Günnis Reviews

Kategorie: Konzertberichte (page 37 of 44)

11.08.2012, Café Flop, Hamburg-Bergedorf: PETRI MEETS PAULI + VIOLENT INSTINCT + TAKE SHIT + CREAM OF THE CRAP + STAHLSCHWESTER

Gut, dass ich am Vorabend noch mal geschaut hatte, was am nächsten Tag so los sein würde: Fischer, den ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte, feierte also zusammen mit ’nem Kumpel seinen Geburtstag nach und lud dafür ins Bergedorfer Flop, wo ich ebenfalls ewig nicht mehr gewesen war. Aufgrund der Vielzahl an Bands begann man leider recht zeitig, weshalb ich PETRI MEETS PAULI und VIOLENT INSTINCT verpasste. Um letztere tat es mir wirklich leid – noch den letztjährigen Auftritt im Headcrash im Vorprogramm der LOST BOYZ ARMY in sehr positiver Erinnerung habend, hätte ich mich sehr gefreut, die Band um die charismatische, talentierte Sängerin Agga mal wieder auf der Bühne zu sehen. Stattdessen nahm ich zunächst Vorlieb mit den Buffetresten, denn im Vorfeld wurde kräftig gegrillt. Als ich dazustieß, hatte ein nicht unerheblicher Teil des Publikums bereits einen beachtlichen Pegel vorzuweisen, den einzuholen schwerfallen sollte. Nachdem ich mir gerade die letzten Reste Nudelsalat zusammengekratzt hatte, stürzte der Buffettisch samt sämtlicher Auflagen zu Boden, als sich jemand ungeschickt angelehnt hatte. Aus der Geburtstagsparty wurde ein Polterabend und Scherben bringen bekanntlich Glück. TAKE SHIT aus Stuttgart war dann die erste Band, die ich mir ansah, nachdem ich den Eintritt ausgewürfelt (!) hatte. Die Platte, die ich mal zugeschickt bekommen hatte, konnte mich nicht sonderlich erwärmen, im Flop vor gut angeheiterter Meute kamen die Schwaben aber hervorragend an. Musikalisch eher, ähm… „rudimentär“ vorgehend, mischte man eigene Songs mit zahlreichen Coverversionen von SCHLEIM-KEIM, den ÄRZTEN und den GOLDENEN ZITRONEN, intonierte das APPD-Lied und grölte zwischen den Songs deren Parolen und stimmte immer wieder ein Geburtstagslied an. Irgendwie scheint bei den TAKE SHITern die Zeit stehengeblieben zu sein; die rockten, als wäre es 1998 und man selbst an die 20 Lenze. Klar, warum nicht, von mir aus – es kam jedenfalls super an und auch die Band hatte sehr offensichtlich verdammt viel Spaß bei der Sache. Mehr was für mich waren dann aber CREAM OF THE CRAP aus Hamburg, die sexy Punkrock/Rotzrock mit sehr cooler Sängerin darboten, der sofort zündete. Der Gitarrist (oder Bassist? Ich weiß es nicht mehr genau) beherrscht ein gewisses Posen jedenfalls aus dem Handgelenk, Riffs und Melodien wussten zu gefallen und veredelt wurde das Ganze vom abwechslungsreichen Gesang, der die englischen Texte mal eher clean, mal rotzig und frech, mal melodischer, mal härter schmetterte und gegen Ende sogar unter Beweis stellte, auch deathmetallisch growlen zu können. Die hymnenartigen, von Chören unterstützten Refrains manch Songs luden direkt beim ersten Hören zum Mitsingen ein, ohne dass man sich in poppige Gefilde anbiederte. Cooler Gig einer weiteren coolen Band, die ich kennenlernen durfte. Und auf hohem Niveau sollte es weitergehen: Als letzte Band des Abends kündigten sich STAHLSCHWESTER an, jene Band um ex-PERLEN-AN-DIE-SÄUE-Sängerin Pebbels, die mittlerweile auch schon seit geraumer Zeit ihr Unwesen treibt, die ich bisher aber stets konsequent entweder verpasst oder ablenkungsbedingt ignoriert hatte. Ein Sakrileg, wie sich herausstellen sollte, denn STAHLSCHWESTER zocken wirklich astreinen, quasi perfekten Hardcore-Punk der alten ’82-Schule mit deutschen Texten, ohne dabei antiquiert oder bemüht retro zu wirken. Zwar wird natürlich bereits im Bandnamen mit der weiblichen besetzten Gesangsposition kokettiert und natürlich ist Pebbels auch ein durchgestylter Augenschmaus, doch musikalisch werden keinerlei Kompromisse gefahren und gibt’s keinen Bullshit, sondern geradlinigen, dabei aber wunderbar abwechslungsreich strukturierten und auch in seiner Geschwindigkeit variierenden Hardcore-Punk mit Wiedererkennungseffekt. Pebbels ist eine fähige Frontfrau, die herrlich aggressiv und angepisst, dabei akzentuiert und kontrolliert singt und hin und wieder von ihren männlichen Kollegen unterstützt wird, woraus ein schöner Kontrast entsteht. Mittlerweile war auch ich in ordentlicher Feierlaune und ließ dies die Band auch spüren, indem ich mich ein wenig austobte, während Lars an den Drums den jeweiligen Hektikfaktor der Songs vorgab und batterieartig durchzog, der Bass seine dominanten Läufe unter die sägende Gitarre legte und der Gesang Songtitel wie „Arbeitslager BRD“, „Realität“ und „Lüge“ herausrotzte. Ich war schwer begeistert – was für ein Ausklang der Party (bei der klangtechnisch übrigens alles soweit prima war)! Danke an Fischer & Co. sowie die Bands für die gelungene Sause!

03.08.2012, Rondenbarg, Hamburg: Sommafest ½ mit KAOS KABELJAU, UPPERCRUST und I.O.N.U.

Erster Teil des Sommerfests auf dem Rondenbarg, freier Eintritt, billige Getränke – und verdammt geile Mucke, wie ich feststellen musste. Vor leider recht übersichtlicher Kulisse machten KAOS KABELJAU aus Hamburg den Anfang mit deutschsprachigem Punkrock/HC-Punk, der mir mit zunehmender Auftrittsdauer immer besser gefiel. Sehr roh und ungeschliffen das Ganze, aber viel Authentizität und Engagement ausstrahlend. Mit einem Song wie „To(t)stedt“ hat man bei mir ohnehin gewonnen und zudem machten die Jungs einen sympathischen Eindruck. Danach brach das absolute musikalische Gewitter los, denn die noch nicht lange existierende, ebenfalls aus Hamburg stammende und sich zu zwei Dritteln aus Leuten von STAHLSCHWESTER zusammensetzende Band UPPERCRUST lieferte ein derbes Hardcore-Punk-Brett mit deutschen Texten ab, so Richtung RECHARGE in richtig gut, um mal einen groben Vergleich heranzuziehen. Den Gesang teilten sich Drummer Lars, durch den ich auf den Gig schon frühzeitig aufmerksam wurde, und der Gitarrist, der sein Instrument pfeilschnell spielte, während Lars die Drums natürlich entsprechend malträtierte. Dem passte sich sogar der Bassist an, der wie in Trance radikal und ohne Rücksicht auf Verluste die tiefen Frequenzen unter vollem Körpereinsatz erzeugte. Hut ab vor dieser schweißtreibenden, kräftezehrenden Leistung! Die Mucke war von vorne bis hinten ein kompromissloses, akzentuiertes Brett, das man dem Publikum erbarmungslos vor die Suffschädel knallte. Total geile Scheiße, die man unbedingt im Auge (und Ohr) behalten sollte! I.O.N.U. stammen aus Österreich und verschrieben sich ebenfalls dem Hardcore-Punk, diesmal mit deutlicher Metal-Kante Richtung Crossover oder auch mal bischn Kruste, die Lady am Mikro röhrte wie ein Kerl und die Bassistin verfügte ebenfalls über genauso viel Talent wie Ausstrahlung – ungehobelter Härtnerpunk mit drückender Gitarrenwand und starker weiblicher Beteiligung, als wäre es das Selbstverständlichste vonne Welt. So muss das sein! Das musikalische Konzept zündete und einige Leute inkl. meiner gingen mittlerweile ganz gut mit. Klasse Auftritt einer klasse Band, die den Abend ausfallfrei zu seinem Ende brachte. Verdammt schön zu beobachten, was sich im härteren Punkbereich momentan so allen an vielversprechenden Bands auftut und auf Hamburger Bühnen tummelt – egal ob lokal oder von außerhalb bzw. weit weg. Das macht Hoffnung und Laune und spricht sich hoffentlich schnell herum, so dass zu Gigs von Bands wie denjenigen, die heute Abend spielten, jede Menge interessierter Pöbel strömt – verdient hätten sie’s!

