Günnis Reviews

Autor: Günni (page 64 of 104)

16.02.2011, Markthalle, Hamburg: SODOM + DIE HARD + SUFFERAGE

Ich war vorgestern bei SODOM + DIE HARD + SUFFERAGE in der Hamburger Markthalle. Bei ungemütlichen Temperaturen trafen meine Begleitung und ich gegen 18:45 Uhr am Ort des Geschehens ein und genehmigten uns ein im wahrsten Sinne des Wortes Warm-up-Bierchen, wozu sich schnell ein sich die Kante gebender Jüngling im Sodom-Shirt gesellte. Dieser kam aus Freiburg, war wegen eines Vorstellungsgespräches in Bremerhaven in Norddeutschland und hat seinen Aufenthalt kurzerhand für das Konzert verlängert. Und da die Süddeutschen gerne quasseln, besonders, wenn sie gut einen im Tee haben, wussten wir innerhalb kürzester Zeit bestens über die Konzert- und Discoszene in Freiburg und dem schweizerischen Bratteln (oder so) Bescheid. 😀

Ich hatte eigentlich ähnlich wie beim Thrashfest kürzlich mit einer vollen Hütte gerechnet, doch zum Konzertbeginn pünktlich um 19:30 Uhr war der Saal noch sehr übersichtlich gefüllt. Die Hamburger SUFFERAGE begannen mit typischem Death Metal, sauber rübergebracht, aber überraschungsarm und wenig innovativ. Ein, zwei Songs stachen aber aus der schleppenden musikalischen Walze heraus und die Band kam sympathisch rüber. Leider gefiel mir der Sound wie häufig in der Markthalle überhaupt nicht, die Bassdrum wurde so dermaßen in den Vordergrund gemischt, dass sie praktisch alles andere übertonte und klang dadurch ziemlich künstlich. In der Umbauphase hab ich doch tatsächlich alte Kumpels wiedergetroffen und der Laden füllte sich mittlerweile beständig mit Metalheads, die sich die Schweden von DIE HARD anschauen wollten. Die sorgten dann auch ordentlich für Stimmung, hatten optisch auch einiges zu bieten und spätestens mit dem VENOM-Cover „Countess Bathory“ das Publikum auf ihrer Seite. Schönes Oldschool-Black-Thrash-Zeug, besonders die temporeichen Songs wussten zu gefallen. Gegen Ende gab’s sogar einen kleinen Ohrwurm, vermutlich der Hit der Band. Schönes Ding, leider war aber hier der Sound alles andere als optimal und klang breiig und blechern. Warum kann man nicht auch den Vorgruppen mal einen vernünftigen Klang bescheren? Ist doch scheiße, sowas.

Die Stimmung war jetzt jedenfalls prächtig, die gute Nachricht vom Fußball hat diese noch verstärkt und nun sollte ich ENDLICH zum ersten Mal in meinem Leben SODOM sehen, jene Kult-Thrash-Institution, die ich schon seit x Jahren regelmäßig höre. Zwar kenne ich das neue Album noch nicht, konnte den Opener „In War and Pieces“ aber sofort mitgrölen und freute mich darüber, dass ich glaube gleich Song Nummer 2 schon der Klassiker „Sodomy and Lust“ sein sollte. Spätestens jetzt war ich komplett euphorisiert und feierte jeden einzelnen Akkord. Die Songauswahl war klasse und endlich war der Sound auch vernünftig, lediglich Bernemanns Gitarre war anfänglich etwas zu leise. Der neue Mann hinter der Schießbude machte seine Sache ganz vorzüglich, verzichtete aber wie ich glaube auch schon sein Vorgänger auf die Witchhunter-Trommelwirbel, die ich auf der ersten Sodom-Liveplatte so liebe. Mein persönlicher Höhepunkt war der Uralt-Heuler „Blasphemer“, der mit einer Vehemenz durch die mittlerweile volle Halle geballert wurde, dass ich noch heute leichte Nackenschmerzen verspüre. „Masturbate to kill myself“, ganz großes Damentennis!!! Schade nur, dass die Melodie der deutschen Nationalhymne während „Bombenhagel“ weggelassen wurde, haha. Zwischendurch erwähnte Tom, dass er sich immer freut, wenn ein Außenseiterteam wie St. Pauli oder Schalke 04 mal gewinnt und erntete frenetische „Sankt Paulihi, Sankt Paulihi!“-Rufe – sehr zum Unmut gewisser Leute wie z.B. dem Bauern, der schräg hinter mir geflucht hat wie ein Rohrspatz und fast wie Rumpelstilzchen auf einem Bein herumgehüpft ist, gnihihi… „The Saw is the Law“, „Nuclear Winter“ (Killer und Nackenbrecher vor dem Herrn!), „Der Wachturm“, „Eat Me“, „Agent Orange“ usw. usf… ein geniales Brachialgewitter. Unser Freiburger Freund hielt sich übrigens permanent in der ersten Reihe auf und etablierte bereits bei der ersten Band den Schlachtruf „Freibier für alle!“, was augenscheinlich auch belohnt wurde – er bekam tatsächlich immer wieder Getränke von der Bühne gereicht. Beharrlichkeit führt manchmal eben doch zum Ziel…

