Am 02.06. war einiges los: Kai Motherfucker und Familie hatten um 11:00 Uhr zum Brunch geladen, anschließend ging’s zum Mietenmove auf den Spielbudenplatz, wo nach einiger Zeit auch die Altonaer Fraktion eintraf – mitsamt schwerem landwirtschaftlichem Gerät. Gemeinsam ging’s dann per pedes, optimalerweise aber auch auf dem Traktor-Anhänger mit einer großen, bunten, entschlossenen, aber friedlichen Demo gen Hauptbahnhof zur Abschlusskundgebung. Die ersten Bierchen wurden sich gegönnt, die Stimmung war prächtig. Für den frühen Abend war dann das vorletzte Testspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft vor der WM angesetzt – gegen Österreich. Und mit wem suchte ich das O-Feuer in der Schanze zum entspannten Kickkuck auf? Mit einer Österreicherin… Immer wieder wurde der Anpfiff des Spiels aufgrund heftiger Regenfälle verzögert. Beim ZDF ging man daher ins Archiv, Abteilung Oe, und öffnete die „Österreich“-Schublade: „Hitler hatten wir schon so oft, lass uns mal wieder den Messner nehmen!“, hieß es da offenbar, und schon wurden pittoreske Aufnahmen gezeigt, wie der alte Ösi-Zottel in den Bergen keinen Yeti, dafür einen deutschen Nationalspieler fand. Irgendwann ging’s dann doch noch los, Deutschland versagte 1:2 und meine Begleitung feierte den Sieg… Aufgrund der zahlreichen Verzögerungen hatte ich längst so einige Umdrehungen im Blut und suchte als letzten Tagesordnungspunkt die Lobusch auf. PENADAS POR LA REY aus Bilbao hatte ich auszugsweise bereits auf dem letztjährigen Hafengeburtstag gesehen und wusste daher in etwa, was mich erwartet. Zunächst aber BRACK, „Punkrock aus Oldenburg“, wie’s auf dem Flyer stand. Nie von gehört, zumindest von der Band nicht, Oldenburg kenne ich. Mit dem Beginn hatte man sich sehr viel Zeit gelassen; dürfte schon fast 23:00 Uhr gewesen sein, als das Trio eindeutig älteren Semesters die Bühne betrat und losrödelte. Rotziger Oldschool-Punk in englischer Sprache, irgendwo zwischen ’77 und ’82, wurde ziemlich überzeugend dargereicht, mal melodischer, mal härter und ungestümer. Lief gut rein, machte Spaß und kickte. Gespickt wurde das Set mit einigen Coverversionen. Verbindlich erinnere ich mich an „Plastic Bomb“ von POISON IDEA und das EXPLOITED-Cover „Daily News“, knüppelhart rausgedrückt mit herrlicher We-are-old-Punks-so-what-fuck-you-Attitüde – Respekt!
Brack
Als die baskischen Gäste zunächst ebenfalls in Trio-Größe sich anschickten, die Bude nun endgültig zu zerlegen, dürfte es bereits nach 00:00 Uhr gewesen sein und langsam konnte ich stolz auf mich sein, überhaupt noch stehen zu können. Die drei Damen (auf dem Hafengeburtstag hatte noch ein Kerl an der Schießbude gesessen) luden mit ihrem flotten Punkrock energischer, doch melodischer Ausrichtung in Landessprache aber dazu ein, noch mal alle Kräfte zu mobilisieren und so legte ich ohne Rücksicht auf eigene Verluste eine kesse Sohle aufs Parkett. Irgendwann, ungefähr nach der Hälfte des Sets, legte die Gitarristin ihre Klampfe ab, um sich fortan ausschließlich auf den Gesang zu konzentrieren, dafür betrat ein Typ die Bühne, der die Gitarrenarbeit übernahm. Die Stimmung wurde immer gelöster und ausgelassener und viele inkl. meiner waren nach dem Schlussakkord noch so aufgeputscht und voller Adrenalin, dass sie die anschließende Party mit Mucke aus der Konserve dankend mitnahmen, bis sich der Biervorrat gefährlich dem Ende entgegenneigte… Die Erinnerung daran verliert sich dann konsequenterweise auch ziemlich, aber die späte Stunde des Erwachens spricht dafür, mal wieder die Nacht zum Tag gemacht zu haben. Und ich glaube, viel mehr bekommt man in so einem Samstag auch nicht unter – bzw. muss dann eben noch gut was vom Sonntag angebrochen werden… Die Lobsch-Veranstaltung war der krönende Abschluss; schön, dass es nach dem langwierigen Mietenmove noch so viele dorthin verschlagen hatte.
Nachdem es uns letztes Jahr erstmals nach Potsdam verschlagen hatte, hatten uns die ehrenwerten Zeitgenossinnen und -genossen der Brigada-Caoz-Konzertgruppe direkt zur Teilnahme am zweitägigen Festival eingetütet. Als es konkreter wurde, einigten wir uns auf den Freitag in illustrer Runde. Per Miethobel ging’s dann am frühen Nachmittag zu viert mit sämtlichem Gepäck auf die Autobahn, Ole reiste im eigenen Boliden, Sandy ebenfalls, Flo kam per Bahn nach, Oles Freundin Chrissi + ‘ne Bekannte tauchten auch noch irgendwann überraschend im Archiv auf. Zunächst hielt der Highway to Hell aber einen fiesen Stau für uns bereit, ließ uns aber dennoch so zeitig eintreffen, dass wir zu den Ersten gehörten – alles entspannt also, erst mal in Ruhe Roby & Co. begrüßt, ‘n Sterni geköpft und natürlich lecker gespeist! Es handelte sich um ein Soli-Festival für die „No Border Kitchen Lesvos“-Initiative und auch wir bekamen ordentlich zu futtern: Kartoffelsuppe mit Räuchtertofu, Baguettebrot, Karottensalat, Kuchen mit Puddingfüllung, diverses Obst, Knabbergebäck… Hach, die Vorzüge des „Künstlerdaseins“… Eigentlich sollten wir als Dritte spielen, aber da Friedi & Co. es aufgrund des nach hinten verzögerten Beginns zu spät geworden wäre, ließen wir die Running Order noch mal rotieren und durften so bereits als Zwote ran. Im Hinterkopf hatten wir noch, dass die Sause eigentlich ‘ne Freiluftveranstaltung werden sollte, doch das stand wohl nur anfänglich ganz kurz zur Diskussion. Dafür war diesmal wieder die eigentliche Bühne im Innenraum des großzügigen Archiv-Komplexes bespielbar, letztes Mal zockten wir noch exakt gegenüber auf ebenem Boden. Vorm Beginn und in den Umbaupausen lief übrigens die meiste Zeit ein DIE-ÄRZTE-Tribut-Sampler mit einigen bemerkenswerten Eigen- und Uminterpretationen…
Den lokalen Vorreiter machten schließlich MINDFALL mit einer moderneren Hardcore-Variante, bischn Melodie, viel Wumms, breitbeinige Klampfer und viel Gebrüll – ging klar.
Mindfall
MINDFALL übergaben das Zepter an uns. Nachdem wir eine Position höhergerutscht waren, gab ich bischn Gas beim Trinken, um rechtzeitig auf Temperatur zu kommen, unterschätzte jedoch ein wenig die Wirkung und musste Flos mir nach dem Gig gestellte Frage, ob ich betrunken gewesen sei, mit ja beantworten. Sie kennt mich eben gut. Aber der Reihe nach: Der Zeitplan drückte, der Umbau ging daher schnellstmöglich vonstatten und Zeit für einen ausführlichen Soundcheck gab es nicht. Wir haben kurz „On The Radio“ angespielt und ich bat daraufhin darum, einfach meinen Gesang so laut wie möglich auf den Monitor zu bekommen. Tusch, „Brigitte Bordeaux“, „Total Escalation“ – und direkt versungen. Da merkte ich, dass ich Oles Leadgitarre dann doch auf dem Moni brauche und bekam sie auch. Mir wurde aber auch klar, dass ich nun zwei Möglichkeiten habe: Entweder nach jedem Song meinen Monitor nachjustieren lassen, bis ich den perfekten Bühnensound habe, oder einfach darauf scheißen und dem Affen Zucker geben. Ich entschied mich natürlich für letzteres, sprang wie in alten Tagen auf und ab, bis mir der Schweiß in die Augen floss und ignorierte die Mitteilungs- und Dialogversuche der Saitenfraktion, da ich sie sowieso akustisch nicht verstand. Für viel Gelaber war ohnehin keine Zeit, zu kuriosen Unterbrechungen kam es dennoch: Zwischen zwei Songs öffnete sich plötzlich die Tür hinter der Bühne, ein Mann kam herein, legte den Finger auf die Lippen, zischte „Psssst!“, womit er uns und das Publikum zur Ruhe aufforderte, fummelte irgendetwas Technisches herum und verschwand nach einiger Zeit wieder, woraufhin’s weitergehen konnte. Auch nicht schlecht war, dass wir „Red Lips“ gleich 3x anzählen mussten, bevor wirklich alle bereit waren. Zu keiner Unterbrechung führte, dass Christian ein komplettes Bier über seinem Amp verkippte. Alles andere lief aber erstaunlich pannenfrei; erstaunlich deshalb, weil wir die Bolanow-Buddeln nicht nur ins Publikum reichten, sondern sich meine Bandkollegen auch selbst fleißig an ihnen labten. Keith, der seinen dritten Gig mit uns absolvierte, war im Gegensatz zum Auftritt auf dem Hafengeburtstag aber topfit und die Bude war gut voll. Unterm Strich ein rotzigerer und alkoholisierterer Gig als zuletzt, nach dessen Schlussakkord ihn Keith aber prompt zu seinem bisherigen Favoriten erklärte – was also weiß ich schon?
Bolanow Brawl
Da Friedemann für sein Akustik-Set im Kneipenbereich aufgebaut hatte, ging’s dort im direkten Anschluss weiter, sodass ich einiges verpasste, während wir noch mit dem Abbau beschäftigt waren. Der Auftritt stellte sich jedoch als ideal heraus, um erst mal wieder herunterzukommen. Ich setzte mich zwischen das Publikum, das es sich bequem gemacht hatte, und lauschte den Weisen des Rüganers, der diesmal mit zwei weiteren Gitarristen (u.a. seinem COR-Sidekick Matze) sowie einem Percussionisten angereist war. Auf seinem Singer/Songwriter-Solo-Trip scheint Friedemann das zu verarbeiten, was zu COR weniger passen würde, leisere Zwischentöne, kleinere Geschichten. Klare Worte verschaffen sich jedoch ebenso Gehör, u.a. wenn er zu weniger Plakativität und mehr konstruktiver Tat aufruft, wobei im Rahmen der Ansage auch ein Hamburger Modelabel einen mitbekam… Andere Song betonen den D.I.Y.-Aspekt und den Mut zum Ausprobieren oder auch Scheitern, nehmen Konsumwahn aufs Korn oder verorten Friedemann selbst in einer Rolle, in der Stolz, Selbstironie und Demut sich die Waage halten. In Kombination mit originalem MeckPommer Charme und gelebter Authentizität erreicht er damit die Hörer ganz unmittelbar und vielleicht auch tiefer als manch Drescher plakativer Parolen. Und das ganz ohne Hippie- oder Intellektuellen-Mief, sondern weiterhin schön schnoddrig.
Friedemann
AUSSCHREITUNG aus Lauchhammer (Alter, wat’n Ortsname!) haben gerade ihr Debüt-Album „Gegen den Strom“ veröffentlicht. In Vierer-Besetzung gab’s volle Breitseite das, was ich als so etwas wie klassischen Deutschpunk bezeichnen würde, auch wenn ich sonst meist versuche, diesen Begriff zu vermeiden. Hier haste aber halt echt einfache, aber supereingängige Akkorde, deutschsprachige Texte zwischen Systemkritik und Klischee und mehr Midtempo als HC-Punk-Geballer. Der Klargesang des durchtrainierten Sängers hat mich bischn irritiert, da würde ich mir mehr Mut zu Gift, Galle und Rotz wünschen. Und musikalisch gern öfter mal die Handbremse lösen und bischn mehr arschtreten. Ich kapiere natürlich, worauf die Band hinauswill und in Sachen Texte, Arrangements, Melodien, Chöre, sogar Gitarren-Soli sind ziemlich gute Ansätze da, die flotten Songs kicken dann auch ordentlich, aber insgesamt würde der Band ‘ne Kelle Aggression, Dreck und Hass gut zu Gesicht stehen, sie spontaner, emotionaler und generell lebendiger wirken lassen, wobei dem Sänger ohnehin die Bühne zu eng wurde und er auch die physikalische Nähe zum Publikum suchte. Als Gruß an die Heimat habe ich schließlich das „Bullenwagen klaun und die Innenstadt demolieren“-Cover empfunden – ein Dauerbrenner, nicht nur in Hamburg.