27./28.07.2012, Innenstadt, Essen: Nord-Open-Air mit AGNOSTIC FRONT, SODOM, ENTOMBED u.a.

nord-open-air 2012, essenAls hervorragendes Trostpflaster für meine diesjährige Festival-Abstinenz erwies sich das Essener Nord-Open-Air Ende Juli. Der Szeneladen Café Nord hatte etwas zu feiern und organisierte direkt vor Ort in der Essener Innenstadt (!) ein kostenloses (!) zweitägiges Open-Air-Festival mit einigen verdammt namhaften Bands. Ich legte meinen Urlaub entsprechend und konnte das Festival damit verbinden, einigen Leute in Hagen einen Besuch abzustatten bzw. diese erst einmal über gemeinsame Bekannte kennenzulernen. Optimale Voraussetzungen also, wenngleich man am Freitag durch die Trägheit der Masse erst relativ spät am Ort des Geschehens anlangte. Feitag stand mehr Punkrock „und so“ auf dem Programm, während Samstag der Metal-Tag werden sollte. Als wir eintrafen, hörte ich von außen bei sehr gutem Sound noch die letzten Songs von MASSENDEFEKT, irgendwelche nervigen Coversongs u.a. aus dem Popbereich. Kackband! Zu den mir zuvor völlig unbekannten MOTORJESUS gesellte man sich dann aufs Gelände, das natürlich gut gefüllt war, aber immer noch ausreichend Bewegungsfreiheit bot. Fremdgetränke durfte man nicht mit hinein nehmen, über den Bierverkauf (2,50 EUR pro Becher) finanzierte man anscheinend das Festival. Das Gelände ist prädestiniert für eine Veranstaltung wie diese, denn zur Bühne hin wird’s leicht abschüssig, so dass man von weiter hin immer noch eine gute Sicht hat. Der Sound war professionell und spitzenmäßig, druckvoll und glasklar. Nicht so der Hit waren hingegen MOTORJESUS, belanglose, moderne Rockmusik, irgendwo zwischen Rotzrock und Indie oder was weiß ich, von der nichts hängenblieb. Der Sänger aber hatte durchaus Entertainment-Qualitäten, unterhaltsamer als die Musik waren seine Ansagen zwischen den Songs. Irgendwann räumten diese dann endlich die Bühne für den Headliner des Abends, NYHC-Legende AGNOSTIC FRONT. Holla, gleich den ersten Song, meinen Allzeitfavoriten „The Eliminator“, verhunzte man aber amtlich (zumindest Miret den Keifgesang), möglicherweise Bühnensoundproblemen geschuldet. Ab dann lief’s aber sehr, sehr rund und die Band riss ein geiles Konzert mit der gewohnt gewagten und deshalb so abwechslungsreichen, vielleicht aber auch deshalb so massenkompatiblen Mischung aus altem, mittlerem und neuerem Material quer durch alle möglichen HC-Spielarten ab, was das Ruhrpott-Publikum überaus dankbar annahm und entsprechend mitging. Mittlerweile war das Gelände natürlich rappelvoll – und zwar mit einem sehr gemischten Publikum quer durch alle möglichen Altersgruppen, Subkulturen, Szenen, pipapo… Manch interessante Bekanntschaft konnte man da machen, z.B. mit aufgeschnalltem Rucksack moshende (!), jüngere Typen, die sich irgendwann völlig verschwitzt aus dem Mob zurückzogen, ganz hin und weg von der Band waren, sich als AF-Affiniciados zu erkennen gaben und lautstark die Texte herrlich falsch mitgrölten… Soweit ich das mitbekommen habe, tat die unterschiedliche Zusammensetzung des Pöbels der Friedlichkeit der Veranstaltung und der guten Stimmung aber keinerlei Abbruch. Ja, AGNOSTIC FRONT überzeugten einmal mehr mit einer energiegeladenen, erruptiven Show, wenn man auch mal wieder das unvermeidliche, zurecht umstrittene „Public Assistance“ brachte und andere Songs der beiden Mitt-Achtziger-Crossover-Scheiben mit dem aktuellen Line-up doch irgendwie ein wenig eigenartig klangen – zumindest für meine Oldschool-Ohren. Die RAMONES-Coverversion „Blitzkrieg Bop“ spannte gegen Ende den Bogen zum ’77-Punkrock, der auch für die FRONT die lokalen Wurzeln darstellt.

