Günnis Reviews

Kategorie: Konzertberichte (page 23 of 44)

26.02.2016, Island, Hamburg: BOLANOW BRAWL

Weil Bolanow-Brawler Stulle all sein Geld versoffen, verhurt und den Rest verprasst hatte, war nichts mehr für den 40. Geburtstag seines Bruders und seiner Schwägerin übrig. Noch unter dem Eindruck unseres Privat-Gigs in Rostock stehend, kam er auf die Idee, ihnen einfach einen solchen zu schenken. Gesagt, getan, Equipment eingepackt und das „Island“ in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs aufgesucht, um alles aufzubauen und sich die ersten Freigetränke einzuverleiben. Das Island ist für gewöhnlich ‘ne schummrige Disse ohne Punkrock-Faktor, hat aber den Vorteil, ordentlich Krach machen zu können, ohne dass es irgendwelche nervigen Nachbarn gäbe – und den Nachteil, dass es über eine Liveakustik verfügt, die uns mit ihrem arschlauten Hall vor Herausforderungen stellte. Mit Jazzbesen statt den normalen Klöppeln die Drums zu bedienen, fiel soundtechnisch jedenfalls flach. Letztlich nahmen wir die Gegebenheiten mehr oder weniger in Kauf, mussten uns einige Stunden lang gedulden und zockten dann hörbar ungeprobt (Drummer Raoul war gerade erst aus Malle zurückgekommen) ein gekürztes Set. Ergebnis: Die Spreu trennte sich vom Weizen, einige verließen die Räumlichkeiten, andere hielten tapfer durch und ein paar tanzten sogar oder gaben über Höflichkeitsapplaus hinausgehende Begeisterungslaute von sich. War ok, aber auch nicht sonderlich spektakulär – und darüber, welchen Aufwand man für ‘ne gute halbe Stunde Livemucke vor größtenteils genrefremdem Publikum betrieben hat, denkt man besser nicht nach. Die Freigetränke rissen’s raus und mit MICHAEL JACKSON oder DEPECHE MODE hatte der Elektro-DJ, der die restliche Nacht die Beschallung übernahm, sogar einige lichte Momente – bevor es mich endgültig zurück in eine Punk-Spelunke trieb. Dennoch ‘ne interessante Erfahrung und danke an Stulles lockere Familie sowie diejenigen, die ehrliches Interesse zeigten und sichtlich ihren Spaß hatten!

Außerdem danke an Katharina für die Fotos!

20.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: DÖDELHAIE + ASIMATRIX

dödelhaie + asimatrix @menschenzoo, hamburg, 20160220

Ein historisches Ereignis: In ihrem gefühlt 100-jährigen Bestehen hatten die Duisburger DÖDELHAIE noch kein einziges verdammtes Mal in Hamburg gespielt, weshalb auch immer – das weiß wohl niemand so genau. Am 20.02.2016 sollte sich dies endlich ändern, denn die Haie schwammen sämtliche verdreckten Flüsse vom Ruhrpott bis in die Elbe herunter und strandeten schließlich im Menschenzoo, der eigens in ein großes Aquarium verwandelt wurde. Eigentlich sollte das für meine kleine Krawallcombo DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS darüber hinaus ebenfalls ein besonderes Ereignis werden, denn nach unserer Schrumpfung auf Quartettgröße wollten wir live mit Eisenkarl am Bass debütieren. Doch Pustekuchen, wieder einmal schlug das Verletzungspech erbarmungslos zu wie ein japanischer Walfänger, denn unser Drummer hatte sich eine seiner Tentakeln so fies verknotet, dass an einen Gig nicht mehr zu denken war. Das war extrem ärgerlich, umso erfreulicher jedoch, dass superkurzfristig Ersatz in Form der erst seit Kurzem existierenden HH-Punk-Combo ASIMATRIX gefunden wurde.

Die Band um Frontfrau Juli spielt eine recht eigenständige Mischung aus HC-Punk und Ska-Core, die so richtig schön giftig und gemein klingt, wenn Juli kratzig ins Mikro shoutet und die Vers-Enden extra dreckig fauchrotzt. Der Sound hat eine interessante düstere Schlagseite und unterstützt wird die agile, sich ständig in Bewegung befindende Sängerin vornehmlich vom Gitarristen, der ab und an kräftig und grimassierend mitbrüllen darf. Während der gelegentlichen hektischen Ska-Core-Eruptionen springt Juli gern ins Publikum und fordert es rempelnd zum Tanzen auf, was den Pöbel vor der Bühne weiter aus der Reserve lockte. Ich war überrascht vom bereits ziemlich tighten Zusammenspiel der Band, was sicherlich nicht zuletzt am zotteligen Drummer lag, der sich eine ulkige Brille für den Gig aufgesetzt hatte. Die deutschsprachigen Songs wurden um eine mir anscheinend unbekannte (oder arg verfremdete) Coverversion erweitert und unterm Strich war’s ein absolut respektabler Auftritt, der mir richtig gut reinlief. Sehe ich mir gern beizeiten wieder an und wäre auf jeden Fall auch was für ‘nen gemeinsamen Gig mit uns, wenn Dr. Tentakel wieder genesen ist!

Dann also endlich der geschichtsträchtige Augenblick: Der Große Graue live in Hamburg in der proppevollen Spelunke, die DÖDELHAIE fletschten ihre Zahnreihen, Hai-Alarm im Menschenzoo! Begleitet von Konfettikanonen aus dem Publikum führte der „immer gut gelaunte Sänger, Bassist und Berufspunk“ (wie ich ihn einst in einer Plattenkritik beschrieb) Andy Kulosa am halslosen Viersaiter und mit den berüchtigten, immer länger werdenden, aber unbedingt dazugehörenden, fast schon kabarettistischen Ansagen durch ein Killerhai-Set, das sich natürlich in erster Linie aus den so richtig punkpartytauglichen Stücken zusammensetzte. Düsterere, nachdenklichere Songs (z.B. vom sträflich unterbewerteten „Mitternacht“-Album) wurden ebenso ausgespart wie Uralt-Kracher à la „Meine kleine Welt“ oder „Feinde“, dafür gab’s Kultsongs wie den Opener „Heute Nacht“, „Weiter gehn“, das von Monty Python entlehnte „Holzfällerlied“, „Gerechtigkeit“, „Radieschen auf Frischkäse“ usw., ferner die Revolutions-Hymnen „Die letzte Schlacht“ von TON STEINE SCHERBEN und das eingedeutschte „Solidarity“ der ANGELIC UPSTARTS (von der kultigen „Oi! It’s Deutschpunk“-EP). Letzteres sang eine Dame namens Eva mit, die zuvor bereits das auf dem „Cats“-Musical-Hit „Memory“ basierende „Memmen“ bestens interpretiert hatte.