Mit mittlerweile auch ordentlich Sabbelwasser intus wurde nach einem der besten Markthallen-Konzerte seit langem dann irgendwann die Heimreise angetreten und noch über Gott und die Welt gequatscht und sich am Bierchen gelabt, bis ich zu Hause hochzufrieden in den Schlaf sank und heilfroh war, mir in weiser Voraussicht den nächsten Vormittag freigenommen zu haben…

War hoffentlich nicht mein letzter Besuch in Sodom!

Stefan Bollinger / Fritz Vilmar – Die DDR war anders: Eine kritische Würdigung ihrer wichtigsten sozialkulturellen Einrichtungen.

bollinger, stefan + vilmar, fritz - die ddr war andersBeginnt ziemlich wissenschaftlich und nicht unbedingt einfach zu lesen, doch hat man die Einleitung erst mal hinter sich gelassen, wird an exemplarischen Beispielen deutlich, dass auch die DDR über progressive Elemente verfügte, die im Zuge der Einheit und einseitiger Geschichtsschreibung hinweggefegt wurden und in Vergessenheit geraten sind bzw. sollen.

Sehr differenziert, kritisch und sachlich.

05.02.2011, Rote Flora, Hamburg: JESUS SKINS + FEINE SAHNE FISCHFILET + CONTRA REAL

Ich war seit dem Fauxpas mit Left Jab vor Jahren zum ersten Mal wieder in der Roten Flora, anlässlich des Soli-Konzerts mit den JESUS SKINS, FEINE SAHNE FISCHFILET und CONTRA REAL.

Und es war echt verdammt nett. Entspannte Atmosphäre, freundliche Menschen, Punk Rock Spirit – nicht zuletzt durch den sehr fähigen DJ. Mit Dritte Wahl auf den Ohren per MP3-Player kam ich an der Flora an, betrat den Laden, und was lief? Dritte Wahl, haha. Wenn das mal kein gutes Omen war ;). CONTRA REAL fingen an, textlich engagierter, kämpferischer, musikalisch rudimentärer Schrammelpunk, sympathisch, trotz etwas langer Ansagen. Das Publikum nahm den Opener eher verhalten auf. Lag vielleicht auch am grottigen Sound. Weiter ging’s mit Ska-Punk von FEINE SAHNE FISCHFILET aus S-H und plötzlich war die Bude gerammelt voll – unglaublich! Die Band sorgte ordentlich für Stimmung und eine Coverversion von 2 Unlimited im Ska-Punk-Gewand („No Limit“) hat dann auch mich sehr erheitert. Der Sound war immer noch scheiße, aber egal. Dann endlich der heimliche (?) Grund meines Erscheinens, die JESUS SKINS, die ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Betrunkene Bandmitglieder lieferten eine erwartungsgemäß trashige und pannenreiche Vorstellung, EIGHT-BALLS-Pierre unterstützte bei einigen Songs, was diesen den richtigen Kick verpasste. Mittlerweile hielt ich mich auch vor der Bühne auf, wobei links nur der Bass und rechts nur die Gitarre zu hören waren. In der Mitte wurd’s dann matschig. Scheiß Sound also auch hier, hat aber nicht weiter gestört, sondern irgendwie in das Ambiente gepasst. Hat Laune gemacht und kam schön prollig rüber, das Publikum hingegen war augenscheinlich aber in erster Linie wegen der Fischfilets da, haha…