Ausschreitung
So richtig derbe aufs Mett klopften an- und abschließend die Quedlinburger ISOLATED, die es wohl schon wat länger (seit 1993!?) gibt, die ich aber überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Da gibt’s auch gar nicht so viel drüber zu erzählen: Unprätentiös und abgewichst reichten ISOLATED die grobe Kelle und knüppelten ein Hardcore-Brett herunter, das die meiste Zeit Tempo und Aggression satt bot und so herrlich splitterte, dass ich noch mal so richtig Bock bekam und mich dem kleinen, aber feinen Pit anschloss. Musikalisch mit zwei mächtigen Gitarren wütend, no Posing, no Geprolle, just Prügel. Mittlerweile war’s nach 1:00 Uhr nachts und von dieser Adrenalinspritze wieder herunterzukommen gar nicht so einfach. Die Mädels hatten sich für den Abend Eierlikör besorgt und diesen aus Schokowaffelbechern geschlürft. Die anderen Brawler hingegen hatten sich derweil handwerklich betätigt und eine Art Rollstuhl gebastelt, mit dem sie sich und mich durch die Gegend schleuderten. Am Ende hatten sie eine Schneise in die Schnapsbar gesoffen, Raoul wurde auf dem Tresen liegend fotografiert. Im Nachhinein betrachtet waren wir wahrscheinlich die einzige Band, die so richtig voll war. Meine Ansage zu „Red Lips“ hatte sich bewahrheitet: „Auswärts sind wir asozial…“
Isolated
Nachdem ich den Merch-Plunder zusammengepackt (und sogar bischn wat veräußert) hatte, ging’s irgendwann – wie viel Zeit dazwischenlag, bekomme ich nicht mehr zusammen – zum nächtlichen Spaziergang Richtung Kojen, natürlich bewaffnet mit flüssiger Wegzehrung und sogar inklusive Zwischenhalt beim Döner-Kalle. So’ne wilde After-Show-Party wie damals mit den Irren von ZUNAME gab’s diesmal dann nicht mehr, Bettenverteilung, Schlummertrunk und Gutenachtsagen gingen irgendwie auch komplett an mir vorbei. Stattdessen hielt ich mich weiterhin an irgendwelchen Bierpullen fest, diskutierte Themen von ganz bestimmt elementarer Bedeutung für Gott und die Welt mit Flo und ließ mein Smartfön irgendwelche Pop-Playlists plärren, bis uns ich glaube jemand von AUSSCHREITUNG auf die Nachtruhe hinwies und um etwas Rücksicht bat. Aufgewacht bin ich jedenfalls am nächsten Morgen gefährlich nah am Rand des Hochbetts, habe jedoch keinen Stunt à la Christian hingelegt. Ich hatte wohl immer noch einen sitzen, aber das Frühstück schmeckte trotzdem und pünktlich weiter mussten wir ja auch: Während der Rest der Bande das Equipment abholte und gen HH steuerte, saßen wir in der Bahn nach Prag, wohlverdienten Urlaub antreten. Das Festival ging am Abend weiter und war wohl nicht mehr ganz so gut besucht, was natürlich schade und auch ein bisschen unverständlich ist. Danke jedenfalls an alle irgendwie Involvierten, uns hat’s mal wieder an nichts gemangelt – schon gar nicht an Spaß, Schabernack, Schnappo und Sterni! War uns eine Ehre!
P.S.: Danke an Flo für die Fotos unseres Gigs unter erschwerten Bedingungen (zappeligem Sänger z.B.) …
P.P.S.: Am nächsten Morgen war mein No-Name-USB-Ladegerät verschwunden, dessen Kabel sich schon teilweise von seiner Isolation befreit hatte, dafür hing mein Fon aber an einem Philips-Markengerät in tadellosem Zustand, das ich dann auch einstecken musste. Falls also wer zurücktauschen will, soll sich der- oder diejenige mal hier melden, kriegen wir hin.
Hafengeburtstag! Au weia… Wobei: Nichts könnte mir egaler sein, als wie alt diese verdammte luftverpestende Hamburger Institution mit ihren Millionärs-Reedern, die containerweise billigen Plastikschrott aus Fernost heranschiffen lassen und damit die Ramschläden überfüllen, nun schon wieder geworden ist. Nuke this shit! Aber Hamburger Hafengeburtstag bedeutet glücklicherweise auch jedes Jahr, dass sich die Subkultur ihren Arsch aufreißt, um ein ansprechendes Umsonst-und-draußen-Gegenprogramm zwischen NDR-Bühnen, Riesenrad und Zuckerwatte zu bieten. Das Besondere für mich persönlich war dieses Jahr, dass ich mit meiner Kapelle BOLANOW fuckin’ BRAWL auf der Jolly-Roger-Bühne auftreten durfte, nachdem wir vor zwei Jahren bereits die Onkel-Otto-Bühne vorm Störtebeker im Rahmen des alternativen – nicht zu Unrecht auch „Hafengeburtstag von unten“ oder schlicht „Affengeburtstag“ genannten – Hafengeburtstags besudelt hatten. Das war natürlich eine geile Gelegenheit, den Freitag – Donnerstag war feiertagsbedingt eh frei – von der ollen Arbeit komplett freizunehmen, sodass der totalen Eskalation eigentlich nichts im Wege stand – außer meiner Vernunft, die mich den Donnerstag eher locker angehen ließ. Dass ich pünktlich zum Programm auf der Jolly-Roger-Bühne aufschlagen würde, war dennoch ausgeschlossen, dort sollte es bereits zu nachtschlafender Zeit um 12:45 Uhr losgehen. Pünktlich um 15:00 Uhr wollte ich jedoch an der kleinen Bühne der Harburger Sauerkrautfabrik sein, die zwischen den Hafenstraßenhäusern direkt hinter den großartigen Veggie-Mampfbuden (Döner! Burger! Wenn ihr auf dem Hafengeburtstag seid, esst dort!) aufgebaut worden war. Auf dem Plan stand nämlich GIANNA NANNINI – und wenn die Italo-Pop-Rock-Ikone schlechthin eigens für einen Gig herüberjettet, kann ich mir das unmöglich entgehen lassen. Bello e impossibile, Digger! Dort hing man im Zeitplan allerdings derart hinterher, dass die Bad Segeberger Akustik-Liedermacher ZEITBOMBE ARMUT gerade erst mit dem Aufbau begonnen hatten. Dafür waren wir direkt in DMF-Kai und Konsorten hineingelaufen, die erst mal ’ne Runde Pfeffi spendierten und die BOLANOW BRAWLer Christian und Keith gesellten sich auch noch dazu. Interessanterweise war Keith die meiste Zeit über am Fluchen, denn am Vorabend war er mit Christian noch im Monkeys bei BISHOPS GREEN gewesen und hatte es kräftig krachen lassen. Doch statt in Ruhe seinen Kater auskurieren zu können, hatte sich Christian Zugang zu seiner Wohnung verschafft, den Grill angeschmissen, ihn aus dem Schlaf gerissen und zum Weitertrinken gezwungen… Dazu später mehr.
Ich so, Mr. Alcohol, Keith (bereits skeptisch dreinblickend)
Von der Jolly-Roger-Bühne waberten gar liebliche Klänge herüber, für die die HARBOUR REBELS verantwortlich zeichneten – jene neue Band um FAST-SLUTS-Bassistin Jule, die ich auch endlich mal live sehen wollte, also hin da. Und ich wurde mal so was von positiv überrascht: Astreiner, knackiger Oi!-Punk mit deutschsprachigen Texten, bei dem sich Jule als klasse Frontfrau mit kräftigem Organ entpuppte. THE OPPRESSED wurden dann noch mit „Skinhead Times“ gecovert und Jule bekam Unterstützung von einem Gastsänger. Das machte definitiv Laune und Durst und war ein perfekter Einstieg. Dass ich überhaupt in den Genuss kam, hatte aber einen eigentlich traurigen Grund: Der Zeitplan hatte sich aufgrund der kurzfristigen Absage von FISCHMARKT entzerrt, sodass offenbar einfach etwas später mit dem Programm gestartet wurde.
Harbour Rebels
In der Umbaupause ging’s noch mal zur SKF-Bühne, wo ZEITBOMBE ARMUT mittlerweile beim Soundcheck angelangt waren und dann wohl auch irgendwann anfingen. Akustik-Protestsongs, denen nicht zu knapper Hippiemief anhaftete. Och, lieber nich… Deutlich krawalliger ging’s dann bei FAST SHIT auf der Jolly-Roger-Bühne zur Sache, bei denen HARBOUR REBEL Dennis ebenfalls mit von der Partie ist. Als ich mich dazugesellte, dürfte gerade das SCHLEIMKEIM-Cover „Keine Wut mehr“ durchgeprügelt worden sein, das übrige Set bestand dann jedoch vornehmlich aus eigenen Stücken zwischen Hardcore-Punk und schnörkellosem Hardcore, schön rau und angepisst und mit einem echten Aktivposten als Shouter, der einige Klettereinheiten absolvierte. Zwischendurch wurde der Gig unterbrochen, damit eine engagierte Dame aktuelle Infos zu den G20-Justizpossen verlesen konnte. Ausgerechnet beim letzten Song, einer dazu passenden Anti-G20-Nummer, kam’s unter den Zuschauern, die von oben an der Mauer das Geschehen verfolgten, zu einem reichlich unbeholfenen Bulleneinsatz, der dazu führte, dass die Schergen plötzlich die Straße überfluteten, mit ihrem verdammten Pfefferspray die Luftqualität noch einmal deutlich verschlechterten und die Besucher provozierten. An einem Wochenendabend zu fortgeschrittener Uhrzeit und bei deutlich alkoholisierterem Publikum wär’s sicherlich eskaliert. Unverantwortlich. Daumen hoch aber für den FAST-SHIT-Gig, schönes Ding!
Fast
Shit
Mit KÜKEN folgte die letzte Hamburger Band des Tages, eine Band, die es sich selbst verboten hat, Lieder über zwei Minuten Länge zu komponieren. Das Trio frönt simplem ’77-/Garage-Punk der ganz alten Schule, tritt dabei aber gut Arsch und setzt insbesondere aufgrund der konsequent riffenden Klampfe ’ne Menge Energie frei, die fast genauso durstig macht wie die HARBOUR REBELS. Auf die Stimme gab’s ’ne Extraportion Hall, ansonsten verzichtete die Band auf jegliche Kapriziosen und ließ die Instrumente sprechen. Gute Mucke sowohl zum Tanzen als auch zum Zudröhnen, kurzweilige Sause! Vom angekündigten Unwetter blieb der Hafengeburtstag übrigens verschont, es wurde lediglich irgendwann unangenehm kühl. Gewütet hatte es dafür in anderen Hamburger Stadtteilen und schlimme Überflutungen angerichtet. Dass der zauselige Petrus mit dieser Veranstaltung Gnade hatte, schien mir ein gutes Omen zu sein.
Küken
An der SKF-Bühne hatte sich mittlerweile herausgestellt, dass GIANNA NANNINI gar nicht persönlich erscheinen wird, jedoch auch keine Coverband o.ä. geplant war, sondern es sich lediglich um das Pseudonym des DJ-Duos handelte. So gut es seinen Job in Sachen Best of 80’s Pop auch machte, so enttäuscht zog ich von dannen – um meine Stimmung jedoch, zurück an der Jolly-Roger-Bühne, alsbald durch die mir empfohlenen katalanischen Streetpunks CRIM wieder aufzuhellen. Texte in Landessprache, herrlich raues Organ und manch hübsch melodisches Gitarren-Lead oder auch -Solo sowie die genretypischen Background-Chöre ließen mir mein Herz aufgehen, die letzten, von Abfüll-Christian beinahe aufgenötigten Getränke doppelt so gut die Kehle hinuntergleiten und mich noch mal darüber freuen, zu diesem Zeitpunkt an genau diesem Ort zu sein, um mir für umme derart meine Ohren verwöhnen zu lassen. Müßig zu erwähnen, dass die Vorfreude auf unseren Gig am nächsten Nachmittag noch einmal stieg. Einwandfreier Auftritt der iberischen Kollegen, der um ein „Watch Your Back“-Cover angereichert wurde, und Höhepunkt des Tages, nach dem wir uns höflich, aber bestimmt verabschiedeten, weitere Offerten von Abfüll-Chrille ausschlugen und lediglich leicht angeschickert den Rückzug antraten, um am nächsten Tag fit zu sein. Klingt unfassbar vernünftig, war aber so!