Die Stimmung war prächtig, vor der Bühne ging’s gut ab, der teilweise von weiter weg angereiste Pöbel legte sich gut ins Zeug. Die DÖDELHAIE sind ja im Prinzip ‘ne typische ‘90er-Deutschpunk-Band, wenn es so was überhaupt gibt. Einerseits haben viele Jünglinge sie damals bestimmt auch durch ihre rege Teilnahme an diversen weit verbreiteten Punk-Samplern kennengelernt, andererseits ist diese Stilbezeichnung szeneintern ja bisweilen eine Art Schimpfwort. Die DÖDELHAIE mit ihrer (oft missverstandenen?) Selbstironie, Andys Rufgesang und den gern mal in Metal-Gefilden inkl. doppelten Gitarren-Leads wildernden Klampfen gehören für mich aber eindeutig zu den Guten, und zwar gerade wegen dieser Zutaten. Das wiederum liegt neben meiner Schwäche für IRON MAIDEN und Co. vor allem auch daran, dass man überaus fit an den Instrumenten ist und die Gitarristen klasse Melodien hervorbringen, statt irgendeinen Metal für Arme zu dilettieren. Der Sound im engen Menschenzoo war bestens, Norman hat am Mischpult ganze Arbeit geleistet. Ich schätze mal, dass die Kulosa-Brüder & Co. normalerweise durch etwas größeren Kaschemmen schwimmen, aber sie ließen sich auch nicht von immer mal wieder auf die Bühne und in die Mikros fliegenden Leuten aus dem Konzept bringen. Umgefallene oder verdrehte Mikroständer wurden von den in Bühnennähe stehenden Leuten jeweils schnell wieder in Position gebracht, das ganz normale Chaos ohne negative Auswirkungen also.

Für mich gab’s, nachdem ich lange Zeit mitsingend und fäustereckend am Rand mit einem Dauergrinsen in der Fresse gestanden hatte, auch kein Halten mehr und ich saute mich kräftig beim Tanzen ein. Leider wurde mein Zugabewunsch „Spiegelbild“ nicht erhört, stattdessen noch einmal „Heute Nacht“ gespielt. Das wäre dann auch mein einziger Kritikpunkt an diesem ansonsten durchgehend erhabenen Auftritt: So viel Spaß die Songauswahl auch gemacht hat, so bestand sie doch auch zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil aus Coverversionen bzw. Neuinterpretationen fremder Stücke – obwohl man nun wirklich über eine Vielzahl spielenswerter eigener Songs verfügt. Von mir aus kann gern der eine oder andere ureigene DÖDELHAIE-Song zurück ins Set – vielleicht beim nächsten Mal, denn ich gehe doch davon aus, dass man jetzt, da der Bann gebrochen ist, einmal jährlich die Hansestadt an der Elbe beehren wird, oder?

Nach einem Klönschnack mit der Band im Anschluss endete dieser grandios fischige, vielen Erinnerungen an mehr oder weniger selige alte Zeiten weckende Abend, der so viel Laune gemacht hat, dass er mich unsere Absage fast vergessen ließ. Seufz…

13.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: DEFUSED HOLOCAUST

defused-holocaust-@menschenzoo,-hamburg,-20160213

Eine der letzten Hamburger Punkbands, die nun auch schon ein paar Jährchen aktiv ist, ich aber bisher konsequent (aber ohne böse Absicht) jedes Mal verpasst habe, ist EAT THE BITCH. Das wollte ich an diesem wieder einmal einem absoluten Überangebot an subkulturell interessanten Veranstaltungen ausgesetzten Abend eigentlich ändern und entschied mich nicht nur, erneut einem Menschenzoo-Konzert meine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, sondern war auch noch spontan als „DJ“ bzw. vielmehr FJ (Filejockey ) eingesprungen. Aber so’n 13ter soll ja manch einem Unglück bescheren und so hatte sich der EAT-THE-BITCH-Gitarrist versehentlich die Hand aufgeschlitzt. Damit fiel der Gig zu meinem Bedauern flach, die Rostocker von DEFUSED HOLOCAUST (nicht zu verwechseln mit DEFUSED, die dort Freitag zusammen mit CDC zocken und schon gar nicht zu verwechseln mit HOLOCAUST) mussten alleine ran und der Eintritt wurde auf „gegen Spende“ reduziert. Als kleinen Ausgleich versuchte ich, verstärkt Punk mit Frauengesang zu spielen, was aber niemandem aufgefallen sein dürfte. 😉 DEFUSED HOLOCAUST beschlossen aufgrund der Situation, ihr Set zu teilen, also zwischendurch eine Pause einzulegen und zwei Blöcke zu zocken. Soweit, so gut und die noch junge HC-Punkband knallte anfangs auch ganz ordentlich. Der Shouter tobte vor der Bühne, einer der Gitarreros sang kräftig mit. Mischer Norman hatte ihnen einen druckvollen Sound gezimmert und ein paar der leider diesmal nicht sonderlich zahlreich erschienenen Gäste feierten die Nordost-Hansestädter gebührend ab, unter ihnen auch ein paar ältere Semester, offensichtlich bereits stark alkoholisierte Partykanonen. Nach der Pause ging’s dann hauptsächlich mit Coversongs weiter und nun weiß ich nicht, was davon aus der Verlegenheit heraus, alleine einen ganzen Konzertabend bestreiten zu müssen und dem Publikum etwas bieten zu wollen, gespielt wurde und was zum regulären Set gehört, aber was mit GGs „Bite It You Scum“ und „Zusamm’n-Halt“ von ZUSAMM-ROTTUNG passabel anfing, ließ mit auch gar nicht unbedingt so geil gespielten Standards, die ich so gut wie nicht mehr hören kann, stark nach: „Bro Hymn“, „Vaterland“, „Gotta Go“, „Sex and Violence“ mit Drummer aus dem Publikum – solange sie nicht in irgendwelchen halbwegs originellen Spezialversionen dargeboten werden, sollte über diese Songs das absolute Coververbot verhängt werden! Je länger sie spielten, desto mehr wühlten sie auch in der eigenen Vergangenheit, spielten frühe Proberaumnummern und entfernten sich immer weiter vom ursprünglichen Stil, bewegten sich stattdessen irgendwo zwischen den Polen Schunkel-D-Punk und Metalcore und fanden einfach kein Ende. Die Attitüde stimmte und die Jungs waren supermotiviert und gut drauf, aber das war dann doch etwas zu viel des Guten. Potential ist aber da; sie gefielen mir am besten, wenn sie ihren möglichst kompromisslosen HC/HC-Punk-Stiefel zockten und sollten sich meines Erachtens vornehmlich auf diesen Stil konzentrieren, der die beiden Gitarren und das aggressive Organ des Sänger auch einfach am besten zur Geltung kommen lässt. Für mich dauerte die Nacht dann zusammen mit den Menschenzoowärtern logischerweise noch bis zum nächsten Morgen und hat noch viel Laune gemacht, doch der EAT-THE-BITCH-Ausfall blieb ein Wermutstropfen. Rasche Genesung wünsche ich an dieser Stelle und hoffe, dass der Gig bald nachgeholt wird!?

