war.

Jetzt sollte es eigentlich noch mal richtig feierlich werden: Die US-Thrasher TESTAMENT zählen zu den großen Vier in ihrem Segment und waren eine der allerersten Metal-Bands, die ich jemals zu hören bekommen hatte. Als kleinem Stöpsel von acht Jahren oder so hatte man mir u.a. ein paar Stücke von der „Live in Eindhoven“ überspielt; schon damals war ich hin und weg von Sänger Chuck Billys brachialem Organ und Alex Skolnick Gitarrenzusammenspiel mit Eric Peterson. „The Legacy“ zählt für mich bis heute zu den stärksten Thrash-Scheiben überhaupt. Dass die Band danach meines Erachtens stark nachgelassen hatte und in den unsäglichen 1990ern gar anfing, diese langweilige Groove-Zeug zu spielen – geschenkt. Dafür flashte mich die spät von mir entdeckte „Return to the Apocalyptic City“-Mini-LP noch mal so richtig, enthält sie doch die bestmögliche „Disciples of the Watch“-Liveversion überhaupt. Und „Dark Roots of Earth“ war dann doch noch mal ein richtig geiles Album der Neuzeit. Mein TESTAMENT-Bezug ist also durchaus von starken Liveaufnahmen geprägt. Umso ungläubiger war ich, als ich nach dem Rock-Hard-Festival 2014 (an dem ich nicht teilgenommen hatte) vom durch den eigenen Mischer völlig zergrützten TESTAMENT-Sound gelesen hatte. Von dem hatte man sich aber irgendwann getrennt, konnte also nur besser werden – sollte man meinen. Tatsächlich sollte dies mein erstes TESTAMENT-Konzert werden, meine Vorfreunde war entsprechend groß – auch wenn Phil Demmel von VIO-LENCE für Skolnick einspringen musste, weil dieser aus familiären Gründen passen musste. Über das Castle-Grayskull-Backdrop freute ich mich als alter MOTU-Fan noch, die Lightshow war auch fett, doch, oh Graus: Der Sound war unter aller Kanone. Zunächst flüsterleise, später ein einziger, heillos übersteuerter und höhenlastiger Brei. Wieder einmal wurde im Amphitheater kräftig die Rübe geschüttelt, jedoch von links nach rechts oder umgekehrt. Enttäuscht verließ ein beträchtlicher Teil des Publikum die Szenerie, ich hielt zumindest wacker bis zum Ende durch, ärgerte mich jedoch nur noch. Hinterher erfuhr ich, dass die Band wieder eigenes Personal ans Mischpult gelassen habe, diesmal eine Mischerin. Diese habe erst nach einer halben Stunde bemerkt, dass eine der Gitarren überhaupt nicht über P.A. lief, hat ohrenscheinlich aber so oder so in jeglicher Hinsicht versagt. Beim Headliner und der vermutlich kostspieligsten Combo des Festivals! Ich frage mich, wie die Festivalleitung das nach den Erfahrungen von vor neun Jahren zulassen hat können, warum man der Frau nicht wenigstens jemanden danebengesetzt hat, der sich mit der Location und der Anlage auskennt. Und wie man tatenlos 80 Minuten lang zuhören kann, wie der Sound des Hauptacts komplett in den Sand gesetzt wird. Besten Dank auch.

Kräftig angeheitert ging’s mit dem Bus zurück zur Unterkunft, in deren unmittelbarer Nähe noch ‘ne Hipster-Kneipe geöffnet hatte, die doch tatsächlich die Hamburger Astra-Industrieplörre als vermeintliches In-Getränk ausschenkte, bei den lokalen Marken aber wenigstens halbwegs zivile Preise aufrief. Am Stehtisch vor der Tür laberte ich einige Bierlängen lang mit ‘nem sympathischen Typen von einem Schalker Fan-Projekt und seinem Kumpel über Fußball, und es wurde spät…

Natürlich verschlief ich am nächsten Tag und schleppte ‘n Katerchen mit mir herum, sodass ich die deutschen US-Metaller IRON FATE verpasste, aber immerhin bei meiner Ankunft noch deren kompetent gezockte QUEENSRŸCHE-Coverversion „Walking in the Shadows“ vernahm. UNDERTOWs Groove-Metal ist überhaupt nicht meins, also suchte ich mir ein schattiges Plätzchen bei nach wie vor sengender Sonne und trank artig mein Mineralwasser aus. Für die Dresdner Band WUCAN gesellte ich mich aber vor die Bühne, denn die wollte ich mir dann doch mit möglichst voller Aufmerksamkeit geben – zwecks Urteilbildung, ist nämlich was Besonderes: Die Ende 2011 gegründete Band spielt eine Mischung aus Hippiemucke und Krautrock, Musik also, mit der man mich normalerweise jagen kann. Nach einem atmosphärischen Intro klang das bei perfektem Livesound aber irgendwie frisch statt miefig, was vor allem Frontfrau Francis geschuldet war, die ihre Musik mit einer derartigen Leidenschaft und Inbrunst in der glockenklaren Stimme interpretiert, dass es einen unweigerlich mitreißt – zumindest insoweit, dass man dem Spektakel gern beiwohnt, wenn die Multiinstrumentalistin zur Gitarre greift, die JETHRO-TULL-Flöte auspackt oder Klänge mit dem Theremin (!) erzeugt und dazu schlangenartig ihren in ein sommerlich knappes Outfit gehüllten Körper bewegt. Seit 2015 veröffentlichen WUCAN auch Tonträger, die Titel wie „Fette Deutsche“ enthalten – Humor ist nämlich auch mit von der Partie; ebenso ein Synthie, dessen Tasten Gitarrist Tim und Francis hin und wieder quetschen. Ein als Katerband nicht unangenehmes, sinnliches Retro-Musikerlebnis mit einer überragenden Frontfrau – wenngleich meine musikalischen Präferenzen dann doch etwas anders gelagert sind.

Tendenziell liegen diese eher bei den Niederländern LEGION OF THE DAMNED und ihrem Thrash mit Death-Einsprengseln, wenngleich ich einwenden muss, dass, so gut mir das Debüt auch gefiel, danach gefühlt oftmals „more of the same“, nur in nicht mehr ganz so geil, von ihnen kam. In guter Erinnerung ist mir aber noch der Abriss, den die Band vor ein paar Jahren im Hamburger Kulturpalast auf die Bühne gebracht hatte. Dieser Gig hier wurde nach Intro und Signature-Song „Legion of the Damned“ in seinem Fluss durch zahlreiche Intermezzi aus der Konserve immer wieder unterbrochen und die Bassdrum war mir etwas zu laut, bei Doublebass-Geballer wurde alles andere übertönt. Die flotteren Stücke waren aber grundsätzlich geiler Scheiß, „The Poison Chalice“ vom kommenden Album ist ‘ne starke Nummer (mit „Contamination“ gab’s einen weiteren Einblick ins neue Werk), Midtempo-lastiges Material brauche ich persönlich von dieser Band aber eher weniger und mit „The Widows Breed“ und „Malevolent Rapture“ vermisste ich zwei meiner Favoriten.