Crim
Hier eine kleine Retrospektive vom Kollegen vom SCHRAIBFELA-Video-Fanzine:
Dies traf allerdings nicht auf das eine oder andere weitere Bandmitglied zu. Der Freitag begann mit einem Schock: Christian hatte Keith noch derart fertiggemacht, dass dieser mit dem Kater seines Lebens in einer Art Leichenstarre erwachte und nicht wusste, wie er es in wenigen Stunden auf eine Bühne schaffen sollte. Ich sah Beweisvideos, in denen er gestützt von zwei Mädels und in Richtung Kamera noch immer über Christian fluchend von einer Kneipe in die nächste verschleppt worden war. Mir kam das alles sehr bekannt vor, denn mein erster Hafengeburtstag mit Christian anno dazumal endete ebenfalls im völligen Desaster, woraufhin der Song „Brainmelt“ entstanden war. Nun war guter Rat teuer. Das Web wurde nach Anti-Kater-Sofortmaßnahmen durchforstet, Expertentipps ausgetauscht und befolgt, Keith Wadenwickel angelegt und schließlich mittels intravenöser Verabreichung einer hochdosierten Morgenurinmittelstrahl-Koffein-Zitronenenzym-Mixtur fitgespritzt (bitte nicht nachmachen, das erfordert normalerweise medizinische Aufsicht), sodass er schließlich auf allen Vieren zu seinem Basskoffer kriechen und sich an ihm abstützend langsam in die Senkrechte hocharbeiten konnte. Wir waren gerettet!
Die einzige Krux an der Jolly-Roger-Bühne ist, dass man sich um die Backline selbst kümmern muss. Nachdem die unmittelbar nach uns spielenden ICHSUCHT und THE GUMS uns angesprochen hatten, hatten wir uns darauf geeinigt, gemeinsam einen Transporter zu mieten und dort unser Zeug einzuladen, das die anderen dann mitbenutzen – u.a. Christians verfluchte, megasperrige, arschschwere Gitarrenbox, die man ungelogen zu viert aus dem sechsten Stock des Probebunkers herunterschleppen muss. Hölle! ICHSUCHT-Anni kutschierte das Gelöt dann behände auf den Kiez, wo wir pünktlich wie die Maurer an der Jolly-Roger-Bühne aufschlugen, in Ruhe aufbauen und den Soundcheck durchführen konnten. Keith versuchte sich neben einem Konterbier am puren Überleben, ich trank mich auf Betriebstemperatur und begrüßte die ersten eintreffenden bekannten Gesichter, nahm außerdem erleichtert zur Kenntnis, dass die von DMF-Kai und Familie angedrohten Wasserpistolenattacken ausbleiben würden, weil man sich genötigt sah, sich an das Waffenverbot auf dem Kiez zu halten. Unsere Sorge im Vorfeld war außerdem, dass wir als Opener um 16:15 Uhr am Freitag vor leerer Kulisse spielen würden, doch diese erwies sich als unbegründet: Überraschend viele hatten sich pünktlich aus den Furzmulden geschält, um unserem Gig beizuwohnen. Dafür schon mal danke an dieser Stelle! Peinlich genau um 16:15 Uhr erklang unser Tusch, gefolgt vom eröffnenden Double aus „Brigitte Bordeaux“ und „Total Escalation“, dessen Konsequenzen ein sich wacker schlagender Keith anschaulich verkörperte. Und „Brainmelt“ auf dem Hafengeburtstag zu spielen, ist natürlich das Größte – wenn auch Keith ihn diesmal vermutlich noch stärker nachempfinden konnte als ich. Das Wetter spielte auch an diesem Nachmittag mit, bei herrlichem Sonnenschein lockten wir immer mehr Schaulustige an und tobte ich mich auf der ungewohnt großen, luxuriösen Bühne aus, die mich über gleich zwei Monitorboxen sowie einen guten Bühnensound verfügen ließ. Daran könnte ich mich gewöhnen… Lediglich mit Raouls Fußmaschine gab’s zwischendurch Probleme, die jedoch gelöst werden konnten. Aufgrund der begrenzten Spielzeit zogen wir unser Set recht zügig durch, sodass am Ende sogar noch eine gewünschte Zugabe gezockt werden konnte: Mit dem alten CRAKEELS-Kracher „Fame“, neuerdings mit funkigem Basssolo dargereicht, verabschiedeten wir uns und nahmen erstaunt zur Kenntnis, dass alle unsere mitgebrachten Platten verkauft worden waren, wir sogar noch mehr hätten loswerden können. Auch daran könnte ich mich gewöhnen. 😀
Bolanow Brawl
So hinterließen wir ICHSUCHT eine warmgespielte Bühne, auf der Sängerin Anni und Co. astreinen, authentisch angepissten, deutschsprachigen Punkrock abfeuerten, der musikalisch fit und textlich weit von Genreklischees entfernt ist, insbesondere durch die immer wieder durchklingende persönliche Note überzeugt. Flo bekam von Annis Stimme sogar eine Gänsehaut. In den Passagen, in denen der Gitarrist seine Leads spielt, wird allerdings deutlich, wie gut eine zweite Gitarre der Band zu Gehör stehen würde. Geiler Gig einer eigenständigen Band mit ebenso charismatischer wie sympathischer Sängerin, der völlig zurecht umjubelt wurde!
Ichsucht
Nun also THE GUMS aus Freiburg und damit die erste Band des Tages von außerhalb: Der Name ist Programm, denn das Trio zockt supereingängigen Bubblegum-Pop-Punk mit englischsprachigen Texten, der gut reinlief, gute Stimmung verbreitete und bestens zum Wetter passte. Manchmal ist’s einfach diese bewusste Naivität, die bei solcher Mucke für mich immer mitschwingt, die eine willkommene Abwechslung darstellt und einen kurz aus der harschen Realität reißt. THE GUMS biedern sich niemandem an, sondern ziehen einfach ihren Stiefel durch, der luftig geschnürt ist, betont locker sitzt und ergonomischen Ansprüchen genügt. Kurioserweise spielte der Bassist übrigens mit geschientem Arm, was erstaunlich gut funktionierte. Runde Sache, ich hatte Spaß.
The Gums
Aus den schönsten Strandträumen wurde ich jedoch jäh im Anschluss gerissen: Nun galt es, den Transporter wieder zu befüllen und direkt zurück zum Proberaum zu befördern, um ihn dort auszuladen. Die einzig zurechnungsfähige Person, Anni, steuerte das Vehikel, Christian lotste das Gefährt durch die von Hafengeburtstagsbesuchern blockierten Straßen und nahm anschließend auf dem Beifahrersitz platz. Raoul und ich fuhren mit der Bahn hinterher und da wir ab Landungsbrücken fuhren, hatten wir Gelegenheit, quasi einmal unser Punkrock-Ghetto zu verlassen und über den gesamten Hafengeburtstag zu latschen – und festzustellen, dass es „bei uns“ eben doch am schönsten ist. Mit ’nem Wegbier ging’s schließlich zum Proberaum, wo wir auf die anderen trafen und im Schweiße unseres Angesichts alles wider hochwuchteten. Und wenn es schon beschissen ist, Christians Box runterzuschleppen, bedarf es nicht viel Vorstellungskraft, wie sehr sich das potenziert, wenn das aus purem Blei geschmiedete Teil wieder hoch muss… Nachdem der Transporter wieder abgegeben war, fuhr uns die liebe Anni dankenswerterweise wieder auf den Kiez zurück und musste sich stocknüchtern unser angesoffenes Bullshit-Gebrabbel anhören, was sie tapfer ertrug, inkl. Zwischenstopps an Tankstellen, wo wir uns mit weiteren Getränken eindeckten. An ihrem Ziel irgendwo Nähe Kiez angekommen fragte sie noch, ob wir wüssten, wo wir uns befänden. „Na klar!“, erwiderten wir, hatten aber natürlich nicht die geringste Ahnung. An weiteren Tankstellen entlang hangelten wir uns schließlich in Richtung Elbe, bis ich eine Ecke wiedererkannte und wir uns aus anderer Richtung kommend der Jolly-Roger-Bühne näherten. Mittlerweile war’s dunkel geworden, die die SKF-Bühne zerlegenden 1323 hatte ich leider verpasst, von der heute eröffneten Onkel-Otto-Bühne am Störtebeker noch gar nichts mitbekommen und SILVER SHINE auf der Jolly-Bühne waren auch längst durch, lediglich von THE PROWLERS bekam ich noch den Schluss mit, Oi!-Punk aus Montreal, der sich hören lassen konnte.
The Prowlers (von arschweit weg fotografiert)
Im ganzen Gewusel versuchte ich, Flo wiederzufinden, was schließlich gelang. Gemeinsam suchten wir die Onkel-Otto-Bühne auf uns sahen einen weiteren energiegeladenen SPIKE-Auftritt, jene Punkrock-Band um die Sängerin mit der großen Stimme und die Musiker von DER UNFUG UND SEIN KIND, über die ich an anderen Stellen ja schon das eine oder andere geschrieben habe. Hier herrschte allgemein die gewohnte Underground-Atmosphäre, die natürlich im krassen Gegensatz zu den großen, offiziellen Bühnen des Hafengeburtstags steht. Ob SENSA YUMA, jene mittlerweile in Spanien ansässigen Punks, die sich dem UK-82-Sound verschrieben haben, vorher oder nachher gespielt haben, weiß ich nicht mehr, jedenfalls bin ich währenddessen mal kurz reingestolpert, hatte aber anscheinend keine Zeit, mir die Band weiter anzusehen. Das ist schade, denn zum einen habe ich sie vor x Jahren an exakt diesem Ort erstmals live gesehen und bin dabei gut durchgedreht und zum anderen kicken die live einfach so viel krasser als aus der Konserve. Punktum: SENSA YUMA live sind ’ne Abrissbirne!
Spike
Nach SPIKE verschlug es uns wieder nach unten, denn so kritikwürdig manches an der aktuellen SLIME-Inkarnation und so durchwachsen das neue Album auch sein mag: Wenn Dirk zum Mikro greift und die alten Hits, die zu meiner DNA gehören, seit ich 14 bin, schmettert, setzt sich bei mir ein Automatismus in Gang, der mich begeistert mitgrölen und feiern lässt. Allerdings war’s mal wieder auf dem nun heillos überfüllten Gelände alles andere als einfach, einen Platz sowohl mit Sicht zur Bühne als auch Nähe zum Bierstand zu bekommen. Irgendwann hatten wir zumindest so etwas ähnliches, irgendwo mittig am Rand, und wurden zuerst wenig wohlwollend beäugt, nachdem wir uns dorthin gedrängelt hatten. Dies änderte sich jedoch, als ich lautstark mitzusingen begann und man mir dankte, da man nun endlich die Texte verstehen könne. Jo, gern geschehen. Tatsächlich war der Sound an dieser Position nicht mehr der Lauteste, aber sei’s drum. SLIME fügten die guten neuen Songs wie „Sie wollen wieder schießen (dürfen)“, „Brandstifter“ und „Ich kann die Elbe nicht mehr sehen“ ziemlich nahtlos ins klassikergespickte Set zwischen alten Weisen wie „Störtebeker“, „Legal, illegal, scheißegal“ und „Deutschland muss sterben“ ein und ließen sich feiern. Als wir uns zwischenzeitlich in den Backstage-Bereich zum Wasserlassen begaben, schauten wir uns das Geschehen kurz von hinten aus an, was uns aber schnell zu doof wurde – only Gedrängel und von vorn is real. Also noch paar letzte Bierchen gekippt, noch mal bischn backstage auf ’nen Absacker rumgelümmelt und schließlich von allen verabschiedet und diesen denkwürdigen Tag voller positiver Erfahrungen und Reizüberflutungen beendet. Immerhin lagen ein bzw. zwei weitere Tage Hafengeburtstag vor uns… Dass wir uns dann noch stundenlang in die Küche setzten, das „101“-DEPECHE-MODE-Livealbum durchhörten, jeden einzelnen Song durchdiskutierten und uns dabei mit Blue Curacao pur die Zungen blaufärbten, ist zu den gefürchteten Auswirkungen überhöhten Astra-Konsums zu zählen. Für mehr Ratsherrn (das Bier, nicht die blasierten Politaffen) auf dem Hafengeburtstag!