Danke übrigens an Karl Nagel für die schnieken Schwarzweißbilder, die er mir freundlicherweise für meinen kleinen Familienblog zur Verfügung stellte!

12.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: FRIEDEMANN

friedemann @menschenzoo, hamburg, 20160212

Den Rüganer FRIEDEMANN hatte ich seinerzeit als Schlagzeuger von TONNENSTURZ kennengelernt. Nach deren Auflösung gründete er mit COR eine Hardcore-/Thrash-Crossover-Combo und trommelte 2004 das Monster von einem TROOPERS-Album, „Mein Kopf dem Henker“, ein, bevor er sich anscheinend mit Atze überwarf. 2014 veröffentlichte er mit „Uhr vs. Zeit“ sein Solodebüt, auf dem er in Singer/Songwriter-Manier mit der Akustikklampfe unterwegs ist. Anfang 2016 betourt(e) er ausgiebig dessen Nachfolger „Wer hören will muss schweigen“ und als er dafür Halt im Menschenzoo machte, kam ich spontan auf ‘nen Abstecher rum – leider etwas zu spät, FRIEDEMANN und seine beiden Mitstreiter (u.a. Matze, der auch bei COR dabei ist und mit dem er auch bei den TROOPERS gemeinsame Sache machte) hatten bereits begonnen. Glücklicherweise gelang es mir irgendwie, mich noch in den proppevollen Laden zu drängeln, der diesmal übrigens bestuhlt war. Nein, nicht im Sinne von GG ALLIN, es wurden schlicht Sitzgelegenheiten vor der Bühne geschaffen. Dort war nur leider überhaupt kein Platz mehr, so dass ich mich um die Ecke an den Tresen begab, wo ich wenig sah, aber wenigstens die auf drei Akustikgitarren vorgetragenen Songs hören konnte. Die Atmosphäre war entspannt und ruhig, die Leute lauschten andächtig dem Songmaterial. Der schwersttätowierte FRIEDEMANN ist jemand, der etwas zu erzählen hat und das auch gern tut, weshalb ihm diese Darbietungsform perfekt liegt. Er nahm sich Zeit für längere anekdotengespickte Ansagen und erzählt in seinen Songs viele kleine, persönliche Geschichten und widmet sich Details, kann aber durchaus auch mal die Protestkeule auspacken und anprangern. Das ist ‘ne wirklich interessante Mischung, die in Liedern wie „Haben und brauchen“, „Gejammer“, „Nichts können“ oder „Daneben“ Ausdruck findet und raubeinig-charmant mit MeckPommer Slang zum Besten gegeben wird. Aus Friedemanns Songs sprechen häufig ehrliches Interesse an den kleinen und großen Themen des Lebens sowie der eigenen Individualität, Stolz auf und Dankbarkeit für das Erreichte und letztlich viel Lebensfreude abseits von aufgesetztem Trallala, die die Augen vor dem Elend dennoch nicht verschließt – im Gegenteil. In den melancholerischen Momenten erinnert er mich bisweilen etwas an ELEMENT OF CRIME, was ich weniger als hinkenden Vergleich denn vielmehr als Kompliment verstanden wissen möchte. Bei lauschiger Stimmung und ein paar Jever im Menschenzoo freute ich mich auch über das große Interesse, das FRIEDEMANN offenbar hervorruft und den Publikumszuspruch, der sich in verdientem Applaus äußerte. Da es jedoch vollkommen sinnlos erschien, von meiner Position aus Fotos zu machen, half mir netterweise Lena V. aus, die den Gegebenheiten vor Ort zum Trotz fantastische Bilder schoss, mit denen ich mein Konzerttagebuch illustrieren darf – vielen Dank!