Also mal gucken, was ENFORCER heute so bringen. Auf die Schweden habe ich mich gefreut, da ich bisher keine schwache Show von ihnen gesehen haben. In ihrem Einheitsoutfit (scheint bei schwedischen Bands gerade im Trend zu liegen, vgl. SCREAMER) mit schwarzen Lederwesten auf nackter Haut sahen die Blondinen wie Vierlinge aus, wobei der Gitarrist einen der fiesesten Schnurries der Szene unter der Nase trägt. Von der reinen Speed-Metal-Lehre ist die Band, die in den 2000ern zu den jungen wilden Traditionalisten zählte, ja schon länger ab, wie auch ihr just veröffentlichtes Album „Nostalgia“ beweist. Hier und heute stand ihnen aber anscheinend der Sinn nach einem Best-of-Set, denn von der neuen LP gab’s lediglich „Coming Alive“ auf die Ohren, auch der umstrittene Vorgänger „Zenith“ kam, so glaube ich, mit nur einem Song zum Zuge. Als Intro hatte man sich JUDAS PRIESTs „Diamonds and Rust“-Coverversion ausgesucht und stieg mit „Destroyer“ rasant ein. Sänger/Gitarrist Olaf poste wieder, was das Zeug hielt, was manchmal (insbesondere bei der „Dieter-Bohlen-Faust“) etwas zu viel des Guten ist, aber die Band hatte Bock und eigentlich sprach alles für einen gewohnt energiegeladenen Auftritt des Quartetts – wenn denn Olafs Gesang adäquat abgemischt statt über weite Strecken zu leise gewesen wäre und es nicht ständig Probleme mit dem Drumsound gegeben hätte, bei denen auch der immer wieder auf die Bühne eilende Techniker nicht viel ausrichten konnte. Dafür fuhr man ein paar Pyros in Form von Sprühfunken auf und integrierte ein kleines Mitsingspielchen in „Take Me Out of This Nightmare“. Als ENFORCER nach zehn Songs von der Bühne gingen, war ich etwas enttäuscht, weil ich gern noch „Katana“ gehört hätte, doch der wurde erfreulicherweise noch als Zugabe nachgeschossen, gefolgt vom Fan-Favoriten „Midnight Vice“. Die Energie und Spielfreude waren wieder mitreißend, das Gesamterlebnis wurde aber vom suboptimalen Sound etwas getrübt.

Energie und Spielfreude sind auch gute Stichworte für TANKARD, Alcoholic Thrash Metal aus Frankfurt am Main, Veteranen seit den ‘80ern und Wiederholungstäter auf dem RHF! Wie üblich machten Gerre & Co. bei „Rectifier“ ihre ersten Bühnenmeter und bereits beim darauffolgenden „The Morning After“ war ich im siebten Thrash-Himmel. Im weiteren Verlauf versuchte man sich an einem Spagat zwischen Oldschool-Klassikern und Hits jüngerer Alben, bei einer derart umfangreichen Diskografie kein einfaches Unterfangen. Das jüngste Album war mit „Ex-Fluencer“ und „Beerbarians“ vertreten, „Rules for Fools“ lud zum Tanzen ein, „A Girl Called Cerveza“ hat ihren Stammplatz im Set, „Chemical Invasion“ und „Zombie Attack“ standen stellvertretend für die ersten Alben – und natürlich der Rausschmeißer „(Empty) Tankard“, für den Gerre HOLY-MOSES-Sabina auf die Bühne holte, mit ihr tanzte und sang und sie als seine neue Verlobte vorstellte (nachdem er 30 Jahre lang an ihr herumgebaggert habe). Gratuliere! Zuvor hatte er bereits Dario aus Argentinien aus dem Publikum auf die Bühne gebeten, „das einzige Groupie, das wir je hatten!“ Zu fast jedem Song hat Gerre das Veröffentlichungsjahr mitangesagt, dennoch war nach zwölf Stücken Sense, blieb also manch Jahrgang unberücksichtigt. Ich hätte locker noch ‘ne weitere Stunde zuhören können und der Stimmung vor der Bühne nach zu urteilen, war ich damit nicht allein. Dann halt demnächst im Kulturpalast, gelle?

Während der 20- bis 30-minütigen Umbaupausen schlenderte ich für gewöhnlich übers Gelände, suchte Schatten, aß etwas oder begab mich in den Biergarten, so auch jetzt – und dort fand schon den ganzen Nachmittag ‘ne großartige Party statt. Der DJ haute einen Klassiker von AOR bis Metal raus, auf seiner Bühne wurde Playback gepost, Crowdsurfing (!) zelebriert, von JOURNEY über BON JOVI bis zum AC/DC, OZZY OSBOURNE, JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN wurde alles lauthals mitgesungen und von Kindern mit Hörschutz bis zum halbtauben Rentner feierten alle ausgelassen miteinander. Da bekam ich tatsächlich mehrmals Gänsehaut und hatte weitere magische Momente. Großartig! Draußen am Cocktail-Stand spielte übrigens ein Typ am „Heavy Metal Barpiano“ ebensolche Klassiker auf dem Klavier nach – auch nicht schlecht…

Wieder im Trend: die Herren-Hotpants

Dafür schliefen mir dann bei KATATONIA aus – mal wieder – Schweden nicht nur die Füße ein. Ihr Prog-Goth-Post-Metal-oder-was-weiß-ich-Gedöns war so dermaßen öde, dass ich mich fragte, wer auf die Idee gekommen war, ausgerechnet sowat als Co-Headliner am letzten Tag zu installieren. Nicht Wenigen schien’s aber zu gefallen, es sei ihnen gegönnt. Irgendwann hatte auch dieser Spuk sein Ende.

Je älter ich werde, desto mehr Gefallen finde ich an den gefühlvollen Melodien, die MICHAEL SCHENKER seiner Gitarre entlockt und mit seinen jeweiligen Bands in Hardrock- bis Metal-Gewänder kleidet. Wie unterhaltsam so ein MSG-Gig sein kann, weiß ich seit dem Rock-Hard-Festival 2015 (wo er unter MICHAEL SCHENKER’S TEMPLE OF ROCK firmierte), und sicherlich nicht ganz zu Unrecht gilt der spleenige Hannoveraner als einer der weltweit besten Gitarristen dieser Musiksparte. Insbesondere die Sängerposition wechselt bei ihm immer mal wieder oder er arbeitet für aktuelle Alben generell mit mehreren verschiedenen zusammen. An diesem Abend war es der Chilene Ronnie Romero, ein Ausnahmetalent, das Ritchie Blackmore entdeckt und daraufhin RAINBOW für einige Konzerte reaktiviert hatte. Schenker ließ seine Flying-V mit dem Instrumental-Klassiker „Into the Arena“ in der Abenddämmerung aufheulen und spielte im Anschluss „Cry for the Nations“, direkt gefolgt vom Jahrhunderthit „Doctor Doctor“, über dessen frühes Auftauchen im Set ich überrascht war, der aber die Party so richtig in Schwung brachte. Magischer Moment? Na klar! Insgesamt spielte die Band acht Songs aus Schenkers Zeit bei UFO, die verschiedenen MSG-Inkarnationen wurden also eher vernachlässigt. Dafür dürfte auf seine Kosten gekommen sein, wer auf UFO schwört und endlich mal wieder vom Maestro persönlich gespielte Klassiker wie „Lights Out“, „Shoot Shoot“ oder „Let It Roll“ hören wollte. Und Schenker war in Höchstform, hatte sichtlich Freude daran, auf dieser Bühne für dieses Publikum spielen zu können, nahm immer wieder Augenkontakt zu den Fans auf und lächelte. Nicht minder gut drauf war Romero, der den Songs mit seiner Stimme neues Leben einhauchte. Das war wirklich großes Hardrock-Entertainment und glücklicherweise stimmte auch der Sound. Wenn der Fellmütze tragende Schenker zwischen den Songs mal zum Mikro griff, um eine Ansage zu machen, machte er diese als Deutscher und Deutschland in englischer Sprache, worüber ich schon ein wenig schmunzeln musste. Tatsächlich aber lauschte auch manch ausländischer Musiker seiner Darbietung, neben mir fand sich z.B. plötzlich ENFORCER-Olaf mit seiner Freundin im Publikum. Vom aktuellen MSG-Album kam leider nur „Emergency“ zum Zuge, Songs wie „A King Has Gone“, „Yesterday is Dead“, „London Calling“ oder „Fighter“ hätte ich durchaus gern gehört, sowie natürlich den einen oder andere MSG-Klassiker aus den ‘80ern mehr. Zeit dafür wäre vielleicht gewesen, wenn Romero auf seine angeberischen, Freddie Mercury entlehnten Mitsingspielchen verzichtet hätte oder man anstelle der rekordverdächtig ausgedehnten „Rock Bottom“-Version eine gestraffte Fassung gespielt hätte. Sei’s drum – so oder so war der mit den UFO-Songs „Too Hot to Handle“ und „Only You Can Rock Me” endende Auftritt eine Sternstunde des Hardrocks, wie sie auch mir hin und wieder wirklich gut reinläuft. Ein würdiger Festivalabschluss, nach dem ich schnellstmöglich das Gelände verließ und meinen Absacker, ‘ne schöne, ehrliche Pulle Hansa für ‘nen Euro vom Kiosk, auf der Straße vor meiner Unterkunft trank. Und nach dem Ronnie Romero überraschend die Band verließ, anscheinend, um sich zukünftig verstärkt eigenen Projekten zu widmen. Das ist einerseits schade, andererseits aber kein wirkliches Problem für Schenker, der auf eine Vielzahl toller Rocksänger zurückgreifen kann und zurzeit die Tour mit Robin McAuley fortsetzt. Ich habe wenig Zweifel, dass das genauso gut wird.

