Günnis Reviews

Autor: Günni (page 89 of 104)

AGENT KRÜGER – DER FUCHS IST AUS DEM BAU CD

(www.contra-net.com) / (www.agentkrüger.de)

Noch mehr Ostpunk, diesmal aus „Leipsch“ – und was für welcher! Mitreißender Punkrock, abwechslungs- und temporeich, geht direkt ins Bein, und über allem liegt Lode Krügers genialer wütender, leicht psychopathischer Brüllgesang! Unpeinliche, selbstironische deutsche Texte, aber auch runtergerotzte ebenso simple wie effektive Reime wie in „Gegen den Strom“, die an alte Helden wie SCHLEIMKEIM erinnern bis hin zu abgedrehtem Stoff wie „Satan“ – jeder einzelne Song zündet und macht Spaß. So muss das. Schade nur, dass nach zehn Songs in 25 Minuten schon wieder alles vorbei ist. Einige der Krügers hatten/haben übrigens schon in so Bands wie L’ATTENTAT, DER SCHWARZE KANAL oder ESKALATION ihre Finger im Spiel, wissen also, wie der Hase läuft – besonders, wenn der Fuchs aus dem Bau ist. CD mit Bonus-Live-Video. Glatte 2. Günni

DIVISION FICHTENGEBIRGE – PUNKROCKELITE / HIGH SOCIETY – SPLIT-CD

(www.contra-net.com) / (www.myspace.com/highsociety44)

Beide Bands dieser Split-Scheibe stammen aus Ostdeutschland, wobei der “DIVISION FICHTENGEBIRGE”-Part schon mal in kleiner Auflage auf Vinyl veröffentlicht wurde. Die DIVISION versorgt uns mit rudimentärem Punkrock mit sarkastischen, zynischen Texten in deutscher Sprache, immer irgendwo zwischen erfrischend anders und grenzwertig bis krank. Kommt immer dann besonders gut, wenn der Sänger einem völlig überdreht seine Klumpen hinrotzt und mich dabei z.B. an SEKRETSTAU erinnert. Auszüge gefällig? „Die dritte Welt, sie kann mich mal, ich hasse S.I.K. und DRITTE WAHL“, „Die verschissenen grünen Menschenfreunde, die Sozis mit ihrer Heuchlermeute, das ganze Pack ist kotzbeschissen, diese Friedenspisser, die alles besser wissen“, „Jeder Erste ist hier die Nachahmung des Zweiten, und im Fernsehen heulen Wölfe, die die Hammelherde leiten. Erschlag den Typ von nebenan, keiner wird ihn vermissen, er ist nur ’ne Kopie und die ist beschissen“ und zu guter Letzt aus dem Hundehasser-Song „Sex zwischen Mülltonnen“: „Denn Glasscherben und auch Reißzwecken kann man in Wurstscheiben verstecken. Im Park verstreut, welch große List – es klappt auch gut mit Rattengift“. Insgesamt neun Songs lang tobt sich die selbsternannte „Contergan-Elite“ ohne Rücksicht auf Verluste aus. Ich mit meinem Grottenhumor find’s lustig, andere werden sicherlich pikiert aufschreien.
Die HIGH SOCIETY; die mit lediglich fünf Songs vertreten ist, kann mit ihrem lahmen COTZRAIZ-Rip-Off da nicht gegen anstinken. „Stolz und frei“, „Punks & Skins“, die zu ihrem Land stehen gegen links und rechts, „Oi! Oi! Oi!“ etc… gääähn. Das kommt viel zu gewollt rüber, hat man alles schon viel besser gehört und langweilt mich eigentlich nur noch. Egal, ob man nun jemanden damit provozieren will oder das alles wortwörtlich ernst meint – mir geht’s am Arsch vorbei.
Das Booklet birgt fast alle Texte in sich, die Aufmachung geht klar. 14 Songs in 33 Minuten. Die Gewinner sind für mich die DIVISION FICHTENGEBIRGE, vergeb’ ich mal ’ne 3. Musikalisch ist da nämlich noch Steigerungspotential. Die HIGH SOCIETY muss sich mit ’ner 4- begnügen, denn das ist mir – trotz der ironischen Ansätze und der klaren Absage an braunes Pack im Song „Hitlers Erben“ – einfach zu wenig. Günni