sodom @nord-open-air 2012, essen

Amnächsten Tag schafften wir es, etwas früher – dafür in deutlich verminderter Anzahl – einzutreffen und hörten von draußen noch GODSIZED lärmen. Aus reinem Bock auf Livemucke, egal von wem, gesellten wir uns zu VANDERBUYST aufs Gelände, auf dem bei strahlendem Sonnenschein wieder viele Leute herumwuselten, man aber trotzdem noch reichlich Beinfreiheit hatte. Ohne große Erwartungen an sie herangetreten, versüßte mir die holländische Langhaarbande überraschend meinen Altbiergenuss mit völlig unpeinlichem, verdammt arschtretendem, rockigem Oldschool-Metal bzw. Hardrock der derberen, flegelhaften Sorte und einer eindrucksvollen Bühnenperformance voller Energie und Spielfreude. Zum Wachwerden war das wirklich erste Sahne, ein dankbarer Opener für den Abend. Von THE VERY END hatten wir uns aber mehr versprochen. Nach VANDERBUYST angetreten und sich den härteren Klängen verschrieben habend, störten die unpassenden melodischen Parts zwischen den flotteren, knüppeligeren Passagen doch sehr; das klang mehr wie gyhypte moderne Grütze. Fortan wurde das „Sehr-Ende“ also mit Missachtung gestraft und sich auf ENTOMBED gefreut, jene Schweden-Death-Band, die ich bisher immer recht überbewertet fand; so überbewertet, dass ich mir nach dem Debüt „Left Hand Path“ kein weiteres Album mehr angehört hatte. Unsere Begleitung Schimmi hing uns jedoch schon seit Tagen damit in den Ohren, wie geil diese Band doch wäre und dass diese auch eine geniale Spielart des „Death’n’Roll“ zelebrieren würde. Ich war also „open minded“ und gespannt und wurde nicht enttäuscht. Das zottelige Pack auf der Bühne röhrte und schredderte sich die Seele aus dem Leib, die Songs hatten ordentlich Punch, Morbidität und (auch auf die Gefahr hin, diesen Begriff inflationär zu verwenden) Energie, manch Riff setzte Akzente, manch Hookline blieb hängen – und im Zugabenteil nach „Left Hand Path“ ausgiebigst die Titelmelodie der „Das Böse“-Horrorfilmreihe zu spielen, geht einem Genrefan wie mir natürlich runter wie Bier. In der Tat ein überzeugender Gig, auch wenn Schimmi dann doch einige Hits seiner Lieblingsalben vermisst hat. Das an diesem Tag logischerweise zu weitaus größeren Teilen aus Metal-Fans bestehende Publikum erwies sich bis zu diesem Zeitpunkt übrigens als ziemlich pflegeleicht, wie auch schon am Tag zuvor war kein großangelegter Asi-Alarm zu verzeichnen, was möglicherweise bei einem kostenlosen Festival in der Innenstadt zu befürchten gewesen wäre. Nun drängelte auch ich mich nach ganz vorne, denn mein persönlicher Höhepunkt bat zur Audienz: Die Ruhrpott-Thrash-Legende SODOM! Seit jeher eine meiner Lieblingsbands aus dem Extreme-Metal-Bereich und in den letzten Jahren auch zu einer meiner favorisierten Livebands geworden. Und ich musste an diesem Tage feststellen: SODOM im Pott ist ein Heimspiel, das sich nochmals positiv auf ihre Performance auswirkt. Als würden sie vor heimischer Kulisse noch mal extra eine Schippe draufpacken, war der Essener Gig locker noch 25% geiler als beispielsweise in Hamburg. Zwischenzeitlich war der Essener Mob zumindest zu Teilen doch ganz gut alkoholisiert und direkt vor der Bühne links, wo ich mich hingedrängelt hatte, wurde es etwas unangenehm, als sich alkoholisierte, aggressive Metal-Asis breit machten, die zum glück recht bald wieder verschwanden. SODOM begannen mit „In War and Pieces“ von der aktuellen Langrille, der sich einmal mehr als idealer Opener erwies. Was dann folgte, ist nur schwer in Worte zu fassen, ich versuch’s trotzdem: Bei astreinem Klang und idealen Wetterbedingungen haute das infernalische Kult-Trio einen Nackenbrecher nach dem anderen, quer durch ich glaube wirklich alle Alben, raus, dass mir so richtig warm ums Stahlherz wurde. Nur Hits, eine unglaublich geile Songauswahl! Klar, mit ihrem Repertoire könnten SODOM locker mehrere Stunden lang eine Sprengbombe nach der nächsten zünden, aber man bewies wahrlich ein glückliches Händchen bei der Setlist. Zu meiner Verzückung griff man sogar auf schwärzeste Perlen aus den Anfangstagen zurück, entstaubte räudige Kanonenschläge wie „Proselytism Real“ und einen meiner Alltime-Faves, „Burst Command Til War“, und feuerte sie in die gierige Meute. Genial! Der Mob verlangte lautstark nach „Ausgebombt“ und wurde entlohnt. Im Gegensatz zum Wackener Auftritt letztes Jahr wurde auch „Bombenhagel“ komplett durchgezogen, und, meine Fresse, in was für einer fiesen Knüppelversion! Voll auf die Zwölf, ohne Umwege direkt in die feiste Fresse! Ich hatte mich zwei, drei Reihen zurückgezogen, allein schon, um meinem frischen Beintattoo Tribut zu zollen, und siehe da: Nach ein paar Songs hatte ich sogar richtiggehend Platz, während ein verdammt respektabler Teil des Publikums sich eindrucksvoll-heftigen Pogo- und Mosh-Attacken im Pit hingab. Natürlich ließ man sich nicht lumpen und haute auch ein paar Zugaben raus, anscheinend mit der Splittergranate „Among the Weirdcong“ sogar eine mehr, als ursprünglich angedacht. Als Coverversion hielt diesmal MOTÖRHEADS „Ace of Spades“ her und der kultige „Blasphemer“ wurde beendet mit dem VENOM-Zitat „Lay down your soul to the god’s Rock’n’Roll – Black Metal!“ Angelripper und Bernemann verzichteten zwischen den Songs auf sämtliche alberne Showeinlagen, denn diese hat diese Band nicht nötig. Gentlemanlike freundlich wurde das Publikum begrüßt, bis Angelripper rührend sentimental wurde, seine Essener Erinnerungen mit dem Pöbel teilte und als skurrilen Kontrast zu den musikalischen Splitterbomben Liebesbekundungen an die Fans loswurde. Was für ein hundsgenialer Gig, was für ein Ausklang des sympathischen Festivals, von dem ich noch lange zehren werde! Danke ans Café Nord, an die geilen Bands und die Reisegruppe Unangenehm, der ich mich anschließen durfte, sowie unsere Gastgeber in Hagen! Ein Besuch im Pott lohnt sich eben immer und ich werde wiederkommen, keine Frage!

21.07.2012, Birkenhain, Buxtehude: 72 JUNGFRAUEN & 1 BOMBE (oder so) + ULTRAPENIS + T.B.C. + HAMBURGER ABSCHAUM + TOBSUCHT

Die berüchtigte, alljährliche tobsucht-party 2012 @birkenhain buxtehude, 21.07.2012 1 TOBSUCHT-Party auf der Buxtehuder Waldlichtung ging in die nächste Runde, bei freiem Eintritt und billigen Getränken wurde von einem zur Bühne ausgebauten Anhänger rustikaler Punk versprochen und eingehalten und die beschauliche Ruhe des Geländes empfindlich gestört. Auch hier kam ich mal wieder vornehm zu spät und verpasste 72 JUNGFRAUEN & 1 BOMBE (oder so), die nach meinen Berechnungen eine Coverband gewesen muss, die sich in erster Linie an RAMONES-Material vergriff. ULTRAPENIS war dann die Zwei-Mann-Ukulelen-Combo, die witzige Eigenkompositionen irgendwo zwischen MIKE KRÜGER und EISENPIMMEL sowie diverse Coverstücke zum Besten gab und die Stimmung hob. Der Fanclub war auch anwesend und entrollte ein eindrucksvolles „We love Ultrapenis“-Transparent. Fantastisch! T.B.C. schockierten erst mit ihrem Äußeren – wieder eine Zwei-Mann-Combo, diesmal in Bundeswehr-Jogginganzügen (oder so) und Drummer Tim mit schlimmstem Lippenspoiler – und im Anschluss mit ihrer Musik: Gefühlt 60 30-Sekunden-Songs, mit Drums und Gitarre instrumentiert und hektisch runtergeknüppelt. In seiner Konsequenz durchaus beeindruckend, Musik muss eben auch mal wehtun. Die Reaktionen fielen gemischt aus, O-Ton aus dem Publikum: „Hau ab, du Terrorist!“

