
Geplant war, dass die bayrischen Buam SPEICHELBROISS ihr 20-jähriges Jubiläum am 07.02. im Gängeviertel feiern und sich dabei mit den Sachsen SICK TIMES und uns, BOLANOW BRAWL, die Bühne teilen – doch es kam anders: Zunächst kam mit FINAL EFFORT eine weitere Band hinzu, dann mussten SICK TIMES verletzungsbedingt absagen und schließlich war es auch SPEICHELBROISS nicht möglich, an jenem Abend in die Hansestadt zu kommen, so dass das ganze Konzert kurz auf der Kippe stand. Die BeyondBorders-Crew, die die Sause organisierte, schrieb sich die Finger wund, um kurzfristig (das Konzert sollte in zwei Tagen stattfinden) Ersatz zu organisieren, möglichst etwas Bekannteren, der Publikum zieht – ohne Erfolg. Es erwies sich als alles andere als einfach, spontan Bands zu finden, die kurzfristig für einen gagenlosen Solidaritätsgig einspringen. Auch ich unterbreitete Vorschläge, hörte mich um und involvierte die anderen Brawler, so dass unser Basser Stulle schließlich einen Geistesblitz bekam: Bekannte von ihm, die Nachwuchspunks DIE FETTE BOITE aus HH-Niendorf, haben eben jene Band am Start, mit der sie aber bisher noch nicht aus dem Proberaum herausgekommen waren. Ein Telefonat und eine Absprache mit Melzi von den grenzenlosen Orgas später hatten wir einen neuen Opener – von dem noch niemand von uns jemals einen Ton gehört hatte. Stulle beschwor, „Ich lege meinen Schwanz für die ins Feuer!“, und so waren wir der Rettung des Konzertabends einen Schritt näher. Die unermüdlichen ABSTURTZ wären beinahe sogar noch als Überraschungs-Act eingesprungen, aber letztlich blieb’s bei den genannten Dreien und es wurde spannend: Würde überhaupt jemand kommen oder würden wir in einem gähnend leeren Gängeviertel die Strohbälle und Staubmäuse per P.A. von einer Ecke in die andere blasen? Egal, erst mal aufgebaut, lecker Nudeln mit Gemüsesoße verhaftet und der Dinge geharrt. DIE FETTE BOITE kam mit ihrem Steuerberater und als Opener oblag es ihr, den Soundcheck durchzuführen, der schon mal, nun ja, interessant klang. FINAL EFFORT, die wie die ausgefallenen SICK TIMES aus Sachsen kommen, machten vor ihrem Berlin-Gig Station in Hamburg und erwiesen sich als sympathische Zeitgenossen, die wussten, wie man am schnellsten nach Dresden kommt; ihnen wurde an einem Headliner-losen Abend die Rolle des Quasi-Headliners zuteil. Und alle Sorge war unbegründet, denn rasch füllte sich der Laden ordentlich und war schließlich – man glaubt es kaum – gerammelt voll mit Leuten, die sich erst mal den ersten Gig der FETTEN BOITE reintaten. Diese spielte keinesfalls Oi!-Punk, wie der Name evtl. zunächst vermuten ließ, sondern sehr eigenwilligen, experimentellen Freejazz-Punk voller Improvisationen, einem entfesselten Bass und philosophischen Texten der Marke „Bürgermeister, Saufen, Hauptbahnhof!“ Man hatte offenbar einige Freunde zusammengetrommelt und so lieferte sich der Mob vor der Bühne harten Pogo und die ersten Bierflaschen klirrten, sorgten für das richtige Schmuddelambiente. Der Spielfluss wurde von gleich zwei Saitenrissen jäh unterbrochen, aber mit der Ruhe und Souveränität ganz alter Hasen ließen sich die Jungspunde nicht aus dem Konzept bringen. Nach Beendigung des Sets mit beachtlicher Spieldauer war es unsere Aufgabe, die Stimmung aufrecht zu erhalten. Ab auf die Bühne, die Instrumentalfraktion spielt das Intro, ich mach die Ansage of Life… und dass wir das gleich mal wiederholen mussten, bevor’s wirklich losging, sollte zum Glück die einzige Panne bleiben. Wie im Rausch spielten wir uns durch unser Streetpunk-Set und das Publikum erwies sich von Beginn an als überaus dankbar, ging über die volle Distanz fantastisch mit, neigte angenehm zur Eskalation, knallte zum Teil auf die Bühne und bescherte uns eine verdammt geile Zeit! Zum Dank kredenzten wir als Zugabe das allseits beliebte „Arbeit/Saufen“ von KACKSCHLACHT und noch einmal den Opener „Total Escalation“, den ich dem traurigerweise jüngst verstorbenen Altonaer Feindhammer, der Todesmaschine True-Rebel-Karsten widmete. Auch nach dem Gig ernteten wir viele positive Reaktionen, offenbar war der Sound „unten“ nicht von schlechten Eltern – und wären wir mittlerweile mal etwas geschäftstüchtiger und hätten so etwas wie Merchandise gehabt, hätten wir das eine oder andere Stück an den geschmackvollen Mann oder die stilbewusste Dame bringen können, was für unsere geplante Platten-VÖ (gut Ding will Weile haben…) hoffen lässt. Auch den Bühnensound bekam der kompetente Kerl am Mischpult auf Zuruf schnell so geregelt, dass zumindest ich mich gut hören konnte. Zur mittlerweile vorgerückten Stunde hatten FINAL EFFORT mit ihrem schnörkellosen Hardcore, der ohne Gepose oder sonstige Sperenzien auskommt, dann einen etwas schwereren Stand, denn der eine oder andere Pogokrieger war mittlerweile anscheinend müde und verließ den Laden. Andere aber blieben und erkannten die Qualitäten der Band! So endete ein unter widrigen Umständen begonnener Konzertabend, der letztlich doch noch zur Befriedigung aller verlaufen sein dürfte. Auch das Gängeviertel-Konzept, für Eintritt und Getränke (keine Billigplörre, sondern Störtebeker und Jever!) lediglich Spenden in beliebiger Höhe zu verlangen, ging auf, so dass kein Minus in der Kasse der BeyondBorders-Crew entstand, die die Nummer organisatorisch top und mit viel Engagement über die Bühne gebracht hat. Über Begleiterscheinungen wie den fäkalterroristischen Arzt Dr. B. aus Westerland, verpeilte Dorfmusikanten und „vertauschte“ Jacken schweige ich mich an dieser Stelle aus und bedanke mich lieber beim superfitten Publikum, den anderen Bands und insbesondere natürlich der BeyondBorders-Crew für Speis, Endlos-Trank und Auftrittsmöglichkeit! Geile Scheiße, gerne wieder!