TOTAL OI! FESTIVAL – DVD

(www.oi-punk.de) / (www.contra-net.com)

DVD mit Livemitschnitten des Total-Oi!-Festivals, das 2006 in Torgau stattfand. Jeweils ein bis vier Songs der Bands SCHUSTERJUNGS, OXO 86, UNDERDOGZ, TROOPERS (leider nur ein Song), KRAWALLBRÜDER, SCHLIMME BRÜDER, BERLINER WEISSE, GERBENOK und MAUL HALTEN in sehr guter Qualität in Bild und Ton. Übel stößt mir auf, dass man nicht nur die „Skinhead Girl“-Version der SCHUSTERJUNGS, die textlich 1:1 von STÖRKRAFT übernommen wurde, bei der Titelauswahl berücksichtigte, sondern auch gleich noch das Menü damit unterlegte. Ich bezweifle, dass so was das richtige Signal an die unpolitischen Oi!-Kids ist. Außerdem kriege ich Kopfschmerzen von der Mucke, die die KRAWALLBRÜDER fabrizieren und GERBENOK gehen mir mit ihren dämlichen Texten auf den Sack. OXO 86 sind mit vier Songs überrepräsentiert auf dieser DVD. Da hätte man besser daran getan, mehr von den TROOPERS draufzupacken. MAUL HALTEN gefallen mir glaube ich noch mit am besten von dem, was die DVD so zu bieten hat. Trifft nicht meinen Geschmack, guter Oi!-Punk ist für mich einfach was anderes. Bonusmaterial befindet sich lediglich in Form von reichlich s/w-Fotos vom Festival, also leider keine Interviews, Backstageaufnahmen oder Impressionen abseits der Live-Auftritte der einzelnen Bands. Günni

POLICE SHIT – GEGEN EUCH AUS PRINZIP CD

(www.contra-net.com) / (www.elb-power-records.com)

Oh mein Gott, neues von POLICE SHIT… das bedeutet Uffta-Oi!-Punk der groben Gangart mit derbem Grölgesang aus dem Osten der Republik. In den vor Klischees nur so triefenden Texten beweisen die Jungs in stellenweise holperigen Reimen ihr eher simples Weltbild, bei dem sich fast alles um ihr Selbstverständnis als Oi!-Punks dreht – also gegen Nazis, Kommunisten, Hippies (alles gleich im ersten Song!), „verlauste Zecken“ und natürlich die Gesellschaft. Lyrisch ist das so was von abgedroschen bis einfach nur schlecht (beispielsweise der Anti-Veganer Song – und das sag’ ich als Fleischfresser), ich kann’s echt nicht mehr hören. Mit etwas Geschick kann man so was auch halbwegs geistreich, mit ’nem gewissen Witz oder sonst wie ansprechend verpacken, POLICE SHIT können dies leider nicht. Stattdessen geht’s weiter mit ’nem folgerichtig „Oi! II“ betitelten Song, „ein Oi! auf uns, die Faust für euch“, bla bla bla… Wie kann man sich nur so sehr selbst beschränken und in seinen eigenen Klischees fest- und verfahren?! So sehr vieles davon im Prinzip auch stimmen mag, so wenig besteht Anlass, das ständig auf diese Weise wiederzukäuen. Abgemischt wurde das Ganze sehr basslastig, einige Songs kommen sehr schleppend daher, andere verfügen über paar Knüppelparts. Der eine Gitarrist schrubbt sich einen ab, während sich der andere um ein paar Melodien bemüht, die die Songs eingängig und verdaulich machen sollen, was mal mehr, mal weniger gelingt. Letztendlich retten aber auch Klavierintros und ein Song wie „Polizist“, der tatsächlich mal ansatzweise über so was wie Witz und Einfallsreichtum verfügt, die Platte nicht mehr aus dem deutschen Klischee-Oi!-Sumpf. Die Texte kann man im reichlich bebilderten Booklet nachlesen, elf Songs in 41 Minuten. 4-. Günni

VERLORENE JUNGS – …FÜR EIN STÜCK LEBEN CD

(www.sunnybastards.de) / (www.verlorenejungs.de)

Ein neues VERLORENE-JUNGS-Album ist immer etwas Besonderes. Daher habe ich beschlossen, die Veröffentlichung des sechsten Longplayers der Band aus dem Ruhrpott durch dieses Special zu würdigen.