tobsucht-party 2012 @birkenhain buxtehude, 21.07.2012 2Auf den HAMBURGER ABSCHAUM konnten sich dann wieder alle einigen, schon lange ist die achtköpfige (!) Band inkl. Kettensägenspieler sehr gut eingespielt und verdammt souverän. Auch hier war der Sound übrigens zumindest im Zuschauerbereich sehr gut, die deutschsprachigen, hörenswerten, von zwei Sängern vorgetragenen Texte sogar recht gut verständlich und manch Refrain zum Mitgrölen einladend, während musikalisch optimaler Pogo-Punk geboten wurde. HAMBURGER ABSCHAUM eben, sollte man mal gesehen haben. Mittlerweile war man gut am Feiern und nötigte den Herren auch noch ’ne Zugabe ab. TOBSUCHT bescherten dann wie üblich den Rest. Das abgetaucht geglaubte Bandmitglied Micha war sogar überraschend zurückgekehrt, fand zurück auf die Bühne und präsentierte sein ungewaschenes Genital. Der betont simpel gehaltene deutschsprachige Pogopunk versprühte ein Höchstmaß an Authentizität und ging direkt ins Bein. Das machte eine zeitlang eine Menge Spaß. Doch mittlerweile scheint man im Laufe des gefühlt 25-jährigen Bandbestehens über so viele Songs zu verfügen, dass der Gig kein Ende nehmen wollte und sich irgendwann etwas abnutzte. Das Schöne an TOBSUCHT: Unbeirrt spielen sie weiter und ziehen ihren Stiefel durch, bis kaum noch jemand vor der Bühne ist. Respekt! Nach Beendigung des „offiziellen“ Teils kletterte der ebenfalls überraschende Besuch aus Lüneburg auf die Bühne und versuchte sich volltrunken an manch NDW-Klassiker etc… während dort also fleißig weiter gelärmt wurde, trank man noch das eine oder andere Abschiedsbierchen und zog irgendwann von dannen. Am nächsten Tag erzählten die Organisatoren mir, dass man diesmal anscheinend tatsächlich einige Gäste weniger als im Vorjahr vorzuweisen hatte, so dass finanziell nichts wirklich hängenblieb. Dafür kann ich aber mit Gewissheit sagen, dass das anwesende Volk die von mir erwartete, angenehme Mischung durch alle Altersklassen hindurch, von den üblichen lokalen Verdächtigen über lang nicht mehr gesehene Gesichter bis hin zu Leuten von Außerhalb und natürlich den örtlichen Alkoholikern und etwas zerfeierten, schrägen Existenzen bot. Diese Leute einmal im Jahr friedlich zusammenzubringen und eine geile lokale Party zu feiern, ist, besonders, wenn das Wetter auch noch so gut mitspielt, immer wieder eine feine Sache. Die Musik wird zur Nebensache, Klönschnack und Gesabbel sowie Urlaub vom Alltag, auch dem gewohnten Konzert-Alltag, stehen im Vordergrund. Danke an TOBSUCHT für die Party und alle beteiligten Bands, die die Sause mitgemacht haben. Und natürlich an alle, die wieder einmal den Weg ins abgelegene Areal gefunden hatten.

14.07.2012, Juki 42, Ahrensburg: EIGHT BALLS + SMALL TOWN RIOT + SUIZIDE QUEENZ

eight balls + small town riot + suizide queenz @juki 42, ahrensburg, 14.07.2012Am Vorabend meines Geburtstags stand nach langen Jahren mal wieder ein konzertbedingter Besuch im fast schon legendären Juki 42 in Ahrensburg, einem der schönsten Jugendzentren der weiteren Umgebung, an. Mit einigen Chaoten im Anhang traf man allerdings etwas zu spät ein, so dass ich, nachdem ich den lächerlich geringen Eintritt abgedrückt hatte, aufgrund diverser Begrüßungsrituale die letzten Songs der SUIZIDE QUEENZ lediglich am Rande mitbekam. Ex-PUSHUPS-Högis und Ex-SMALL-TOWN-RIOT-Andys neue Band hatte einen ihrer ersten Gigs in teils abgefahrener Verkleidung und viel Schminke, offensichtlich an die 80er angelehnter Poser-Glam-Rock’n’Roll mit Punkrock-Rotz. Im Anschluss sollte ich dann endlich Gelegenheit bekommen, die von mir in der jüngeren Vergangenheit sträflich vernachlässigten SMALL TOWN RIOT in der neuen Besetzung mit Timo an der zweiten Gitarre und Neuzugang Herrn Lehmann an der Schießbude zu sehen. SMALL TOWN RIOT spielten sich souverän durch ein ausschließlich aus Hits – derer sie nun wirklich viele haben – bestehendes Set und ernteten die verdiente positive Publikumsresonanz, indem die Meute inkl. meiner lauthals mitsang. Ein englischsprachiger Streetpunk-Kracher der melodischen Sorte jagte den nächsten und der zweistimmige Gesang zwischen Goldkehle (Norman) und Rotzröhre (Timo) war erstklassig wie eh und je. Herr Lehmann entpuppte sich anschließend auch noch als überaus sympathischer Zeitgenosse, so dass er sich perfekt in die STR-Familie einreihte. Klasse Gig, der nach so langer Abstinenz mal wieder richtig Laune machte. Mittlerweile hatte ich auch nicht zuletzt dank der punkrockerfreundlichen Getränkepreise reichlich vorgeglüht, so dass dem Auftritt der unbestrittenen No.-1-Asi-Skin-Oi!-Punk-Heroen EIGHT BALLS nichts mehr im Wege stand. Mit Ladde als festen zweitem Gitarristen nach Mückes Abgang reihte sich auch hier Kracher an Kracher und wurde von mir und anderen frenetisch unter fleißigem Körpereinsatz abgefeiert. Coverversionen von MISFITS („Skulls“) und SLIME („1,7-Promille-Blues“) fügten sich nahtlos in die abwechslungsreiche Songauswahl ein, während ich in meinen Geburtstag hineinprollte – und bei „Für immer Punk“ von den Goldenen Zitronen wurd’s dann noch mal richtig feierlich. Ladde an der Gitarre abzufeiern, wurde zum Running Gag zwischen den Songs. Natürlich war ich einmal mehr schwer begeistert; die Band war mit ihrem Auftritt hingegen anscheinend nicht sonderlich zufrieden. Mir war’s (Achtung, Wortspiel) ladde, denn um irgendwelche Fehler, Verspieler etc. mitzubekommen, war ich eh zu euphorisiert (bzw. voll) und von meiner eigenen Party eingenommen. Wenn ich feiern will, dann feier ich, egal, wie gut oder schlecht die Band gerade drauf ist. Die Nacht nahm einen angenehmen Ausklang während einer chaotischen Odyssee in größerer Gruppe zurück auf den Kiez und ich konnte ein weiteres Lebensjahr abhaken bzw. einläuten. Danke, Jungs!