Vieles Auftritte auf dem RHF 2023 waren toll, manche gar überragend. Der Sommerausbruch war nach einem bis dahin sehr durchwachsenen Frühling gerade recht gekommen, Sonne und Staub eine willkommene Abwechslung zu Regen, Sturm und Matsch. Dennoch habe ich das Festival mit gemischten Gefühlen verlassen. Insbesondere der vergurkte TESTAMENT-Gig wurmt mich, aber so ärgerlich er auch war, ist er nicht mein Hauptkritikpunkt. Dieser betrifft vielmehr die Preisgestaltung und das damit verbundene Finanzierungskonzept, wobei ich explizit nicht den Ticketpreis von 125,- EUR meine, der für mich in Ordnung geht. Ich rede vielmehr von den Preisen für Verpflegung, die vor Ort aufgerufen werden. Der überwiegende Teil der Imbissbuden bewegte sich jenseits von Gut und Böse, ausgenommen vielleicht der Veggie-Stand. Ja, die Kosten sind allgemein gestiegen, die Inflation, der übliche Festivalaufschlag… Aber weshalb muss es letzteren überhaupt noch geben, gerade angesichts der grassierenden Inflation? Warum soll das normal und akzeptabel sein? Ja, ich könnte mich auch „einfach“ außerhalb des Geländes verpflegen; die Anführungszeichen deshalb, weil ich Zeiten abpassen müsste, in denen eine Umbaupause entsprechender Länge vorgesehen ist oder eine Band spielt, die mich nicht die Bohne interessiert. Ist eben die Frage, ob man das wirklich will. Aber auch das Essen ist letztlich gar nicht der ausschlaggebende Faktor. Es sind die Getränke. Ob billige Brausen der Cola-Cola-Company oder das lokale Industriebier Veltins – alles kostete für 0,4 Liter im Plastikbecher 5,- EUR (+ Pfand). Da gibt es nichts mehr zu diskutieren, das ist kackendreiste Inflationstreiberei. Und dann lässt einen der Sicherheitsdienst nicht einmal mit ‘nem im Innenraum gekauften Becher wieder rein, wenn er noch mit einem Getränk gefüllt ist – man hätte ihn ja mit einem anderswo günstiger erworbenen Gesöff auffüllen können. Natürlich muss ich mich nicht drei Tage am Stück betrinken – da will ich auch gar nicht. Natürlich könnte ich auch hier in den Pausen immer zum Fußball-Biergarten (s.o.) eilen oder mir wer weiß was für Strategien überlegen, um dieser Abzocke zu entgehen. Aber auch hier die Frage: Will ich das? Als Schüler, später Zivi, Azubi und dann erst mal Geringverdiener musste ich auf Konzerten in kommerziell ausgerichteten Läden und erst recht auf größeren Festivals immer sehr genau kalkulieren, rumknapsen oder Dosenbier schmuggeln. Als Erwachsener Mensch mit Vollzeitanstellung möchte ich das nicht mehr müssen, ohne dafür unterm Strich eine Summe einkalkulieren zu müssen, für die ich locker ‘ne Woche in den Erholungsurlaub am Meer fahren könnte. Da stimmen die Relationen nicht mehr. Für den gezielten Besuch eines IRON-MAIDEN-Konzerts oder etwas Vergleichbarem in dieser Größenordnung in einer Riesenhalle oder Arena kann ich das mal einen Abend lang machen, nicht aber drei volle Tage hintereinander. Und wurden da tatsächlich weit über 20 Öcken für ein Festival-Shirt aufgerufen?! Wie rechtfertigt man diesen Preis – und wer kauft so was?

Impression aus der Artwork-Ausstellung

Überhaupt, die Wahl der Verkaufsstände: Da bekam jemand mit einem völlig überflüssigen, ausladend großen Tattoo- und Piercing-Stand (Spitzenidee bei praller Sonne, Staub, Dreck und Alkoholgenuss!) den Zuschlag, woanders stierte eine Langnese-Verkäuferin Löcher in die Luft, weil niemand Eis am Stiel zum sechsfachen Ladenpreis bei ihr kaufen wollte. Die Ausstellung eines Artwork-Künstlers war ja grundsätzlich ganz nett, aber da gehste halt auch einmal durch und das war’s. Aber mal ein Plattenstand, wie damals der „Metal-Markt“? Ein Klamotten- und Nippes-Stand hatte zumindest CDs dabei, ansonsten komplette Fehlanzeige! WTF?! Dafür jede Menge Merchandise-Stände, vornehmlich mit Aufnähern, Shirts, Kapus etc. Klar, die gehören dazu – die meisten hatten dann auch wirklich alles da, bis zu FREI.WILD und BURZUM. Fickt euch, von mir bekommt ihr keinen Cent! Dafür weiß man aber, wo man ruhig mal etwas mitgehen lassen könnte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen…

Was es hier nicht alles gibt…

Dieser ganze entfesselte Kapitalismus innerhalb eines eigentlich subkulturellen Rahmens macht mich ganz krank. Sollte es tatsächlich keine anderen Möglichkeiten geben, derartige Veranstaltungen zu finanzieren, dürften von mir aus gern andere in die Bresche springen: die öffentliche Hand, um auch mal was anderes als die sog. Hochkultur zu subventionieren, oder auch Sponsoren. Nennt das Ding von mir aus „Engl-und-Teufel-Festival“ und deckelt die Getränkepreise. Ich verstehe da auch jene Fans nicht, die all das bereitwillig mitmachen oder schon wieder ohne jeden Anflug von Kritik ihren Besuch im nächsten Jahr ankündigen. Haben die Angst vorm Festivalsterben? Möglich. Vielleicht haben sie auch schlicht eine andere Schmerzgrenze. Meine jedenfalls ist überschritten. Generell rechnet sich das Konzept Kommerzfestival für mich nicht mehr und hat sich damit für mich erledigt. So gerne ich auch mehrmals am RHF teilgenommen habe und so sehr ich auch von „magischen Momenten“ zehre, zukünftig werde ich meine Energien – und Penunsen – wieder verstärkt in den Underground zu investieren versuchen, wo man nicht den Eindruck bekommt, dass das komplette Umfeld in erster Linie daran interessiert ist, einem mit unverschämtem Wucher den letzten Cent aus den Rippen zu leiern.