Der SCHRAIBFELA-Kollege war auch wieder unterwegs – danke, Keule!
Am nächsten Nachmittag startete ich mit dem hehren Vorsatz, ausschließlich Softdrinks zu mir zu nehmen, wir ließen erst mal Hafengeburtstag Hafengeburtstag sein und beobachteten im oder vielmehr am überfüllten Osborne, wie sich der HSV für die zweite Liga qualifizierte und diverse Ultras ein Freudenfeuer entzündeten. Anschließend trafen wir uns mit Bekannten von Flo und versuchten Blicke aufs Schlepperballett zu erhaschen, was gründlich misslang. Ein Softeis später fanden wir uns an der Onkel-Otto-Bühne wieder, wo wir erneut auf Kai & Co. trafen, ich meinen Vorsatz mit Bier wegspülte und wir den letzten Songs der wiedervereinten HH-Punks von C³I lauschten. Der Sänger singt mit ungewöhnlich hoher Stimme und spielt seinen Bass wie ’ne Gitarre, womit er eindrucksvoll eine Ausnahmestellung einnimmt. Cooler Scheiß.
C³I
Der eigentliche Grund meines Erscheinens aber waren WIRRSAL, jene Hamburger und Lübecker HC-Punks, die diesmal mit Kriegsbemalung auftraten, was an den bissigen, schnellen Aggro-Songs wenig änderte, die jedoch hitze- und schweißbedingt bald zerlief und offenbar eine toxische Wirkung auf die Bandmitglieder entfachte, die sie ungewohnt wirre Ansagen stammeln ließ. Der musikalischen Qualität tat dies jedoch keinen Abbruch und so schepperte es wieder ordentlich im Gebälk.
Wirrsal
Auf ’nen Veggie-Burger ging’s nach unten und schließlich noch ’ne Etage tiefer zur NOTGEMEINSCHAFT PETER PAN, die einige starke Songs leider bereits verballert hatten (dieses AGNOSTIC-FRONT-Cover macht mich fertig, hätte ich eigentlich gern selbst gemacht!), während wir noch mampfend an der Festzeltgarnitur saßen. Sänger und Gitarrist Stemmen hatte sich in ein etwas unvorteilhaftes, knallgrünes „Viva la Bernie“-Shirt gezwängt und nutzte die Zeit zwischen den Songs, um u.a. zu erläutern, was es damit auf sich hat. Weitere ausführliche „Spoken-Words-Parts“ gingen auf die Besonderheiten der Jolly-Roger-Bühne ein, auf der eben im Gegensatz zu anderen offiziellen Bühnen Raum ist für kritische Haltungen und offen zur Schau gestellten Protest. Mit den einigen Unverbesserlichen, die derartige Ausführungen mit Zwischenrufen à la „Halt’s Maul und spiel!“ quittieren, wird man wohl ewig leben müssen. Leute, kauft euch doch einfach eine Platte und bleibt zu Hause! Aus dem Konzept bringen ließen sich die Notis davon natürlich nicht und kredenzten einmal mehr ihre ihnen eigene Mischung aus positiver Ausstrahlung, Spielfreude und von Stemmen und Drummer Mario inbrünstig vorgetragenen Inhalten zu diversen durchaus eingängigen Melodien – weshalb ich mir diese Band immer gern live gebe, Dies ist nun auch eine gute Gelegenheit, auf etwas einzugehen, was auch Stemmen nicht unerwähnt ließ: Nicht zuletzt, da man während des Hafengeburtstags eine Menge Leute erreicht, waren diverse Gebäude und Verkehrsbrücken mit Transparenten behangen worden, viele davon wiesen auf den mutmaßlich von Dessauer Polizisten begangenen grausamen Mord am Asylbewerber Oury Jalloh hin (u.a. thematisiert im TV-Krimi „Tatort: Verbrannt“). Den Hamburger Bullen fiel nichts Besseres ein, als deren Entfernung zu veranlassen, womit sie sich einmal mehr über geltendes Recht hinwegsetzten. Schämt euch! Und an die Feuerwehr, die dafür ihre Drehleitern zur Verfügung stellte: Ihr müsst auch nicht jeden Scheiß mitmachen, nur mal so als kleiner Tipp…
Notgemeinschaft Peter Pan
Worum’s bei „Viva la Bernie“ geht, lässt sich u.a. hier nachlesen.
Flo & Co. suchten nun Zerstreuung und Vergnügen im Riesenrad und wie ich dem so beiwohnte, überlegte ich, wie es Keith wohl am Tag zuvor darin ergangen wäre – von den anderen Foltergeräten dort ganz zu schweigen. Nachdem wir uns von Flos Bekannten verabschiedet hatten, zogen wir uns das durchaus beeindruckende Feuerwerk rein und schauten noch mal an der Onkel-Otto-Bühne vorbei, wo mein Highlight dieses Tages gerade die Bühne betrat: Die Bremerin und Bremer NEUROTIC EXISTENCE um Szene-Urgestein Tati (ex-LOST WORLD, ex-APOKALIPSTIX) bliesen zur Attacke und brannten ein irrsinniges Feuerwerk an melodischem, hochatmosphärischem Crust (o.ä.) ab. Fette Gitarrenwände und weiblich-männlicher Wechselgesang sorgten für eingängigen organisierten Krawall düsterer Ausrichtung, der ihrem fulminanten Gig im Gängeviertel 2017, als ich sie erstmals sah, in nichts nachstand. Das war richtig, richtig gut und flashte mich hart. Einziger kleiner Kritikpunkt: Tati hat ’ne Mörderstimme und weiß diese auch einzusetzen, lediglich die vereinzelt eingeschobenen Kreischer sind mir bischn zu viel. Alles andere scheint mir nah an der Perfektion und wenn man dann auch noch einen solch differenzierten, druckvollen Sound bekommt, wie ihn Mischmeister Norman wieder zauberte, ist nun wirklich alles im giftgrünen Bereich. Top!
Neurotic Existence
Zur fortgeschrittenen Stunde war das aber noch längst nicht alles, denn eine weitere Überraschung stand an: Damit meine ich jetzt nicht, dass mir UNFUG/SPIKE-Paule seine letzten Bierbons vermachte (Danke, Alter!), sondern die mir vollkommen unbekannte Band, die den musikalischen Teil des Abends besiegeln sollte: Ich weiß (noch) nicht, wie MISTER X aus Russland auf Platte klingen, live war’s aggressiver Oi!-/Streetpunk mit Hardcore-Attitüde. Der agile Sänger gab Songs auf Russisch und Englisch zum Besten, einen auf Italienisch (!) und sogar einen mit deutschem Text! Sprachgenie oder wat? Wenn seine Bandkollegen solierten, verschwand er schattenboxend an den Bühnenrand. Zwischen den Songs zeigte er sich begeistert von der Onkel-Otto-Bühne und wies mehrfach darauf hin, dass so etwas in seiner Heimat nicht möglich wäre. Er äußerte sich gegen Diskriminierung u.a. von Frauen und verwies aufs Schlagzeugtalent der Band-Drummerin, unterstrich die Bedeutung des Spruchs „No need to be a cop“ und war so aufgedreht, dass ihm die Leidenschaft aus jeder einzelnen Pore zu quellen schien. Eine geniale Coverversion des OXYMORON-Klassikers „Crisis Identity“ passte perfekt zum eigenen Material. Ganz großer Gig einer Band, die ins Gedächtnis rief, dass Freiräume, wie wir sie in Hamburg genießen, keine Selbstverständlichkeit sind und man sich woanders noch ernsthaft mit unhaltbaren Thesen wie „Frauen haben in einer Oi!-Band nichts zu suchen!“ herumschlagen muss. Schade nur, dass man trotz zahlreicher Aufforderungen keine Zugabe mehr spielte.
Mister
X
Einen letzten Absacker genehmigten wir uns auf der Balduintreppe, bevor’s „fast“ nüchtern nach Hause ging. Damit endete mein Hafengeburtstag, reizüberflutet und bischn geschafft, aber glücklich. Flo jedoch stattete der Jolly-Roger-Bühne auch am nächsten Tag noch einen Besuch ab – Respekt! Respekt und tausend Dank auch an Sven Brux und die Jolly-Roger-Meute für die Auftrittsmöglichkeit und die vielen geilen Bands, an alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die an den Punkrock-Bühnen mit anpacken, Getränke ausschenken etc., an alle, die sich ums vernünftiges Essen bemühen und zu fairen Preisen klasse Veggievraß anbieten, an Coyote, Norman & Co., die wieder einmal erstklassige Bands teilweise von verdammt weit weg auf die Onkel-Otto-Bühne geholt haben usw. usf… Und natürlich danke an ICHSUCHT und THE GUMS fürs unkomplizierte Zusammenwirken nicht nur in Sachen Equipment, an Flo und Cheenz Dell Corvo für die Fotos unseres Gigs und last but not least an alle, die sich uns zur frühen Stunden reingezogen haben!
Unermüdlich auch am dritten Tag unterwegs war natürlich auch Kollege SCHRAIBFELA:
MORBITORY-Michael hatte gefragt, ob wir Support für den gemeinsamen Gig mit der aktuell tourenden ungarischen HC-Band DON GATTO machen wollen – und da das Datum endlich mal wieder in den Zeitplan passte, packten wir die Gelegenheit am Schopfe. Dass parallel das Metal-Bash-Festival steigen und die Headbanger-Fraktion uns daher nicht unbedingt die Bude einrennen würde, wusste ich da nicht, wäre mir aber auch egal gewesen. Letztendlich war das Programm dank zwei junger Wedeler Bands sogar auf ganze fünf Combos von HC-Punk über Hardcore und Thrash bis hin zu Death Metal angewachsen. Dennoch geht’s im Gängeviertel i.d.R. sehr entspannt zu, sodass es deshalb ausreichte, am frühen Abend per gechartertem Großraumtaxi (sonst könnte ja einer nicht saufen) mit unserem Equipment dort aufzuschlagen. Zu essen offerierte man uns ein verdammt schmackhaftes Veggie-Chili, das wir auf dem Hof des Viertels bei bestem Wetter einnahmen, wo wir auch die ersten Bierchen zischten und auf Tuchfühlung mit den anderen Bands gingen.
Überraschend pünktlich um 20:00 Uhr eröffneten CROSS THE BORDER den Abend, eine neue Metal-Band aus Wedel um einen alten Bekannten: Den Bass bedient Thorsten, den man von METAL WITCH sowie seinen ehemaligen Aktivitäten bei der Oldschool-HC-Abrissbirne LAST LINE OF DEFENSE kennt. Mit zwei Gitarren spielte man eine Art moderneren Thrash, der mich bisweilen an METALLICA erinnerte – weitere Vergleiche fehlen mir mangels Kenntnis dieses speziellen Substils, der normalerweise nicht ganz so meiner ist. Nach kurzer Eingewöhnungsphase gefiel mir der Stoff jedoch immer besser und gerade nach hinten raus wurde das Set richtig stark. Sehr kontrolliert und versiert gespielte, kraftvolle Songs, die Bock auf mehr machten.
Cross
The
Border
Mehr gab’s dann auch mit der Überraschung des Abends: DERANGED, für die Thorsten gleich auf der Bühne bleiben konnte. Die nicht minder neue Thrash-Band aus Wedel um Shouterin Mareike spielte einen wesentlich aggressiveren Stiefel, ritt präzise Attacken und ballerte brutal – und wenn ausufernde – verdammt gute – Instrumental-Parts anstanden, setzte sich Mareike einfach entspannt aufs Schlagzeugpodest oder an den Bühnenrand und wartete, bis ihre Musiker mit dem Solieren durch waren. Gemeiner Knüppelthrash mit fiesem weiblichem Organ und fräsenden Klampfen bei unprätentiösem Auftreten – ich bin begeistert und hoffe auf ein baldiges Live-Wiedersehen!