30.01.2016, Monkeys Music Club, Hamburg: EL FISCH & OLDRIK + THE PUKES

fisch, el & oldrik + the pukes @monkeys music club, hamburg, 20160130

Fisch, Sänger der legendären LOKALMATADORE, spielt schon länger gern mal Solo-Shows unter dem Banner EL FISCH, und zwar als Alleinunterhalter mit Akustikklampfe. Als erklärter Freund des Ruhrpott-Asi-Humors nahm ich selbstverständlich die Gelegenheit wahr, erstmals einem solchen Spektakel beizuwohnen, als der Gute sich Ende Januar ins Monkeys verirrte. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet und so hatte er den Überraschungseffekt mehrmals auf seiner Seite – z.B. dadurch, dass er mit einem Herrn namens Oldrik jemanden an seiner Seite hatte. Doch dazu später mehr, denn nicht minder überraschend hatten sich erfreulicherweise die Briten THE PUKES kurzfristig als Vorband dazugesellt: Fünf Damen und eine männliche Rhythmussektion reiferen Alters covern sich mit fünf E-Ukulelen (!) beherzt durch diverse Punkrock-Klassiker, angefangen bei „Sheena is a Punk Rocker“ über VIBRATORs „Baby, Baby“ und MISFITS‘ „Where Eagles Dare“ bis hin zu „Holiday in Cambodia“ und „Because You’re Young“. Dazu ein EXPLOITED-Medley (!) bestehend aus „Sex & Violence“, „Dead Cities“ und „Alternative“, GLC von MENACE und als Zugaben das Mörder-Triple „Banned From The Pubs“, „White Riot“ und „Ca Plane Pour Moi“ – ein großes Rundum-Sorglos-Paket also, vorgetragen von verschiedenen Sängerinnen, die’s allesamt draufhatten und innerhalb dessen selbst die Cover-Standards unter der Songauswahl dank der außergewöhnlichen Instrumentierung neuen Reiz entwickelten. Der eine oder andere eigene Song war anscheinend auch dazwischen oder aber ich kannte in Ausnahmefällen schlicht das Original nicht. Ihre Belohnung jedenfalls waren ein ordentlicher Pogo-Mob vor der Bühne und fröhliche Gesichter allenthalben!

Nach der Pause dann Kontrastprogramm: Sieben Personen hatten die Bühne verlassen, lediglich eine erklomm sie – EL FISCH mit Cowboy-Hut, Fransenhemd und Gitarre, direkt mal „König Alkohol“ schmetternd, womit er bei mir natürlich offene Türen einrannte. „Safety Pin Stuck in My Heart“ vom ollen FITZGERALD kam dann ebenso unverhofft wie ein KINKS-Cover, aus „Griechischer Wein“ „Botropper Bier“ zu machen entsprach wiederum dem guten alten Pott-Alki-Humor. Dass dann doch so viele „Hasse nich gesehn“ von seiner unter ESTNISCHE BAUERN AUS DER HÖLLE veröffentlichten 1997er-EP kannten und lauthals mitsangen, überraschte wiederum den Maestro und spätestens bei „Ich bin dumm“, jener auf ewig unkaputtbaren LOKALMATADORE-Hymne, war der Drops gelutscht. Hätte das Konzert hier bereits geendet, ich wäre wahrscheinlich trotzdem glücklich gewesen. Was sollte da noch groß kommen?

So einiges, nämlich zunächst einmal jener Oldrik, der sich ans reduzierte Standtrommel-Kit gesellte, den Kontrabass zupfte, den Schellenkranz schüttelte oder selbst zur Klampfe griff und gern auch mal den Gesang übernahm. Nach dem ersten gemeinsamen Stück allerdings riss Fisch erst mal eine Gitarrensaite, die freundlicherweise jemand aus dem Publikum wechselte, während der Fischmensch auf der Mandoline (!) weiterspielte. Die ganze Sause ging wahnsinnigerweise insgesamt über zwei Stunden und im weiteren Verlauf trafen „London Calling“ auf eine eingedeutschte ELVIS-Nummer („Blue Moon of Kentucky“), „Dirty Old Town“ auf NEW ORDERs „True Faith“, woraus man kurzerhand ein Medley mit weiteren ‘80er-New-Wave/Pop-Hits zimmerte und TV SMITH‘ „Expensive Being Poor“, das ich kurz zuvor erst im Original in der Fabrik gehört hatte, mit einem äußerst gelungenen übersetzten Text. Auf zahlreichen Wunsch (u.a. von mir…) hin spielte man offenbar von der Setlist abweichend noch die Schlagerperle „Barbara“, die erst in der LOKALMATADORE-Interpretation zu wahrem Ruhm gelangt war, flankiert von weiteren Folk-, Country- und Rock’n’Roll-Klassikern. Das unberechenbare und höchst abwechslungsreiche Programm fand DEN Höhepunkt des Abends schließlich in „El Lokalmatador“, bei dem sich zahlreiche Menschen vor Freude jauchzend und beinahe zu Tränen gerührt in den Armen lagen und mit kräftiger Stimme die Wände des Clubs zum Erzittern brachten. Mit der gebotenen Stilvielfalt einher gingen aber auch viele Stimmungswechsel, wenn z.B. auf eine launige LOKALAMATADORE-Kultnummer ein nachdenkliches Folk-Stück folgte. Ich nenne es aber ein Wechselbad der positiven Gefühle, mit dem Fisch und sein Kompagnon ihren breiten musikalischen Horizont eindrucksvoll unter Beweis stellten und einmal mehr all jene Lügen straften, die Fisch auf die Sauf- und Fick-Texte seiner Haupttexte zu reduzieren versuchen und wahrscheinlich noch immer nicht den Pottkultur-satirischen, satten selbstironischen Tonfall kapiert haben. Es war eine grandiose musikalische Reise durch diverse Dekaden und Stilrichtungen von zwei begnadeten Entertainern, die beim einen oder anderen im Publikum jedoch die Aufmerksamkeitsspanne zu überfordern drohte, während andere diese willkommene Abwechslung zum üblichen musikalischen Wochenendvertreib bis zum letzten Akkord genossen.

22.01.2016, Fabrik, Hamburg: U.K. SUBS + TV SMITH

u.k. subs + tv smith @fabrik, hamburg, 20160122Als ich damals anfing, mich für klassischen UK-Punk zu interessieren, fielen die U.K. SUBS ja ehrlich gesagt erst einmal durch – auf den Samplern, mit deren Hilfe ich mir einen Überblick verschaffte, klang so vieles so viel interessanter als ihr „C.I.D.“, mit dem sie vertreten waren. Als ich später in das eine oder andere alte Album reinhörte, tat ich mich auch etwas schwer, doch als ich mir dann irgendwann eine schick aufgemachte Zusammenstellung aller bis dato erschienen Singles besorgte, zündete diese endlich. Doch obwohl Gründungsmitglied Charlie Harper mit seiner Band unermüdlich 1x jährlich Hamburg einen Besuch abstattete, ging ich elender Ignorant aus unterschiedlichen Gründen nie hin. Eigentlich unglaublich, dass sich das erst in diesem Januar änderte und ich mich endlich aufraffte, dem Konzert zusammen mit TV SMITH in der sympathischen, altehrwürdigen Hamburger Fabrik beizuwohnen.

