Günnis Reviews

Kategorie: Konzertberichte (page 1 of 44)

22.03.2025, Indra Musikclub, Hamburg: THE MOVEMENT + FORNHORST + SASCHA UND DIE HERINGE

Dieses Konzert war ein willkommener Anlass, langsam mal die Winterpause zu beenden. Die dänischen THE MOVEMENT, eine der wenigen Bands, die überhaupt noch auf Mod machen, hielt ich auf Platte früher für verzichtbar, sollen sich, so hieß es, live aber immer lohnen. 2020 kam das Album „Future Freedom Time“ raus, das ich dann doch ziemlich geil fand, und FORNHORST, jene noch junge Band aus dem schleswig-holsteinischen Hamburger Umland, die sich ums ehemalige EU!-KRAMPF- und ASIDE!-Mitglied Normen gegründet hat, wollte ich mir eh schon länger mal live geben. Zudem war das Konzert für die Beteiligung einer nun nicht gerade unbekannten ausländischen Band als Headliner – und für heutige Zeiten – echt bezahlbar, was sicherlich nicht zuletzt an den sehr publikumsfreundlichen Kalkulationen des Indras lag.

Das dachten sich offenbar auch viele andere und erschienen zahlreich, wobei gerade Teile zu meinem Bekanntenkreis Zählender schon gut vorgetankt hatten und herrlich besoffen waren, bevor die erste Band überhaupt angefangen hatte. Bis dahin blieb auch einige Zeit, denn erst mit einer Stunde Verspätung ging’s los. Bei besagter erster Band handelte es sich um die Emdener Nachwuchscombo SASCHA UND DIE HERINGE (Eigenbezeichnung „fischige Rambazambatruppe“), die ohne Sascha, aber mit einigen Heringen angereist war. Nach einem humorigen KI-generierten Fake-News-Beitrag als Intro ließ mich gewollt witziger Midtempo-Funpunk mit Rocktendenz meine Stirn in Falten legen, der miese Sound mit die Klampfen übertönendem Schlagzeug und Klackerbass tat sein Übriges. Die Gunst des Publikums sicherte man sich mittels Gratis-Pfeffi, den man verteilte, und setzte verstärkt auf Show-Einlagen: Menschen mit Heringsmasken auf der Rübe und in Mönchskutten waren der Anfang, gefolgt von einer Schauspieleinlage mit falscher Polizistin bei „Verhaftet wegen Alkohol“ bis hin zu tanzenden Heringsmädels und einem unvermeidlichen Mitmachspielchen, für das alle mal auf die Knie gehen sollten. Nee, lass das mal lassen… Das selbst für ein Erste-Vorband-Set offenbar noch nicht ausreichende eigene Material wurde mit Coverversionen angereichert: Bei „Gotta Go“ (AGNOSTIC FRONT) sagte ich noch zu meinem Kumpel, dass das, ähnlich wie „Blitzkrieg Bop“, verboten weil totgedudelt sei. Diesbzgl. bin ich mir beim später gespielten „Filmriss“ noch unsicher, es kratzt aber mindestens hart an der Grenze. Und als unverlangte Zugabe, als hätte ich’s geahnt: „Blitzkrieg Bop“. Alter! Von „Gotta Go“ war einer immerhin so begeistert, dass er die Bühne erklomm und mitsingen wollte, doch der Sänger hielt ihm nicht mal für den Chor das Mikro vors Maul. HC geht anders. Ok, zugegeben: Der eine oder andere Song klang nicht verkehrt, z.B. ‘ne Anti-Rechtsextremismus-Nummer, und der Sänger hat grundsätzlich ein angenehm raues Organ. Der Sound wurde, wie so oft, im Laufe der Zeit besser und wat weiß ich überhaupt schon, denn die Stimmung vor der Bühne war die ganze Zeit über gut.

Wenn ich das richtig mitgeschnitten habe, begannen FORNHORST als eine Art Solo-Projekt, nachdem Bandkopf Normen aufs Dorf im hohen Norden der Republik gezogen war. Die ersten Songs landeten 2022 bei Bandcamp und machten Bock auf mehr. Nachschlag gab’s in Form der seinerzeit noch unter dem Namen SCHNELLER geschriebenen Songs auf einer weiteren EP und im letzten Jahr schließlich des Albums „Leben ohne Scheiß“. Das Vinyl hab‘ ich dann auch gleich mal eingesackt, denn das Zeug gefällt mir: Flott gespielter, melodischer Punkrock mit zeitgemäßen, durchdachten deutschsprachigen Texten über Gesellschaft, Szene und das Älterwerden in beidem inklusive kräftiger, pointierter Refrains. Normen, der zugleich die Rhythmusklampfe spielt, hat ‘ne gute, angeraute Stimme, und der Leadgitarrist im Grunge-Look zaubert eine geile Melodie nach der anderen auf die Akkorde. Kuriosum: Da bis auf den Basser anscheinend niemand Bock auf Background-Gesang hat, kommen FORNHORST kurzerhand mit ‘nem eigenen Background-Sänger auf die Bühne – der trotzdem wesentlich schneller aus der Puste ist als Normen mit seiner Doppelbelastung. Der P.A.-Sound stimmt jetzt, und im Laufe des um die 15 Songs umfassenden Sets gerate auch ich in Bewegung und feiere die Songs mit ihren überwiegend direkt ins Ohr gehenden, schnell mitsingkompatiblen Refrains. Hervorheben möchte ich neben dem kompromisslosen „Kein Vergeben, kein Vergessen“ die klug formulierte P.C.-Kritik „Tommi“ über jemanden, der im Großstadt-AZ wahrscheinlich Hausverbot hätte, sich in seiner ländlichen Heimat aber gegen Nazis gerademacht, sowie die aufrührerische Hymne „Leben ohne Scheiß“. Für mich eine der erfreulichsten jüngeren deutschsprachigen Bands und auch live geiler Scheiß. Ich hoffe, bald mal wieder!

THE MOVEMENT wurden als krönender Abschluss ihrem guten Ruf vollends gerecht. In Trio-Formation mit aufs Nötigste reduziertem Schlagzeug und dem Trainer von Mainz 05 am Bass spielte man sich durch die eingängigen, souligen, anpeitschenden Modpunk-Hits mit tiefem, kehligem Gesang, dem reinsten Bassporno, sozialistisch-revolutionärer Attitüde und ebenso unvermittelten Rockstar-Posingfiguren wie Akrobatikeinlagen und, äh, Beckenwechseln. Der völlig überdrehte Bassist hielt es nicht lange in seinem Anzug aus und entkleidete sich nach und nach, bis er irgendwann oberkörperfrei auf der Bühne stand (und im Publikum Nachahmer fand). Etwas überrascht war ich, dass doch so viele es aushielten, einfach dazustehen und die Band anzuglotzen, statt das Tanzbein zu schwingen. Eines der letzten Stücke (oder das letzte?) war „Control Your Temper“, einer der ersten THE-MOVEMENT-Songs, die ich kannte, und dürfte in meiner etwas verschwommenen Erinnerung dann auch der Stimmungshöhepunkt gewesen sein. Musikalisch vollauf befriedigt ließ ich mich noch zum Absacken im Monkeys (wo die „Tainted Love“-Wave-Disco stattfand) überreden, haute mein letztes Saufgeld auf den Kopp und stellte zu meinem Verhängnis fest, dass man am Tresen nun auch mit Karte zahlen kann… Papperlapapp, so schlimm wurd’s gar nicht. War ‘n geiler Abend!

25.02.2025, Uber-Arena, Berlin: CYNDI LAUPER + TRACY YOUNG

Meine Gebete waren erhört worden, mein Lieblings-‘80er-New-Wave/Synth-Pop-Schnuckel, die Sängerin, Menschenrechtsaktivistin, Schauspielerin und ehemalige Wrestling-Managerin CYNDI LAUPER, begab sich ein letztes Mal auf Monstertour und machte dabei einen Abstecher nach Deutschland. Zwar nicht nach Hamburg, aber Berlin ist ja nicht weit und meine wesentlich bessere Hälfte und ich konnten ein günstiges Hostel ganz in der Nähe der Arena in Friedrichshain beziehen. „Time After Time” war schon immer eines meiner Lieblingslieder, mich eingehender mit Laupers Alben beschäftigt hatte ich mich aber erst als Erwachsener – und war und bin immer noch insbesondere von ihrem ‘80er-Oevre begeistert. Später entdeckte sie den Jazz und den Blues für sich, wo ich musikalisch dann raus war (oder erst mal raus zu sein glaubte). Live gesehen hatte ich sie nie, aber gehofft, vielleicht doch noch einmal die Gelegenheit zu bekommen. Hier war sie!