Deranged
Manch Refrain ließ sich schnell mitbrüllen, auch wegen des satten, differenzierten P.A.-Sounds in der Bude. Und nicht nur um meine Stimme aufzuwärmen hatte ich hier und da bereits mitgegrölt, nun waren nämlich wir an der Reihe. Die Befürchtung, an ungewohnter Position nach zwei vorausgegangenen Bands bereits hackedicht zu sein, hatte sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Unsere Taktik, auf Michaels Frage nach der Länge unseres Sets wahrheitswidrig mit „So ca. eineinhalb Stunden!“ zu antworten, um wenigstens um die 50 Minuten auszuhandeln, ging jedoch leider auch nicht auf, sodass wir die zwei längsten und tempomäßig eher getrageneren Stücke aus dem Set kürzten. Also wie seit den letzten Gigs bewährt mit unserem Intro und „Pogromstimmung“ gestartet, über die Uralt-Stücke wie „Tales of Terror“ und „Elbdisharmonie“ hin zu mittelaltem Käse à la „IS-SS“ und „Nie der Plan“, dem unserem verstorbenen Ex-Bassisten Stef gewidmeten „Cop Killing Day“, und gespickt mit einer Live-Premiere: „Spaltaxt“ , unserem Stück über Faschos, die sich unserer Szene breitzumachen versuchen und die Scheißegalhaltung manch ach so „unpolitischer“ Bratzbirne demgegenüber. Ziemlich vergurkt haben wir zugegebenermaßen leider ausgerechnet „Hatepunk“: Beim ersten Versuch hing unser Drum-Kopffüßler Dr. Tentakel einen Takt hinterher, bis wir irgendwann raus waren und das Ding noch mal anstimmten. Nun lag er richtig, aber dafür war mir die erste Strophe entfallen und die ließ sich in der Hektik so schnell nicht rekapitulieren. Der Rest des Songs stimmte dann aber… Unsere mangelnde Spielpraxis der letzten Monate machte sich dann eben doch bemerkbar. Die zarte Liebesballade „Ghettoromantik“ markierte den Abschluss, dann konnten wir uns entspannt zurücklehnen, uns betrinken und mal horchen, was die Headliner so machen.
Disillusioned
Motherfuckers
Mit Hardcore aus Ungarn war ich bislang nicht so vertraut, was sich mit DON GATTO nun änderte: Die Band zockte ihren englischsprachigen „Chainsaw Hardcore“ mit ordentlich Spaß inne Backen, kurze, heftige Aggro-Songs zwischen Groove und Geballer mit einem aufgedrehten Sänger, der gern im Publikum herumspringt und dem Crowdsurfing frönt. Besondere Aufmerksamkeit zogen auch die Ansagen des Gitarreros auf sich, der in gebrochenem Deutsch zu verstehen gab, dass es jedes Mal „pervers“ sei, in Deutschland zu spielen, Songs als DIETER-BOHLEN-Coverversionen ankündigte, die (glücklicherweise) gar keine waren und um keinen geil-miesen Spruch verlegen war – was den Spaßfaktor immens erhöhte. Eine ungewöhnliche Coverversion hatte man dann dennoch zu bieten: MIDNIGHT OILs „Beds Are Burning“ im Hardcore-Gewand. Geile Scheiße! Davon hatten die Wedeler leider nichts mehr mitbekommen, die bereits nach unserem Gig abhauen mussten, aber die Bude war dennoch längst gut genug gefüllt, dass ordentlich Stimmung aufkam – nur vom „Gedrängeviertel“ konnte diesmal nicht unbedingt die Rede sein, was indes auch mal ganz angenehm war.
Don Gatto
Die lokale Death-Metal-Prominenz MORBITORY hatte ich Death-Metal-Muffel erst einmal live gesehen, und das war 2015. Wurde also mal wieder Zeit. Sämtliche Bedenken, die ich gegen Death Metal habe, wurden zerstreut, denn MORBITORY spielt eine dermaßen brutale, unfrickelige, technisch dennoch versierte und flotte Interpretation des Stils, dass sie mich sofort in ihren Bann zogen. Tiefster Gutturalgesang, unnachgiebig riffende und schmerzhaft tötende Klampfen sowie eine präzise Rhythmussektion, die das unverrückbare, stabile Fundament darstellte und der zu lauschen der reinste Drum-Porno war. So macht das Laune!
Morbitory
Im Anschluss dürften sich alle Beteiligten einig gewesen sein, dass das ein geiler, stilistisch im positiven Sinne abenteuerlicher Gemischtwarenladen war, der sich gelohnt hat. Danke an alle, die ihn ermöglicht haben! Wie gewohnt per Taxi transportierten wir schließlich unseren Kram zurück nach Altona und wenn nicht irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, stehen wir bereits am 21.07. wieder im Gängeviertel auf der Bühne.
P.S.: Danke auch an Flo und Lisa für die Fotos unseres Gigs!
Gibt so Wochenenden, da ist noch mal bischn mehr los als sonst: Am Freitag mit DMF stundenlang im zum Studio umfunktionierten Probeverlies gehangen, um unsere neuen Aufnahmen einzuholzen, dafür meinen allwöchentlichen Ausgleichssporttermin auf Samstagmorgen (!) verschoben (wie so’n bekloppter Frühsport-Freak, ey) und anschließend schnell zum Millerntor geeilt. Madame und moi sind nun sicherlich nicht die FC-St.-Pauli-Hardcore-Fans, doch als der sympathische Innenstadt-Club ernsthaft ins Straucheln geriet, erreichten uns seine Hilferufe, sodass wir uns verpflichtet fühlten, bereits in der vorausgegangenen Samstagnacht unsere Duftmarken in den Kabinen zu hinterlassen und Spielertunnel sowie Spielfeld mittels braunweißmagischer Rituale positiv aufzuladen. An diesem Samstag ging’s dann ins Stadion, um den 3:0-Sieg gegen Fürth perfekt zu machen. Wir mussten nicht mal aktiv ins Spiel eingreifen, unsere bloße Anwesenheit auf den Rängen genügte – Mission erfüllt. Im Anschluss also flugs Stutzen und Stollenschuhe abgestreift und zurück auf den Kiez ins Molotow, wo ich um kurz nach 16:00 Uhr auf die anderen Brawler plus unseren Manager for one day, „Wodden Shoe“ Patrick, plus Roadie for one day Collin wartete, die alsbald mit dem Equipment um die Ecke bogen. Ausgeladen, den Backstage inspiziert und in Erfahrung gebracht, dass man uns nun erst wieder in knapp zwei Stunden benötigen würde. Dies erlaubte es uns, zum Osborne zu tingeln, um die zweite Halbzeit der Bundesliga-Konferenz zu verfolgen und sich die ersten Buddeln aufzureißen. Mit dabei war nun auch ein Pärchen, das, wenn ich es richtig verstanden habe, eigens aus Frankreich angereist war, um BOLANOW BRAWL GET DEAD in Hamburg zu sehen. Tatsächlich extra für uns kam Jeromy aus Stuttgart, was uns gebauchpinselt hat. Danke, Alter! Nach Spielende und ‘nem Imbiss-Abstecher konnten wir, zurück im Molotow, GET DEAD beim Soundcheck beobachten und wurden alsbald selbst auf die Bretter gebeten, um uns einen maßgeschneiderten Klang verpassen zu lassen.
Unser zweiter Molotow-Gig sollte das Live-Debüt unseres neuen Bassisten Keith werden, der verständlicherweise etwas aufgeregt war. Um den Druck zu erhöhen, hatten wir kurzerhand seinen Vorgänger Stulle auf die Gästeliste gesetzt, der dann auch prompt im Backstage hereinschneite und sich schließlich mit perfekter Sicht auf den Tieftöner und kritischem Blick vor der Bühne positionierte, als wir verdammt pünktlich um kurz nach 8 mit „Brigitte Bordeaux“ eröffneten. Die Molotow-Crew hatte mit dem wohl nicht so gut gelaufenen Vorverkauf gehadert und den Saal auf der Hälfte mit einem Vorhang abgehängt, doch die Sorgen erwiesen sich als grundlos, denn die Bude füllte sich trotz Hamburg-typisch starker Parallelveranstaltungen sehr ordentlich, sodass der Vorhang schnell wieder aufgezogen wurde. Neben Altbekanntem wie „Total Escalation“ oder „Crossed Your Plans“ befand sich nun auch „Glory Hole“ im Set, der zuvor lediglich einmal probeweise im Menschenzoo dargereicht und anschließend schnell wieder gestrichen wurde. Die jetzige Version aber kann was und kam offenbar gut an. Statt einer Buddel Bolanow ließen wir diesmal übrigens einen eigenartigen Likör rumgehen, den die Mädels besorgt hatten und dessen Flaschenform mich stark an Petroleum erinnerte, zumal sich auch ein Docht o.ä. in der Karaffe zu befinden schien. Also hielt ich lieber Abstand; wer davon trank, scheint’s aber unbeschadet überstanden zu haben. Nach dem das reguläre Set beschließende „Red Lips“ kamen wir den Bitten nach ‘ner Zugabe mit „Fame“ nach und konnten an Keith gelungene Feuertaufe ‘nen fetten Haken machen. War alles rund gelaufen, Christian besser gekleidet als letztes Mal, Spielfehler hielten sich in sehr überschaubaren Grenzen – lediglich die Bierüberschwemmung, die ich auf der Bühne angerichtet hatte, war so nicht geplant…
Bolanow Brawl
Die Umbaupause ging aufgrund des Zeitdrucks rekordverdächtig schnell, um kurz nach 9 standen GET DEAD aus San Francisco auf der Bühne. Die mit Akustik-Songs und Folk- sowie Country-Einflüssen gestartete Band auf dem nicht ganz unbekannten Fat-Wreck-Chords-Label ist mit der Zeit immer punkiger geworden, das bis dato jüngste Album „Honesty Lives Elsewhere“ ist ein wilder emotionaler Ritt auf meist verzerrten Gitarren durch rauen melodischen Streetpunk, Folk u.ä. sind als Einflüsse weiter präsent, gelegentliche Offbeats hinzugekommen – irgendwo zwischen SWINGIN‘ UTTERS, RANCID und AGAINST ME!, würde ich jetzt mal behaupten. Und live knallt das Ganze noch viel mehr! Allein schon aufgrund der klassischen Live-Instrumentierung entfallen diverse musikalische Spielereien, in erster Linie gibt’s schön dreckigen Punkrock in die Fresse. Sänger Sam wirkt auf der Bühne lakonisch und extrem lässig, auf positive Weise einen Scheiß gebend, zugleich und vor allem authentisch, während seine Band mit der Erfahrung etlicher Gigs im Rücken statt routiniert verdammt spielfreudig, entschlossen und aufgedreht agiert. Besonders die dann und wann unvermittelt einsetzenden Offbeat-Passagen hatten es mir angetan, lockerten sie die Songs doch zusätzlich auf und schossen direkt in die Beine. Der ebenerdige Saal des Molotows verfügt an der Bühne über ein großes Schaufenster zur Straße, an dem sich von außen neben ein paar Rauchern auch immer mal wieder einige neugierige Passanten tummelten, was von der Band nicht unbemerkt blieb. Wer sich seine Nase am Fenster plattdrückte, wurde alsbald als Adressat der Show einbezogen und konfrontativ angesungen und -gespielt. GET DEAD sind eben für alle da. Als Coverversion konnte ich OPERATION IVYs „Sound System“ ausmachen, der genauso abgefeiert wurde wie das eigene Material. Vor der Bühne war mächtig was los, sodass ich die Fotos lieber weiter vom Rand aus schoss. Großartiger Gig und vom unbekümmerten Auftreten der Band kann man sich bestimmt noch etwas abgucken. Würde ich auch als zahlender Gast noch mal hingehen, wenn die nächste Europa-Tour ansteht!