Anschließend ging’s weiter mit Disco, wobei eine sehr feine Songauswahl meinen Ohren schmeichelte und ich überlegte, nicht vielleicht sogar doch noch dazubleiben. Bin dann aber doch per Taxi (nach Einladung, besten Dank!) ins Skorbut und hab den ganzen Fußball- und Bullenscheiß Fußball- und Bullenscheiß sein lassen…

14.01.2011, Villa, Wedel: KEIN HASS DA + INSIDE JOB (+ weitere)

Vergangenes Wochenende am Freitag ging’s dann mal wieder in die Wedeler Villa, wo eigentlich Unholy Handjob, Inside Job und Kein Hass Da spielen sollten. Wie vorher schon bekannt war, fielen Unholy Handjob aus, was aber nicht bekannt war: irgendwie wurden zwei Konzerte zusammengelegt, so dass vor Inside Job und Kein Hass noch drei andere Bands spielten. Dementsprechend früher ging’s los, wobei ich die erste Band verpasst hab. Die zweite waren dann ein paar Metal-Kiddies, die ihren ersten Auftritt hatten, inkl. Mamas und Papas vor der Bühne. Ihre Instrumente beherrschten sie durchaus respektabel, aber die Mucke war so’n modernes Zeugs, mit dem ich nix anfangen kann. Thrashig, ohne richtig loszubrettern, dass es einen mitreißen würde, und mit so Emo-Gesangseinlagen zwischen dem Gebrülle und Gegrunze. Naja. Schlimmer noch war die folgende Band, die mehr Pop-Rock oder so spielte und sich „Fast berühmt“ nannte. Unerträglich und mit vermeintlich lustigen Spielchen, die das Publikum mit einbeziehen sollte. Jemand wurde ausgewählt, der zwischen den Songs per Würfel den nächsten Song bestimmen sollte, die Wahl fiel ausgerechnet auf Ladde… ich verbrachte die Zeit lieber mit Klönschnack und wartete auf Inside Job, eine HC-Band, die wohl auch einen ihrer ersten Auftritte hatte. Haben aber auch schon ’ne 7″ draußen. Fing recht vielversprechend an, anfangs hatten die Songs auch noch kurze Gitarrensoli etc., worauf mit zunehmender Spielzeit und Geschwindigkeit aber irgendwann ganz verzichtet wurde. Schnörkelloses, blitzschnelles Geballer und die Band war sich nicht immer ganz einig, wie die Songs gespielt werden sollten. Dem energiegeladenen Sänger ging das tierisch auf den Sack und wie er seine Band bepöbelte, sich schlug und wälzte, war sicherlich etwa aufgesetzt, man wusste aber nicht, wieviel davon, so dass die Show etwas Unberechenbares, Gefährliches bekam. Am Schluss gab’s einen Strauß Coverversionen von Negative Approach, Black Flag usw., war echt nicht schlecht. Dann hieß es aber irgendwann Bühne frei für Kein Hass Da um Karl Nagel, Bad-Brains-Coverversionen auf deutsch und mit ganz eigener Note. Hatte die ja erst kürzlich im Molotow gesehen, aber auch dieser Gig war wieder genial. Karl Nagel bewies einmal mehr, dass er ein klasse Entertainer ist, ging aber glaub ich im größeren Molotow, wo er trotz verhältnismäßig wenig Publikums den Raum voll für sich vereinnahmte, noch bischn mehr ab. Leider war sein Gesang anfangs etwas leise abgemischt, aber das gab sich mit der Zeit. Ein umfangreicher Zugabenblock wurde eingefordert und gegeben, sehr geile Scheiße. Irgendwann entließ man aber Karl und seine Band, womit ein interessanter, angenehmer Abend in der Villa mit sehr gemischtem Publikum sein gutes Ende nahm.