Wir trafen uns mit einer Freundin meiner Liebsten und deren erwachsener Tochter, machten an ‘nem Imbiss Halt, glühten etwas vor und begaben uns dann in die Uber-Arena, einem dieser typischen seelenlosen Multifunktionsklötze, der aber nun einmal Platz für zigtausend Leute bietet. Der halbe Liter Veltins wird zu Champagnerpreisen (7,- EUR + 3,- EUR Pfand!) ausgeschenkt, aber damit hatte ich ebenso gerechnet wie mit T-Shirt-Preisen von 45,- EUR (mein älteres Cyndi-Shirt im Punk-Look, das ich mir übergestreift hatte, war wesentlich günstiger gewesen) und derlei Unwägbarkeiten. Alles nebensächlich an diesem Abend. Wir waren früh genug da, um im Innenraum nah genug an die Bühne zu kommen; und kamen wir uns anfänglich noch etwas verloren vor, füllte es sich zwischen 19:00 und 20:00 Uhr doch rasch. Ganz ausverkauft sei’s wohl nicht gewesen, meinten meine Begleiterinnen in Erfahrung gebracht zu haben, aber wohl kurz davor. Gut 12.000 Gäste sollen es gewesen sein.

Als Hintergrundmusik lief diverser jüngerer Pop ausschließlich weiblicher Interpreten; auf der Bühnenrückwand, die als Video-Screen diente, lief eine Animation mit Songtexten des einen oder anderen Lauper-Klassikers. Auf den beiden Bildschirmen links und rechts der Bühne wurde auf Laupers „Girls Just Wanna Have Fundamental Rights“-Stiftung hingewiesen. Mit einem Support-Act hatten wir nicht gerechnet, bekamen aber trotzdem einen: Techno-DJane TRACY YOUNG durfte eine knappe Dreiviertelstunde hinter ihrem Mischpult stehen und ihre Elektro-Tracks abfeuern. Das war schon arg genrefremd, aber immerhin meinte ich Techno-Laie Youngs Früh-‘90er-Verwurzelung anhand von House-Instrumentierung und Vocal-Sample-Lastigkeit herauszuhören, was die eine oder andere Nummer erträglich machte. Auf der Bühnenrückwand wurden bunte, psychedelische Animationen abgespult, während Young hinter ihrem Pult stehend ein paar Knöpfchen drehte. Es ist eben keine Live-Musik; und dass sie mit erhobenen, rhythmisch wedelnden Armen das Publikum anfeuerte und dafür auch immer mal wieder an den Bühnenrand schritt, sah bei ihr genauso albern aus wie bei anderen Techno-DJs. Naja, wenigstens wurde die P.A. nun endlich mal angeworfen und durchgepustet.

Nach der Umbaupause, während der u.a. das Percussion-Set und das Drumkit auf der schwarzlackiert geflieste Bühne enthüllt wurden und einen Hinweis darauf gaben, dass wir es nun bald tatsächlich mit handgemachter Musik zu tun bekommen würden, stimmte BLONDIEs „One Way Or Another“ aus der Konserve auf den Gig ein, in den Lauper direkt mit „She Bop“ einstieg und dessen Blockflötensolo höchstpersönlich zum Besten gab, gefolgt von einem meiner Alltime-Faves, „When You Were Mine“, der einst ein PRINCE-Song war – bevor Lauper ihn zu ihrem eigenen machte. Das Licht tauchte die Bühne in ein kräftiges Violett; die eine mintgrüne Perücke tragende Lauper bewegte sich im endcoolen Roboterstakkato zum unwiderstehliche Rhythmus des Songs und erhielt Szenenapplaus, als sie ihre Stimme in jene ungeahnten Höhen erhob, die zu einem ihrer vielen Markenzeichen zählen. Sie schien – wie so viele gerade – etwas erkältet gewesen zu sein, wobei ihre Hüsterchen verdeutlichten, dass eben auch der Gesang 100%ig live war. Ob mit oder ohne Atemwegsinfekt: Dass sie derart exzessiv wie früher das Hohe C suchen und treffen würde, hatte ich nicht erwartet und war auch nicht der Fall. Ihre „normale“ Gesangsstimme aber war nach wie vor voll da.

Und bunt war’s – sehr bunt! Jeder Song wurde anders illuminiert und mittels Videoanimationen auf der Bühnenrückwand illustriert, wenn nicht gerade Livebilder aufgegriffen und multipliziert dargestellt wurden. Lauper zog sich mehrmals um und wechselte die Perücken – einmal gar mitten auf der Bühne –, eines ihrer Outfits erinnerte an einen buntgefiederten Papagei. Zudem wurden im Laufe des Konzerts mehrere Konfetti- und Luftschlangenkanonen gezündet. Auch wenn es die „Girls Just Wanna Have Fun Farewell Tour“ ist, beschränkte sie sich bei der Songauswahl natürlich nicht auf ihr erstes und erfolgreichstes Album, wenngleich „True Colors“ und „A Night To Remember“ sehr kurz kommen. Überraschend waren für mich die Berücksichtigungen der Studioalben 4 und 5 („Hat Full of Stars“ und „Sisters of Avalon“) aus den 1990ern, die jeweils mit mehreren Songs zum Zuge kamen („Sally’s Pigeons“, „Who Let in the Rain“, „Fearless“ (a cappella vorgetragen!) und „Sisters Of Avalon“). Diese überwiegend sehr ruhigen, zurückgenommen Stücke sorgten in Verbindung mit den persönlichen Geschichten und Anekdoten, für die Lauper sich Zeit nahm, für eine sehr spezielle, fast schon intime Atmosphäre, die ich so nicht erwartet hatte und meinen Lauper-Horizont erweiterten.

Sehr gefreut habe ich mich über ihre „Funnel Of Love“-Coverversion vom 2016er-Album „Detour“. Etwaige weitere Deep Cuts wie z.B. Single-B-Seiten blieben aber ebenso aus wie der BLUE-ANGEL-Neo-Rockabilly-Klassiker „Maybe He’ll Know“ oder der „The Goonies“-Hit „Good Enough“. Die mittlerweile 71-Jährige gönnte sich viele Gesangspausen und füllte die Zeit mit ihren Geschichten oder auch einer ausführlichen Vorstellung der Mitglieder ihrer Band. Das sei ihr gegönnt. Vor „Sisters of Avalon“ begab sie sich hinter die Bühne, scheinbar in die Maske – jedenfalls zeigte ein komödiantischer Einspielfilm, wie sie dort übertrieben nachgeschminkt wurde und sie sich eine Gitarre umschnallte, mit der sie ihren eigenen Song daraufhin auf der Bühne begleitete. „Time After Time“, für das sie zum Einsatz der Smartphone-Taschenlampen aufrief, und das rockige BRAINS-Cover „Money Changes Everything” beendeten schließlich den regulären Teil des Sets, bevor „Shine“ den Zugabenblock einleitete, mir eine Gänsehaut bescherte und mir bewusst machte, welch Rabenfan ich bin, mich noch gar nicht ausreichend mit Laupers Spätwerk beschäftigt zu haben – denn diese Nummer zündete sofort, offenbar gibt’s da noch einiges zu entdecken. Für „True Colors“ wechselte sie auf eine Plattform im Publikumsbereich und ließ eine Regenbogenfahne im Wind flattern, und fürs große Finale, natürlich „Girls Just Wanna Have Fun“, betrat die Sängerin PEACHES als Überraschungsgast die Bühne, um diesen Evergreen zusammen mit Cyndi zu schmettern. Die kleine Panne, dass PEACHES‘ Mikro zunächst offenbar nicht eingeschaltet war, tat der Stimmung keinen Abbruch.