Seit Erscheinen des ersten Albums „Einer von uns“ im Jahre 1997 hat sich die Band stetig weiterentwickelt. War „Einer von uns“ noch ein klassisches Oi!-Album mit starkem Skinhead-Bezug, verließ man mehr und mehr den eng gesteckten Oi!-Rahmen, sowohl in musikalischer als auch in textlicher Hinsicht, was sich vor allem in zunehmend persönlichen, nachdenklichen Texten äußerte und sich schließlich in der Verstärkung durch den zweiten Gitarristen „Schwefel“ manifestierte, der ab dem vierten Album „Ungeliebt“ aus dem Jahr 2003 die Band in eine neue musikalische Richtung hin zu mehr Experimentierfreudigkeit steuerte und neue Einflüsse einbrachte. Diese „natürliche“, also nicht fremdgesteuerte oder aus kommerziellen Gründen heraus entstandene Weiterentwicklung zu beobachten, hat mir immer großen Spaß gemacht, ebenso die Reaktionen auf selbige. Während sich einige Oi!-Punk-Puristen von der Band abwandten, mussten andere eingestehen, positiv überrascht worden zu sein und festgefahrene Denkstrukturen überdenken – sofern sie dazu fähig waren. Natürlich gab und gibt es immer selbsternannte Szenepäpste, die lieber tot umfallen würden, als zuzugeben, sich geirrt oder dazugelernt zu haben – aber ganz ohne wär’s ja auch irgendwie langweilig, oder? So erspielte man sich im Laufe der Zeit ein breiter gefächertes Publikum als zu Anfangstagen und entwuchs der „Oi!-Punk“-Schublade nach und nach, ohne seine Markenzeichen abzulegen: Authentizität, lyrisches Geschick, kompromisslose Texte, Pathos und Peters markanter Gesang.

Ich verfolge die Veröffentlichungen der VERLORENEN JUNGS bereits seit der ersten Platte und hatte nie das Gefühl, dass die Band sich oder ihre Ideale verraten hätte, faule Kompromisse eingegangen wäre oder sich von ihrem Publikum entfernt hätte – ganz im Gegenteil. Die aus dem Leben gegriffenen Texte von Sänger Peter wirken noch genauso ehrlich und authentisch wie auf dem ersten Album, die Entwicklung verlief glaubwürdig und nachvollziehbar. Die Position, die die VERLORENEN JUNGS heute in der deutschen Underground-Musikszene einnehmen, haben sie sich hart erkämpft und erarbeitet, ohne sich jemals untreu geworden zu sein. Darüber legt auch das neue Album „…für ein Stück Leben“ Zeugnis ab, das ich nachstehend Song für Song sezieren werde. Hierbei ließ ich meine eigenen Interpretationen der Songs einfließen, die natürlich keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben:

(ICH WEISS NICH’) WOHIN
Das Album wird eröffnet mit einem nachdenklichen Song über die verzweifelte Suche nach einer besseren Welt, die es nicht zu geben scheint und stellt quasi den Ausgangspunkt für alle weiteren Songs dar, die von persönlichen Erfahrungen im Hier und Jetzt und die entsprechenden Reaktionen auf sie handeln. Peters Gesang wirkt wütend und verletzlich, fast, aber eben nur fast resignierend; Metaphoriken wie „eine handvoll Menschenrechte hängen wie gebrochene Flügel“ unterstreichen die getragene Stimmung. Die musikalische Umsetzung erfolgt durch eine clean gespielte Gitarre in den Strophen, die passend zum Aufschrei im Refrain verzerrt wird. Sehr guter Opener.

AUSEINANDERGELEBT
Zweiminütiger, wütender Kracher über eine sich in einer Sackgasse befindende Beziehung, der so auch gut zu den ersten beiden Songs auf der Split mit SOKO DURST („Schluss und aus“ und „Das letzte Mal“) gepasst hätte. Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat und sich emotional verschließt („…und die scheiß Arroganz nur vermeintlich überlegen“), wartet man nur noch darauf, dass einer von beiden die Notbremse zieht und einen Schlussstrich zieht. Rockige Riffs unterstreichen den fatalistischen Charakter. Großartiger, desillusionierender Song.