Erwartungsgemäß war diese sehr gut gefüllt, als TV SMITH, ehemaliger Frontmann der legendären ADVERTS und damit ebenfalls ein ’77-Punkrock-Veteran, mit seinem Soloprogramm nur mit einer Akustik-Klampfe ausgestattet die Bühne betrat: Ein dünner alter Mann, der jedoch damit voll in seinem Element zu sein scheint, ein Sammelsurium quer durch sein musikalisches Schaffen stimmgewaltig zum Besten gab und damit viel Zuspruch verschiedenster Generationen im Publikum erntete. Vertraut bin ich lediglich mit dem ADVERTS-Material, von dem er relativ früh „No Time to Be 21“ spielte, „The Future Used to Be Better“ kannte ich auch noch, aber quasi ausnahmslos alle Songs besaßen viel Kraft und Attitüde, keine Spur von Lagerfeuer-Hippie-Romantik. Hängen blieben bei mir besonders „Expensive Being Poor“ und „Immortal Rich“, bevor er gegen Ende zum ADVERTS-Rundumschlag ausholte und nacheinander die großen Hits „Gary Gilmore’s Eyes“, „Bored Teenagers“ und „One Chord Wonders“ schmetterte. Des Fernseh-Schmidts Stimme ist nach wie vor bestens in Schuss, seine kämpferische Ausstrahlung entfaltet sich vollkommen unabhängig seines Alters, sobald er auf der Bühne steht und so kann ich nur den Hut vor seiner Leistung ziehen, die er anscheinend Abend für Abend auf dieser Tour bringt. Respekt!

Dann also die U.K. Subs, mit verzerrter Stromgitarre, versteht sich. Punkrock-Urgestein Charlie Harper, Sänger der Subs, war eigentlich schon immer alt, mittlerweile ist er sage und schreibe 71 und bringt mit grüngefärbten Haaren und dem Mikro in der Hand eine Leistung wie manch Jüngling nicht, im Gepäck das brandneue Album „Ziezo“, mit dem sie das Alphabet vollmachten (die U.K.-SUBS-Alben sind in ihrer Chronologie mit ihren Anfangsbuchstaben alphabetisch sortiert)! Seine Bandkollegen sind wesentlich jünger, Gitarrist Jet sieht aus wie ein asiatischer Elvis-Verschnitt und klampft sich energetisch durch das Set, Alvin am Bass weiß, wie man ’ne gute Show abliefert und beherrscht breitbeiniges Posing ebenso wie seine vier Saiten und Jungspund Jamie an der Schießbude peitscht mit flottem, kräftigem Beat alle drei gut nach vorne. Bestimmt über 15 Songs lang quer durch den Diskographie-Garten inkl. dem inbrünstig mitgesungenen „Warhead“ dauerte der erste reguläre Teil bei Spitzensound und vor der Bühne ging’s in einem amtlichen Mob mächtig rund. Es folgte ein ausgiebiger Zugabe-Block, der dann auch das mir früher zu unauffällige, mittlerweile jedoch längst liebgewonnene „C.I.D.“ in einer mächtig drückenden Version sowie das in „Party in Hamburg“ umgetaufte „Party in Paris“ enthielt. Doch nachdem Charlie & Co. erneut die Bühne verlassen hatten, wurden sie abermals zurückzitiert und zockten zwei weitere Knaller. Unglaublich, welche Energie da freigesetzt wurde, und das anscheinend Abend für Abend, immerhin befand man sich auf ausgedehnter Tour! Charlies Alter merkte man ihm zu keiner Sekunde an. Das war nicht SUB, das war TOP und mir das Spektakel endlich mal zu geben, war eine meiner besten Entscheidungen des noch jungen Jahres – wenn Sie auch meinen erklärten SUBS-Lieblingssong „Keep On Running“ nicht gespielt haben. Bleib uns noch lange in dieser Form erhalten, Charlie!

16.01.2016, Bagehl, Rostock: BOLANOW BRAWL + TORTENSCHLACHT + DER STAAT

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Der gute Peer wurde genötigt, seinen Geburtstag zu feiern, und zwar am besten mit einem Konzert im zum kleinen, feinen Veranstaltungsort ausgebauten Keller des seit Jahren von Punks, Artverwandten und Sympathisanten bewohnten Wohnkomplexes am Rostocker Bagehl. Nachdem ich ihn und den einen oder anderen Bewohner im Sommer persönlich kennenlernen durfte, brachte die gute Katharina kurzerhand uns ins Spiel, kurzfristig wurden die beiden Lokalmatadore/-innen TORTENSCHLACHT und DER STAAT dazugebucht und so stand das Aufgebot für Peers Privatparty bei geschlossener, aber guter Gesellschaft. Nach geteilter Anfahrt – zwei Brawler fuhren von Kiel mit dem Auto, die anderen per Bahn – lud das arschwinterliche Wetter nicht unbedingt zu ’nem entspannten Bummel durchs Rostocker Zentrum ein, also wurde nur schnell feste Nahrung gesucht und dann das Geburtstagskind in spe aufgesucht, denn er feierte rein. Nach der Begrüßung und dem Bühnenaufbau ging’s dann auch schonrecht zeitig los mit dem lokalen Nachwuchs von DER STAAT. Meine Erwartungshaltung hatte man im Vorfeld gleich mal auf ein Minimum reduziert, doch die Jungspunde sollten ihre Kritiker Lügen strafen: Das Trio bot kritischen, politisch engagierten deutschsprachigen Punk, wie man ihn allgemein „Deutschpunk“ schimpft und er vor zehn Jahren sofort von Nix Gut Rec. verpflichtet und veröffentlicht worden wäre. Das fand’ ich ja damals immer fragwürdig und auch für DER STAAT wäre das sicherlich zu früh, aber Entwicklungspotential ist definitiv da. Schlecht war’s nicht, was das Trio da authentisch rüberbrachte, wobei man sich das KASA-Cover besser gekniffen hätte, aber dafür mit WIZOs „Kein Gerede“ überraschte – das Ding ist nämlich bestimmt nicht unbedingt leicht zu zocken. Weitermachen, aber nächstes Mal ruhig die Iros aufstellen! 😉