Das war’s dann. Zugegeben: Zu „All Through The Night“ hätte ich schon noch gern geschwoft! Trotzdem dankbar für dieses Konzerterlebnis nahm ich dann auch ohne groß mit der Wimper zu zucken Unannehmlichkeiten wie die Pfandrückgabe in Kauf (Getränkestand im Innenraum baute schon ab, musste daher an eine lange Schlange im Außenbereich – und dort gab’s auch kein Bargeld, sondern man bekam die Knete aufs Bankkonto gebucht) und verlor glatt meine Begleiterinnen, traf dafür aber die Kielerin Anna, die ich mal in einer Hamburg Punk-Spelunke kennengelernt hatte. Überhaupt, das Publikum: Teenies waren’s nun nicht sonderlich viele und wenn, dann in Begleitung eines Elternteils, aber bunt gemischt von Twens bis Ü50 war’s trotzdem, darunter Teile der LBGTQ+-Community, für die sich Lauper immer eingesetzt hat, und sogar vereinzelte Leute mit Metal-Shirts und ein paar Punks, einer davon, ein Altpunk, stilecht mit Iro und THE-EXPLOITED-Shirt. Meine Leute fand ich dann auch bald wieder und so ging’s noch auf ‘nen Absacker vom Hostel-Tresen, bevor wir ‘ne Mütze Schlaf nahmen und am nächsten Tag nach ‘nem Frühstück vor Ort die reibungslose Heimreise antraten.

Ich freue mich, an „CYNDI LAUPER mal live sehen“ ‘nen Haken machen zu können – nichts als Liebe und Respekt für diese kleine, aber ganz große Frau! Und jetzt werde mich mal mit ihren jüngeren Alben beschäftigen – versprochen…

08.02.2025, Lobusch, Hamburg: FATAL COLLAPSE + FREVEL + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Nur wenige Monate, nachdem unser Basser Holler in der Lobusch mit einem Konzertabend seinen Geburtstag gefeiert hatte, standen wir dort wieder auf der Bühne, an der sogar noch unsere Setlist aus dem November hing. Mit einer Thrash-Metal- und zwei aggressiveren, eher riffbetonten HC-Punkbands ein, wie ich finde, ebenso interessantes wie stimmiges Line-Up. Aufgrund eines zeitgleich stattfindenden Punkkonzerts in den Fanräumen war ich etwas skeptisch, ob die Bude voll werden würde – aber das wurde sie. Von meiner Atemwegsinfektion war ich so weit genesen, dass die letzte Probe passabel hingehauen hatte und ich mir den Gig zutraute. FREVEL aus Schleswig-Holstein kannten wir bereits von einem gemeinsamen Gig im Indra und machten den Soundcheck, da sie diesmal als erste Band spielten. Den nahmen sie relativ genau und testeten mehrere Songs an – soll ja auch vernünftig ballern. Am Mischpult übrigens wieder Eisenkarl in Personalunion als P.A.-Beauftragter und unser Drummer.

Mit leichter Verzögerung öffneten sich auch offiziell die Pforten und um 21:40 Uhr legten FREVEL los. Die vierköpfige Band peitschte ihren wütenden Hardcore-Punk mit deutschen und englischen Texten durch, der von einer metallisch gespielten Gitarre veredelt wurde. Sänger Tim shoutete herrlich kehlig und pogte zwischenzeitlich mit dem Publikum, das vom ersten Song an voll dabei war und für Action vor der Bühne sorgte. Waren mir während des Indra-Gigs vor allem die Parallelen zu RAWSIDE aufgefallen, konzentrierte ich mich jetzt mehr auf die Unterschiede, zu denen z.B. von System- und Sozialkritik und generell „Polit-Punk“-Typischem abweichende, persönlichere Inhalte zählen. Und dass man beileibe keinen Stock im Arsch hat, bewies u.a. das GG-ALLIN-Cover „Bite It You Scum“. Zurecht wurden Zugaben verlangt, derer es zwei an der Zahl gab, darunter eine geile neue Nummer. Spitzen-Gig!

Im Anschluss zockten wir unser Set aus dem November noch mal durch, seitdem neu entstandene Songs müssen noch etwas im Proberaum nachreifen. Auch bei uns war gut was vor der Bühne los, was uns zusätzlich anheizte und manch Song schneller als üblich spielen ließ. Ich glaube, meine Stimme machte weitestgehend mit – unser Bühnensound war lauter als zuletzt, weshalb ich mich weniger selbst hörte –, besonders gegen Ende hin merkte ich aber deutlich, dass mir schon noch was auf den Bronchen lag und meine Kondition entsprechend nachließ. Und da ich Depp mir vor ein paar Wochen auch noch die Hand verstaucht hatte, was noch nicht vollständig abgeheilt war, macht sie noch nicht immer das, was sie soll – sodass mir das Mikro mitten im Song aus der Flosse ins Publikum flog. Es ist, wie es ist, und irgendwas ist immer! Als Zugabe gab’s „A.C.A.B.“ von PROJEKT PULVERTOASTMANN; auf die weiteren Rufe gingen wir aber nicht mehr ein, da ich um Luft japsend intervenierte und FATAL COLLAPSE schließlich auch noch auf die Bühne wollten.

Hamburgs D.I.Y.-Thrasher FATAL COLLAPSE teilen sich mit den THRASHING PUMPGUNS Gitarrist Buddy, und unser Bassist Holler spielt ebenfalls bei den PUMPGUNS – ein bisschen Hamburger Inzest also. FATAL COLLAPSE waren mir kürzlich erstmals über den Weg gelaufen, als sie im Kir für PIZZA DEATH eröffneten. Der Stimmung des wunderbar gemischten Publikums von jung bis alt, aber hauptsächlich punkiger, weniger metallischer Szenezugehörigkeit tat der nun deftig thrashende Sound keinerlei Abbruch, die Bewegungsfreunde blieb erhalten und die Band wurde abgefeiert. Und dies völlig zurecht, denn verglichen mit dem Kir-Gig wirkte das Quartett irgendwie befreiter, frischer und aggressiver auf mich. Vielleicht lag’s an der Energie im Raum, vielleicht am Sound, der Thrash-Riffs und -Rhythmik ebenso voll zur Geltung brachte wie Shouter Niklas‘ derbes Organ. Dieser berichtete zwischenzeitlich, seinen allerersten Gig mit dieser Band seinerzeit auf eben dieser Bühne gespielt zu haben, und führte durchs knackige Set, an das ebenfalls eine Zugabe angehängt werden musste. Toller Gig und krönender Abschluss eines rundum gelungenen Konzertabends, der mich in meiner Auffassung bestätigte, dass HC/HC-Punk und Thrash Metal prima zusammenpassen.

Danke an Jesus und das ganze Lobusch-Team, an FATAL COLLAPSE und FREVEL und an alle, die vorbeigekommen waren!

30.12.2024, Störtebeker, Hamburg: THRILLER + SABOTAGE + BRIEFBOMBE + FORTSCHRITT ZT 300

Im Störtebeker, jenem kleinen, legendären DIY-Konzertort im Hafenstraßenviertel, war ich absurd lange nicht mehr, und fast genauso absurd mutet es an, dass ich BRIEFBOMBE, jene einzig echte Postpunk-Band, trotz bereits zweijähriger Existenz noch nie live sah. Da ich „zwischen den Jahren“ frei hatte und mir nach der ganzen weihnachtlichen Besinnlichkeit irgendwie der Sinn nach einem HC-Punk-Konzert im kleineren Rahmen stand, drängte sich diese Veranstaltung geradezu auf. Und prompt traf ich vor Ort meinen Bandkollegen Holler und dessen Kumpel Sascha, was cool war, da ich mich mit niemandem verabredet hatte.