10.06.2012, Markthalle, Hamburg: SACRED REICH + AFTER ALL + DEGRADEAD

sacred reich @markthalle, hamburg, 10.06.2012

An diesem schönen Sonntagabend sollte ich einen weiteren Haken neben einen Konzertwunsch setzen können: US-Thrash- und 80s-Gasmasken-Ästhetik-Legende SACRED REICH, die mich bereits seit den 80ern musikalisch begleitet, hatte unlängst wieder zusammengefunden und beehrte die Markthalle mit einem Gig. Wie gewohnt begann die Sause recht früh, was mir auf einem Sonntagabend ganz recht war. DEGRADEAD verpasste ich komplett, zu den mir ebenfalls unbekannt gewesenen Belgiern AFTER ALL war ich jedoch pünktlich zur Stelle. Die postierten das sehr gelungene Ed-Repka-Artwork ihres neuen, bereits achten (!) Albums auf der Bühne und legten los. Glatzen und lange Haare hielten sich in der Band ebenso kontrastreich die Waage wie die Farben der Flying-Vs, von denen man eine schwarze und eine weiße zur Hand hatte. Doch was man mit ihnen anstellte, war nun so gar nicht meine Tasse Bier: „Melodischer Power-Thrash“ oder so mit klarem Gesang, der ständig in Falsetthöhen vordrang. So ein bisschen Richtung AGENT STEEL? Keine Ahnung, denn hinzu kam wie häufiger in der Markthalle ein miserabler Sound mit einem Hall, als befände man sich tatsächlich in einer riesigen Halle, ein einziger Soundbrei. Nach zwei, drei Songs ergriff ich die Flucht und verfolgte im Vorraum das EM-Spiel der tapferen Iren gegen Kroatien, das leider die Kroaten für sich entscheiden sollten. Alles anders dann bei SACRED REICH: Der Saal füllte sich, trotzdem hatte man noch genügend Bewegungsfreiheit. Die sympathischen Amis mit ihren intelligenten, autoritäts- und politkritischen Texten und immer mal wieder feister Hardcore-Kante boten eine exzellente, keine Wünsche offen lassende Songauswahl sogar inkl. ein paar Songs aus den maueren 90ern dar und hatten sichtlich Spaß, wieder auf der Bühne zu stehen. Das Publikum schien ebenfalls sehnsüchtig auf die Band gewartet zu haben, glückliche Gesichter allenthalben. Dass die Band zwar bejubelt wurde, es aber nicht wie früher zu größeren Moshpits, Stagediving etc. kam, man also nicht komplett durchdrehte, quittierte Frontmann Phil Rind mit einem augenzwinkernden Kommentar dahingehend, dass wir eben auch alle etwas älter würden sowie einem süffisanten Lächeln. Hinzu kommt aber auch einfach die sterile Atmosphäre des Kommerztempels Markthalle, die nicht gerade zu so etwas einlädt. Dafür stimmte aber diesmal der Sound, der organisch und druckvoll klang und allen Instrumenten ihren verdienten Raum ließ. Für Gitarrensoli kam der entsprechende Gitarrero stets bis an den vorderen Bühnenrand und nahm für ihre Dauer die Position des Frontmanns ein. Natürlich bedeutet so ein SACRED-REICH-Konzert aber nicht in erster Linie Sologefiedel und Gitarrengewichse, sondern hartes, schnelles Geriffe, treibende Drums und kämpferischen Gesang mit punkiger Attitüde. Etwas das Tempo herausgenommen wurde zwischenzeitlich fürs BLACK-SABBATH-Cover „War Pigs“, mitgesungen aus hunderten Kehlen. Klasse! „Death Squad“, „Who’s to Blame“, „The American Way“ und als Zugabe „Surf Nicaragua“ – meine persönlichen Favoriten waren alle dabei und machten mich an diesem Abend enorm glücklich. Sehr gerne wieder, gern auch in einem Laden mit mehr Szenebezug und einem steiler abgehenden Publikum an einem Freitag oder Samstag. Nach wie vor eine geile, relevante Band.

06.06.2012, Hafenklang, Hamburg: CRO-MAGS + MÖRSER

Als ich im zarten Grundschulalter begann, mich für Heavy Metal zu begeistern, bekam ich mal ein selbstaufgenommenes Mixtape geschenkt – es dürfte mein allererstes gewesen sein –, auf dem neben IRON MAIDEN, RUNNING WILD, DESTRUCTION & Co. die CRO-MAGS mit „We Gotta Know“ vertreten waren. Ich war sofort begeistert von der unbändigen Energie dieses Kraftprotzes von einem Song und hielt die Band schlicht für einen weiteren Metal-Act. Nachdem meine Punk- und Hardcore-Sozialisation nach meiner Pubertät so weit vorangeschritten war, dass ich selbst Straight Edgern nicht mehr prinzipiell ablehnend gegenüberstand, entdeckte ich irgendwann endlich auch die CRO-MAGS für mich neu und saugte die alten Kult-Aufnahmen, von denen es ja nun nicht allzu viele gibt, wie ein nasser Schwamm in mich auf. Was für geniale, auf den Punkt gebrachte Mucke prolliger, schwerst tätowierter, durchgeknallter Typen, die ihren New-York-Hardcore mit einer gewissen Metal-Kante verbanden und UNZÄHLIGE nachfolgende Bands damit nachhaltig beeinflussten! Direkt von der Straße in die Fresse. Die Bandköpfe John Joseph (Voc.) und Harley Flanagan (Bass) indes waren längst heillos zerstritten, hier und da gab es mal wieder vereinzelte Gigs, doch mal fehlte der eine, mal der andere. Mir war es nie vergönnt, einem beizuwohnen, doch Joseph begegnete mir in diversen Videos und machte stets einen ultrafitten Eindruck. Nun also war es endlich soweit und ich sollte an einem Auftritt Josephs & Co. partizipieren. Joseph, mittlerweile sogar unter die Bauchautoren gegangen – wer hätte ihm das früher zugetraut? – ist für mich schon so etwas wie ein Respektsperson, auch wenn man sicherlich nicht mit allem einverstanden sein muss, was der Herr so absondert. Besonders faszinierend an den CRO-MAGS finde ich aber, dass sie trotz derber, desillusionierender Straßentexte eine unheimlich positive Ausstrahlung versprühen und sich durch diese spezielle Mischung irgendwann Usus gewordener Kategorisierungen der Marke „Posi-“ oder „Bollo-Core“ entziehen. Damit sind sie für mich eine wunderbare Inspirationsquelle, die eine Nische ausfüllen, die eigentlich gar keine sein sollte, auf dem aktuellen „Hardcore-Markt“ aber anscheinend ist. Klasse finde ich dabei, dass es sie nicht im alljährlichen Package mit x anderen Bands in seelenlosen Kommerzschuppen zusammen mit den Top-Sellern der Szene gibt, sondern sie eben einen kleinen, feinen Clubgig wie diesen im sympathischen Hafenklang absolvieren. Die Bude war natürlich dementsprechend voll, mit meiner Meinung stehe ich alles andere als alleine da. Etwas schade fand ich, dass man keine lokalen Hardcore-Bands im Vorprogramm postierte, sondern mit den Bremern MÖRSER eine Death/Thrash/Grind-Kapelle aufspielen ließ, was meines Erachtens nur bedingt passte. Diese legte sich gut ins Zeug und mit zunehmender Spielzeit gefielen mir die Songs auch besser, insbesondere die thrashigeren Sachen mit akzentuierten Gitarrenriffs. Gleich drei röchelnde Sänger aufzufahren, ist aber mit Sicherheit übertrieben, andererseits sehe ich so etwas nun aber auch nicht alle Tage. Das Publikum nahm die Band irgendwo zwischen verhalten und passabel auf, aber eingestellt hatte ich mich eben auf einen anderen Sound an diesem Abend. Irgendwann war es dann auch soweit und John Joseph und seine Mannen bretterten mit „World Peace“ los, den sie prompt mehr oder weniger verhauten. Meine Skepsis stellte sich jedoch sehr schnell aus unangebracht heraus, denn spätestens Josephs sehr eigener Stil, sich zur Mucke zu bewegen, brachte sofort das „Cro-Mags-Feeling“, zudem sieht der Kerl immer noch wesentlich jünger aus, als er vermutlich ist. Ab dem zweiten Song war dann auch alles perfekt, jeder Song saß, alle Klassiker wurden dargereicht, Joseph klang prima und sein Vibrato in der Stimme, das er hin und wieder einsetzt, versieht die Songs mit einem individuellen Erkennungsmerkmal. Hit folgte auf Hit, souverän und arschtretend. Vorne wurde getanzt, hinten andächtig gelauscht und dazwischen irgendwo ich und andere Interessierte dichtgedrängt, die die Energie des Sounds in sich aufnahmen. Das Publikum war bunt gemischt, Kurz- bis Langhaarige, verschiedene Leute, denen die Band etwas bedeutet, wenngleich ich doch verwundert war, auf kaum bekannte Gesichter zu treffen. Wer trinken wollte, trank, wer rauchen wollte, tat das im Eingangsbereich oder vor der Tür, Dogmatiker, Hardcore-Päpste und Gewalttänzer der nervigen Sorte sind mir nicht aufgefallen. Angenehm. Kurzzeitig sorgte Joseph für Verwirrung, als er seine Lobesrede auf die deutsche Punk- und Hardcore-Szene nicht ausreichend erwidert sah und er in etwa so was wie „Is it still wrong to have German pride?“ fragte. Tja, manch Ami ist da eben etwas anders drauf und wird vermutlich nicht ganz nachvollziehen können, welche Debatten über (vermeintlichen?) Nationalstolz und Patriotismus innerhalb der deutschen Szene(n) gerade anlässlich der Fußball-EM aktuell auch wieder geführt werden. Das möchte an dieser Stelle aber nicht vertiefen. Ansonsten wetterte Joseph kurz gegen Establishment und System, ließ aber in erster Linie die Musik für sich sprechen. Seine vegane Lebensweise machte er genauso wenig zum Thema wie den Hare-Krishna-Kram, es blieb eine undogmatische Hardcore-Show, die kompakt die besten Cro-Mags-Stücke sowie das Bad-Brains-Cover „Attitude“ zusammenfasste und in Form eines frisch klingenden Energieballs ins Publikums blies. Klar, sicherlich wurden die Songs nicht mit dem gleichen Wahnsinn wie früher intoniert und natürlich legte Joseph nicht so viele Kilometer wie zu Jugendzeiten auf der Bühne zurück, und das Publikum rastete auch nicht völlig aus und lieferte sich wilde Stagedive-Schlachten. Wir haben nicht mehr 1986. Stattdessen wirkten die Stücke gereift und die Band erfahren und smart, obwohl die Inhalte die gleichen waren. Das stand ihnen gut, nichts wirkte für mein Empfinden albern oder aufgesetzt, sondern in Würde gealtert. Verdammt, es ist schwer zu beschreiben, jedenfalls hatte ich auch dann noch meinen Spaß an der Sause, als nach bereits 43 Minuten die Setlist nichts mehr hergab und Schluss war. Die relevanten Songs waren gespielt und damit war alles gesagt, es waren nicht unnötig aufgeblähte Nummern, sondern raue HC-Songs, zumeist auf das Wesentliche beschränkt, aber eben dennoch allesamt sofort voneinander unterscheidbar, direkt ins Ohr gehend und dort hängenbleibend, verdiente Genreklassiker mit höchstem Wiedererkennungsfaktor, präzise und prägnant – und in ihrer Schnörkellosigkeit eben bereits nach einer Dreiviertelstunde abgefrühstückt. Es ist ein straightes Oldschool-Hardcore-Konzert und kein mit viel Brimborium angereicherter Heavy-Metal-Gig, um den Bogen wieder zu meinem alten Mixtape zu spannen. Nicht wirklich die alte Schule war hingegen der Eintrittspreis, aber wenn man es geschafft hat, dass ich mir trotzdem nicht verarscht vorkomme, hat man anscheinend alles richtig gemacht. Das mag zugegebenermaßen aber auch daran liegen, dass ich die späteren, metallastigen Cro-Mags-Alben, auf denen zum Teil auch John Joseph singt, gar nicht kenne, mich nie mit ihnen beschäftigt habe, von ihnen überhaupt nichts hören wollte. Wer auf ein Konzert voller Songs dieser Platten gehofft hatte, wird mit Sicherheit enttäuscht gewesen sein. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich auch einmal diesen Scheiben widmen sollte…? Ganz gut geklingelt dürfte die Kasse übrigens auch am Merchandise-Stand haben, denn viele stürzten sich geradezu auf die in der Tat recht stilvolle, kleine Klamottenkollektion. Fazit: Für mich alles soweit im grünen Bereich und vor allem einen kleinen Traum erfüllt: Haken hinter „Cro-Mags live“! So, und nun bitte mal zusammen mit Joseph UND Flanagan!