Mareile Kurtz – Pfui Spinne, Watte, Knopf!

kurtz, mareile - pfui spinne, watte, knopf!Kurzweilige Kurzgeschichtensammlung über ungewöhnliche Phobien. Unterhaltsam und leicht konsumierbar geschrieben, wenngleich ich nicht allen Geschichten ihren Realitätsgehalt ganz abkaufe. Zu häufig gibt es „rein zufällige“ Begegnungen mit Traummännern und Happy Ends… das riecht mir etwas zu sehr nach fiktiver Weiberlektüre. Zudem spielen einige Geschichten in widerlichen Yuppie-Millieus. Die Schilderungen der einzelnen Phobiesymptome sind aber stets sehr interessant und helfen vielleicht tatsächlich, Betroffenen mehr Verständnis entgegenzubringen.

08.01.2011, Skorbut, Hamburg: SMALL TOWN RIOT

Ich war am 08.01. im Skorbut, wo anlässlich Franzis Geburtstags dann doch nicht Eight Balls oder Schloidergang unplugged, sondern Small Town Riot plugged ein Set zum Besten gaben. Man hat einfach die Anlage bischn leiser gedreht, hier und da was abgedämpft und da die Wohnung unmittelbar darüber an einen vom Skorbut vermietet ist, ging das dann schon lautstärketechnisch. War sehr nett, nur Normans Stimme war nach der Hälfte nicht mehr ganz da.

KEIN HASS DA – Die Welt erobern / Brauch’ ich nicht / Lass mich in Ruh’ 7“

(www.keinhassda.de) / (www.alligatorfarm.de)

Das geniale BAD-BRAINS-Tributprojekt KEIN HASS DA mit eigenen, deutschen Texten um ex-APPD-Strippenzieher Karl Nagel habe ich Ende letzten Jahres ja bereits gebührend abgefeiert. Freundlicherweise hat man mir jetzt noch die Vinyl-Single nachgeschickt (vielen Dank!), die der Buch+CD-Ausgabe beiliegt, wenn man sie direkt bei der Band bestellt und zwei Songs enthält, die leider nicht mehr auf die randvolle CD gepasst hatten. Klasse, dass sowas dann nicht einfach fallengelassen, sondern auf eine schicke 7“ im stabilen Pappcover gepresst wird. Das steigert den ohnehin schon hohen enormen äußeren wie inhaltlichen Wert des Gesamtpakets noch einmal zusätzlich. Ein drittes Stück gibt es auch noch, eine alternative Kurzversion des Hits „Lass mich in Ruh’“, für die auf den „Gene Machine“-Teil des Originals verzichtet wurde. „Die Welt erobern“ ist im Original „Big Takeover“ und „Brauch’ ich nicht“ war zu BAD-BRAINS-Zeiten „Don’t Need It“. Alle drei Songs fräsen sich wieder durch Nagels manischen Gesang und den breiten Gitarrensound ins Hirn und sind einfach geile, flotte Hardcore-Stücke. Auf der Record-Release-Party in Hamburg war ich übrigens auch zugegen und konnte mich erstmals seit einem der ersten Gigs erneut von den Live-Qualitäten der Band überzeugen. Karl zappelte und stolzierte umher, wirkte agiler, als mancher von uns es jemals war, mischte sich unters Publikum und hatte die ganze Zeit etwas Wahnsinniges in der Mimik. Obwohl die BAD BRAINS ja bekanntlich vor mittlerweile recht langer Zeit unterwegs waren, wirkt ein Projekt wie KEIN HASS DA heutzutage erfrischend anders und geradezu neuartig. Die Musiker sind erste Sahne und haben den Sound voll drauf, viel besser können die BAD BRAINS, die ich nie sah, auch nicht geklungen haben. Wer sich das entgehen lässt, ist doof. 1. Günni