Noch während der ersten Band hieß es dann auch „Bude voll, ausverkauft!“. Es wurde also richtig gemütlich; ganz so, wie ich’s von den Konzerten hier in Erinnerung hatte. Jene erste Band war FORTSCHRITT ZT 300, ein lokales Quartett, das sich dem Agrarcore verschrieben und im Jahre 2023 ein Tape veröffentlicht hat. Der Bandname ist einem DDR-Traktorfabrikat entnommen und inhaltlich geht’s nur vorrangig um Landwirtschaft, in „Kartoffelernte“ beispielsweise geht’s „mit dem Mähdrescher durch Eppendorf“ und letztlich um Klassenkampf, andere Songs richten sich gegen Anthroposophie und „Junkerschweine“. Aggressiver Sound, zu dem die Sängerin gut was wegkrakeelt. Daumen hoch!

BRIEFBOMBE ist nach BRUTALE GRUPPE 5000 das aktuelle Konzeptband-Projekt des umtriebigen LOSER-YOUTH-Thommy. Postpunk steht hier nicht wie so oft für wavige Deprisounds, sondern für eine inhaltliche Ausrichtung, die sich mit einer Extraportion Spaß inne Backen den Zustelldiensten dieser Welt widmet. So geht’s um prekäre Arbeitsbedingungen („Weihnachtszeit-Überstunden fuck you!“), um „Urlaub in Porto“ (auf so einen Scheiß muss man erst mal kommen) und um Brieftaube G.I. Joe, um GLS, UPS und DPD sowie den Film „Cast Away – Verschollen“ mit seiner Schleichwerbung für FedEx, es geht contra Briefmarkensammeln und pro Brieffroindschaften zwischen Punks und Skins. Musikalisch ist das ein ziemlicher Expressversand aus zwischen häufig in Powerviolence eskalierenden, hektischen HC-Punk-Riffs und -Licks mit aggressivem Gekeife der (live häufig grinsen müssenden) Sängerin und Thommys hysterischem Gebrüll – bis auf besagter Brieffreundschaftssong: Der ist ‘ne astreine Oi!-Hymne. Zudem gab’s das beste „Mr. Postman“-Cover, das mir bisher zu Ohren kam. Schon erstaunlich, wie viel man aus einem solchen Themengerüst herausholen kann. Da hab‘ ich auch gleich mal die LP und die 7“ abgeernet (womit ich in den Duktus der ersten Band verfallen bin, sorry). Mit der teilt man sich übrigens den Basser.

SABOTAGE ist nun namenstechnisch sicher nicht der große Wurf – wie viele Bands gleichen Namens wird’s wohl geben? Musikalisch wird dafür schön aufs Mett geklopft:  Fette, böse Riffs und brutale Rhythmen, auf die sich das kranke Shouting der Sängerin legt. Einzige englischsprachige Band des Abends, deren Mitglieder aus Bielefeld und Münster stammen und einen mehr als ordentlichen Abriss fabrizierten – der wahrscheinlich nicht nur gefühlt aber recht kurz war, oder? Egal. Schönes Ding!

Schön auffe Schnauze gab’s dann auch bei THRILLER aus Leipzig, die nach einem „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“-Intro aus der Konserve eine explosive Mischung aus etwas modernerem, metallischem Hardcore und Grind/Powerviolence/Blast-Attacken ritten. Der Shouter kreischgrölbrüllte sich durch die deutschsprachigen Texte der einmal mehr kurzen Songs. Voller Einsatz auf allen Positionen, bis mir die Ohren klingelten. So muss das eben manchmal.

Während ich Fotos von BRIEFBOMBE machte, wies mich jemand darauf hin, dass es mittlerweile auch hier leider nicht mehr erwünscht sei, zu fotografieren, weshalb ich’s dann unterließ und die bis dahin von den ersten beiden Bands geschossenen Bilder hier auch nicht verwende. Ansonsten habe ich aber ausschließlich positive Eindrücke: Obwohl’s verdammt drängelig war und man zum Bierholen die gefürchtete Treppe runter und auch wieder rauf musste, wurd’s nie unangenehm. Alle nahmen Rücksicht aufeinander, was so weit ging, dass sich jemand bei mir entschuldigte, nachdem ich ihn versehentlich angerempelt hatte. Trotzdem blieb vor der Bühne Raum für Bewegung, der auch genutzt wurde. Neu ist, dass das Bier gut gekühlt ist, geblieben ist der schmale Kurs, zu dem’s angeboten wird. Alles nicht selbstverständlich, weder früher noch heute, und darum an dieser Stelle einfach mal ein Dankeschön.

14.12.2024, Indra Musikclub, Hamburg: COCKHEADS + SMALL TOWN RIOT (und ein bisschen BOLANOW BRAWL)

Mein BOLANOW-BRAWL-Bandkollege Christian wurde 40 und hat die beste Freundin, die er sich nur wünschen kann, organisierte sie doch eine superfette Überraschungsparty für ihn. Sein gesamter, nicht gerade kleiner Freundeskreis war eingeweiht; nur er ahnte von nichts, denn alle hielten dicht. Im eigens angemieteten Indra sollten THE SPARTANICS aus Leipzig und SMALL TOWN RIOT auftreten und wir – inklusive Christian – in neuer Besetzung für zumindest drei Songs erstmals auf der Bühne stehen. Es gab Freigetränke und ein von Sandys und Christians Eltern zubereitetes kaltes Buffet, Luftballons, lustige Fotos Christians, die überall ausgehängt wurden, und eine von unserem ehemaligen Bassisten Keith zusammengestellte, ultralange Playlist (in Ermangelung eines DJs, der ursprünglich auch vorgesehen war). Ein Riesenaufwand für Sandy & Co., der es aber tatsächlich gelang, bis zum Schluss alles geheimzuhalten und sogar Christians Klampfe samt Effektpedalen heimlich ins Indra zu schmuggeln. Erst als er unter einem Vorwand gegen 20:30 Uhr mit sanftem Druck ins Indra geschubst wurde, realisierte er langsam, dass dort eine Party zu seinen Ehren stattfand. Und dass er gleich mit auf die Bühne musste…

Nach mehreren Besetzungswechseln sind wir mit BOLANOW BRAWL nun endlich wieder livefähig. Unser Kurzauftritt wurde die Livepremiere unseres neuen Bassers Urko und unseres noch neueren Leadgitarristen Jogi, wenn auch in geschlossener Gesellschaft. Obwohl sich Christian nicht hatte am Soundcheck beteiligen können, ist es Tonchef Andy gelungen, uns einen amtlichen Sound zurechtzuregeln, und so erklangen nach einer Ewigkeit mal wieder „Tattooed Like Me“, „Two Day Session“ und „Red Lips“ von der Bühne, jeweils eingeleitet von Anekdoten Christians zur Entstehung der Songs. Irgendjemand, dem unsere Antlitze offenbar missfielen, bekam jedoch Zugriff auf die Nebelmaschine und nebelte uns derart ein, dass ich aufpassen musste, wo ich hintrat. Keith, der die Texte zu den beiden letztgenannten Nummern verfasst hatte, sang den Schlusschor bei „Red Lips“ mit, die versammelte Geburtstagsmeute jubelte und applaudierte und Urko + Jogi bewährten sich während ihrer Feuertaufe beanstandungslos. Mit Ole, Keith und Stulle waren alle ehemaligen Bandmitglieder im Publikum. Wat willste mehr? Hat viel Spaß gemacht, wir sind wieder angefixt!