DIE LIEBE DEINER KINDER
Zynisch-fiese Abrechnung mit Leuten, die bei aller vermeintlicher Überlegenheit vergessen, dass sie so unangreifbar letztlich doch nicht sind – z.B. dann nicht, wenn was sie am meisten lieben sich mehr zum Kontrahenten hingezogen fühlt. Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich eben nur schwer kontrollieren. „Kann schon sein, es klingt für dich dreckig und gemein“ – ebenso wie dieser Song.

OHNE MICH
Einer meiner Favoriten dieses Albums. Ein Song über die Zwänge dieses Lebens, dieses Systems, das einen zu vereinnahmen und zu einem Teil seiner Selbst zu machen versucht. Genial gelöst ist der stattfindende Dialog zwischen der großartigen Bridge, in der Peters Stimme verzerrt auf ihn einredet, bis er im Refrain die einzig richtige Antwort gibt: „Ohne mich!“ Im ersten Teil des Songs wurden bei mir Erinnerungen an den einen oder anderen gesellschaftskritischen ONKELZ-Song wach, im zweiten Teil an textliche fitte deutsche Punkbands. Musikalisch wie gesanglich hervorragend umgesetzt.

FREUNDSCHAFT IST
Wunderschöne Hymne an die Freundschaft. Sentimentale Strophen und ein Refrain, der zum Mitsingen aus voller Kehle einlädt.

UNZERSTÖRBAR
Es gibt Phasen im Leben, in denen man trotz aller Rückschläge und negativer Erfahrungen nicht unterzukriegen ist, stattdessen sogar seine Kraft und Energie aus ihnen zieht. Hat man einen Partner gefunden, dem es ähnlich geht, gibt das dem Selbstbewusstsein einen zusätzlichen Kick und die Kraft des Einzelnen wird um ein vielfaches potenziert. Straighte Punkrocknummer.

GEH LOS
Durch die Texte der VERLORENEN JUNGS zieht sich ein gewisser Fatalismus, ein Aufruf zu konsequentem Handeln, zum Hören auf seine Zweifel anstelle von völliger Selbstaufgabe und emotionaler Abhängigkeit, gerade im Zwischenmenschlichen Bereich. „Nimm die Beine in die Hand, lauf so schnell du kannst“, wenn es abermals heißt „er hat noch eine Chance verdient“ oder „sie denkt darüber nach, sie ist noch nicht soweit“. Dieser Song schlägt dir die rosarote Brille von der Nase.

KINDERAUGEN
Premiere! Dieses ist einer der Songs, der für am meisten Aufmerksamkeit bei den Hörern sorgen und verdammt polarisieren dürfte. Musikalisch sphärisch, mit poppigem Drumbeat und – jetzt kommt’s – klarem Gesang! Peter verzichtet hier erstmals komplett auf den Dreck in seiner Stimme und versucht, „richtig“ zu singen! Das gab’s noch nie und ist – zugegeben – gewöhnungsbedürftig. Und erst der Text: Übers Vaterglück. Einfach nur sentimental und schön, ohne Wut, Verzweiflung oder gar Zynismus. Und am Ende singt Schwefels Tochter sogar noch den Refrain. Haha, das dürfte für Manche schockierender sein als der schlimmste Punkrock-Text. Ich wusste zunächst nicht, was ich davon halten sollte, aber nach zwei, drei mal Hören übermannte mich der Charme dieses Songs einfach. Dazu beigetragen dürften vor allem der tolle Hintergrundgesang und die gelungene musikalische Umsetzung irgendwo zwischen TIGER-ARMY-Schnulze und emotionaler Indie-Ballade haben.

ICH GLAUBTE DIR
Wer in seinem Leben mal die Erfahrung machen musste, wie hässlich ein einst als so schön empfundener Mensch plötzlich wirken kann, wenn er das ihm entgegengebrachte Vertrauen missbraucht und auf deiner Seele herumgetrappelt hat, weiß, wie oberflächlich und bedeutungslos äußere Schönheit sein kann. „Ich hab’ dein wahres Ich gesehen – Jetzt bist du hässlich, wenn du lachst, hässlich, wenn du weinst ….“ Musikalisch und textlich erste Sahne – und als Sahnehäubchen griff man auf Zitat-Samples aus dem „Ungeliebt“-Album zurück.