Get Dead
Im Anschluss hätte ich sogar noch die Möglichkeit gehabt, mir DER WAHNSINN anzuschauen, die ab 23:00 Uhr im Karatekeller spielten. Meine Aufmerksamkeitsspanne war jedoch längst ausgereizt und so zog ich es vor, den „Motorbooty“-DJs im Freiluftgarten zu schaffen, bequem im Liegestuhl und mit der einen oder andere Kanne Bier in der Hand. Das war dann auch der entspannte Ausklang der Nacht, bis wir – ungeachtet der sich direkt vorm Laden befindenden Bahnstation – dekadenterweise ins Taxi stiegen und uns nach Hause chauffieren ließen. Taxifahren ist und bleibt eben punkrock. Der Rest der Band hingegen zog noch weiter, stand allerdings sowohl vorm Jolly Roger als auch vorm St. Pauli Eck vor verschlossener Tür. Fündig wurde man letztlich im Menschenzoo, wo DJane Alex einmal mehr geschmackssicher auflegte. Danke an alle, die uns unterstützt haben, insbesondere Patrick und Collin sowie natürlich die MOLOTOW-Crew! Der nächste BOLANOW BRAWL findet Freitag um 16:00 Uhr auf der Jolly-Roger-Bühne im Rahmen des Hamburger Hafengeburtstags statt – ich hoffe, man sieht sich!
P.S.: Danke auch an Flo für die schnieken Fotos unseres Gigs (sowie an Susan Bergmann, von der auch eines dazwischen ist).
Liebes Tagebuch, an diesem Tag war ein Sauftag mit meinen Jungs von BOLANOW BRAWL angesagt: Wir wollten uns am Nachmittag einmal außerhalb der Reihe zum Proben treffen, uns dabei bereits einige Pilsetten einwerfen und anschließend kollektiv Wendelix‘ Geburtstagsparty im Menschenzoo aufsuchen, wo neben Wendys Band zwei weitere Acts den Soundtrack zu unserem vorsätzlichen Lampenausschießen liefern sollten. Und weil ein solcher Sauftag meist mit dem Verlust von Geld, anderen Wertsachen oder Kleidung, in jedem Falle aber gesellschaftlichem Ansehen verbunden ist, erlauben wir ihn uns nur alle Jubeljahre mal. Mit bereits dem einen oder anderen Promillchen im Blut ging’s nach der Probe also zu einem Abstecher am Imbiss, in einen Irish Pub, wo noch mal draufgekippt wurde, und schließlich zum betreuten Trinken in den Menschenzoo. Dort eröffnete MAX YOUNG aus „Saarbrooklyn“ den Abend mit „akustischem Punkrock“, was bedeutete, dass der gute Mann nur mit Wanderklampfe bewaffnet als Alleinunterhalter ein paar Songs mit, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, eher persönlichen Texten schmetterte. Kann man machen, ein nettes Vorspiel.
Max Young
Wendelix‘ ABOVE ALL GLORY sind ‘ne recht neue Hamburger Band im Demo-Stadium, die sich in Trio-Größe voll und ganz einer ‘90er-typischen Melange aus MelodiCore, Skate- und Pop-Punk verschrieben hat. Und dass diese nicht unbedingt zu meiner favorisierten Musikrichtung gehört, ist kein Geheimnis. Davon unabhängig tat die Band aber ihr Bestes, um eingängigste Melodien zu erzeugen. Wendelix am Bass übt sich als „sanfter Riese“ in melodischem Klargesang und ein Song wie „Hunt the Hunter“ hat schon was. Mir persönlich fehlen bei dieser Mucke aber ‘ne ordentliche Kelle Dreck, Aggression und Rotz. Wer sich daran nicht stört, findet in ABOVE ALL GLORY aber eine gediegene D.I.Y.-Live-Alternative zum ständigen Hören der abgegriffenen alten CDs der US- und Schweden-Helden, die schon lange keine kleinen Club-Gigs mehr spielen. An den Drums nimmt übrigens Ex-HIGHSCHOOL-NIGHTMARE-Benny platz und es ist schön, ihn wieder trommeln zu sehen und zu hören. Für einen Song ergriff ferner MAX YOUNG das Mikro – war das beim NOFX-Cover „Linoleum“ oder bringe ich da jetzt was durcheinander…?
Above
All
Glory
Mit gleich zwei Sechsseitigen schlugen PRIMETIME FAILURE aus der Phantomstadt Bielefeld prinzipiell in eine ganz ähnliche Kerbe, verfügten aber über mehr Profil und spürbar mehr Live-Erfahrung. Musikalisch etwas rauer und rotziger, erinnerten sie mich in ihren besten Momenten sogar etwas an SMALL TOWN RIOT. Durch die beiden Gitarren eröffneten sich ihnen natürlich auch mehr Möglichkeiten, die sie zu nutzen wussten. Zu glauben, ich könnte mich daran tatsächlich gut erinnern, wäre jedoch völlig falsch: Ich weiß im Prinzip lediglich noch, die Band recht gut gefunden und Spaß gehabt zu haben und habe im Vorfeld dieser Zeilen bei Bandcamp nachgelauscht… Schließlich war Sauftag galore, wer sich erinnern kann, war nicht dabei und über den Rest des Abends bzw. der Nacht hülle ich den Mantel des Schweigens, zumal er mir ohnehin zugetragen werden musste. Nur so viel noch: DJ Starry Eyes sorgte für ’ne zünftige Aftershow-Party, die mich in Verzückung versetzte und in nicht mehr ganz so frühen Morgenstunden wurde ich noch mit ABOVE-ALL-GLORY-Benny weitertrinkend gesehen…
Primetime Failure
Der allenthalben dreitägige Kater sorgte dann zu einer der raren vernunftbetonten Bandentscheidungen, nämlich den bereits angesetzten nächsten Sauftag vorerst ersatzlos zu streichen – bis zu unserem Gig im Molotow, dazu später mehr.
Als ich anno dazumal nur VENOM INC. und NERVOSA in der Konzertankündigung las, wurde ich gleich nervös und hab‘ mir schnellstmöglich Karten gesichert, weil ich ahnte: Das würde eng werden. Doch statt in der muggeligen Bambi Galore fand die mit insgesamt sieben Bands auf Festivalgröße aufgeblasene Sause im neu errichteten Kulturpalast statt, der ebenerdig und für größere Veranstaltungen ausgelegt ist. Etwas Verwirrung gab’s im Vorfeld um die Uhrzeit, Facebook-Veranstaltungskalender und Kulturpalast-Internetauftritt widersprachen sich da. Letztlich sollte es um 16:30 Uhr losgehen, doch der Beginn verzögerte sich um ‘ne halbe Stunde – was leider offenbar durch Spielzeitverknappung wieder reingeholt werden solle, aber dazu später mehr. So kamen wir dann doch nicht zu spät und konnten noch in Ruhe ‘ne Merch-Runde drehen, erstaunt feststellen, dass auch Imbissverpflegung und Wacken-Tee angeboten wurden und ein erstes Bierchen zischen.
In der noch übersichtlich gefüllten Halle eröffneten MIDNIGHT FORCE, eine noch junge Band aus Schottland, die auf köstliche Weise Epic-Metal-Gedöns persiflierte: Ein um die Töne ringender (aufgrund des miesen Sounds vor der Bühne ohnehin kaum zu hörender) Sänger mit Robin-Hood-Armschützern und hübschen Schleifchen in seinen Stiefeln, der verunsichert posiert/gestikuliert und sein Mikro auch mal mit ‘nem imaginären Schwert verwechselt, ein Basser auf Socken, der gern mal Fünfe gerade sein lässt und es sich auf dem Bühnenboden bequem macht und ein Drummer, der noch während des letzten Songs sein Equipment abbaut. Nur der Gitarrist im schicken King-Diamond-Shirt hielt sich mit Späßen zurück. Haben trotzdem gut geschmunzelt.
Midnight
Force
Auch SURVIVE aus Japan sagten mir im Vorfeld so gar nichts. Die zocken ‘ne Mischung aus modernem Brachial-Thrash und Metalcore oder so und der erste Song ging direkt mal im Soundmatsch unter. Danach wurde die Akustik jedoch deutlich besser und, doch, der Endzeit-Look und heftig drückende Sound hatten was, einen gewissen Unterhaltungswert konnte man der Darbietung nicht absprechen – wenn auch die Klargesang-Parts störten und ich noch stärker davon fasziniert war, wie allen voran der Bassist dem offenbar als Ersatz eingesprungenen (weil optisch arg aus der Reihe fallenden) Drummer unablässig Signale für Einsätze, Wechsel, Fills etc. gab. An Spielzeit hatte man ihnen anscheinend locker zehn Minuten abgeknapst und so war der Gig in der mittlerweile stärker gefüllten Halle recht schnell durch.
Survive
Die Symphonic-Death-Metaller AETERNAM aus Kanada liefen bislang ebenfalls komplett unter meinem Radar, denn alles, was mit „symphonic“ zu tun hat, meide ich wie der Teufel das Weihwasser und halte ich für ziemlich überflüssig. In diesem konkreten Fall bekam ich’s dann mit weniger stumpfem, bisweilen hörenswertem Death Metal zu tun, in dessen Hintergrund irgendwelche ach-so-symphonischen Samples aus der Konserve herumkleisterten. Der Shouter und Gitarrist war dafür motiviert bis in die Haarspitzen, wirkte recht sympathisch und dem Publikum gefiel’s offenbar.
Aeternam
Es folgte der erste Höhepunkt der Abends: Die drei Brasilianerinnen von NERVOSA gehören seit ihrem Debüt zu meinen Favoriten, was zeitgenössischen, fiesen Thrash Metal betrifft. Vor der Bühne wurde sich nun ordentlich gedrängelt, doch, oh Graus: Fernandas Gesang und Prikas Gitarre waren kaum zu vernehmen und es dauert eine ganze Weile, bis der Sound hörbar besser wurde. Die Band war in bester Spiellaune und Fernanda agil wie eh und je, doch nach dem großen Finale mit „Into Moshpit“, bei dem der Mob dann auch mal so richtig in Bewegung geriet, war schon wieder Schluss – nach offenbar ebenfalls nicht mehr als 25 Minuten. Aufgrund des schwachen Sounds und der knappen Spielzeit die erste kleine Enttäuschung des Abends, trotz Spitzenband.
Nervosa
Die Koblenzer Black-Thrasher DESASTER hatte ich bisher weniger auf dem Schirm, irgendetwas fehlte mir auf den Alben immer, so 100%ig ist’s nicht mein Sound. Nach der Bekanntgabe, dass Drummer Husky nun nicht mehr „nur“ nebenbei noch bei ASPHYX die Felle malträtiert, sondern auch der Nachfolger Makkas bei Ruhrpott’s Finest SODOM ist, war ich aber besonders auf den Gig gespannt. Und, ja: Die Band mit Bodybuilder am Gesangsmikro, Guildo Horn an der Klampfe und einem verhuschten corpsegepainteten Gespenst am Tieftöner machte ordentlich Druck, der Sound war deutlich besser als bei den südamerikanischen Kolleginnen und mittels geordnetem Chaos wurde eine Aggronummer nach der anderen gezündet und ins Publikum gespien, das nun ordentlich auf Temperatur war. Machte live echt Laune, auch wenn sich kein Song so richtig festkrallen wollte. Für die grobe Kelle aber wirklich amtlich. Husky entpuppte sich zudem wie gehofft als echtes Drum-Tier, das neben Profi-Technik auch einen brutalen Punch vorlegt und offenbar mit viel Leidenschaft bei der Sache ist. Geht absolut klar und ich freue mich auf den ersten SODOM-Gig mit ihm! Ach ja, die Spielzeit schien mir nun auch angemessen.