Als nach nur kurzer Umbaupause die Streetpunk’n’Roller SMALL TOWN RIOT die Bühne betraten, musste Andy als zweiter Gitarrist der Band selbst ran, weshalb Bommy von den STUMBLING BOI!S das Mischpult übernahm. SMALL TOWN RIOT, eine alte Lieblingsband Christians (und meiner Wenigkeit), macht sich schon lange rar und spielt nur noch alle Jubeljahre mal zu ausgewählten Anlässen, ohne neue Songs zu komponieren oder gar Platten herauszubringen. Einer der Gründe sind familiäre Verpflichtungen der Bandmitglieder, weshalb bereits die Zeit für gemeinsame Proben schwierig zu finden ist – so auch im Vorfeld dieses Auftritts. Umso schöner, dass es trotzdem geklappt hat! Noch am selben Tag wurde gemeinsam ‘ne Handvoll Songs geprobt, anschließend ging’s ins Indra. Elf Songs gab man zum Besten, darunter unwiderstehliche Ohrwürmer wie der Opener „Addicted to Authority“, „Working Class Family“ und „Cheers & Goodbye“, Nachdenkliches wie „Living Hell“ und „Cemetery Hall“, Romantisches wie die „Love Song Trilogy“ oder „It’s True“ und Partykracher wie „Suicidal Lifestyle“ und „Timmy“. Trotz Fluppe im Mundwinkel und Bierkanne am Hals ist Leadsänger Norman nach wie vor bestens bei Stimme, gerade auch in den höheren Registern, und die Melodien sitzen wie ‘ne Eins. Lehmann trommelt sich lässig durchs Set, Timo ist als zweiter Sänger für die rauere Stimmlage zuständig und zockt den Bass dazu, während Andy per zweiter Klampfe für einen schön satten Sound sorgt und sich an den melodischen Backgroundchören beteiligt. Bis auf den Umstand, dass die „Jungs“ (von Andy abgesehen) etwas älter als in ihrer Blütezeit aussahen und Norman sein Haupthaar wallen ließ, statt es streng zurückzukämmen, war es überwiegend so, wie man die Band in Erinnerung hatte – verlernt wurde da jedenfalls nix und wenn hier und da mal ein bisschen Routine flötengeht, macht’s das nur charmanter. Für ‘ne Zugabe fehlte dann aber doch die Kondition. Macht nichts, soll ja nicht in Arbeit ausarten!

Apropos Puste: Bei einem der Luftballons handelte es sich um ein überlebensgroßes Bierglas, das sich stets aufrechthielt und dazu neigte, ein Stück über dem Fußboden zu schweben. Das Teil bot einen echten Mehrwert an Spaß, eignete es sich doch als Tanzpartner ebenso wie für alberne Fotos und landete immer wieder auf der Bühne, wo es sich zwischen der Band gemütlich machte. Konzerte ab sofort bitte nie mehr ohne!

Die Streetpunks SPARTANICS hatten leider krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen, zwei Drittel des Trios reisten als minimalistisch auftretende COCKHEADS trotzdem an. Jene Zweitband der beiden kannte ich bis dato gar nicht, wodurch mir astreiner deutschsprachiger, schnörkelloser ’77-Punk mit Anleihen bei den SHOCKS und Konsorten entgangen war. Die oft hektischen, kurzen Songs kamen ohne Bass aus, dafür perfekt auf den Punkt, gingen gut ins Bein und waren ein erstklassiger Abschluss des Liveprogramms, der noch mal richtig Laune machte. Wer auf einen solchen Sound steht, sollte die unbedingt mal anchecken! Spätestens jetzt fiel auf, dass die Hamburger Trinker/Songwriter-Legende ANTOINE DE LA KACQUE, die eigentlich für wenigstens einen Song noch auf die Bühne hätte sollen, bisher sträflich vernachlässigt worden und mittlerweile gar nicht mehr zugegen war. Sorry!

Alles in allem eine unvergessliche Party, doch wer sich an alles erinnern kann, war nicht dabei… Danke an Sandy und ihre heldinnenhafte Organisation, an alle Helferinnen und Helfer, ans Indra-Team, an die Bands, an meine Liebste für die Schnappschüsse unseres Auftritts und speziell an Andy: Der gute Mann war mein Indra-Ansprechpartner im Vorfeld und kümmerte sich nicht nur um den Sound, sondern zockte zwischendurch noch ‘nen Gig, sorgte dafür, dass jedes Kabel richtig steckte, schraubte in aller Seelenruhe auf der Leiter an den P.A.-Boxen herum und behielt bei allem Trubel um ihn herum stets Überblick und Contenance.

Ey Christian, volle Punktzahl, gerne wieder!

16.11.2024, Fanräume, Hamburg: HARBOUR REBELS + KOMMANDO MARLIES + BRUTAL BESOFFEN + BULLSHIT BOY

Dieses Konzert kam für mich genau zur rechten Zeit, denn gerade nach all den schlechten politischen Nachrichten in letzter Zeit stand mir (ungeachtet der Lobusch-Sause vor zwei Wochen) schon wieder verstärkt der Sinn nach einem D.I.Y.-Punk-Konzert im überschaubaren Rahmen mit Bands, die ich kenne und mag (zumal ich ewig nicht mehr in den Fanräumen des FC St. Pauli gewesen war). Vermutlich eine Mischung aus Psychohygiene, Selbstvergewisserung und nicht zuletzt natürlich dem Spaß an der Sache.

Zuvor ging’s aber noch zur schönsten Nebensache, denn Länderspielhause hin oder her: Der Hamburger Oberligist AFC kickte gegen den ETSV und sackte einen 3:1-Heimsieg ein, während ich mir Pils und Glühwein bei mittlerweile recht kühlen Novembertemperaturen munden ließ. Immer ‘ne schöne Ablenkung von der Gesamtscheiße. Zwischen 12 und 20 Talern konnte man sich dann in den Fanräumen selbst aussuchen, wie viel man an Eintritt zahlen wollte, und BULLSHIT BOY machten den Anfang. Mit denen hatten wir vor ein paar Monaten im Indra die Bühne geteilt, damals jedoch krankheitsbedingt vom Trio zum Duo zusammengeschrumpft (BULLSHIT BOY, nicht wir). Nun also mal in vollzähliger Besetzung, und das lohnte sich! Die Tieftönerin, die im Indra nicht hatte dabei sein können, zockte klasse Bassfiguren, während die Band zunächst ohne viele Ansagen recht geradlinig durchzog – beginnend mit einem Surf-Instrumental über BLONDIEs „One Way Or Another“ und eigene mal deutsch-, mal englischsprachige Stücke, stilistisch grob Richtung klassischer Punkrock mit Garage- und Pop-Anleihen. Zwischendurch überreichte Sängerin Sabine dem Konzertorganisator Micha ein Geburtstagsgeschenk, denn er wurde just an diesem Tag ein Jahr älter. Doch Sabine wurde auch selbst beschenkt: Nach dem Lied über den eklatanten Mandelhörnchenmangel auf Helgoland bekam sie ein solches Süßgebäck gereicht. Die noch junge, aber mit erfahrenen Mitgliedern von EMILS und GOTTKAISER besetzte Band hatte die Bühne bewusst kitschig mit Flamingos, aber auch bunten Aufblasbällen dekoriert, wobei letztere während des Gigs munter durch die Gegend gekickt wurden und mitunter auf den Instrumenten landeten. „Bodies“ (SEX PISTOLS) und „Identity“ (X-RAY SPEX) gab’s als Zugaben, wobei „Identity“ auch ohne Saxophon überraschend gut funktionierte. Bereits zuvor spielte man mit „Erschießen“ ein IDEAL-Cover. Machte Laune, zumal insbesondere Sabine die Spielfreude anzusehen war und sie in der zweiten Hälfte des Sets zunehmend mit dem Publikum kommunizierte. Schade nur, dass ihr Gesang fast den gesamten Gig über zu leise war, um etwas mehr von den Texten zu verstehen.

Die zweite Band mit B-Alliteration folgte auf dem Fuße: BRUTAL BESOFFEN aus Berlin ließen ein Intro vom Band abspielen, eine Art Hörspiel mit konkretem Bezug auf diesen Konzertabend, und sprudelten anschließend vor Energie regelrecht über. Der Bandname ist augenzwinkernd zu verstehen, denn ihr Sound hat nichts mit Uffta-Stumpfpunk zu tun, sondern ist eher in der Skate-/MelodiCore-Ecke zu verordnen, allerdings mit deutschen Texten. Zwischen Melodien, Geschwindigkeit und Chöre mischten sich eine aufmerken lassende, satte Leadgitarre, die mittels eines überdimensionalen Effektboards ihren Klang immer wieder changierte, superversiertes Drumming und ganz viel Gesabbel zwischen den Songs, denn die Berliner geben sich als eine Mischung aus Entertainer und Clowns, jedoch offenbar ohne, dass es sich um reinen Funpunk handeln würde. Mir war’s etwas zu viel des Schabernacks, aber vor der Bühne war nun bisschen was los. Die Band dankte es, indem sie FaKo (Fanta-Korn, auch bekannt als KGB: Korn/Gelbe Brause) ausschenkte. Der Sänger/Bassist wiederum hatte ‘nen Cognac-Schwenker (oder so) dabei, aus dem er Weißwein (oder so) nippte. Der zweite Gitarrist sprang schon mal ins Publikum und tanzte mit. Eine Ansage gab’s auf Bayrisch, einen ganzen Song wiederum fürs Geburtstagskind, nämlich ‘ne Ska-Punk-Nummer, in die sein Name integriert wurde, und als letzte Nummer wurde das Raining-Blood-Intro von SLAYER gecovert. Nicht 100%ig meins, aber in jedem Falle unterhaltsam!