Bitte nicht missverstehen: Meine Kritik richtet sich lediglich in jenen Punkten an die Festivalleitung, auf die diese auch Einfluss hat. Derartige Preisexplosionen indes sind natürlich ein allgemeines Phänomen (nicht nur) im Festivalbereich- bzw. generell im Live-Bereich. Aber wie soll das weitergehen, wie will man so auch ein jüngeres Publikum anlocken, wie gegensteuern, um am Ende nicht doch irgendwann nur noch Luxus-Events für wenige Privilegierte zu veranstalten, bei denen der Großteil der Fans in die Röhre guckt…? Und zwar gar nicht mal wegen des Ticketpreises, sondern des unbezahlbar gewordenen Drumherums… Ich hoffe, ich konnte mit meinem Festivalbericht meinen gemischten Gefühlen halbwegs nachvollziehbar Ausdruck verleihen.

P.S.: Meine Fotos sind einfache Schnappschüsse, die meisten mit wenig Motivation, mich dafür bis ganz nach vorn durchzudrängeln, entstanden. In den Fotogräben und generell auf dem Gelände waren mehrere professionelle Fotografinnen und Fotografen unterwegs, deren Bilder sich vielfach im Netz finden. Bei Interesse einfach die bevorzugte Suchmaschine anwerfen oder in den sozialen Medien kieken.

13.05.2023, Monkeys Music Club, Hamburg: THE OPPRESSED

An diesem Samstagabend war ich tatsächlich mal wieder im Stadion, Abendspiel des FC St. Pauli gegen die Fortuna aus Düsseldorf. Ob es sich anschließend, nach dem Abpfiff um ca. 22:20 Uhr, noch lohnen würde, das Monkeys in Altona aufzusuchen, war fraglich. Wie ich so beim Spielverdauungsbierchen im Jolly saß, sinnierte ich jedoch darüber, dass ja immerhin drei Bands auf dem Billing standen – RED BRICKS und ANGRY VOICES sollten für die Walisische Oi!-Legende eröffnen – und man so eventuell noch etwas von THE OPPRESSED mitkriegen könnte. Als ich diesbezüglich vorsichtig im Bekanntenkreis vorfühlte, wurde ich sofort dazu verdonnert, auf schnellstem Wege hinzukommen, ja, sogar Betreiber Sam genötigt, mich auf die Gästeliste zu setzen. Das war mir einerseits furchtbar unangenehm, andererseits aber ein großes Glück: Nachdem ich meinen letzten Fünfer im Jolly gelassen hatte, sagte der Geldautomat plump „nein“. Es stellte sich heraus, dass meine Bank gerade Wartungsarbeiten durchführte, die noch bis 10:00 Uhr am nächsten Morgen andauern würden. Die hat Nerven… So begab ich mich also tatsächlich auf direktem Wege ins Monkeys, ohne über Los zu gehen und ohne 2.000 EUR einzuziehen, geschweige denn 20 EUR…

Als ich endlich vor Ort eintraf, hatten ANGRY VOICES und RED BRICKS beide schon gespielt, immerhin zu THE OPPRESSED kam ich aber rechtzeitig. Freunde versorgten mich mitleidig mit Bier und man lieh mir schließlich sogar Geld. Erst mal alles gut also, wenngleich ich aufgrund der blöden Situation und des eher so semioptimalen Spielausgangs bischn durch den Wind war und etwas Zeit brauchte, mich akklimatisieren. Als THE OPPRESSED ihr Set direkt mit dem Hit „Work Together“ eröffneten, war’s pickepackevoll vor der Bühne (wenngleich die Show nicht ganz ausverkauft war). Auf der Bühne hingegen war’s eher übersichtlich, denn offenbar hatte es Probleme gegeben, die ganze Bande zusammenzutrommeln, sodass die Waliser in Triogröße auftraten, wobei RED-BRICKS-Drummer Chris an der Schießbude einsprang und Roddy Moreno den Bass spielte. Sei’s drum, denn das funktionierte gut, Roddy war bestens bei Stimme und machte einen sehr authentisch angepissten Eindruck, der den Songs die nötige Aggression verlieh. Zu vornehmlich den Hits des „Oi! Oi! Music“-Albums, eingestreutem „jüngeren“ Material sowie Coverversionen von THE MAYTALS („Monkey Man“) und SYMARIP („Skinhead Girl”) feierte der Mob ausgelassen und ich fand’s knorke, von unzähligen Bands gern gecoverte Klassiker wie besagtes „Work Together“, aber auch „Ultra Violence“ oder „Skinhead Times“ mit der Originalstimme zu hören. „Ultra Violence“ wurde übrigens vom RED-BRICKS-Sänger gesungen, nachdem, wenn ich das richtig mitbekommen habe, Roddy zuvor bei den RED BRICKS ausgeholfen hatte, als diese die Nummer coverten.

Alles in allem also ‘ne schöne Sause, wenngleich mir der Gig relativ kurz vorkam. Ich habe nicht auf die Uhr geguckt, aber war evtl. die eine oder andere Nummer aufgrund des improvisierten Line-ups aus dem Set geflogen? Wie dem auch sei: Doch noch im Monkeys aufzutauchen war anscheinend die richtige Entscheidung, und ich freue mich, THE OPPRESSED mal live gesehen zu haben – immerhin hatte mir für dieses Jahr ja vorgenommen, weniger wirklich relevante Konzerte zu verpassen. Nächstes Mal dann ohne vorausgehenden Flutlicht-Kick! Danke an Sam, das Monkeys und alle, die mir ausgeholfen haben!

05.+06.05.2023: Hamburger Affengeburtstag

Nach der abgespeckten, vom Mai in den September verlegten Variante im vergangenen Jahr sollte der Hamburger Hafengeburtstag erstmals wieder wie gewohnt stattfinden. Wie gewohnt? Mitnichten, denn die Stadt hat der Jolly-Roger-Bühne diesmal keinen Zuschlag erteilt; anstelle dieses subkulturellen Hotspots als Teil des offiziellen Programms fand sich nun irgendein nutzloser Plunder. Immerhin kamen die HARBOUR REBELS am Freitag auf der Rock-Antenne-Bühne unter, ansonsten hatte der offizielle Teil der Veranstaltung bis auf das Feuerwerk am Samstag nichts mehr zu bieten, was mich sonderlich interessiert hätte. Glücklicherweise gibt es die Affengeburtstag-Bühne am Störtebeker, wo wieder zwei Tage lang Punk, Hardcore und Artverwandtes stattfand. Sogar die ganz kleine Bühne zwischen den Anarchoständen an der Hafenstraße wurde wieder bespielt (vornehmlich Samstag, flog ehrlich gesagt aber größtenteils unter meinem Radar).