TORTENSCHLACHT sind ebenfalls ein Trio aus der nordostdeutschen Hansestadt, das im Gegensatz zu DER STAAT – wie es der Name bereits suggeriert – aus drei Mädels besteht. Man hat sich dem deutschsprachigen Oi!-Punk verschrieben und besetzt bewusst manch Thema aus weiblicher Sicht, so z.B. Songs über Sexualität oder in einem Stück namens „Lästerschwester“. Der Hauptgesang wird sich schwesterlich geteilt, wobei Gitarristin Biene den rauen, gröligeren Part übernimmt und Elfriede an der Schießbude mit akzentuiertem Klargesang aufwartet. Bassistin Shifty überrascht mit einer kraftvollen, melodischen Stimme, die sich auch sehr gut im Background macht. Auf der Gitarre wird überwiegend halbverzerrt durchgeschrammt und der allgemein etwas rumpelige Charme steht der Combo gut zu Gesicht, die mich damit nicht von ungefähr an die Hamburger Deerns FAST SLUTS erinnert hat. So gesellt sich zu den beiden SCHLEIMKEIM-Coverversionen dann auch „Durstige Männer“ der DIMPLE MINDS, wofür hat man anscheinend unabhängig voneinander dieselbe Idee wie die Hamburgerinnen hatte und es ebenfalls textlich leicht angepasst hat, indem man „wir“ durch „ihr“ ersetzte und es so auf die männliche Zuhörerschaft münzt. Sympathischer Gig, der sehr viel Spaß gemacht hat und für beste Stimmung sorgte.

Als wir dann im Anschluss die mit reichlich Girlanden und Luftschlagen dekorierte Bühne betraten, hatten wir dementsprechend schon gut einem im Tee, alberten alkoholschwanger herum und erlaubten uns ein paar kleinere Patzer, wobei ich mich gleich dreimal leicht versang. Der Stimmung tat das keinen Abbruch und wir brachten mit unserem Streetpunk das Volk sogar zum Tanzen. Ole unternahm mit seiner Klampfe mal wieder einen Ausflug ins Publikum und ich armes Schwein kam gut ins Schwitzen und konnte mich nicht abtrocknen, weil Raoul fieserweise mein Handtuch versteckt hatte. Als geforderte Zugabe gab’s noch mal den Opener „Total Escalation“, bevor schließlich noch bis tief in die Nacht weitergefeiert wurde. Die DER-STAAT-Jungs griffen noch mal zur Gitarre und coverten Zeug wie „Abend in der Stadt“, später hallte herrlicher ‘80er-Pop aus der P.A. Danke an Thomas, der für prima Sound sorgte, an Peer für die Einladung und die ganze Bagehl-Bande für die Gastfreundschaft!

08.01.2016, Menschenzoo, Hamburg: FAST SHIT + …AND THE RED BUTTONS + FAST SLUTS

 

fast shit + …and the red buttons + fast sluts @menschenzoo, hamburg, 20160108

Mann dooo! Kaum sind die mehr oder wenigen besinnlichen Feiertage vorbei, weiß ich schon wieder nicht mehr, wo mir die Rübe wächst und komme kaum mit meinen Tagebucheinträgen hinterher. Und dann soll ich mich auch noch an alle Details erinnern…? Ich krame mal im Hinterstübchen und fasse mich kurz:

Ein schönes Soli-Konzert war das, wobei das „Soli“ hier nicht für Gitarrengewichse o.ä. steht, sondern – natürlich – für Solidarität. Seltsamerweise wurde das gar nicht auf der Menschenzoo-Seite erwähnt oder ich hab’s nicht gefunden, jedenfalls wurde hier u.a. ich glaube Brombeerschnappes ausgeschenkt, dessen Erlöse zugunsten ich glaube zweier Flüchtlingsinitiativen ausgeschüttet wurden; diverse andere Einnahmen dürften ebenfalls dem guten Zwecke zugeflossen sein. Nun denn, wie immer, wenn die schnellen, äh, Damen den Zoo beehren, war die Bude rappelvoll, als ich kurz vor Konzertbeginn eintraf und mich in die Soundecke zu Knöpfedreher und Schieberegler-Regler Wurzel gesellte und für musikalische Hintergrundbeschallung zu sorgen begann. Über die kurz darauf beginnenden FAST SLUTS und ihr Bühnenprogramm habe ich in der Vergangenheit ja schon geschrieben und im Prinzip war alles beim „Alten“ (sofern man das über eine so junge Band sagen kann), mit der Ausnahme, dass der hochcharmante deutschsprachige Oi!-Punk mit seinen aufhorchen lassenden Eigenkompositionen und den DIMPLE-MINDS-, SMEGMA- und LOIKAEMIE-Covern diesmal von Sängerin Alex offensiver, zwingender, mit mehr Druck auf dem Kessel vorgetragen wurde. Von der anfänglichen Aufregung während der ersten Gigs war nichts mehr zu spüren; außerdem gab’s mit „Roiberleiter“ einen klasse neuen Song. Bassistin Jule übernahm wieder die lockeren Schnacks mit dem Pöbel und dieser feierte die auch an den Instrumenten sicherer gewordene Band verdient ab, forderte gar eine Zugabe – einer Aufforderung, der man gern nachkam. Läuft bei ihnen – jetzt vielleicht noch ein wenig mehr Schmackes auf die Klampfe und weiter geht’s nach vorn.

Kurzes Intermezzo am DJ-Pult, dann auch schon …AND THE RED BUTTONS aus Hamburg, Barnstedt usw., die auf dem Hamburg-Inzest-Abstecher nach Kiel ja leider ausgefallen waren. Am Tag des Geburtstags des Drummers Heiko konnte ja eigentlich nicht viel schiefgehen und das tat’s auch nicht. Vornehmlich deutschsprachiger HC-Punk mit ordentlich Wumms dahinter, an den Instrumenten alte Hasen, die ihre Erfahrungen in die absolut souveräne Bühnenpräsenz der noch relativ neuen Band fließen ließen. Der Shouter ging auf Tuchfühlung mit dem Publikum und irgendwie hatte man bereits erstaunlich viele Songs. Wenn mich nicht alles täuscht, war auch irgendwas Gecovertes darunter, aber was genau, ist mittlerweile im Datennirwana meines Hirns verschütt gegangen, sorry. Edit: Die Partition konnte wiederhergestellt werden, es war natürlich „Breaking the Law“ von JUDAS PRIEST! Ich fand’s nicht schlecht, den Gig allerdings etwas zu lang. Aber das war angenehmerweise alles nicht so verbissen, gern mal bischn selbstironisch und norddeutsch-bodenständig. Kann so weitergehen!