KOMMANDO MARLIES um Rheinland-/Ruhrpott-Band-Tausendsassa Uwe Umbruch hatten mir seinerzeit im Menschenzoo mit ihrem deutschsprachigen Melodic-Punkrock sehr zugesagt; umso enttäuschter war ich, als sich die Band recht bald schon wieder aufgelöst hatte. Entsprechend groß war meine Freude, als sie in runderneuerter Besetzung und um eine Orgel erweitert wieder zurückkam! Vor ein paar Tagen ist ‘ne neue EP erschienen, die ich zusammen mit dem Album gleich mal eingesackt habe. Während des Soundchecks gab’s ‘nen kleinen Jägermeister-Umtrunk mit Micha und ein Geburtstagsständchen. Ein kurzes Intro aus der Konserve eröffnete den eigentlichen Gig, der mit „Mädchen aus Greifswald“ und „Tommy“ meine Lieblingsstücke ebenso enthielt wie Songs der neuen EP und bekannte Stücke wie „Eskalation ja klar“, das eingedeutschte RUTS-Cover „Computer sagt nein“, „Außer Kontrolle“, „Ein bisschen Liebe“ usw. Die Orgel steuerte ‘ne schöne weitere Klangfarbe bei, lediglich die Monitore zickten rum und behinderten anfänglich den Spielfluss etwas. Nachdem Uwe kurz die Bühne verlassen hatte, um seinen Kapodaster zu suchen (den er in der Hosentasche hatte…), spielte man mit „D-Beat Boys Don’t Cry“ sogar einen noch unveröffentlichten Song, der die berühmte THE-CURE-Melodie aufgriff. Ein wunderbarer Gig, bei dem ich gern noch ‘ne Zugabe mitgenommen hätte.

Die Lokalhelden HARBOUR REBELS verheißen live immer eine gute Party, denn da folgt ein eingängiger Singalong auf den nächsten – so natürlich auch an diesem Abend. Drummer Chris spielt dazu ‘nen astreinen Pogobeat, der sofort ins Bein geht, und der (zumindest in den vorderen Reihen) schlagzeuglastige Sound an diesem Abend trug sein Übriges dazu bei. Über die Band hab‘ ich ja nun schon öfter geschrieben, deshalb ohne jetzt in epische Ausmaße zu verfallen: Gewohnt tolle Show, bei der Sängerin Jule im Mittelpunkt steht (und dann und wann die Orgel bedient – schon die zweite beorgelte Band an diesem Abend). Deutschsprachige Stücke geben sich mit englischen die Klinke in die Hand, das Fundament ist weitestgehend schnörkelloser Oi!-Punk mit klar antifaschistischer Attitüde. Und während ich so vor mich hin tanzte und das drölfte Bierchen kippte, vergaß ich doch glatt, ein paar Fotos zu schießen. Sorry!

Obwohl mal wieder ‘ne Menge gleichzeitig los war – etliche besuchten beispielsweise lieber das FAHNENFLUCHT-Konzert im Monkeys und aus meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis war tatsächlich niemand da –, waren die Fanräume gut besucht und gab’s nicht viel zu meckern. Sogar ein Budget-Pils für lediglich 2,- EUR hielt das Tresenteam, das schwer auf Zack war, im Kühlschrank vor. Und mit dem unmittelbar vor den Türen stattfindenden Dom (Hamburger Kirmes der eigentlich nervigen Sorte) hatte man auch ‘ne imposante Lightshow in den Frischluftpausen… Danke ans Veranstaltungsteam und die Bands für diesen gelungenen Abend!

01.11.2024, Lobusch, Hamburg: Holler’s Birthday Bash mit PEST HOLE + Y HUMAN Y + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Unser Bassist Holler feierte in seinen 21. (oder so) Geburtstag rein und hatte dafür die Lobusch gekapert, wo neben uns zwei weitere Bands auf seine persönliche Einladung hin auftraten. Es handelte sich um eine öffentliche Veranstaltung bei freiem Eintritt (wobei in paar Märker in den Spendentopf gern gesehen wurden), für Bands und Freunde standen jede Menge Freigetränke bereit. Geil!

Um Bühne und Sound kümmerte sich unser Drummer Eisenkarl, nach einem ersten groben Soundcheck bekam jede Band einen Linecheck. Als Teil seines Geschenks erhielt Holler von uns eine Drei-Liter-Buddel blau eingefärbten Oldesloer Korn, die er während unseres Gigs von der Bühne aus an ebenso durstige wie furchtlose Kehlen ausschenkte. Es dürfte kurz vor halb neun gewesen sein, als wir vor ansehnlicher Kulisse quasi ein Heimspiel absolvierten, den Mob in mehreren Trinkpausen mit diesem seltsamen blauen Gesöff abfüllten und schließlich zum Tanzen brachten. Der Sound war – wie, um das vorwegzunehmen, bei allen drei Bands – bombig (danke an Henning, der während unseres Gigs die Knöpfchen drehte!), mit „Blutiger Schnee“ hatten wir passend zum bevorstehenden Winter die Livepremiere eines neuen Stücks dabei und bis auf ein, zwei Verhacker lief alles glatt. Da er sowieso anwesend war, sang Snorre „ACAB“ seiner und Hollers ehemaliger Band PROJEKT PULVERTOASTMANN gemeinsam mit uns. Anschließend konnten wir geschafft und durchgeschwitzt zum für uns gemütlichen Teil des Abends übergehen, uns trinkenderweise gehenlassen und den beiden nächsten Bands lauschen (ok, außer Kalle, der weiterhin die Bühnentechnik betreute).

Y HUMAN Y ist Snorres aktuelle Combo; u.a. ebenfalls dabei ist Klampfer Tobi, den ich bei den leider aufgelösten ASIMATRIX zu schätzen gelernt hatte. Freute mich sehr, die beiden wieder auf einer Bühne zu sehen, zumal man sich musikalisch in Sachen Hardcore-Punk treu blieb. Snorre legt sein brachiales Organ über gern geknüppelte, aber auch mal bewusst das Tempo herausnehmende und dadurch nicht nur abwechslungsreich, sondern auch atmosphärisch klingende Songs, in denen sich kräftig ausgekotzt wird. Den Song „ERF“ hat man von PROJEKT PULVERTOASTMANN übernommen – eine hervorragende Wahl, der war auch schon bei uns als Coverversion im Gespräch. Hierbei erwiesen sich die Gäste als textsicher, sie skandierten den Refrain mit gereckten Fäusten vor der Bühne. Nachdenklicher wurd’s bei der Zugabe, einem Songs für diejenigen, die nicht mehr unter uns weilen. Bis auf Anlaufschwierigkeiten bei dieser Nummer wies nichts darauf hin, dass die Band noch ganz frisch ist und erst wenige Gigs auf dem Buckel hat. Die Songtexte sind deutschsprachig, mit einer auf Orkisch (ähm, ok!?)  gesungenen Ausnahme. Ich hoffe, bald mehr von Y HUMAN Y zu hören, sei es im Netz, auf Platte oder auf der Bühne!