Am Störtebeker jedenfalls war‘s wie immer: Man kennt ein, zwei Bands vom Flyer und vertraut darauf, dass das veranstaltende Team wieder handverlesene Acts über Ländergrenzen hinweg ausgesucht und rangeholt hat, die sich als positive Überraschungen entpuppen. Meine Vorfreunde war groß und wurde noch dadurch gesteigert, dass kurzfristig ATOM ATOM Sänger/Gitarrist Rosis andere Band MORIBUNDSCUM ersetzten. Das ATOM-ATOM-Album läuft mir nämlich verdammt gut rein, bisher hatte ich aber keine Gelegenheit wahrnehmen können, das Hamburger Trio (mit Bremer Wurzeln) livezusehen. Die HARBOUR REBELS auf der großen Rock-Antenne-Bühne spielten bereits um 16:30 Uhr, was ich leider nicht schaffte, ATOM ATOM sollten aber passen. Als ich am Störtebeker Döner-verknusemafatzelnd ankam, wurde ich gefragt, was am Dienstag wohl über denselben im Netz zu lesen sein würde. Das ist eigentlich nicht schwer zu erraten, denn der Veggie-Solidöner vom Anarcho-Grill unten an der Balduintreppe war auch dieses Jahr der kulinarische Höhepunkt des Hafengeburtstags, ein echter Gaumenschmaus aus erlesenen Zutaten, die perfekt aufeinander abgestimmt in knusprigem Brot dargereicht wurden und meine Geschmacksknospen frohlocken ließen.

Auf der Bühne malträtierte die One-Man-Band BASSAKER gerade noch ihren Bass, woraus zu schließen war, dass der Zeitplan nicht eingehalten werden konnte. Zu monotonen Loops wurden dem Tieftöner möglichst irre Sounds entlockt und wann immer es mich irgendwie an Cronos‘ Basssolo auf dem VENOM-Live-Album „Eine kleine Nachtmusik“ erinnerte, musste ich ein wenig schmunzeln. Herr BASSAKER kletterte auf der P.A. herum und bedankte sich am Ende herzlich bei seinem Publikum. Während der nun folgenden, recht langen Umbau- und Soundcheck-Pause, konnte man eben nicht, wie sonst üblich gewesen, gut zur Jolly-Bühne heruntergehen, dafür entdeckte ich am Bierstand mit „Dachs“ nicht nur eine, sondern gleich eine ganze Reihe neuer Biersorten, die hier erstmals neben den üblichen Konzernbieren verkauft wurden: Helles, Dunkles etc. aus der Buddel und Stout vom Fass (!) wurden von Mitinhabern der kleinen Privatbrauerei persönlich entkorkt und gezapft und erfreuten meinen Gaumen. Affengeburtstag goes Craftbeer, ja leck mich doch fett!

Nach Akklimatisierung, Begrüßung einiger Bekannter, den ersten Bierchen und dem Soundcheck also ATOM ATOM. Das bedeutet astreinen Hardcore-Punk mit viel Crust- und dezenter D-Beat-Schlagseite, der viel vom maskulin-femininen Wechselgesang lebt, sprich: Rosi röhrt und Bassistin Kante singt, mal klarer und melodischer, mal rotziger und aggressiver. Auf der LP erwies sich der Hall speziell auf ihrer Stimme als sehr gelungener Effekt. Ich war auf den Live-Sound gespannt, der nun aber gar nicht so leicht zu beschreiben ist, da er je nach Aufenthaltsort variierte: Vorne viele Tiefen und leiserer Gesang, weiter hinten lauterer Gesang, dafür weniger Tiefen. Jedenfalls ballerte das verdammt gut und die eher düstere Stimmung der LP wurde gut reproduziert. Die angepissten deutschsprachigen Eigenkompositionen wurden durch einen sehr geilen englischsprachigen Coversong (wie hieß der und von wem war der?) sowie der geforderten Zugabe „Keine Gnade“ von ISOLIERBAND (der sich auch auf der LP befindet) ergänzt, Drummer Mike machte zwischendurch ein paar ernste Ansagen. Unter den jüngeren aktiven HH-Bands sind ATOM ATOM derzeit einer meiner Favoriten. Der Platz vor der Bühne war zwar noch nicht komplett ausgefüllt, aber die Stimmung bereits prächtig.

ATOM ATOM bei Bandcamp: https://atomatompunk.bandcamp.com/

Hardcore-punkig ging’s nach der nächsten Umbaupause mit SKORUP/A aus Polen weiter, die ich bisher nicht auf dem Schirm hatte.  Vornehmlich in Landessprache wütete sich das Quintett nach einem Akustikintro durch ein Set, in dem die Band musikalisch ähnliche Einflüsse verarbeitet haben dürfte wie ATOM ATOM, dabei aber ganz anders klang, nämlich hektischer, zuweilen regelrecht überdreht, mit rotzigem, superaggressivem Sänger als ständigem Unruhepol. Der Fuß war fast permanent auf dem Gaspedal, Show und Sound rissen unweigerlich mit und bei ‘ner Nummer wie „A.L.F.“ über die Animal Liberation Front konnte man dann sogar den Refrain mitbrüllen. Auch hier gab’s ‘ne Zugabe, gefordert vom mittlerweile sehr zahlreich erschienenen Publikum. Hammer-Liveband mit einer Mordskondition!

SKORUP/A bei Bandcamp: https://skorupa.bandcamp.com/

Langsam aber sicher wurd’s dunkel, wozu die Klänge der nächsten Band gut passten: MIMESIS aus Berlin zocken tatsächlich Black Metal, und zwar offenbar nicht der doofen Sorte. Eigentlich nicht mein Genre (Ausnahmen sind natürlich VENOM sowie die frühen MAYHEM), aber was die Band zu fünft darbot, klang doch recht interessant, weil atmosphärisch, mit garstigem weiblichen Gesang und flirrenden bis klirrenden Gitarren, derer es gleich zwei gab. Für den ganz großen musikalischen Spannungsbogen der zum Teil glaube ich etwas ausladenderen Stücke reichte meine Aufmerksamkeitsspanne nicht mehr, aber das hatte was.

MIMESIS bei Bandcamp: https://mimesis-berlin.bandcamp.com/

Völlig geflasht haben mich dann abschließend aber ZARAZA auf Moskau, die ihren Stil offenbar als „Motörpunk“ bezeichnen und ‘ne Art Metal-Punk mit viel Rotz’n’Roll und punkigen NWOBHM-Vibes spielen. Die Sängerin hatte die untere Hälfte ihres Gesicht knallrotgeschminkt und haute zusammen mit ihrer ebenfalls gesichtsbemalten Band so dermaßen auf die Kacke, dass es direkt durch Mark und Bein ging und es kein Halten mehr gab. Welch irre geiler Sound, was für ein Brett – und wat ‘ne chaotische, exzessive Party! In Kombination mit unablässiger Druckbetankung frästen einem ZARAZA das letzte bisschen Verstand weg, sodass ich mir das Hip-Hop-Trio, das den Abend beschließen sollte, schenkte, sturztrunken zum nächsten Taxi stolperte und mich zu Hause abliefern ließ. Die Band scheint live recht umtriebig zu sein; wenn die mal irgendwo in der Nähe spielt: Hin da!