MANCHMAL IN DER NACHT
Für dieses Stück hat Peter erneut, wie seinerzeit bei „Dein schwerster Gegner“, die Knastthematik aufgegriffen. Auch hier wieder eine clean gespielte Gitarre unter einer feinen, ergreifenden Melodie, die sehr gut die unendliche Sehnsucht nach Freiheit musikalisch untermalt. Klasse Song mit einem Wermutstropfen: Der Hintergrundgesang beim Refrain ist leider zu leise.

NICHTS VON ALLEDEM
Mein zweiter absoluter Favorit dieses Albums. Ein Song über späte Rache, lässig-abgeklärt mit sentimentalem Unterton auf einer stampfenden Melodie vorgetragen. Höhepunkt des Songs sind der Chor und der Bläsereinsatz nach dem letzten Refrain. Für mich eine Art geheimer Hit.

SO VIEL MEHR
Nicht bei jeder Trennung hat man sich so sehr „AUSEINANDERGELEBT“, dass man sich nichts mehr zu sagen hätte. Manchmal hat man noch unendlich viel auf dem Herzen, findet aber keine passende Situation oder schlicht nicht den Mut, es auszusprechen. Langsamer, gefühlvoller, ruhiger Song ohne verzerrte Gitarre oder dergleichen. Die zweite wirklich große Überraschung dieses Albums. Allerdings scheint dort nicht Peter zu singen…? Gelungen!

00:52
Kurz, pogotauglich, auf den Punkt gebracht: Kontrastprogramm zum vorherigen Song. Vier Zeilen Text reichen manchmal einfach, dann wird’s eben nonverbal. „Wenn du’s brauchst“… Auf jeden Fall brauche ich diesen Song auf diesem Album.

SCHEMA F
Es muss doch auch einen Song geben, der mir überhaupt nicht gefällt, oder? Richtig, hier ist er. Leider hat man sich anscheinend nicht dazu durchringen können, das Album mit einem der beiden vorigen Songs abzuschließen, die meines Erachtens beide bestens dazu geeignet gewesen wären. Stattdessen übertreibt man’s mit der Experimentierfreude und kreiert einen textlich zwar gewohnt guten, ansonsten aber schwer nervenden monotonen Song im NDW-Stil mit Elektronikeinflüssen. Passt weder zur Band noch aufs Album und wirkt im Gegensatz zu den anderen für VJ bisher untypischen Songs tatsächlich fehl am Platz.

AN MEINEN GRAB (Bonus-Track)
Nur auf der limitierten Edition der CD befindet sich dieser OHL-Coversong. Wusste gar nicht, dass OHL mal so gute, traurige Songs geschrieben haben. Dieser Song ist wie geschaffen für eine Veredelung durch die VERLORENEN JUNGS – Groß!

Ich muss zugeben, dass ich nach dem ersten Hören des neuen VERLORENE-JUNGS-Werks skeptisch war. Das liegt daran, dass die Band mit der Erwartungshaltung der Hörer bricht, statt Altbekanntes, vermeintlich Bewährtes wiederzukäuen und sich selbst zu kopieren. Dieses Album gewinnt mit mehrmaligem Hören an Größe, es wächst nach und nach zu einem wirklich verdammt guten und ausgereiften Werk heran, das sich in den Gehörgängen, im Hirn und im Herzen festsetzt und seinen Platz dort bis an die Zähne mit tollen, emotionalen Texten und abwechslungsreicher Musik bewaffnet verteidigt. Dieses Album wird mit Sicherheit alte Fans verprellen, aber dafür auch jede Menge neue dazugewinnen.

Zur Aufmachung der CD: Es gibt zwei verschiedene Versionen. Beiden gemeinsam ist das liebevoll gestaltete, stilistisch ansprechende Booklet mit vielen Fotos, allen Texten und Wendecover. Die auf 1000 Exemplare limitierte Edition hat neben dem OHL-Bonussong und einem witzigen „Making Of“-Video einen VJ-Metall-Pin im durchsichtigen Tray und als absoluten Knaller einem „Lentikularcover“. Das sind diese Bilder, die, je nachdem, in welchem Winkel man sie hält, etwas anderes darstellen. Man kennt so was häufiger (allerdings nicht als Plattencover) mit zwei Bildern, in diesem Fall liegen aber gleich VIER Bilder übereinander – meines Wissens noch nie dagewesen!