18.12.2010, Molotow, Hamburg: DOGS ON SAIL + KEIN HASS DA

Das Konzert begann recht früh und hatte mit starker Konkurrenz zu kämpfen in Form von SLIME in der ausverkauften Markthalle und einem St.-Pauli-Heimspiel. Dementsprechen war das Molotow nun nicht gerade rappelvoll, aber einige Interessierte hatten sich doch eingefunden.

Für DOGS ON SAIL war’s der erste Auftritt mit neuem Sänger George, nachdem Stulle ausgestiegen war, und für KEIN HASS DA die Release-Party ihres „Hirntrafo“-Albums und -Buchs.

George hat sich sehr gut als Sänger der DOGS gemacht; war anscheinend die richtige Entscheidung, ihn zum Frontmann zu machen. Seine Stimme passt hervorragend zur Band und er ist allgemein einfach ein geiler und sympathischer Sänger. Man spielte sich durch ein Hit-Set, das überraschend gut saß, garniert mit Coverversionen wie „We’re The Problem“ und dem unvermeidlichen „Kids In America“ sowie in einer kurzen, saitenrissbedingten Unterbrechung „Walk This Way“. Das Publikum hat’s gefreut und Zugaben gab’s auch. Müßig zu erwähnen, dass die neuen Songs ebenfalls einwandfrei klangen und sofort zündeten. Schönes Ding, weiter so!

Anschließend fegte ein Orkan namens KEIN HASS DA mit seinen deutschsprachigen BAD-BRAINS-Coverversionen und wenigen eigenen Songs gleichen Stils über die Bühne, personifiziert in erster Linie durch den kürzlich 50 gewordenen Karl Nagel, der agiler wirkte, als mancher von uns es jemals war. Der Sound war astrein, die Songs sowieso und Karl zappelte und stolzierte tuntig umher, mischte sich unters Publikum und hatte die ganze Zeit etwas Wahnsinniges in der Mimik. Die alte Rampensau ging voll in ihrer Rolle auf, das sicherlich zunächst etwas gewöhnungsbedürftige Songmaterial mit seinen mitunter unkonventionellen Strukturen wurde den Anwesenden hervorragend „verkauft“ und irgendwann taute das Volk auch auf und bewegte sich, auch ich schwang auf meine gefürchtete grobmotorische Weise verzückt das Tanzbein und grölte Refrainfragmente mit (die Songs sitzen halt noch nicht so richtig…), bis ich mir am Ende irgendwie das Knie verdrehte – man wird halt auch nicht jünger. Hat aber keinen bleibenden Schaden hinterlassen. 😀 Zwischen den Songs kommunizierte Karl mit dem Publikum, man spielte Songs auf Zuruf, zog Leute auf die Bühne und machte unmissverständlich klar, dass man hier ist, um eine geile Party zu feiern. Obwohl die BAD BRAINS ja bekanntlich vor mittlerweile recht langer Zeit unterwegs waren, wirkt ein Projekt wie KEIN HASS DA heutzutage erfrischend anders und geradezu neuartig. Die Musiker sind erste Sahne und haben den Sound voll drauf, viel besser können die BAD BRAINS, die ich nie sah, auch nicht geklungen haben. Nagel ist ein hervorragender Entertainer, was er mal wieder eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Spitzenkonzert, das nach einem ausgiebigen Zugabenblock und einer halben Stunde Überziehung sein Ende fand. Vollgepumpt mit P.M.A. trat ich glücklich die Heimreise an und freute mich schon auf das nächste Konzert einer der beiden Bands.