Das ZARAZA-Album (das den aktuellen Livesound allerdings kaum einfängt) bei YouTube:

Das Programm am nächsten Tag kollidierte leider böse mit der Sportschau, sodass ich mich erst recht spät aufraffte, dafür aber mit der Liebsten tatsächlich einmal fast über den ganzen Hafengeburtstag schlenderte. Wir suchten uns ein nettes Plätzchen an den Landungsbrücken fürs Feuerwerk – einem der wenigen Teile des offiziellen Programms, dem ich etwas abgewinnen kann – und genossen dieses „Geballer“ der etwas anderen Art. Anschließend schauten wir kurz an der kleinen Punkbühne vorbei, blieben aber nicht lang, sondern fanden uns wieder am Störtebeker ein, wo wir lose mit dem einen oder anderen verabredet waren. Den heutigen lokalen Opener SHITSHOW hatten wir ebenso wie EX-DOM und TOPROT verpasst, ich hatte aber zumindest die leise Hoffnung, von den Portugiesen CARNE PA CANHÃO, die ich 2019 bereits hier gesehen hatte, noch etwas mitzubekommen. Leider erwischten wir nur noch eine Liveband, die es aber in sich hatte: Die finnischen DART (u.a. mit Leuten von HÄPEÄ (die kurz zuvor gespielt hatten) und TERVEET KÄDET) steigerten die Oberlippenbartquote beträchtlich und spielten pfeilschnellen Thrash’n’Roll’n’Punk oder so, der die Massen noch einmal zum Durchdrehen brachte. Hier gab’s permanent auf die Zwölf, weder Ansagen noch Gefangene wurden gemacht, ein englischsprachiger Song nach dem anderen wurde herausgehauen, heiser und kehlig vom Sänger gebölkt, vom Drummer nach vorne gepeitscht und von zwei Gitarristen gleichzeitig durchgenommen. Viele Songs dürften wesentlich schneller gezockt worden sein, als sie auf dem (hervorragend produzierten) Demo zu hören sind. Ein amtlicher Abriss und krönender Abschluss des zweitägigen Festivals, der allerdings noch mal einige Energie freigesetzt hatte, sodass wir traurig mitansahen, wie um uns herum alles abgebaut wurde, während wir uns weiter auf Temperatur tranken und schließlich noch im Onkel Otto landeten.

DART bei Bandcamp: https://dartpunk.bandcamp.com/

Danke allen Beteiligten für die einmal mehr geile Sause!

31.03.2023, Monkeys Music Club, Hamburg: OXO 86 + NÖÖS

Relativ spontan dockten die Berliner bzw. Brandenburger OXO 86 am Monkeys an, also flugs Karten organisiert und daran gut getan, denn alsbald war das Ding ausverkauft. Wer Support machen würde, war bis kurz vorher unbekannt, doch in den erst seit Kurzem existierenden Hamburgern NÖÖS fand man einen willigen Vorturner. Diese neue Band um u.a. ÖSTRO-430-Drummerin Sandy hat zwar erst ‘ne Handvoll Songs im Gepäck, ist aber motiviert bis in die Haarspitzen. Bei ein, zwei Nummern rumpelte es noch etwas, aber dafür hat der Sänger ein kräftiges Organ und ist ‘ne echte Rampensau. Der P.A.-Sound war zudem vom Feinsten. Man coverte „‘Merican“ von den DESCENDENTS und den Sänger hielt’s nicht lange auf der Bühne; er ging nun auch auf der Tanzfläche auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Der beste Song war „Baptised in Blood“ und nach entsprechender Bitte des Sängers bildete sich direkt ein kleiner Pogomob. Als Zugabe – sprich: als sechsten Song oder so – spielte man dieses Stück kurzerhand noch einmal, versprach aber eine Überraschung im Mittelteilt. Diese bestand darin, dass man eine Wall of Death formte – eine alberne Unsitte, die hier völlig fehl am Platze wirkte. Die sich irgendwo zwischen melodischem Hardcore- und Streetpunk bewegende Band ließ sich anschließend auch noch auf der Bühne mit Publikum im Hintergrund nach „Bitte alle mal so ‚yeah‘“-Aufforderung fotografieren, was ich auf Punkgigs dieser Größenordnung nun auch noch nie erlebt hatte und mich etwas befremdete. Bischn weniger Pose, dafür mehr Songs wären nett, denn musikalisches Potenzial ist auf jeden Fall einiges vorhanden.

In der ausverkauften Hütte war’s mittlerweile so richtig drängelig geworden und als es losging, fraß der sich fast gegenseitig auf den Füßen trampelnde Mob OXO 86 aus der Hand. Zwischen Ska- und Streetpunk mäandernd, brachte man von der ersten Minute an ungelogen den gesamten Saal zum Tanzen und Mitsingen. Seit 1996 ist man fleißig dabei, eingängige, deutschsprachige Hits zu schreiben und mit heiserer Stimme vorzutragen, die mit Witz und Selbstironie bis hin zu Sarkasmus aus dem Alltag des „kleinen Mannes“ berichten, proletarische Weisen also, die sich nicht die große Politik auf die Fahne schreiben, sondern deren soziale Diskurse eher zwischen den Zeilen stattfinden – und mal mit Orgelsounds, viel öfter aber mit nicht immer kerzengerade gespielter Trompete abgeschmeckt werden. Das Set berücksichtigte natürlich das jüngste Album „Dabei sein ist alles“, wodurch es sich von jenem des auf dem „Live in Leipzig“ konservierten Doppelalbums unterschied. Am Tieftöner hat man einen der vielleicht lässigsten Bassisten der Szene, Dreh- und Angelpunkt auf der Bühne aber ist Sänger und Chef-Entertainer Willi. Dieser hängt sich von der Bühne gern mit Zweidrittel seines Körpers ins Publikum, wenn er nicht gerade (wie mehrmals an diesem Abend) Crowdsurfing betreibt, an Lichttraversen entlanghangelt und sich vertrauensvoll in die Meute fallen lässt, und sagt im völlig nassgeschwitzten Nicki Sachen wie „Schon die Hälfte rum? Fühlt sich an, als hätten wir gerade erst angefangen.“ Ach ja, nebenbei singt er auch noch voller Inbrunst.

Nach „Walking Class Heroes“ schien’s ’ne Zwangspause gegeben zu haben, war da was mit dem Schlagzeug? Willi jedenfalls nutzte die Zeit, um Witze zu erzählen, und man konnte prima Bierholen gehen. Statt längere Rufe nach Zugaben zu provozieren, verschnaufte man nur kurz und kündigte die – ich glaube – drei Zugaben an, von denen eine wie üblich der alte GOYKO-SCHMIDT-Klassiker „Saus und Braus“ war. Je später der Abend wurde, desto öfter fanden sich Teile des Publikums auf der Bühne ein und sangen lauthals ins Mikro des Bassers mit. Der gesamte Gig war eine phänomenale Party von einer der besten Livebands in diesem Sektor hierzulande, in deren Anschluss wir bei ‘80er-Synthwave im Pub-Bereich versackten. So was hatte ich mal wieder gebraucht. Danke, Monkeys, danke, OXO 86 und hoffentlich auf bald!