11./12.05.2012: Hamburger Hafengeburtstag

Nach Feierabend ging’s direkt zum Hamburger Hafengeburtstag, wo für gewöhnlich von „offizieller Seite“ auf der Jolly-Roger-Bühne ein paar interessante Acts auftreten, aber auch die inoffizielle Mini-Bühne am Störtebeker in der Hafenstraße den DIY-Ethos hochhält, Getränke zu fairen Preisen feilbietet, sogar eigenhändig Cocktails mixt und viel idealistischen Krach zu bieten hat. Paar Leute treffen, bischn rumgucken, wat futtern – was man halt so macht. Das Wetter spielte mit und war angenehm trocken, das Publikum war dies selbstverständlich nicht und obwohl schon ordentlich Leute auf den Beinen waren, traf ich nicht allzu viele bekannte Gesichter und vielen stand irgendwie Lustlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Keine Ahnung, ob’s am frühen Zeitpunkt lag, ob man eine stressige Woche in den Knochen hatte oder was auch immer, so richtig prall war die Stimmung jedenfalls noch nicht. Ich hielt mich hauptsächlich an die Störtebeker-Bühne, wo allerdings nie jemand wusste, wer wann spielen würde, geschweige denn, wer denn da gerade auf der Bühne stünde. Interessant war eine Punk-Band mit recht cooler Sängerin/Gitarristin; das war sehr hörenswert, was da fabriziert wurde. Der eigentliche Grund meines Erscheinens aber war CLUSTER BOMB UNIT, jene schwäbische D-Beat/Crust/HC-/Raw-Punk/Whatever-Combo, von der ich mich akustisch mal so richtig verprügeln lassen wollte. Nach einem minutenlangen Intro mit Kriegssoundkulisse aus der Konserve ging’s dann auch exakt wie erwartet ab und Oliver an den Drums brüllte im Duett oder abwechselnd mit Frontfrau Julia, während der Rest der Band koordinierten, hammerharten Krach absonderte. Ein heftiges Brett, ergänzt von einigen weiteren Soundsamples etc. Das Publikum lauschte dem Treiben wohlwollend und soweit ich das mitbekomme habe durchaus erfreut, zum Asphaltpogo traute sich aber niemand so recht. Drummer/Shouter Oliver kotzte sich über das lahmarschige Publikum aus, was prima zur wuterfüllten Darbietung passte. Der kleine Mitgrölhit „Wut“ war natürlich auch im Set und gefällt mir mit seinem superaggressiven Drumming immer noch mit am besten. Spießig und vernunftbetont wie ich an diesem Abend noch war, ließ ich die letzten ein, zwei Songs oder so sausen, um noch eine verhältnismäßig frühe Bahn nach Hause zu bekommen. CBU hatte ich schon lange auf dem „gerne mal live“-Zettel und ich konnte glücklich meinen Haken danebensetzen. Schönes, brutales Ding.