FAST SHIT bedeutet keinesfalls, dass die Band fast Scheiße wäre, das exakte Gegenteil ist nämlich der Fall: Die Hamburger, übrigens eine von gleich mehreren Combos mit Basser Henning, überzeugen mit einer brisanten Mischung aus klassischem HC-Punk und lupenreinem US-HC und sind damit sackabwechslungsreich. Die Spannbreite reicht vom schnörkellosen ‘80s-D-HC-Punk-Klopper wie „HVV Drecksau“ oder „NSU – Fuck you!“, ganz zu schweigen vom SCHLEIMKEIM-Hit „Keine Wut mehr“, über wohlausgewählte Ami-Kracher wie „Injustice System“ von SICK OF IT ALL und 7 SECONDS‘ „Young ‘til I Die“ bis hin zu anspruchsvolleren Eigenkompositionen wie dem vom Drummer gesungen Song, der sich mit Tierrechten auseinandersetzt. Das ist ein buntes Sammelsurium, bei dem für jeden etwas dabei sein sollte, wenn auch mittlerweile die Publikumsreaktionen bisweilen etwas träge ausfielen: Bei „Young ‘til I Die“ hätte ich einen Chor aus allen Kehlen erwartet! Für die Zukunft bin ich auf noch mehr eigene Songs gespannt und würde mich über ein noch stärker ausgebildetes individuelles Profil freuen, denn das Potential ist auf jeden Fall da! Der gute Wurzel mischte übrigens allen drei Bands einen amtlichen Sound, bevor er sich nach getaner Arbeit in den verdienten Feierabend begab.

Für mich ging die Nacht mit meiner Beschallung aus der Konserve noch bis in die frühen Morgenstunden weiter und was nach Begleichung der Freigetränkekontingentsüberschreitungen (geiles Wort) von meiner Aufwandsentschädigung übrig blieb, landete logischerweise ebenfalls im Spendentopf – schön, wenn Partys und Konzerte wie dieses so reibungslos Hand in Hand gehen mit handfester solidarischer Hilfe für diejenigen, die leider ganz andere Sorgen haben als die Suche nach dem nächsten Punkgig mit gut ausgestatteter Theke. Auch wenn das angesichts des Ausmaßes der Bedürftigkeit sicherlich nur kleine Beiträge sind. Großartiger Abend, ebensolche Nacht!

31.12.2015, Menschenzoo, Hamburg: DIE SHITLERS + MISSSTAND

shitlers, die + missstand @menschenzoo, hamburg, 20151231

Silvester auf dem Kiez – ob das so eine gute Idee ist? Schließlich laufen bereits an „normalen“ Wochenenden genügend fragwürdige Gestalten dort herum. An einem Tag wie dem des Jahresausklangs muss man diese potenzieren und zudem davon ausgehen, dass sie mit Feuerwerkskörpern ausgestattet und doppelt so besoffen sind wie sonst. Andererseits: Das schaffe ich auch, außerdem lockte der Menschenzoo mit einer Art „Pogo ins neue Jahr“ mit den Ösis von MISSSTAND und den Bochumern SHITLERS, die gerade gemeinsam auf Tour waren und ich beide schon mal im „Zoo“ gesehen hatte. Eintritt zu ‘nem schmalen Kurs, dazu schickes Ambiente, kaltes Bier und mehr oder weniger gute Gesellschaft – da gab’s dann nicht mehr viel zu lamentieren. Ich war bei Weitem nicht der einzige, der so dachte und so wurde die Bude sehr schnell rappelvoll. Nachdem mir Martin Shitler backstage stolz den neuen Bandaufkleber präsentiert hatte, legten MISSSTAND mit ihrem etwas plakativen Antifa-D-Punk los und rotzten sich bei klasse Sound schnörkellos und motiviert durch ihre vornehmlich flotten Songs, dass der Adrenalinpegel ebenso schnell wie die Stimmung stieg. Vor der Bühne bildete sich ein kleiner Tanzmob und allgemein wurde sehr dankbar aufgenommen, was das Trio da in die enge Spelunke peitschte – übrigens inkl. KNOCHENFABRIK-Cover „Grüne Haare“. Prima Gig einer aufstachelnden Liveband, bei der es sich gut feiern und ein paar Bierchen reinschrauben ließ.

Nach dem Umbau dann zum wiederholten Male die Bochumer Satire-Punks, die mittlerweile Hamburg als Zweitwohnsitz angeben können, so oft, wie sie hier zu Gast sind. Überraschung: Nach diversen absturzbedingten Improvisationen, Umbesetzungen, Ersatzmusikern und Fan-Protestaktionen („Shitlers nur mit Tristam!“) standen sie nun zu viert auf der Bühne und dürften damit alles aufgeboten haben, was zuletzt so unter dem Bandnamen die Hansestadt heimsuchte. Offenbar lautete die Parole diesmal weniger Gesabbel, mehr Mucke und so hat man zumindest in meiner etwas nebulösen Erinnerung das Set geradliniger und abbruchfreier als sonst durchgezogen. Das bestand wie üblich aus zahlreichen Coverversionen verdienter Oi!-, Streetpunk- und Melodicore-Klassiker mit neuen deutschen Pannetexten, wozu es sich ganz wunderbar mitsingen (egal ob die alten oder neuen Texte) und herumspringen ließ, was ich fleißig in Freude über den gelungenen Abend und vor lauter Feierwut tat. Mit punkiger Fuck-off-Attitüde ließ man Mitternacht dann auch Mitternacht sein und zockte bis laßmichnichlügen ca. 00:30 Uhr durch, bevor ich mich dann endlich vor der Tür in den Wahnsinn einreihen und meine Batterie zünden konnte.