04.03.2023, Café Treibeis, Hamburg: SHITSHOW / 04.03.2023, Monkeys Music Club, Hamburg: THE HOTKNIVES + THIS MEANS WAR

Mal wieder volles Programm in der Hansestadt: Das Monkeys feierte sein Achtjähriges, SHITSHOW zockten gratis im Treibeis, KILLBITE und APOCALIPSTIX machten die Lobusch unsicher, Postpunk im Molotow… Ich entschied mich fürs Monkeys, jedoch nicht ohne vorher dem quasi auf dem Weg liegenden Café Treibeis einen Besuch abzustatten. Dieser Laden ist eigentlich ‘ne kleine Kneipe, die aber hin und wieder auch Konzerte veranstaltet. Ich hatte als Beginn 21:00 Uhr im Hinterkopf, sodass ich nach der Sportschau keine große Eile hatte, doch als ca. fünf vor neun eintraf, spielte die Band anscheinend schon seit ‘ner Viertelstunde und ich schaffte es gerade noch so, einen Schritt in den Laden zu setzen. Es war gerammelt voll, man stand dicht an dicht und konnte sich kaum bewegen. Von der Bühne sah ich erst etwas, nachdem ich durch die Gruppendynamik langsam Stück für Stück weiter nach vorne gedrängelt worden war. Der Sound war dafür recht klar, Sängerin Julias herrlich rotziges Organ jedoch ziemlich weit nach vorne gemixt, die Gitarre dafür etwas leise – so klang’s zumindest an der Biegung des Tresens, bis zu der ich’s nun geschafft hatte. Die Band mit Leuten von SORT OF SOBER UND ORÄNGÄTTÄNG erfreut sich mit ihrem erfrischenden, flotten, hochenergetischen Oldschool-Punkrock gerade zu Recht großer Beliebtheit, drückt einem das Schmalz aus den Gehörgängen und macht einfach Laune. Der Gig dürfte um die 45 bis 50 Minuten gedauert haben, inklusive NEW-ORDER-Cover („Blue Monday“) und „Happy Birthday To You“ für ein anwesende Geburtstagkind, gespielt in unterschiedlichem Tempo, als Ska-Version und in einer Death-Metal-Fassung…

Diese Nummer hätten SHITSHOW an diesem Abend auch gut im Monkeys bringen können, denn auch wenn vom ursprünglichen Inhaber-Trio „nur“ noch Sam übrig ist, feierte einer der schönsten Clubs Hamburgs erhobenen Hauptes sein bereits achtjähriges Bestehen! Schon vorm Eingang entdeckte ich die ersten bekannten Gesichter und es wurde munter drauflosgequatscht. Da mit den Belgiern THIS MEANS WAR! die erste Band aber bereits spielte, ließ ich schnell meinen frischgebügelten Zwanziger an der Abendkasse, holte mir ‘ne Pilsette und guckte, was einem da geboten wird: Streetpunk mit melodischem Klargesang nämlich. (Die 80 Liter Freibier waren dafür schon weg, aber irgendwas is‘ immer.) Die seit 2016 existente Band hat bisher ‘ne Single, eine 10“ und ein Album draußen und ist hörbar von den harmoniebedachteren Bands des Genres beeinflusst. Von einer dieser – COCK SPARRER – coverte man dann auch „Suicide Girls“, inklusive kurzen Mitsingspielchen mit dem Publikum. Gute Idee, mal ‘nen jüngeren SPARRER-Song zu covern, anstelle der altgedienten Überklassiker. Der Platz vor der Bühne war ordentlich gefüllt, es wurde sich hier und da warmgetanzt, im Vergleich zu meinem Besuch im Treibeis, der gegen sämtliche Tierhaltungsbedingungen verstoßen hätte, fühlte sich das hier aber angenehmerweise nach unendlichen Weiten an. Zwischendurch versuchten THIS MEANS WAR!, Sam auf die Bühne zu lotsen, um ihm ‘ne Riesenpulle Bier aus ihrer Heimat als Geschenk zu überreichen, doch der war nicht auffindbar, sodass das später – ich glaube, ungefähr im Zugabeteil – nachgeholt wurde. Lief alles schon mal ganz gut rein – so auch das Bier im Pub-Bereich, wo der Umtrunk mit weiteren Freunden und Bekannten, die ich zum Teil schon länger nicht mehr gesehen hatte, fortgesetzt wurde.

Einer von ihnen, der gute Jan, räumte dann bei der Verlosung auch gleich gut ab. Lose waren keine mehr zu bekommen, alle waren verkauft worden und die Erlöse werden für einen guten Zweck gespendet. Jan jedenfalls, der in jüngster Vergangenheit einige Schicksalsschläge einstecken musste, durfte sich über das goldene Ticket freuen, das ihm ein Jahr lang freien Eintritt zu allen Veranstaltungen im Monkeys gewährt! Da hat’s wirklich mal den Richtigen erwischt – herzlichen Glückwunsch!

THE HOTKNIVES hatte ich tatsächlich schon ewig nicht mehr gesehen. Ich erinnere mich immer noch gern an einen fantastischen Auftritt auf dem Wutzrock-Gratis-Open-Air, das dürfte Anfang der 2000er gewesen sein…? Wenngleich ich mit modernem Ska nicht allzu viel anfangen kann, konnten die HOTKNIVES mit Songs wie „Driving Me Mad“, „Harsh Reality“ oder „Holsten Boys“ schon immer bei mir punkten. Der Third Wave Ska der Briten klingt glücklicherweise so gar nicht nach Zirkus- und Blasmusik, sondern verfügt über diese feine melancholische Note und ein gutes Gespür für unaufdringliche, aber unwiderstehliche Melodien. Die Band tritt auch gar nicht erst in Fußballmannschaftsgröße an, sondern beschränkt sich neben der Rhythmussektion, Gitarre und Bass auf einen eher dezenten Bläser und einen Orgelspieler. Die Stimmung war ausgelassen, es wurde getanzt und die Hüften geschwungen. Sänger/Basser Marc verriet immer wieder durch ein Grinsen im Gesicht, dass ihm die Sause genauso viel Spaß machte. Die großen Hits dürften alle gespielt worden sein, meine Favoriten jedenfalls erkannte ich weitestgehend wieder. Eine würdige Combo für diese Geburtstagsfeier, die sich anschließend im Pub-Bereich bei erlesenen Getränken, Hits von DJ Bert und hochgeistiger Konversation (oder so) noch lange hinzog – und in deren Zuge Sam noch mindestens eine Runde Kurze springen ließ. Schön war’s mal wieder – danke an Sam und das Monkeys-Team für diesen Abend und auf die nächsten acht Jahre!

Jetzt im Nachhinein sehe ich übrigens, dass ich vor Urzeiten die THIS-MEANS-WAR!-10“ auf meine Einkaufsliste gesetzt hatte, was dann aber total in Vergessenheit geraten war. Hrmpf. Wenigstens weiß ich jetzt, weshalb mir der Name irgendwie bekannt vorkam…

18.02.2023, Gruenspan, Hamburg: NAPALM DEATH + DROPDEAD + SIBERIAN MEAT GRINDER + ESCUELA GRIND

Die „Campaign For Musical Destruction“-Tour führte dieses Bandquartett nach ein oder zwei pandemiebedingten Verschiebungen an diesem Samstag endlich auch nach Hamburg – und hätte normalerweise ohne mich stattgefunden. Da Kai Motherfucker aber verhindert war, bekam ich seine Karte geschenkt, die er zuvor von alten Hagener Kollegen zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Das ist zwar nicht so 100%ig meine Mucke, aber neugierig war ich dann schon geworden. NAPALM DEATH hatte ich zuletzt in den 2000ern auf dem Force Attack gesehen und erinnere mich an ‘nen schön wuchtigen Sound, an viel mehr aber auch nicht. Und bis aufs legendäre Debüt habe ich nix der Birminghamer im Archiv. Nach dem ersten Pülleken bei Kai eilte ich zum Gruenspan, denn Subkultur in einem Kommerzschuppen bedeutet meist peinlich pünktlicher Beginn statt chaotischem Laissez-faire, so auch heute: Bereits um 19:00 Uhr (!) begannen ESCUELA GRIND aus den USA, die bisher zwei Alben am Start haben. Hierzulande scheinen sie noch nicht sonderlich populär zu sein, denn andere Besucherinnen und Besucher hatten bereits mit dem Namen Probleme („Estrella Grind“, „Escuela Dings“) und/oder ignorierten sie durch späteres Erscheinen. Die Bude war aber ausverkauft, was dieses Phänomen relativierte, sodass die Band auf einen bereits gut gefüllten Saal von der großen Bühne hinabblicken konnte.