Am nächsten Tag begann ich entgegen sonstiger Gewohnheiten bereits um 13:00 Uhr zu saufen, denn der straffe Zeitplan sah zunächst eine Bandprobe und einen anschließenden Besuch auf dem Hafengeburtstag vor, um erst diverse Bands auf der Jolly-Roger-Bühne zu verfolgen und später weitere Auftritte am Störtebeker mitzunehmen. Es begann mit den SEWER RATS, Punkabilly aus Köln. In jedem Falle nett anzuhören, wenn auch erst einmal recht harmlos und poppig. Zum Ende hin steigerten sich die Kölner aber deutlich und packten einige Ohrwurm-Melodien aus, die für beste Laune sorgen, die – verglichen mit dem Vortag – anscheinend auch alle anderen ohnehin schon hatten. Es herrschte allgemeine Euphorie und Partylaune, das alkoholhaltige kühle Nass floss die Kehle runter und lockerte den ausgemergelten, alternden Körper ebenso wie die Zunge. An der Störtebeker-Bühne herrschte wieder die allgemeine Verwirrung darüber, wer wann spielen würde und wer aktuell gerade lärmt, im Laufe des Nachmittags und Abends waren jedenfalls diverse dissonante und atonale Klänge zu vernehmen, teilweise mit brachialer Vehemenz und damit energiegeladen-charmant vorgetragen, teilweise aber auch eher zum Weghören. Auf der Jolly-Bühne folgten die TICKING BOMBS aus Schweden. Skinhead-Streetpunk von der Stange, absolut vorhersehbar und schon x-mal gehört. Live am frühen Abend unter freiem Himmel direkt an der Hamburger Elbe natürlich perfekt, um ein paar Pils dabei zu verhaften, aber nichts, was mich jetzt besonders geflasht hätte und dringend auf den Einkaufszettel wandern würde. Mein persönlicher Höhepunkt des Abends sollten einmal mehr die EMILS werden, die sich für ihren dritten Gig, den ich seit ihrer Reunion sehen sollte, wohl keinen Ort mit mehr Credibility als die Hafenstraße aussuchen konnten. Da jedoch abermals niemand wusste, wann die überhaupt spielen würden, mischte man sich eben unters Volk vor der Bühne, laberte mit diversen bekannten Fratzen, trank und hörte sich an, was sonst noch so alles von der Bühne schallte. Was das jetzt im Einzelnen war, weiß ich aber beim besten Willen nicht mehr. Die Stimmung jedenfalls war auf ihrem Höhepunkt, glückliche und besoffene Gesichter überall und alle hatten Bock auf einen Abend in sympathischer Runde bei Punkrock und Bier. Als die EMILS endlich anfingen, muss ich bereits verdammt voll gewesen sein, aber auch nüchtern wäre der Auftritt der reinste Genuss gewesen. Der Set wurde für den Auftritt zurechtgestutzt, komplexere Songs wurden gestrichen und damit eine spitzenmäßige, festivaltaugliche, ultrakompakte Songauswahl ausschließlich aus großartigen gottverdammten Hits bestehend präsentiert, dass mich nichts mehr hielt und ich bedingungslos alles abfeierte und dabei so ekstatisch zuckte, dass ich es noch Tage später in den Nackenwirbeln spürte. Über die Qualitäten der EMILS und ihren deutschsprachigen Hardcore-Punk habe ich in jüngerer Vergangenheit bereits reichlich Worte verloren, deshalb genug davon, nur noch soviel: Ein perfekter, großartiger Gig, der mich so dermaßen durchschüttelte, dass der Alkohol die Kontrolle über jede einzelne Pore meines Körpers übernahm und mein Gehirn nur noch auf Durchdrehen programmiert war. Nach diesem absoluten Positivbeispiel für hamburgischen Altherrenpunk ging’s direkt die Treppe runter zur Jolly-Bühne, wo sich mit RAZZIA eine noch ältere Hamburger Punk-Legende an einem Gig in Originalbesetzung versuchte. Eigentlich hatte man doch aber mit dem ganzen HC-Punk-Ding von früher nichts mehr zu tun und ich erinnere mich nur zu gut an ein Interview mit Original-Sänger Rajas vor einiger Zeit, in dem er sich negativ und abfällig darüber ausließ, dass Punks zu öffentlichen Straßenfesten billiges, selbst mitgebrachtes Bier trinken, statt die überteuerte Plörre an den Ständen zu kaufen – und ihn als Kirmes-Veranstaltungsheini o.ä. damit arm zu machen drohten… oder irgendsoeine Scheiße jedenfalls. Dementsprechend skeptisch war ich und als ich dann sah und hörte, wie man ohne einen Funken Energie oder Authentizität den alten Klassiker „Arsch im Sarge“ verunstaltete, hatte ich nur noch den gestreckten Mittelfinger für diese Farce übrig, wollte mir aber die Laune nicht verderben lassen und zog schnell wieder von dannen – in die nächste Kneipe, wo die Party weiterging und die Nacht in einem meiner schlimmsten Abstürze seit Jahren endete. Doch darüber hülle ich den Mantel des Schweigens und Vergessens.

10.03.2012, Villa, Wedel: ABOUT FACE + THIS BELIEF + LAST LINE OF DEFENSE

Wieder einmal ein Hardcore-Konzi mit lokalen Bands in der sympathischen Wedeler Villa und wieder einmal anlässlich Lars‘ und Lars‘ Geburtstags. Das Besondere diesmal war jedoch zugleich ein etwas trauriger Anlass: Alle drei Bands sollten ihr jeweils letztes Konzert spielen und galten eigentlich schon als aufgelöst. Nun wollte man es aber noch mal so richtig krachen lassen und sich auch für die Nachwelt verewigen, weshalb die Gigs mit Kameras festgehalten wurden.

Das Publikum ließ sich trotz zweier Konkurrenzveranstaltungen in Hamburg nicht lumpen und erschien so zahlreich, dass die Villa restlos ausverkauft war – Derartiges hatte ich dort noch nie erlebt. Nicht unbedingt wenige und zum Teil von weit her Angereiste konnten nicht mehr hineingelassen werden, was verständlicherweise zu enttäuschten Mienen führte. Ich kam glücklicherweise rechtzeitig, also flugs die zu vernachlässigenden 4,- EUR Eintritt gelöhnt, den Freibierstempel abgeholt (danke, Lars!) und hinein ins Vergnügen. Die im Original-Line-Up zu diesem Anlass reformierten ABOUT FACE machten den Anfang mit ihrer Mischung aus rasantem, gern aber auch eher im Midtempo-Bereich angesiedeltem, punkigem Hardcore und brachten den rappelvollen Saal auf Temperatur. Da ich von der Band nichts von Konserve kenne und mich auch an kein Konzert erinnern kann, fehlte mir natürlich der Bezug, weshalb ich das Geschehen vom Rande aus beäugte und Zeuge eines guten Gigs einer sympathisch wirkenden Band wurde.

THIS BELIEF betraten zum geschmackvoll gewählten Intro, dem „Cannibal Holocaust“-Titelthema des italienischen Komponisten Riz Ortolani, die Bühne und hatten ihr zweites Album „Reputation For Nothing“ im Gepäck, das die Auflösung der Band umso bedauerlicher erscheinen lässt. Ihr aggressiver Newschool-Hardcore mit Metaleinschlag, aber auch zwischenzeitlichen Streetpunk-Versatzstücken wurde unerbittlich in die Meute gebolzt und Shouter Valentin gab ebenso alles wie der Rest der Gruppe, der mit zwei Gitarren eine breite Krachwand auffuhr. Das kam nicht nur klasse an, das hatte auch Klasse und machte unmissverständlich klar, dass man sich zwischen gehypten Metalcore-Bands und anderen modernen Szeneauswüchsen nicht nur nicht zu verstecken braucht, sondern mit seiner Authentizität und sympathischen D.I.Y.-Attitüde als Gesamtpaket so manche Brüllaffencombo locker in die Tasche steckt. Die SMEGMA-Coverversion „Die Jungs von nebenan“ bewies wie immer Humor und Selbstironie. Ein zu Recht umjubelter Gig, der der beste gewesen sein dürfte, den ich bisher von THIS BELIEF zu sehen bekam. Obligatorisch, dass ich die neue, auf nur 100 Exemplare limitierte CD gleich mitnahm.