Ein absolut geglückter Silvesterabend fast schon klassisch inkl. Konfetti und Luftschlangen und vermutlich das Beste, was der Veranstaltungskalender für Punks und Konsorten an diesem Abend in Hamburg so hergab. Bei und unter uns blieb alles friedlich und kollegial, was man beileibe nicht von allen Ecken des Kiezes (sowie des einen oder anderen Hauptbahnhofs) behaupten kann, wie die Medien ab Neujahr fleißig berichteten und dabei das positive Gegenbeispiel des SHITLERS/MISSSTANDS-Gigs gänzlich unter den Tisch fallen ließen. Besser spät als nie leiste ich hiermit also meinen Beitrag zu einer ausgewogenen Berichterstattung (wenn ich auch nicht 100%ig ausschließen kann, dass die verhinderten Gangsta-Rapper von den SHITLERS nach dem Gig nicht doch noch den einen oder anderen angetanzt, betatscht und abgezogen haben).

26.12.2015, Monkeys Music Club, Hamburg: PROPAGANDA PROASYL

propaganda proasyl @monkeys, hamburg, 20151226Tu Gutes und rede darüber: Die Band PLASTIC PROPAGANDA hatte, offenbar mithilfe des „Mind the Gap“-Fanzines und natürlich des Monkeys, den organisatorischen Gewaltakt auf sich genommen, eine oberfette Punkrock-Sause – acht Bands und eine Lesung – zugunsten der gemeinnützigen Organisation Pro Asyl zu stemmen, die am zweiten Weihnachtsfeiertag über die Bühne(n) ging. Als ich erstmals von diesem Ereignis erfuhr, war ich Feuer und Flamme, doch als ich mich dann tatsächlich mitten im Jahresend- und Festtagstrubel befand, stand mir am 26.12. nach einem langen Besuch bei der Verwandtschaft eigentlich so gar nicht mehr der Sinn danach, mich vor Silvester noch einmal ins Getümmel zu stürzen. Als ich relativ spät im Monkeys eintraf und eigentlich nur etwas abholen wollte, sah die Welt aber schon wieder ganz anders aus und nachdem ich mich am Tresen festgequatscht hatte, blieb ich einfach da. Verpasst hatte ich bis dahin bereits EAT THE BITCH, THE DUTTS und SPIT PINK. Von THE HAERMORRHOIDS, Überlieferungen zufolge mit dem DUTTS-Sänger an den Drums, sah und hörte ich nur noch den Schluss, u.a. ein lässiges RAMONES-Cover. Der Gig fand auf der kleinen Pub-Bühne statt, denn um Umbaupausen zu vermeiden, wechselten sich beide Bühnen stetig ab. Nun rief der Gastgeber persönlich zur Hauptbühne und ich kam erstmals in den Genuss eines kompletten PLASTIC-PROPAGANDA-Gigs. Während andere ja gern mal Haupt- und Barthaar wild wuchern lassen oder aber sich komplett absäbeln, standen hier stylisch frisierte Herren und eine Dame wie aus dem Ei gepellt im Psychobilly- und Stachelfrise-Look auf der Bühne und machten optisch schon mal gut was her. Und es blieb nicht bei der bloßen Pose, auch musikalisch wusste man mit herrlich altmodischem UK-’77-Punkrock original mit halbcleanen Klampfen und männlich-weiblichem Wechselgesang zu überzeugen. Ab und an ging’s glaub’ ich auch bischn in die absichtlich wavig-monotone Richtung oder so, ich fand’s jedenfalls sehr interessant und muss mir die Platte mal in Ruhe anhören. Könnte echt wat für Vadder sein’ Sohn sein.

THE CHEATING HEARTS im Pub zockten daraufhin lediglich zu zweit in WHITE-STRIPES-Manier trashigen flotten Punkrock, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Ungefähr die Hälfte sah ich mir an, bevor mich ein Klönschnack vor die Tür trieb. War jedenfalls auch sehr ordentlich. Die Kieler THE STUMBLING PINS folgten auf der Hauptbühne und sahen ziemlich nach den RAMONES aus, kredenzten stattdessen aber etwas moderneren US-Melodic-Punk, der gut ins Ohr ging. Eben dorthin ging auch Viktor Hackers Lesung aus dem wenig beneidenswerten Berufsalltag eines Türstehers, anscheinend ein Auszug aus „Zeit für Zorn – Die Türsteher-Lösung“. Prima Humor, der in mehrere Richtungen austeilte und eine Lanze für die Türmenschen unserer Clubs brach, absolut souverän und leidenschaftlich rübergebracht – sehr schön!

Über VIOLENT INSTINCT brauche ich nun aber wirklich kaum noch Worte zu verlieren, hab’ ich schließlich mittlerweile oft genug getan. Mit dem Cover „Ultra Violence“, gesungen von Gitarrero Dennis, begann man den Gig, und als Sängerin Aga auf die Bühne kam, gab fortan sie den Ton an, wie immer mit viel Ausstrahlung und Verve. Hamburger Oi!-Punk deluxe mit erstklassigen deutschen Texten, Ohrwurmmelodien, Attitüde und einem Animal-like-Show-Drummer – sowie dem geschmackssicher gewählten ANGELIC-UPSTARTS-Cover „Solidarity“. Vergnügt schwang ich das Tanzbein, andere taten es mir gleich und überhaupt jede Band (seit ich das dank meiner Anwesenheit beurteilen kann) bekam den verdienten Zuspruch des in erfreulicher Stärke erschienen Publikums. VIOLENT INSTINCT mussten noch mal für ’ne Zugabe ran und dann bliesen DJ Mertens & Co. zur Aftershow-Party mit feinstem Punkrock-Stoff. Insgesamt kamen wohl 1.560,- EUR für Pro Asyl sowie ein großer Sack Kleiderspenden zusammen und das kann sich doch echt mal sehen lassen! Klasse Aktion in großartigem Ambiente bei entspanntem Personal und ebensolchen Gästen, deshalb auch ganz unabhängig von den Spenden mal ein fettes Dankeschön an das Monkeys, PLASTIC PROPAGANDA und alle ohne Gagen aufgetretene Bands sowie alle, die organisatorisch mit drinhingen! Ich hab’ meinen spontanen Besuch zu keiner Sekunde bereut und freue mich mit, dass alles so gut gelaufen ist.

Einen alle Bands abdeckenden Bericht sowie fantastische Fotos gibt’s bei Kevin Winiker.

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