PLASTIC BOMB #73

(www.plastic-bomb.de)

Zum Abschied von diesem Online-Fanzine noch eine letzte Rezension der Duisburger Bombe. Und weil Abschiede ja oftmals etwas Versöhnliches haben, weil das Fest der Liebe mit seinem frostigen Klauen unbarmherzig an die Pforte hämmert und weil ich zuletzt von Ausgabe zu Ausgabe ohnehin immer weniger zu meckern hatte, will ich diesmal auch gar nicht so oberkritisch sein und einfach von vornherein feststellen, dass das PLASTIC BOMB mit dieser Nummer nahezu in Hochform ist und ich es verschlungen habe wie kaum eine Ausgabe zuvor. Sicherlich, am fragwürdigen Layout und dem Billigstpapier wird sich wohl nichts mehr ändern, aber inhaltlich ist das hier fast die erste Sahne. Durch Interviews mit Bands wie ANTI-FLAG, SPERMBIRDS, YOUTH BRIGADE, NORMAHL, MASSHYSTERI, YUPPICIDE, THE UNDERTONES, JINGO DE LUNCH, AGROTOXICO, AYILAR etc. wird ein ausgewogenes internationales Programm aufgeboten und die Art und Weise der Befragungen passierte häufig sehr ausführlich und interessant; es wurde sich anscheinend viel Zeit genommen und dadurch viel Relevantes und Tiefgreifendes aus den Bands herausgeholt. Zu manchen Interviews wird auch erwähnt, dass sie viel Vorbereitung und Aufwand gekostet haben, wovor ich meinen imaginären Hut ziehe. Insbesondere Helge Schreiber scheint mir diesmal sehr aktiv gewesen zu sein und versprüht mit seinem nicht mehr ganz jugendlichen Alter einen Eifer und eine Begeisterungsfähigkeit, von der sich viele Jüngere eine dicke Scheibe abschneiden können! Über den eigenen Tellerrand hinaus blickte man z.B. in Form eines Interviews mit den Hip-Hoppern K.I.Z., die sich zunehmender Beliebtheit auch in Punkkreisen erfreuen. In Ullahs „Deutschpunk-Tribunal“ werden diesmal T.O.D. vorgestellt, die einen tollen Humor haben und das Gespräch allein schon deshalb lesenswert machen, und für die „Herstory of Punk“ nahm sich Ronja der Berliner BLOODY SLIPS an (genialer Bandname!). Sehr schmunzeln musste ich bei den häufig kurz angebundenen und irgendwie angepissten Antworten von NORMAHL, die aber auch über einen gewissen Humor verfügen, obwohl dort sicherlich noch mehr herauszuholen gewesen wäre. Auch Bastis mitunter ziemlich arrogante Schreibe gefällt mir zwar grundsätzlich immer besser, wenn er sich auch für meinen Geschmack zu häufig in langen, sarkastischen Ausführungen verliert, die mit dem jeweiligen Thema nur noch bedingt etwas zu tun haben. So berichtet er vom Treffen der „Abgefuckt-liebt-dich“-Netzgemeinschaft, während Micha und Ronja eine gewohnt anschauliche, unterhaltsame und gerne mal selbstironische Retrospektive der letzten Plastic-Bomb-Party bieten. Ein heißes Eisen wird im Interview mit einem ehemaligen „autonomen Nationalisten“ angepackt, der jetzt in Punkkreisen weilt. Ingo vom „Punk Deluxe“ hat eine Übersicht über argentinische HC-Punk-Bands zur Verfügung gestellt, inkl. Kurzinterviews. Bei AYILAR handelt es sich übrigens um eine türkische Oi!