Desaster
Auf den Co-Headliner SUFFOCATION hatten sich eine Menge Besucher gefreut, mir hingegen war er ziemlich egal – bin und bleibe einfach notorischer Death-Metal-Banause. Sicher, hier haben wir es mit US-Genre-Pionieren zu tun, für mich ist das aber weitestgehend schlicht hookbefreiter Grunzlärm. Dessen Fans allerdings feierte ihre Party, wenngleich die Circle Pits zumindest anfänglich eher noch nach gemütlichen Spaziergängen aussahen. Ab und zu kamen Stagediver und Crowdsurfer vorbei. Ich schüttete mir derweil ein Bier nach dem anderen rein, bis mich die Monotonie der Musik in eine Art Trancezustand versetzt hatte. Entspannt beobachtete ich die Musiker, anhand derer Bewegungen sich mir schließlich dann und wann der Groove der Songs erschloss und ich ekstatisch mit dem Fußballen moshte, mit dem Kopf im Takt nickte und mich für meine Lady freute, der ich zum Geburtstag eine Eintrittskarte vermacht hatte und die der Chose wesentlich mehr abgewinnen konnte als ich alter Muffel. Kurios fand ich übrigens den Bassisten, der seinen kastrierten Fünfsaiter immer wieder senkrecht auf den Boden stellte und wie einen Standbass spielte. Noch wesentlicher kurioser allerdings ist’s, dass der Zeitplan mittlerweile nicht nur ein-, sondern sogar überholt worden war, sodass SUFOCATION viel früher als veranschlagt angefangen hatten – zum Ärger manch Fans, der dadurch den Großteil des Sets verpasste. Als Death Metaller hat man’s nicht immer leicht und in der Tat ist das eher so suboptimal – wobei ich mich andererseits aber frage, womit man sich ausgerechnet in HH-Billstedt denn sonst so während eines Metal-Festivals die Zeit vertreibt, dass man gar nicht mitbekommt, wenn die Lieblingsband zum Angriff bläst.
Suffocation
Wie dem auch sei, nu‘ aber: VENOM! Meine ewige Leib- und Magenband neben IRON MAIDEN, SODOM und CYNDI LAUPER. Ok, es war jene Inkarnation mit dem INC. dahinter, also ohne Cronos, dafür mit den anderen beiden Gründungsmitgliedern Abaddon und Mantas sowie „Demolition Man“ Tony Dolan an Bass und Gesang, den ich schon bei ATOMKRAFT cool fand und der von 1989 bis 1992 bei VENOM verpflichtet war. Das „Prime Evil“-Album seinerzeit war ein deutlicher Fortschritt nach dem eher missglückten „Calm Before The Storm“, dem damals letzten mit Cronos. Live hatten mir VENOM INC. bereits 2016 auf dem Metal-Bash-Open-Air die Möbel geradegerückt, doch da waren sie auch noch nicht mit neuem Material am Start. Das fand ich aus der Konserve auch eher so semi, natürlich wollte ich in erster Linie die alten Schoten hören. Aber wer zur Hölle war dieser Jungspund da hinter den Nuclear Warheads? Ach wat, Abaddon ist noch mal Vater geworden und wird von einem gewissen Jeramie Kling vertreten? Hätte man das nicht umgekehrt machen können? Kleiner Scherz, große Unterschiede konnte ich keine ausmachen, es rumpelte vielleicht etwas weniger. Ging los mit „Avé Satanas“ von der neuen Platte, danach wechselten sich alte und neue Stücke ‘ne Zeitlang mehr oder weniger ab. Entweder integrierte sich der neue, durchs Double-Bass-Getrete gut auszumachende Stoff live überraschend passabel ins Set oder mir war auf meiner alkoholgepitchten Euphoriewelle mittlerweile alles egal. Zum Mitgrölen luden natürlich Klassiker wie „Welcome To Hell“, „Die Hard, „Live Like An Angel (Die Like A Devil)“, „Black Metal“ und „Countess Bathory“ ein, das „Prime Evil“-Album wurde mit „Parasite“ berücksichtigt und als Zugaben gab’s „Sons Of Satan“ und „Witching Hour“ auf die ehrfurchtsvoll gespitzten Löffel. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, bekam man die anfänglichen Soundprobleme bald in den Griff. Dolan ist immer noch ‘ne coole Sau mit klasse Bühnenausstrahlung und Mantas mit ohne Schnurri, dafür Irokesenzopf genoss sichtlich die Nähe zum Publikum, wenn er am vorderen Bühnenrand herumturnte und seine Sechssaitige fidelte. Von Stagedivern ließ man sich nicht irritieren und machte generell einen fitten, spielfreudigen Eindruck. Die Kirsche auf der Setlisthaube wäre gewesen, hätte man noch ‘nen schönen alten ATOMKRAFT-Stampfer skandiert. Dolan sieht nach wie vor wie aus vom „Mad Max II“- oder „Hügel der blutigen Augen“-Filmset entführt; in Kombination mit VENOMs Image wirkt die Band wie eine krude Endzeit-Metal’n’Roll-Satanisten-Sekte auf mich. Als Kind der ‘80er stehe ich natürlich total auf so was, so dass ich’s ganz mit der alten Warncke-Eis-Losung halte: Zwei VENOMs sind besser als kein VENOM.
Venom
Inc.
VENOM INC. hatten ‘ne ganze Weile gespielt, länger als ‘ne Stunde (wie ursprünglich geplant) – deshalb die Umstellung des Zeitplans? Mein Gesamteindruck des Festivals ist etwas durchwachsen: Den günstigen Preisen zum Trotz hätte ich’s geiler gefunden, NERVOSA, DESASTER und VENOM INC. im Bambi zu sehen, was jedoch reichlich egoistisch gewesen wäre, denn da hätten niemals alle reingepasst. Letztlich überwog aber eindeutig der Spaß und so bot sich eben die Möglichkeit, auch mal wieder ein bisschen über den musikalischen Tellerrand hinauszublicken bzw. -horchen. Ein interessanter lokaler Opener – davon gibt’s in Hamburg doch genug – wäre mir aber lieber gewesen als MIDNIGHT FORCE, NERVOSA sollten, wo auch immer sie auftreten, mind. eine Dreiviertelstunde zocken und falls die Soundprobleme an der Hallenakustik liegen, hoffe ich, dass man sie zukünftig besser gehandhabt bekommt. Ansonsten bin ich gut auf meine Kosten gekommen und hab‘ meine Soul mal wieder derbe to the Gods Rock’n’Roll downgelayt.
Mein Kumpel Martin ist erst letztes Jahr aus seiner serbischen Heimat nach Hamburg gezogen, hat flugs zusammen mit ein paar anderen Rabauken ‘ne Krachcombo gegründet und lud zur CRACKMEIER-Live-Premiere ins Eidelstedter Ackerpoolco. Da müssen andere empfehlens- und unterstützenswerte Veranstaltungen zurückstecken, denn ein solches Spektakel kann ich mir unmöglich entgehen lassen. Das Ackerpoolco war mir allerdings vollkommen unbekannt, per Bus, Bahn und Google Maps aber bald gefunden. Der Schuppen ist ein ‘nen recht guten Eindruck machendes Jugendzentrum inkl. Skatehalle, wo bereits seit 17:00 Uhr dem halsbrecherischen Rollbrettsport gefrönt wurde. Das Ganze war wohl die Geburtstagsparty eines Einheimischen, Eintritt war frei, Dithmarscher gab’s gegen paar Kröten Spende und ein Kaminfeuer sorgte an diesem arschkalten Tag („Too old to skate“? Too cold to skate!) für Wärme. Ließ sich also ganz gut an. Den einen oder anderen CRACKMEIER, so der geschmackvolle Name des neuen Sterns am Hamburger Hardcore-Himmel, hatte ich allerdings noch nie so sichtlich nervös erlebt. 😉
Diese warteten händeringend auf ihren zweiten Gitarristen Fokko, der einfach mal ganz lässig direkt zum Auftritt (ok, zum Soundcheck) erschien. Irgendwann zwischen neun und halb zehn ging’s dann los, Sänger Jesche positionierte sich vor der Bühne, nahm erstmals im Leben seine Mütze ab (hatte ihn noch nie ohne gesehen!) und wütete, brüllte, pöbelte sich durchs Set mit seinen angepissten, deutschsprachigen Hasstiraden gegen alles mögliche Verachtenswerte. Dank der beiden Gitarren der ehemaligen KAOS-KABELJAUer Fokko und Jerome (auch bei AUS DEM RASTER) und der anpeitschenden Rhythmussektion, bestehend aus dem schön dominant abgemischten Brutalo-Bass Böllers und Martins derbem, dabei technisch einwandfreiem Drumming, gab’s ein sattes Soundbrett dazu, das die Songs weder zu trocken noch monoton klingen ließ. Für einen ersten Gig überraschend tight! Hier und da gab’s etwas Background-Mitgebrüll und ein Song wurde vornehmlich von Jerome gesungen, wenn auch ohne dritte Strophe – kenn‘ ich, so wat… Das klopfte jedenfalls alles echt gut aufs Mett und provozierte auch den einen oder anderen Freudentanz im wesentlich stärker als erwartet vertretenen Publikum. Würde gern mal mit DMF zusammen mit CRACKMEIER zocken, wird hoffentlich mal möglich sein. Ein Einstand nach Maß! Bin jetzt Fan.
Crackmeier
THE MUTTNICKS hatten leider kurzfristig abgesagt, also ging’s nach kurzer Pause direkt mit SCOOTER KIDS MUST DIE (oder auch SCOOTER KIDS UND KAI) weiter. Hatte ich noch nie von gehört, scheinen auch noch nicht sooo lange zu existieren. Mit dem Startschuss brach jedoch die Hölle los. Hatte ich es vorher schon recht optimistisch gefunden, den Tisch mit Mischpult etc. unmittelbar an der Tanzfläche aufzubauen, wurd’s nun echt gefährlich für die Technik: Bier spritzte durch die Gegend, Buddeln zerbarsten, Körper flogen herum. Ich hielt mich aus Sicherheitsgründen im Hintergrund, wie man auch den Fotos ansieht. Befürchtete ich anfänglich noch, der Sound könnte in Richung Screamo oder so gehen, wurde ich schnell eines Besseren belehrt: Astreiner, pfeilschneller Oldschool-Hard-/Trash-/Skatecore, hektisch und hysterisch, kurze Songs, englische Texte und ein Megahit auf Deutsch: „Ihr seit [sic!] schlau“ – doch „wir sind besoffen“. „Keine Bücher – wir wollen Bier!“ Perfekt auf den Punkt gebracht – nicht nur dieser Song, sondern der ganze Gig. Bekommt man hoffentlich auch öfter mal zu Gesicht.
Scooter
Kids
Must
Die
Während der Zigarettenpause vor der Tür wurden die Scherben zusammengekehrt, anschließend musste ich mich erst mal wieder ‘ne Viertelstunde am Kamin aufwärmen. Mit ‘nem Bier to go ging’s in den Bus und zurück nach Altona, wo wir noch ‘nen Abstecher ins Monkeys machten, das seinen dritten Geburtstag feierte – also von einer Geburtstagsfeier auf die nächste, was perfekt passte, denn immerhin war ich ebenfalls mit einem Geburtstagskind unterwegs. Eigentlich hatten wir darauf spekuliert, dort nach dem Liveteil des Programms aufzuschlagen und gratis reinzukommen, waren dafür aber etwas zu früh am Start. So mussten wir noch jeder ‘nen Zehner für die letzten Songs der JUDGE-DREAD-Coverband latzen, aber sei’s drum: Ist ja für ‘nen guten Zweck… Die Band mit dem dicken Sänger im engen Superman-Shirt machte ihre Sache ohrenscheinlich ziemlich gut, könnte man sich wohl auch mal gezielt und abendfüllend geben. Einen Teil der Verlosung sahen wir uns noch an, ansonsten gaben wir uns im Pub-Bereich bei Mucke eines sehr geschmackssicheren DJs in angenehmer Atmosphäre den Rest, jedoch nicht ohne diverse Begrüßungen und Schnacks mit bekanntem Volk und natürlich Gratulationen ans Monkeys – auf die nächsten drei und noch viel mehr Jahre!
Geil, endlich mal wieder ‘ne schnieke Punk-Sause auf der Stubnitz und ich hatte sogar Zeit! Bischn Rahmenprogramm in Form einer Doku und ‘ne Vokü gab’s auch, also ging’s nach der Maloche und der allwöchentlichen Sporteinheit ohne Abendessen los in die HafenCity, wo das Rostocker Kultur- und Denkmalschiff zurzeit liegt. Nach offiziellem Zeitplan waren wir dennoch spät dran, also schnell den Eintritt i.H.v. 5-10 EUR abgedrückt und gehofft, noch etwas vom Büffet zu bekommen. Das machte jedoch einen etwas traurigen Eindruck, Reis mit Tomaten- und Blumenkohl-Soße, dazu bischn grünen Salat… Und ob vorher eklatant mehr vorhanden gewesen ist, weiß ich gar nicht. Jut, zumindest Skorbut würde man wohl man nicht davon bekommen, also zu zweit vom letzten verbliebenen Teller im Vorführsaal schnabuliert, wo dann auch alsbald die Doku begann; ein rund einstündiger Film über die Historie der Stubnitz seit der Wende. Mittels Interviews mit den Stubnitz-Pionieren und zahlreichen historischen Aufnahmen wurde ein Eindruck davon vermittelt, welch Mammutprojekt es war, die Stubnitz vor der Verschrottung zu retten und kulturell nutzbar zu machen – und was sie bereits alles erlebt hat. Das ist einer dieser Fälle, in denen sich einige Idealisten buchstäblich den Arsch bis an die Grenzen zur Selbstaufgabe und bisweilen darüber hinaus aufgerissen haben, um etwas auf die Beine zu stellen – großen Respekt dafür!