Fazit. Hochinteressantes und –qualitatives Album mit viel Liebe zum Detail, das seinen vollen Glanz erst nach mehrmaligem Hören entfaltet.

Die für Crazy United obligatorische Note:
2
Günni

SUSANNE EL-NAWAB – SKINHEADS, GOTHICS, ROCKABILLIES – GEWALT, TOD & ROCK’N’ROLL

(www.jugendkulturen.de)

el-nawab, susanne - skinheads, gothics, rockabilliesUnd ein weiteres Buch über Subkulturen, ein weiteres Buch über Skinheads… derer Autorin El-Nawab bereits zwei verfasst hat, die ich beide nicht kenne. Über Rocka-/Psychobillies hat sie auch schon was veröffentlicht und ich frage mich ehrlich gesagt, ob es nicht langweilig wird, immer wieder über das gleiche zu schreiben und worin die großen inhaltlichen Unterschiede bestehen sollen…? In jedem Fall kommt dieser ca. 370 Seiten starke Schmöker mit festem Einband und hochwertigem Papier ziemlich edel daher, was sich allerdings auch im Preis von 28,- Talern niederschlägt. Außerdem enthält der Band viele Fotografien, wobei die Skinheads mit z. T. verdammt üblen „Gürtel+Hosenträger“-Fotos etc. am Schlechtesten wegkommen. Zum Inhaltlichen: Erstmal gilt es, sich durch die vor wissenschaftlichen Fachtermini und Fußnoten nur so strotzende Einleitung zu boxen, die mich beinahe dazu veranlasst hätte, das Buch zur Seite zu legen und nicht mehr anzurühren. Eigentlich kann man sich den Part aber auch getrost sparen und damit einsteigen, worum es eigentlich geht: Aus allen drei Subkulturen wurden jeweils zehn (oder so) Angehörige (aus Deutschland, wohlgemerkt) durch die Autorin, die mehrfach betont, sich selbst auch aus privatem Interesse seit etlichen Jahren in subkulturellen Kreisen zu bewegen, befragt, um einen Gesamteindruck von ihnen und damit von der jeweiligen Szene zu gewinnen. Die Fragen und Antworten werden allerdings eher selten direkt wiedergegeben als mehr in ein durch die Autorin möglichst neutral gehaltenes Profil des jeweiligen Interviewpartners umgeschrieben, das anschließend durch die Autorin kommentiert und bewertet wird. Dies ist zwar einerseits, wie El-Nawab auch ganz richtig feststellte, die einzige vernünftige Möglichkeit, einen wirklich authentischen Einblick in Subkulturen zu bekommen, bietet andererseits dennoch die Möglichkeit der Manipulation durch tendenziöse und/oder provokante Fragestellungen, die die Gespräche in eine bestimmte Richtung lenken sollen oder durch die persönliche Gewichtung der Antworten durch die Autorin beim Erstellen der Profile der Befragten – was ich El-Nawab aber nicht unterstelle. Die Skinheads erzählen mal mehr, mal weniger Schwachsinn, ziemlich durchwachsen, das Ganze. Für die anschließende Bewertung sind diese zehn Befragten aber einfach zu wenig (repräsentativ). Dafür ist die Szene viel zu breitgefächert, als dass sie durch die Autorin nach zehn Gesprächen mit deutschen Skinheads und der Angabe lächerlich weniger, stellenweise falsch zitierter Songtexte beurteilt werden könnte. So werden die sozial- und gesellschaftskritischen Texte vieler Oi!