Mit den Bradenburgern PEST HOLE hatten wir im März in Stendal zusammengespielt, Holler kannte sie ferner u.a. von gemeinsamen Gigs mit den THRASHING PUMPGUNS. Das Trio aus Finsterwalde blies seine Mischung aus Death-/Black-Thrash und Crust-Punk ins Auditorium, machte mit dem düsterheiseren, halligen und angriffslustigen Gebelle des Gitarristen und Shouters in Personalunion keine Gefangenen und profitierte (für meine geschundenen Ohren) stärker als in Stendal vom geilen Sound der kompakten Lobusch, der die meist flotten Nummern kräftig ballern ließ. Den (wenn ich mich nicht verhört habe) Song „Hot Love“ widmeten sie Holler und besiegelten den musikalischen Teil des Abends herrlich evil und arschtretend.

War ‘ne astreine Party – böse Zungen behaupten, Holler sei gleich um mehrere Jahre gealtert! Danke an die Lobusch für Obdach, Bühne, Anlage und Tresen, an Holler für Idee, Organisation und Freibier, an PEST HOLE und Y HUMAN Y für fantastische Gigs, danke allen Helferinnen und Helfern sowie allen, die kräftig mitgefeiert haben – und nicht zuletzt Jana für die Schnappschüsse unseres Gigs!

02.10.2024, Große Freiheit 36, Hamburg: CANNIBAL CORPSE + MUNICIPAL WASTE + IMMOLATION + SCHIZOPHRENIA

Dieses Vierer-Paket befindet sich auf Tour, zum Halt auf dem Hamburger Kiez bekam ich von meinen DMF-Bandkollegen eine Karte zum Geburtstag geschenkt – besten Dank, Jungs! Anderenfalls wäre ich aber auch nie auf die Idee gekommen, hinzugehen. CANNIBAL CORPSE als Headliner interessieren mich nicht zwingend und den Laden meide ich normalerweise, war seit Äonen nicht mehr da. Da der Einlass bereits für 16:30 Uhr terminiert war und es pünktlich um 17:15 Uhr losging, musste ich auf Arbeit viehisch ranklotzen und Cheffe bitten, mich ‘ne Stunde früher gehen zu lassen. Trotzdem waren die belgischen Death-Thrasher SCHIZOPHRENIA, deren „Voices“-Mini-LP es mir besonders angetan hat, die ersten Songs lang lediglich Soundtrack zum Einlass und zur Plünnenabgabe an der Garderobe.

Anschließend erst mal ‘n Bierchen (Becks vom Fass, halber Liter für satte 6 Öcken!) geholt und zu aklimatisieren versucht. Die junge Band war bestens in Form und hatte sichtlich Freude, den ausverkauften Bums eröffnen zu dürfen. Vor der Bühne wütete bereits ein veritabler Pit und am Ende gab’s noch das MORBID-ANGEL-Cover „Maze of Torment“ auf die Löffel. Geile Livecombo, würde ich mir gern noch mal in ‘nem kleinen Club geben.

Die alten US-Death-Metal-Recken IMMOLATION zockten im Anschluss auf Atmosphäre getrimmte Düsterheimer-Songs, die leider null bei mir zündeten. Bin ja ohnehin eher ein Death-Metal-Muffel und kann mit einem Sound wie dem vom Quartett dargebotenen nichts anfangen. Musste ich halt über mich ergehen lassen, denn in der Großen Freiheit 36 gibt’s keinen Stempel und nix, einmal drin kommst du nicht wieder raus (es sei denn, du bist Snake Plissken…). Stimmt natürlich nicht: Raus schon, nur eben nicht wieder rein. Miese Falle, von wegen „große Freiheit“. Dafür traf ich auf immer mehr bekannte Gesichter, subventionierte die ganze Chose durch Erwerb überteuerter Bremer Industriepilsetten und schaute dem glatzköpfigen der beiden Gitarristen bei seinen ulkigen stakkatohaften Bewegungen zu.

Viel besser kann ich auf MUNICIPAL WASTE und ihren Thrash-/Hardcore-Crossover-Sound, wenn ich auch die letzten Alben nicht mehr brauche und mein letztes WASTE-Konzert satte fünf Jahr zurücklag. Letzteres war natürlich ein Spitzenargument, heute Abend hier zu sein, und ich hatte Bock. Vor der Bühne ein großer Circle Pit, quasi unablässig am Rotieren, ab und an ging’s auch etwas rüder zu. Die Bühnengröße im Zusammenhang mit dieser Musik irritierte mich aber etwas, viel mehr jedoch die Lautstärke: Erstmals fiel mir auf, wie leise der P.A.-Sound hier war. Das muss doch aber drücken im Gesicht! Die US-Amerikaner durften im Gegenzug zu den vorausgegangenen beiden Bands Zugaben spielen, Bühnenpräsenz und Performance waren einwandfrei. An meinen ersten WASTE-Gig seinerzeit im Hafenklang kam das Ding hier aber allein schon atmosphärisch in keiner Weise ran. Das Publikum hatte der Auftritt extrem durstig gemacht, sodass man ab jetzt mitunter arschlange fürs Bier anstehen musste und es zunehmend drängelig an den Theken wurde.

Das hielt mich aber nicht ab, denn ich musste mir ja noch CANNIBAL CORPSE schönsaufen. Der einstige Bürgerschreck, seit dem Auftritt mit Jim Carrey in „Ace Ventura“ rehabili- und als legitime, letztlich harmlose Unterhaltungsform weithin akzeptiert, zählt bis auf einzelne, für meine tauben Ohren herausragenden Songs gewiss nicht zu meinen Lieblingsbands. Seit ich mich auf dem Rock-Hard-Festival aber mal vor der Bühne positionierte, um mich von der ultralauten und brutalen CORPSE-Show durchdringen zu lassen, habe ich eine gewisse Freude daran entwickelt, mich von diesem Sound in einen Trance-ähnlichen Zustand versetzen zu lassen und mich daran zu erfreuen, wie bei etwas, das für mich so viel musikalische Abwechslung birgt wie ein Modern-Talking-Album, dabei aber ungleich uneingängiger daherkommt, Musiker und Growler ganz genau wissen, wann was wo zu sitzen hat und perfekt aufeinander eingegroovt scheinen. Respekt! Auch dafür, konsequent über einen mittlerweile derart langen Zeitraum konsequent seinen Stiefel durchzuziehen. Klang ein Riff mal etwas bis deutlich thrashiger und verließ Frontmann Corpsegrinder mal kurz den Krümelmonstermodus, lief mir das alles auch gleich viel besser rein, und wenn nicht, blieb eben technisches Gehacke, dem beizuwohnen auf eigentümliche Weise Laune macht, während Corpsegrinder per Propeller-Banging für erhöhte Luftzirkulation sorgt.

Kurz vor zehn war dann tatsächlich Feierabend und ich mittlerweile so berauscht, dass ich es für eine gute Idee hielt, noch auf dem Geburtstag eines Kumpels vorbeizuschauen, dem ich im Vorfeld vorsorglich abgesagt hatte. Konsequenz: Zwei Tage Kater. Nochmals danke an meine Bandkollegen! 😀 In die Große Freiheit muss ich aber so schnell echt nicht wieder.

17.09.2024, Kir, Hamburg: PIZZA DEATH + FATAL COLLAPSE

Thrash-Bands, die Humor beweisen und sich einen Spaß daraus machen, statt ausschließlich über Missstände oder Evilness und den Gehörten zu texten auch mal über Profanes zu salbadern, werden von Teilen der Metal-Szene seit einiger Zeit abschätzig als „Pizza-Thrash“ bezeichnet. Die Australier PIZZA DEATH kümmert das wenig, im Gegenteil: Die haben bereits zwei Konzeptalben veröffentlicht, auf denen es um „pizza, death, and death by pizza“ geht. Damit verfolgen sie jenen Thrash/Hardcore-Crossover-Ansatz, den Mitte der 1980er S.O.D. erstmals sowohl musikalisch als auch mit ihrem schwarzen Asi-Humor in die Szene trugen. Ähnlich wie beim Fun-Punk kann ich die Kritik grundsätzlich nachvollziehen, denn eigentlich sollte es genug ernste Themen geben, die prädestiniert wären, mit dieser musikalischen Härte beackert zu werden. Andererseits mag ich S.O.D. und stehe sowohl auf diesen Sound als auch auf Asi-Humor. Da bot es sich an, zwecks Meinungsbildung das Konzert eben jener Australier aufzusuchen, die sich gerade auf Europatour befinden.