-Band, AGROTOXICO stammen bekanntlich aus Brasilien, MASSHYSTERTI aus Schweden… Punk ist ein weltweites Phänomen, was einem mit dieser Bomben-Ausgabe mal wieder so richtig bewusst gemacht wird. Vascos „wunderbare Welt der Propaganda“ nimmt sich in dieser Ausgabe der meist ziemlich einseitig und dämlich geführten Integrations- und Islamismus-Debatte an, wobei ich diesmal in ein, zwei Punkten allerdings auch Vascos Sicht auf die Dinge etwas wenig differenziert finde, da bestünde meines Erachtens durchaus Diskussionsbedarf. Ansonsten aber wieder klasse, wie er vermeintlich komplizierte, politische Sachverhalte einfach und verständlich darlegt. Die von harter staatlicher Repression verfolgte österreichische „Animal Liberation Front“ bekommt im Plastic Bomb ein Forum, um auf die Probleme aufmerksam zu machen und ihre Sichtweise darzustellen sowie ihre Erfahrungen mitzuteilen und in der „Anders leben!“-Rubrik geht es um Punk, Autonomie und politischen Aktivismus in Mexiko. Chris Scholz’ Kolumne fiel diesmal leider etwas nichtssagend und kurz aus, das aber auf gewohntem Niveau. (Häh? Egal.) Die Plattenverrisse der „Führerecke“ gefallen wie gewohnt und sind Balsam auf die Seelen von miesen Promos geplagter Fanziner, wenn auch VENERA eigentlich nichts dort verloren hätten. Dafür freut es mich umso mehr, dass Ullah über die gleichen miesen Scheiben gestolpert ist wie ich zuletzt, haha. Ansonsten gibt’s natürlich wieder Persönliches in Form der Vorworte, innerhalb derer Micha seinen Bartwuchs thematisiert, Helge sich überaus streitbar gegen Akustik-Gitarren-Folk-Punk ausspricht, Ronja kritische Tendenzen beim Halloween-Fest ausmacht, Philipp über die neue, bürgerliche Protestkultur à la Stuttgart 21 nachdenkt und Basti mit neuerlichen soziologischen Feldforschungen auf Punk-Festivals droht. Ein kleines Dankeschön an korrekte Konzertorte, in denen man sich wirklich wohl- und gut aufgehoben fühlt, gibt es in Form von Dirks Top-10 selbiger, wobei Hamburg mit der Lobusch vertreten ist. Die „Global Punx“-Rubrik fehlt diesmal, macht aber nichts, der Inhalt des Hefts ist auch so schon global genug, Stanley Heads Ska-Ecke ist aber ebenso vertreten wie massenweise, angenehm kritische Tonträger- und Lektüre-Rezensionen und natürlich Kleinanzeigen, Neuigkeiten, Veranstaltungstermine etc. Vermisst habe ich lediglich eine persönliche Kolumne von Micha, die über sein Vorwort und den PB-Partybericht hinausgeht, denn diese zählen doch immer zu meinen Höhepunkten des PLASTIC BOMB. Ergo: Sehr starke Bombe, in der ein Haufen Arbeit steckt und hoffentlich so manchen Leser inspiriert, Denkanstöße liefert oder einfach gut und informativ unterhält. In dieser Form weitermachen! Kommt wie immer mit „Pay-To-Play“-CD und kostet in Deutschland 3,50 EUR. Günni

DIE BOCKWURSCHTBUDE – UNBESCHREIBBAR / IMMER WIEDER SONNTAGS 7“

(www.bockwurschtbude.de)

In der Oder-Frankfurter BOCKWURSCHTBUDE hatte man offensichtlich sowohl Lust auf Coverversionen als auch auf die Veröffentlichung der ersten 7“ in der Bandgeschichte, so dass letztlich „Unbeschreibbar“, im Original ein kleiner, feiner DRITTE-WAHL-Song, und „Immer wieder Sonntags“, im Original ein Stimmungsschlager von CINDY & BERT, auf rundes, siebenzölliges Bildvinyl gepresst wurden. Über Sinn und Unsinn lässt sich streiten, den Songs aber hört man den Spaß, den die Musikanten beim Einspielen hatten, an und ein nettes Sammlerstück ist’s nicht zuletzt aufgrund der Limitierung auf 150 Exemplare sowieso. Ein kurzweiliges Vergnügen. 2-3. Günni

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