-Bands komplett ausgeklammert, Hardcore findet so gut wie gar nicht Erwähnung etc. pp. Erwartungsgemäß werden den Skinheads auch am wenigsten Seiten im Buch zur Verfügung gestellt. Stattdessen wieder das heutzutage moderne Geseiere über den angeblichen Sexismus in der Szene und die „homo-erotischen“ Anhaltspunkte, bla bla bla… Die nicht-rechte Skinhead-Szene ist, so wie ich sie wahrnehme, besonders verglichen mit dem, was anschließend die Knochenlutscher und Schmalzlocken vom Stapel lassen, zwar „prollig“, aber nicht unbedingt sexistisch ausgerichtet. Wenn überhaupt kommt es durch den gewaltigen Männerüberschuss zu einem „umgekehrtem Sexismus“, d. h., die Mädels werden besonders hofiert etc. Dass es nichts mit Sexismus zu tun hat, über Sex zu singen (und das auch noch häufig selbstironisch) oder sich nicht künstlich „unmännlich“ zu geben, werden einige vermutlich nie kapieren. Übrigens: Nicht „American History X“ wurde in s/w gedreht, sondern „Oi! Warning“. Aber ich will nicht kleinlich werden. Die Gothics, denen der größte Teil des Buches gewidmet wurde, bestätigen viele meiner Vorurteile durch ihre Begeisterung für irgendwelchen Esoterik-Quatsch und andere Hippiescheiße, ihre Oberflächlichkeit in Bezug auf Klamotten und Styling und ihre zum Teil ausgeprägte Weltfremdheit. Trotzdem sind auch hier fitte Leute mit vernünftigen Aussagen und Einstellungen vertreten; halt ebenfalls recht durchwachsen. Großen Wert legte El-Nawab offensichtlich auf die Konfrontation der Interviewten mit rechtsradikalen Einflüssen und Tendenzen in der Szene, wobei die Antworten oft sehr gleichgültig ausfielen. Dafür hat sie selbst umso mehr Hintergrundinformationen diesbzgl. in das Buch eingearbeitet, da ihr die weit verbreitete Ignoranz sehr zu schaffen zu machen scheint. Die Rockabillies schießen letztendlich allerdings den Vogel ab: Verklärter Retro-Kult und spießig hoch zehn, sofern die meisten der Profile repräsentativ für die Szene sein sollten. Keine Ahnung, was das alles noch mit der ursprünglichen Rebellion der Jugendlichen in den 50ern zu tun haben soll. Dies erkennt allerdings auch die Autorin und benennt diese Widersprüchlichkeit. Vor lauter Geilheit auf das Thema „Sexismus“ vergisst die Autorin allerdings, angemessen auf einige verdammt bedenkliche Aussagen zum Thema Militär und Zweiter Weltkrieg einzugehen. Alles in allem fällt beim Lesen des Buches auf, dass die meisten Befragten nicht mal halb so rebellisch und anders sind, wie sie es entweder vorgeben zu sein (sofern sie sich überhaupt als „Rebellen“ sehen) oder wie sie von außen betrachtet werden, sobald es um (gesamtgesellschaftlichte) Themen geht, die den eng gesteckten subkulturellen Rahmen übersteigen. Inwieweit dieses Werk tatsächlich als ernstzunehmende Studie taugt, vermag ich nicht zu beurteilen. Positiv hervorheben möchte ich allerdings, dass die Autorin verdammt gut den Stellenwert der Medien und deren Wechselwirkung mit der jeweiligen Subkultur, insbesondere der der Skinheads, in Bezug auf ihre Entwicklung herausgearbeitet und formuliert hat. Rein formell gibt’s neben der Einleitung in schlimmstem Fachchinesisch ein paar – trotz aller Fußnoten, haha – nicht erläuterte szenetypische Begriffe und die nicht immer gewahrte Form in Hinsicht die typographische Darstellung von Eigennamen etc. zu kritisieren. Den Skinhead-Part empfand ich als überflüssig, die anderen beiden interessant über (Vor)Urteile bestätigend bis desillusionierend. Günni