Erstmals auf der Stubnitz war ich in Rostock, als sie während eines legendären DRITTE-WAHL-Konzerts aus allen Nähten platzte. Seit ein paar Jahren liegt sie dauerhaft in Hamburg, fungiert aber nach wie vor als wichtige Komponente im Rostock-Hamburg-Kulturaustausch, was sich nicht zuletzt im heutigen Bandaufgebot niederschlug: Die erste „Punkship“-Sause (weitere sollen wohl folgen) hatte gleich zwei Rostocker Combos geladen. Nachdem die ersten Dosen Pils verköstigt waren (5,0 zum Punker-Sonderpreis von einsfuffzsch), enterten die für die verhinderten SCHROTZ eingesprungenen ROSTDOCS die (ziemlich hohe) Bühne und zockten ihren deutschsprachigen Oi!-Punk mit vielen Rock’n’Roll-Anleihen und hier und da ‘nem lütten Offbeat sowie mit ordentlich Spaß inne Backen. Die obligatorische Hansa-Rostock-Hymne durfte nicht fehlen, dafür allerdings der zweite Gitarrist: Dieser betrat erst nach den ersten Songs für die Band ebenso überraschend wie fürs Publikum die Bühne und stieg mit ein – war vorher wohl noch am Deckschrubben. Die beiden Gitarristen waren dann ziemlich gut aufeinander abgestimmt und auch die Rhythmus-Abteilung auffallend talentiert. Ein gelungener Auftakt, wenn auch vor der Bühne der Gesang etwas arg leise war.
Rostdocs
Es folgte ‘ne ziemlich lange Umbauphase, in der der Bereich vor der Bühne zum Ring umfunktioniert wurde. Cindy Clawful und ihr Partner präsentierten nämlich ‘ne astreine, athletische, brutale Wrestling-Nummer wie seinerzeit auf dem Sommerfest des Wagenplatzes Norderstedt, an deren Ende der böse Heel einen Kopf kürzer gemacht wurde – und Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ dudelte unablässig kontrastierend dazu aus der P.A. Genau das Richtige für meinen guten schlechten Geschmack und nachdem ich mir diesmal anfänglich einen Spaß daraus gemacht hatte, den Heel anzufeuern, verfiel ich letztlich doch wieder der guten Cindy und ihrer konsequenten Durchsetzung feministischer Ideen…
Bis die Bremer HC- und Euro-Dance-Trash-Punks CHOLERA TARANTULA loslegten, war weitere Zeit vergangen und das Dosenbier-Kontingent leider erschöpft, weshalb ich nun aufs mit 3,- EUR leider immer etwas teure Gezapfte umsteigen musste. Mittlerweile war ich auch so richtig auf Betriebstemperatur und feierte die Band mit ihren giftigen deutschsprachigen Texten ab. Dürfte mein dritter CHOLERA-TARANTULA-Gig gewesen sein, mit dem Set war ich recht vertraut, „Freiheit statt Frontex“, der Sing-a-long „Bullenterror“ usw. – und am Ende die unvermeidliche ‘90s-Trash-Einlage… Allerdings hatten sie diesmal entweder gar keinen von vornherein schon gut zugelöteten Anhang dabei oder er ist mir schlicht nicht mehr aufgefallen, da ich längst in einem ähnlichen Zustand weilte. Hat mich jedenfalls ordentlich durchgeschüttelt und den Alkohol in jede Körperzelle verteilt, sodass ich mich ehrlich gesagt an den kurz vor 1:00 Uhr gestarteten Gig der Rostockerinnen TORTENSCHLACHT gar nicht mehr erinnern kann. Zumindest habe ich wohl noch ein paar ganz ordentliche Fotos gemacht, aber das ist auch die einzige überlieferte Erinnerung. Die Damen werden gewohnt charmant, ruppig und rustikal ihren aus allen drei Kehlen abwechselnd interpretierten Punkrock mit den selbstbewusst feminin-frechen Texten abgeliefert und die eine oder andere Coverversion von SCHLEIM-KEIM, DIMPLE MINDS usw. dargeboten haben und ich hatte sie ja nun bei Weitem nicht zum ersten Mal gesehen… Meine nächste Erinnerung ist aber, dass ich träumte, wohlig im vertrauten Bette zu schlummern, jedoch urplötzlich geweckt wurde und mich mit dem Kopf auf dem Tisch liegend inmitten wummernden Stumpf-Technos und völlig pleite wiederfand. Sofort wurde ich mir meiner prekären Situation bewusst: Ich muss beim letzten Absacker auf den Sitzmöbeln weggeknackt sein und mittlerweile war die Anschlussveranstaltung, irgend’ne Techno-Zappelei, in vollem Gange. Fluchend spurtete ich mit Madame, der es ganz ähnlich ergangen war, aufs Deck, um erleichtert festzustellen, dass wir uns glücklicherweise nicht auf hoher See befanden, sondern noch im vertrauten Hamburch ankerten. Der Versuch, ein Taxi für uns Süßwassermatrosen zu ordern, geriet abenteuerlich – Servicewüste Taxidienste, echt ma! Als dann aber wie aus dem Nichts eines vor dem Kutter hielt, wurde es sofort von uns gekapert und gen tatsächliches Schlafgemach geleitet…
Cholera
Tarantula
Tortenschlacht
Insgesamt ‘ne feine Angelegenheit – wenn auch mit nicht ganz so geplantem Ausgang – in nicht alltäglichem Ambiente, die hoffentlich positiv zum Kulturaustausch zwischen HH und HRO beigetragen hat, schließlich wird in der nächsten Saison der FC St. Pauli mutmaßlich wieder auf Hansa Rostock treffen… Und bevor jemand fragt: Taxifahren ist definitiv Punkrock.
An diesem Freitag kam einiges zusammen: Ich sollte noch einmal im Menschenzoo auflegen, gleichzeitig lockte dort ein Konzert mit gleich drei Bands – und galt es, den Beginn der vorlesungsfreien Zeit zu feiern. Mein erstes „Deutsche Sprache und Literatur“-Semester lag quasi hinter mir und ist offenbar gar nicht so übel gelaufengelaufen – also Tassen hoch bis zum Verlust der Muttersprache! Außerdem wurde die neue P.A.-Anlage entjungfert, und zwar durch das Trio CRUDE CARESS aus Winterthur (Schweiz). Die 2014 gegründete Band zockte eine erquickende Melange aus rustikalem Oldschool-Punkrock und wüsteren HC-Punk-Eruptionen, stimmlich mal vom Basser, mal vom Drummer rau vorgetragen, mal auf Deutsch, mal auf Englisch, bisweilen gar in Schwyzerdütsch. Der Zoo war noch relativ übersichtlich frequentiert, füllte sich aber nach und nach zusehends und das anwesende Volk lauschte interessiert, ohne gleich durchzudrehen. Witzig war ein Schreihals im Publikum, der jede Ansage launig kommentierte. Die Drums waren mir manchmal zu sehr uffta-uffta und die Handbremse zu angezogen, der Gitarrist währenddessen auf der Suche nach dem dritten Akkord. Je aggressiver, flotter und kürzer die Stücke aber wurden, desto besser lief mir das Zeug rein und das sympathische Auftreten der Band, die mit ihrer Schweizer Herkunft kokettierte und kleine Lehrstunden in Schwyzerdütsch abhielt („Wisst ihr, was ein Schlägli ist? Ein Schlachanfall! Das muss doch SCHLACHANFALL heißen!!!“), trugen zur guten Stimmung bei. Der Basser kompensierte das Fehlen eines klassischen Vorturners mit zappeligen Ausflügen vor die Bühne, zupfte seine Axt auch mal kniend und gegen Ende gab’s mit „We Bite“ vonne MISFITS dann auch noch ‘nen Song, den nun wirklich jeder kannte. Ausbaufähig, aber nicht schlecht und vor allem unterhaltsam!
Crude Caress
Durchatmen, lüften, paar Songs auflegen, paar Bierchen (und Kiezmischen…) zischen – und die Magdebürger ATOMIC SUNRISE auf der Bühne begrüßen. Die Bude war mittlerweile sehr gut gefüllt und das Quartett gab sofort kräftig Gas. Den Sound würde ich als melodischen Punk mit einigen Punk’n’Roll-Anleihen bezeichnen. Ich hörte viel THE BONES heraus, aber auch viele Melodic-US-Punk-Einflüsse. Der Sänger, der zugleich die Rhythmusklampfe bediente, erinnerte mich an ANTI-FLAG, die mehrstimmigen Chöre sind natürlich genreimmanent und der Leadgitarrero schüttelte eine eingängige Melodie nach der anderem aus dem Ärmel. Das war schon alles sehr, sehr amtlich, zumal die pure, entfesselte Spielfreude da von der Bühne drang. Die mehr am Hauruck-Punk interessierten Anwesenden hatten sich nach hinten zurückgezogenen und den Anhängern der munteren Melodei das Feld überlassen, welche nun verzückt das Tanzbein schwangen. Auch hier gab’s ‘ne Coverversion eines unzerstörbaren Klassikers, DEAD BOYS‘ „Sonic Reducer“ musste herhalten und wurde nicht nur von mir begeistert mitgesungen. Für meinen Geschmack könnte der Gesang noch etwas mehr Abwechslung und Dreck vertragen und dem Sound würde auf Dauer eine etwas individuellere Note sicherlich gut tun, aber das ist Kritik auf hohem Niveau und schon gar kein Gemecker, denn live haben ATOMIC SUNRISE richtig was gerissen!
Atomic Sunrise
Die Wahlberliner BARETTA LOVE sind stets gern gesehene Gäste im Menschenzoo, spielen dort wohl 1x jährlich und 2016 wurde uns mit BOLANOW BRAWL sogar das Vergnügen zuteil, mit ihnen zusammen zu zocken. Englischsprachiger Punkrock voller Pop und Melodie, gern auch mal etwas getragener, aber immer eingängig, inbrünstig vorgetragen von drei Typen, die auf der Bühne keine Show abziehen, sondern ihre Musik leben und lieben und sich dafür den Arsch abschwitzen. Wenn der Schweiß schon den Gitarrengurt runtertropft, verleiht das BARETTA LOVE eine unheimliche Authentizität und der Funke springt sofort aufs Publikum über, das nun komplett mitging – übrigens inkl. eines Rollstuhlfahrerpärchens, das den ganzen Abend über anwesend war und seine Reifen zum Glühen brachte. Der Sänger trägt mittlerweile Irokese und seine Gitarre fast unterm Kinn, obwohl er diese quasi blind beherrscht. Die Abgewichstheit, mit der BARETTA LOVE ihr künstlerisches Handwerk beherrschen, geht schon verdammt stark in Richtung – nicht negativ gemeinter – Professionalität, da sitzt einfach alles. Feiner Gig, wenn auch auf Dauer vielleicht nicht 100%ig meine Mucke, denn ein paar mehr Ecken und Kanten dürften’s letztlich dann schon sein – und das obligatorische TOTE-HOSEN-Cover „1000 gute Gründe“ darf dann auch sehr gerne langsam mal ersetzt werden. Gegen 1:00 Uhr wird wohl Schluss gewesen sein, aber die Nacht blieb famos – Freunde und Bekannte sowie eine Vielzahl nun auch von anderen, parallel stattgefundenen Konzerten einströmenden Menschen machten die Nacht zum Tag, das „DJing“ zum Vergnügen und die Kehle so heiser, dass ständig nachgekippt werden musste, bis Chefwirtin Iris irgendwann zum Feierabend mahnte. Eine „Absacker-Tour“ ersparte ich mir (und den anderen) diesmal – besser hätte es nicht mehr werden können.