Grindcore ist ja so was wie Musik für Menschen, die eigentlich keine Musik mögen, die Darbietungen entsprechen eher sportlichen Leistungen denn musikalischer Virtuosität. Folgerichtig trat die sich durchgehend in Bewegung befindende Shouterin in Sport-Top- und -Panties auf und führte durch ein energiegeladenes Set aus mal mehr, mal weniger metallischem, aggressivem Grindcore mit deutlichen Hardcore-Einflüssen. Ein Song wurde im Powerviolence-Stil gezockt, ein anderer als Death Metal angekündigt. In einem zunehmend von Spaß-, Gore- und Porngrind dominierten Genre mit selbstbewusster Frontfrau aufzutreten, tatsächlich etwas zu sagen zu haben (beispielsweise zur in einer längeren Ansage bedachten LBGTQ+-Community) und seine Shows mit HC-Punk-Attitüde zu spielen, nötigt mir Respekt ab und finde ich großartig!

In der kurzen Umbaupause wurd’s dann richtig voll und mir wurde bewusst, was „ausverkauft“ im Gruenspan bedeutet: Ein heilloses Gedrängel. Wer sich zu Beginn eines Gigs von vor der Bühne aufmacht, um das Klo aufzusuchen und auf dem Rückweg ein Bier abzugreifen, läuft da fast schon Gefahr, erst zum letzten Song zurück zu sein. Die russischen, glücklicherweise offenbar noch nicht von Putins Propagandamaschinerie auf Kurs gebrachten SIBERIAN MEAT GRINDER, die sich Sänger Vlad mit MOSCOW DEATH BRIGADE teilen, liefen bisher weitestgehend unterhalb meines Radars, konnten mich live aber mit ihrem Thrash/Hardcore-Crossover überzeugen. Vlad trat (passend zum Karneval, haha…) mit Bärenmaske auf und stand die meiste Zeit am vorderen Bühnenrand, wo er mit Habi- und Gestus an einen Hip-Hop-Performer erinnerte, während der Lead-Gitarrist das akzentuierte Geschrubbe mit geilen Metal-Soli veredelte. Insbesondere der Metaller(innen)-Anteil im Mob dankte es ihnen mit Pogo, Mosh und Circle Pits, Getränke spritzten, leere Becher flogen durch die Gegend – und ich bekam, das Treiben ein, zwei Reihen hinterm Pit beobachtend, das wohlige Gefühl, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Das mittlerweile mit 4,20 EUR für 0,33 Liter zu Buche schlagende Jever begann, seine zusätzlich euphorisierende Wirkung zu entfalten und ich ärgerte mich ein wenig, mir SMG nicht schon früher einmal angesehen zu haben.

Der crustige Teil des Publikums schien insbesondere DROPDEAD entgegenzufiebern, jener bereits seit 1991 existenten Grind-/Hard-/Fast-/Whatever-Core-Combo aus Rhode Island. Ich erinnere mich, da früher, als man noch ständig auf der Suche nach neuen krassen Bands war, auch mal reingehört zu haben, ohne dass sie wirklich meinem Geschmack entsprochen hätte. Auch DROPDEAD verfolgen einen gewissen inhaltlichen Anspruch und entstammen der HC-Punk- und -DIY-Szene, was sie schon mal grundsätzlich sympathisch macht. Und ich find’s klasse, dass NAPALM DEATH eine solche Band mit auf Tour durch die ja nun nicht ganz so kleinen Läden nehmen. In dieser Live-Situation resultierte das aber in einem ziemlich gleichförmigen Geschrammel auf der Suche nach Geschwindigkeitsrekorden, wozu der Sänger ins Mikro kreischte. Wann immer so etwas wie Songstruktur erkennbar wurde, fand ich’s in seiner Radikalität ganz cool, ansonsten konnte ich mit dem Stil allerdings nicht wirklich etwas anfangen. Dafür neigte der Sänger dazu, sein Mikro am extralangen Kabel bedrohlich über die Köpfe des Publikums zu schwingen, was mir als Showeinlage im Gedächtnis blieb. Hätte sich da mal das Kabel gelöst, hätte die eine oder andere Kauleiste dran glauben können. DROPDEAD auf so’ner Bühne ist halt an sich schon ein Statement, und bei dieser Art von Musik spielt, äh, die Musik ja ohnehin eher eine untergeordnete Rolle. Ich betrank mich weiter, genoss meine Kippe vor der Tür und war neugierig, wie NAPALM DEATH anno 2023 live klingen würden.

Nach dem sehr unbehauenen „Scum“-Debüt hatten sich die Grindcore-Pioniere eine ganze Weile gen Deathgrind orientiert, womit sie nach, nun ja, Death Metal eben klangen, was ich persönlich trotz des einen oder anderen „Hits“ als nicht sonderlich aufregend empfand. Das DEAD-KENNEDYS-Cover „Nazi Punx Fuck Off“ im ND-Stil ist natürlich klasse, eine richtige Liebe zur Band entwickelte sich meinerseits aber nie – eher Respekt davor, wie sie unermüdlich ihr Ding durchzieht, ohne auszuwimpen, vor Frontmann und Texter Barneys klugen Interviews in der Musikpresse und davor, bis heute Haltung zu zeigen, ohne sich für die Musikindustrie zu verbiegen. Den Sound im Gruenspan empfand ich als überraschend wenig metallisch, als wolle man eben gerade nicht mehr zu sehr nach Deathgrind klingen. Der nicht zu altern scheinende Barney zuckte permanent hyperaktiv zappelnd über die Bühne und keifte ins Mikro, ein durchaus beeindruckender Anblick. Vor der Bühne ging’s rund, hinterm Pit konnte man sich im Gedrängel hingegen kaum noch bewegen. Der schlauchartige Saal erschwert zudem den Blick auf die Bühne. Was da von derselben bzw. aus der P.A. drückte, war für meine Ohren mal zwingender, mal beliebiger, wobei zugegebenermaßen irgendwann auch meine Aufmerksamkeit nachließ. Ich war ständig entweder in Schnacks verwickelt oder mit Bierholen und Klogängen beschäftigt, wozu NAPALM DEATH den Soundtrack lärmten. Zwischenzeitlich richtete ich’s mir rechts vor der Bühne ein, wo ich zumindest bessere Sicht hatte. Ich erinnere mich ans BAD-BRAINS-Cover „Don’t Need It”, daran, dass bischn Zeug vom Debüt gespielt wurde (u.a. das Prog-Grind-Epos „You Suffer“), hatte aber mittlerweile offenbar auch etwas an den Ohren, denn ausgerechnet „Nazi Punx Fuck Off“, schlicht als „second cover song“ angekündigt, erkannte ich gar nicht. WTF?! Wurde anscheinend Zeit für mich, dass das Konzert endete, was dann auch nicht mehr lange dauerte. Der Abend fand im Semtex seinen Ausklang, wo ich mich u.a. darüber freute, dass es nicht so drängelig voll war.

Fazit: Ist auch durch dieses Konzert nicht so ganz meine Mucke geworden, ein interessanter Abriss war’s aber allemal – und meine Prognose, dort viele großartige Menschen zu treffen, die ich zum Teil länger nicht mehr gesehen hatte, hatte sich bewahrheitet. Allein schon dafür hatte es sich gelohnt, nicht zuletzt deshalb noch mal Küsschen an Kai für die Karte!

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