HEITER BIS WOLKIG / DIE ROTEN RATTEN – AUFERSTANDEN AUS RUINEN / NICHTSALSROCKEN CD

(www.weserlabel.de) / (heiterbiswolkig.com) / (roteratten.de)

Genauso wenig, wie man sich hier auf einen Bandnamen oder auf einen Albumtitel einigen konnte, erschließt sich mir der Sinn bzw. Witz des Ganzen. HbW waren zwar schon immer etwas durchwachsen… aber wenn ich da an alte „Terroristen“-Zeiten oder an geniale Songs wie „Killer-Clowns“ denke, erfüllt es mich doch mit Wehmut, diese Scheibe rezensieren zu müssen. Die ist nämlich absolut unlustig, flach und belanglos. Der Biss ist weg und musste austauschbaren, albernen Phrasen weichen. Ein paar alte Songs nahm man neu auf und ich frage mich, was es soll, eine Hymne wie die „Ballade von den Seeräubern“ (BRECHT) so kraftlos vorzutragen und zu verhunzen. Gecovert werden JOINT VENTURE mit „Holland“, womit man natürlich auf der sicheren Seite ist. Damit kann man nun glücklicherweise nicht viel falsch machen. Vielleicht hätte man sich bei Widmann & Co. mehr Inspiration holen sollen, was das Schreiben witziger bis sarkastischer Texte betrifft. So geht mir die Scheibe ziemlich am Arsch vorbei. Booklet kommt mit einigen Texten. 22 Songs in 67 Minuten, davon einige aber doppelt in verschiedenen Aufnahmen. 5. Günni

SMELLY CAPS – S/T CD

(www.smellycaps.de)

Treibender Punkrock mit einigen Schweinerock- und Punk’n’Roll-Einflüssen von ein paar alten Hasen, die vorher schon in Bands wie den BOSKOPS, den ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN etc. ihr Unwesen trieben. Komplett in englischer Sprache mit paar Hits und netten Melodien, der raue Gesang könnte bischn rotziger sein. Reißt mich nicht völlig vom Hocker, geht aber auf jeden Fall klar, die Scheibe. Leider macht die Aufmachung nicht viel her: Faltblatt ohne Texte statt richtigem Booklet und hässliches Cover. Laut Info-Wisch übrigens „einfach sympathische Menschen!“ Na dann… Zwölf Songs in 35 Minuten, Anspieltipp: „Gone“. 3. Günni

STRAWBERRY BLONDES – RISE UP CD

(www.deckcheese.com) / (www.myspace.com/strawberryblondes)

Hahaha, wie geil! Dreister RANCID-Rip-Off (inkl. geklauten „Yeahs“) aus England, der aber so dermaßen Laune macht, dass er absolut seine Existenzberechtigung hat. Oberfette Produktion, oberfette Chöre, größtenteils textlich das volle Klischee-Brett, die reinste Punkrock-Party also! Oder ist das gar eine Art Tribut bekannter Musiker, die hier unter Pseudonymen agieren? Egal. Kann ich bedenkenlos allen Freundes des RANCID-Sounds bzw. der Bands, die diesen beeinflusst haben bzw. der Bands, die dieser beeinflusst hat, ans Herz legen! 13 Songs inkl. eines Remixes von „Mr. Punk Rock Movie“ Don Letts in 31 Minuten, Booklet kommt mit allen Texten. Anspieltipp: alle! 2. Günni

SPARMARKT-TERRORISTEN – SPIEL, SPASS UND FLUGZEUGBENZIN CD

(www.sm-t.de.vu)

Diese vermutlich noch recht junge Band mit dem hochgradig kindischen Namen stammt aus Bischofswerda in Sachsen und versucht sich auf diesem D.I.Y.-Album an schnörkellosem deutschsprachigem Punkrock. Die Aufnahme ist eher Lo-Fi, musikalisch holpert’s aber weniger, dafür umso mehr textlich: Die thematisch üblichen Ergüsse inkl. des obligatorischen Anti-Nazi-Songs kommen selten ohne erzwungene Reime aus und sind zum Teil dann doch eher ein Griff ins Klo… allerdings nie so schlimm wie so Manches, was ich mir hier schon antun musste. Ich denke schon, dass da ein gewisses Potential vorhanden ist und will hier niemanden entmutigen. Das farbige Booklet hat man sehr liebevoll gestaltet, jeder abgedruckte Text wurde mit passenden Bildern unterlegt. Allerdings hätte man das mal korrekturlesen sollen, denn es strotzt nur so vor Fehlern. Außerdem vergaß man offensichtlich, einen Schnittrand einzuplanen, wodurch einige Texte am Rand beschnitten wurden. Also, Jungs: Weiter üben und an den Texten feilen, mal über einen Namenwechsel nachdenken und dann noch mal wiederkommen. Dem Album liegt übrigens ein Aufkleber bei. 16 Songs inkl. KNOCHENFABRIK-Coverversion („Filmriss“) in 54 Minuten. 4. Günni

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