Die Wedeler Lokalheroen LAST LINE OF DEFENSE bürgen seit jeher für die volle Kelle Oldschool-Street-Hardcore und ließen wie zu erwarten war die Sau raus. Energiebündel Eloi am Mikrophon muss das Publikum vor heimischer Kulisse nicht lange, genau genommen: gar nicht bitten und LLOD feierten zusammen mit dem ausgelassenen Pöbel einen wahrhaft ehrenvollen Abschiedsgig. Schlag auf Schlag reihte sich Hit an Hit, angereichert mit der einen oder anderen Coverversion wie z.B. dem unvermeidlichen „Porno-Nazi“ von SCHLIMME AUGENWURST. In diesem Zusammenhang schmerzlich vermisst habe ich leider „Tied Down“ von NEGATIVE APPROACH, das durch den Standard „Crucified“ von IRON CROSS ersetzt wurde. Zwischenzeitlich verteilte man Luftschlangen zum Sprühen aus der Dose, was zu einer weiteren Erhöhung des Spaßfaktors führte. Die flotten, energisch vorgetragenen Songs mit ihren griffigen, zum Fäusterecken und Mitgrölen einladenden Songs weisen trotz selbstgewählter Beschränkung auf das Wesentliche einen hohen Wiedererkennungswert auf, was bei Weitem nicht jeder diesen oder einen ähnlichen Stil spielenden Gruppe gelingt. Ein weiterer Gig, der glücklicherweise festgehalten wurde, so dass sich nachfolgende Generationen ein Bild davon machen können, welch großartige HC-Band die schleswig-holstein’sche Kleinstadt da hervorgebracht hatte. Diese Lücke zu füllen wird schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Der Sound war stets wie in der Villa üblich top, das Publikum umgänglich, trotz Gedrängels rücksichtsvoll und rekrutierte sich aus unterschiedlichen subkulturellen Bereichen, wobei man respektvoll miteinander umging. Einige alte Bekannte und Szenehasen waren anzutreffen und manch Klönschnack trug seinen Teil zum Gelingen des Abends bei. Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle die aus meiner Sicht als Gast gelungene Organisation und das lockere, nette Villa-Personal, das es immer wieder vollbringt, dass man sich willkommen und gut aufgehoben fühlt – wofür sich die etwas längere Anreise aus meiner sympathischen Kleinstadt doch immer wieder und vor allem mehr als in den nächsten Kommerztempel lohnt. Es würde mich freuen, wenn sowohl THIS BELIEF als auch LAST LINE OF DEFENSE sich zukünftig vielleicht doch dann und wann wieder zusammenraufen und für sporadische Gigs zu haben wären, wofür sich der alljährliche Doppellarsgeburtstag natürlich anbieten würde.

13.01./11.02.2012, Hasenschaukel/Skorbut, Hamburg: DOGS ON SAIL

Am Freitag, dem 13.01.2012, luden die Punkrocker DOGS ON SAIL zu einem kostenlosen Unplugged-Gig in die schicke Hamburger Kiezkneipe Hasenschaukel, um mit ihrem neuen Sänger George einen Vorgeschmack aufs kommende zweite Album zu bieten. Dass das englischsprachige, melodische Midtempo-Material der DOGS mit gelegentlicher Hardcore-Kante auch ohne Stromgitarre funktioniert, bewiesen sie bereits in der Vergangenheit, so auch an jenem Tag. Die eingestreuten neuen Songs klangen vielversprechend und die Umarrangements funktionierten prima, außer vielleicht beim Hit „I Don’t No“, der mir in der stark verlangsamten Form zu kraftlos klang. Es fanden sich einige Interessierte ein, so dass es recht eng bzw. gemütlich wurde. Bewegt wurde sich auch ein bisschen, mitgesungen ebenfalls, vor allem natürlich bei den Coverversionen „New England“ von BILLY BRAGG, „Kids in America“ von KIM WILDE und der „Bro Hymn“ von PENNYWISE. Hat Spaß gemacht, wie eigentlich immer, und weckte die Neugier auf die neue Scheibe.

Diese stellte man – jetzt verstromt – am Samstag, dem 11.02.2012 im Hamburger Skorbut vor. Die Hunde riefen, der Pöbel folgte und als nach den ersten drei Songs endlich der Sound vernünftig abgemischt wurde und man Jörgs famoses Gitarrenspiel nicht nur sehen, sondern auch hören konnte, nahm die Release-Party ihren Lauf. Neues und altes Zeug, interessiert vom Publikum aufgenommen und teilweise sehr ordentlich betanzt, dargeboten vom bis auf eine kleine Ausnahme sehr souveränen neuen Sänger George, der die undankbare Aufgabe hat, in die Fußstapfen von Rampensau und Ex-Sänger Stulle zu treten und sich an ihm messen lassen zu müssen. Das bedeutet weniger Kaspereien, aber dafür eine für diese Musik prädestinierte, raue Stimme von jemanden, der zum Punkrock-Sänger geboren ist und seine Erfahrung mit einfließen lässt, so dass er souverän seinen Job meistert. Textsicher und mit dem richtigen Gespür für Betonungen etc. drückt er den alten Songs seinen Stempel auf und geht in den neuen, ich glaube etwas chorlastigeren auf, die er mit sichtlicher Freude dem Publikum um die Ohren rotzt. Dieses bedankte sich mit mal mehr, mal weniger Gefühlsregungen; etwas unverständlich war mir, weshalb sich der Platz vor der Bühne ca. zu Beginn des letzten Drittels sichtbar lichtete. Wurde die Aufmerksamkeitsspanne des verwöhnten Hamburger Publikums etwa überstrapaziert? Vielleicht war es aber auch einfach das Ambiente der engen, verrauchten Kneipe, das einige frische Luft schnappen oder sich Plätze am Tresen, der Quelle des zu fairen Preisen dargebotenen Nasses, zu sichern. Die Anzahl der Coverversionen wurde etwas zurückgeschraubt, aber bei der „Bro Hymn“ gingen wieder zahlreiche Arme hoch und wurde zum Chor angestimmt. Unterm Strich ein für meinen Geschmack sehr schöner Gig, in dessen Anschluss ich mir für einen lächerlichen Fünfer das neue D.I.Y.-Werk „Low“ mitnahm, das wie die neuen Songs live im CD-Player natürlich erst recht sofort zündet und neue, kämpferische Ohrwürmer bereithält. Lediglich die Spielzeit ist mit nicht einmal einer halben Stunden viel zu kurz, gemessen am Potential der Band. Immer wieder angenehm, wie sie ohne erzwungen wirkende Provokationen, ohne skandalträchtiges Image und ohne peinlichen Promo-Overkill oder was man sonst heutzutage gemeinhin so veranstaltet, um Aufmerksamkeit zu erregen, ihr Ding durchziehen, das den Augenmerk darauf richtet, worauf es wirklich ankommt. Einfach geilen Punkrock!

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