Von diesem erfuhr ich sehr kurzfristig erst durch meinen Kumpel Christian, der wiederum von einem seiner Kumpel darauf aufmerksam gemacht wurde. Dies wiederum dürfte daran liegen, dass es im Kir stattfand – eigentlich ein Gothic-Laden, der nur alle Schaltjahre mal ein Metal-Konzert veranstaltet. Ehrlich gesagt hatte ich auch die Band überhaupt nicht auf dem Schirm, offenbar fand sie bisher weder im Rock Hard noch im Deaf Forever oder einem von mir gelesenen Fanzine statt. Wie auch immer, in der Konstellation Christian, sein Kumpel und meine Wenigkeit suchten wir das Kir auf, nachdem ich mir stilecht vorher beim Italiener noch ‘ne Pizza besorgt und verspeist hatte. Das Kir ist klein und dunkel, also wie gemacht für ein dummerweise unter der Woche stattfindendes Underground-Konzert. Es gibt „Bergedorfer“-Pils vom Fass (wusste gar nicht, dass Bergedorf sein eigenes Bier hat), das stark süßlich Richtung Malzbier schmeckt und mit satten 4,- EUR für 0,33 l zu Buche schlägt. Doof wie wir sind, tranken wir trotzdem Runde um Runde…

Die lokalen D.I.Y.-Thrash-Newcomer FATAL COLLAPSE, die sich Gitarrist Buddy mit den THRASHING PUMPGUNS teilen und bisher eine EP und ein Album auf dem Kerbholz haben, eröffneten den Abend – sicherlich nicht zuletzt deshalb, weil Shouter Niklas PIZZA DEATH für diesen Gig nach Hamburg geholt hatte. Bei gutem Sound zockte das Quartett seinen rauen Thrash vor noch etwas verhaltenem, aber interessiertem Publikum, der mir umso besser in die Löffel ging, je mehr die Riffs um oldschool-thrashige höhere Töne angereichert und von der Rhythmussektion aufs Gas gedrückt wurde. Niklas röhrte mit seiner tiefen, heiseren Stimme drüber und übernahm zusammen mit dem Basser die Kommunikation mit den Anwesenden. Als geforderte Zugabe gab’s ein brandneues, noch unveröffentlichtes Stück, das ziemlich geil klang. Höre ich mir auf Bandcamp noch mal in Ruhe an und versuche ich, im Auge zu behalten.

PIZZA DEATH, ebenfalls in Viererbesetzung, war dann der erwartete und erhoffte Abriss. Der Shouter in Pizza-Design-Shorts und MEGADETH-Persiflagen-Shirt, Gitarrist und Drummer kurioserweise barfuß (zumindest der sichtbare Nicht-Fußmaschinen-Fuß) und musikalisch zumeist die grobe, direkt auf die Zwölf zielende Kelle in Form kurzer, schnell auf den Punkt kommender Songs. Die bewegungsfreudigen Australier verließen gern mal die Bühne und durchpflügten das Publikum, das wiederum eine Wall of Death aus Ananas-auf-Pizza-Befürwortern auf der einen und -Gegnern auf der anderen Seite bilden sollte. Eine echte Ananas wurde anschließend wütend zerstört und fand sich fortan als Obstmatsch vor der Bühne wieder. Ein anderes Mal kam ich gerade vom Pissoir, als offenbar eine Besucherin in ein albernes Kostüm gesteckt und mit Alufolie umwickelt worden war. Die Band persifliert typische Thrash-Themen, indem sie sie in einen kulinarischen Kontext überträgt, weiß aber auch von manch an B- und Trash-Movies erinnernder „true story“ zu berichten, die in den Ansagen kolportiert und anschließend musikalisch verarbeitet wird: Von die Familie des Bassisten wegschmelzen dämonischen Pizzastücken (oder so) über in Pizzateig verarbeitete und anschließend verzehrte Menschenasche bis hin zum Deibel, den man an der Strippe hat, wenn sich bei der Pizzabestellung verwählt. Wenn mich meine Bergedorfer-verklebte Erinnerung nicht trügt, wurde letztgenannte Nummer, „13 11 666 (Satan’s Slice)“, als Zugabe gespielt. PIZZA DEATH waren das musikalische Äquivalent zu einer extrascharfen und mit dicker Käsekruste überbackenen Terrorpizza, von der man weiß, dass sie einem nicht guttun wird, der man aber nur schwer widerstehen kann, weil der ‘80er-Horrorfilmabend ohne sie nur halb so schön wäre. Deftigste Zutat: der Drummer, der manch Blastbeat ohne Weiteres locker aus dem Handgelenkt schüttelte.

Das Konzert war früh genug vorbei, um noch rechtzeitig in die Koje zu kommen. Und um auf die eingangs erwähnte Debatte zurückzukommen: Ich wurde überzeugt – Pizza Thrash rules ok!

28.08.2024, Freilichtbühne, Prerow: HORST EVERS – So gesehen natürlich lustig (Vorpremiere)

Horst Evers, im Jahre 1967 gebürtiger Niedersachse und später Wahlberliner, war mir bisher kein Begriff. Dies änderte sich während meines Prerow-Urlaubs, denn im Rahmen des mehrwöchigen „Cartoonair“-Festivals benutzte er die Urlaubenden, um sein neues Kabarettprogramm auf der Freilichtbühne an ihnen auszuprobieren. Jenen wunderschönen Veranstaltungsort zwischen Strand und Wald kannte ich bereits, wohnte ich dort doch einst Martin Sonneborns EU-Politik-bezogenem Satireprogramm bei (über das etwas zu schreiben ich leider versäumte).

Evers ist ein alter Hase, der eine Vielzahl Bücher und Tonträger veröffentlicht hat und offenbar regelmäßig mit verschiedenen Programmen durch die Republik tingelt. Sein zahlreich erschienenes, die Freilichtbühne jedoch nicht bis zum letzten Sitzplatz füllendes Publikum wies er zu Beginn auf den spezielles Charakter einer Vorpremiere hin und ging alsbald in medias res, indem er – auf die groteske Demonstration in Hamburg vor einigen Monaten referenzierend – erläuterte, unter welchen Umständen das Kalifat tatsächlich eine Lösung sein könnte, mittels einer herrlich verwobenen Geschichte mit überraschender Pointe für das eigentlich wenig lustige Problem zu weniger Psychotherapieplätze in Deutschland sensibilisierte, die Frage aufwarf, wann zur Hölle man denn eigentlich Alkohol trinken dürfe, aus einer Konversation im Omnibus um ehemalige Liebespartnerinnen und -partner mit gleichen Namen zitierte und wissen ließ, weshalb er sich mitunter als Ex-Bundesliga-Kicker Grasnarbe-Schulz ausgebe.

Zwischen diesen und weiteren in launige, anekdotenhafte Geschichten verpackten (mitunter vermeintlich) harmlosen Alltagsbeobachtungen, in denen sich manch Gast lachend wiedererkannte, gönnte er einem ungefähr eine Viertelstunde Pause für Klogänge und zum Bierholen, die Nettospielzeit dürfte um die zwei Stunden betragen haben. Den Großteil las der nach etwas Stand-Up am belampten Tisch sitzende Evers von Zetteln ab, erwies sich mit Aussprache, Betonung, Pausen und nicht zuletzt Mimik und Gestik aber als begnadeter Vorleser. Das Anakoluth, also Sätze nicht zu Ende bringen, setzt er als wohldosiertes rhetorisches Stilmittel an, womit er hin und wieder ein wenig an Piet Klocke erinnert, und wird er übertrieben förmlich, hat er ein bisschen was von Hans Hermann Thielke.

In erster Linie aber ist der in Evershorst geborene Horst Evers er selbst bzw. seine eigene Kunstfigur, die er mit viel Selbstironie keinesfalls aus der Persiflage ausnimmt, die am stärksten ist, je näher ihre Schwanks am wirklichen Leben sind (das bekanntlich häufig absurd genug ist), und die meiner Liebsten und mir einen sehr vergnüglichen Abend bescherte.

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