Günnis Reviews

Autor: Günni (page 43 of 104)

16.04.2016, Villa Rotenburg, Rotenburg (Wümme): COCK-UPS + BOLANOW BRAWL + KOUKOULOFORI

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Endlich mal wieder ein Auswärtsgig – natürlich einer mit Hindernissen. Aufgrund diverser Umstände fuhren wir tatsächlich mit drei verschiedenen Autos, ein Teil sogar per Bahn, die Strecke in Richtung Bremen, um nach und nach in der Villa im beschaulichen Rotenburg an der Wümme einzutingeln. Christian z.B. war eigentlich auf dem Punk & Disorderly in Berlin unterwegs, fuhr eigens für den Gig nach Rotenburg und direkt nach dem Auftritt wieder zurück. Zuvor allerdings verfuhr er sich im Ort des Geschehens, woraufhin man mit vereinten Kräften versuchte, ihm den Weg zu weisen und ihn schließlich am Bahnhof abholte. Als die Rasselbande endlich vereint war, wurde aus Zeitgründen auch der Plan über Bord geworfen, in der Mitte zu spielen und überließ diese Aufgabe KOUKOULOFORI, an deren Stelle wir nun den Abend musikalisch eröffneten.

Ich war zum ersten Mal in der Villa, die sich als überaus gemütlich eingerichteter selbstverwalteter Veranstaltungsort entpuppte, mit viel D.I.Y.-Geist und Liebe zum Detail. Oben ein zünftiger Tresen, Sofaecke und Küche, unten Konzertraum, kleine Bar und Getränkeausgabe. Faire Preise, Eintritt gegen Spende und zu futtern gab’s leckeres Chili mit Reis und Brot satt. Kompliment an die Köchinnen! Der Mischer kümmerte sich um die Soundchecks und warnte schon mal vor, dass es nicht immer ganz einfach sei, den Gesang voll zur Geltung zu bringen. Als wir uns auf der ebenerdigen „Bühne“ einfanden, um das gut aufgelegte Publikum in die Geheimnisse eines Bolanow Brawls einzuweihen, erzählte Stulle ein paar schlechte Witze und animierte zwei Einheimische damit, nach vorne zu kommen und folkloristisches rotenburgsches Liedgut zu schmettern. Einen besseren Einstieg kann man sich kaum wünschen und mit nahezu revolutionär umarrangierter Setlist, genauer: „Brigitte Bordeaux“ antworteten wir mit Bolanow-style Streetpunk und zockten uns anschließend durch all unsere Weisen. Zwar machte mir meine Erkältung etwas zu schaffen, ganz zu schweigen vom ungelüfteten, verqualmten Keller, aber Fenchelhonig und Bier halfen und mit sinnfreien Publikumsdialogen à la „Wer kommt alles aus Rotenburg… an der Tauber?“ etc. ließ sich prima Zeit zum Luftholen schinden. Nachdem ich in der Vergangenheit durchaus mal den falschen Song angesagt hatte, verrutschte diesmal meine Kapelle kollektiv in der Setlist, ansonsten blieb auch dieser Gig weitestgehend pannenfrei. Das dankbare Publikum forderte im Anschluss sogar mit Nachdruck eine Zugabe, worauf wir fast schon anfängermäßig unvorbereitet waren und schlicht nix mehr in petto hatten. Die coolste Antwort „Zugaben sind für Poser!“ fiel uns leider gerade nicht ein. Und auch, wenn sich bewahrheitete, was ich befürchtet hatte, nämlich dass meine Stimme doch wieder etwas untergegangen war, hat der Gig Lust auf mehr gemacht!

KOUKOULOFORI, die am Tag zuvor in Oldenburg gezockt hatten und Rotenburg quasi auf dem Rückweg mitnahmen, stammen wie alle Bands dieses Abends aus Hamburg. Der eigenständige Sound erinnert Stulle an PROPAGANDHI, womit man vielleicht ‘nen stilistischen Anhaltspunkt hat. Engagierte, kritische deutsche Texte, sowohl ruppigere als auch melancholisch-melodische Songs, sogar ‘ne Offbeat-Nummer – das weiß stets zu gefallen, zumal das Trio über einen der besten Hamburger Punk-Drummer verfügt, dem zuzusehen der reinste Drum-Porno ist. Kam auch allgemein gut an und mindestens ein Rotenburger Altpunk dankte es gar, indem er sich vor der Band auf dem Boden herumrollte und seine Sympathiebekundungen durchs ausgeschaltete Mikro, das noch von unserem Gig dastand, mit dem ganzen Publikum zu teilen versuchte.

Apropos, so ganz die Jüngsten sind zwei Viertel der COCK-UPS auch nicht mehr, wollen’s dafür umso stärker noch mal wissen. Das Quartett um Nietenkaiser und Shouter Sven hat ex-IN-VINO-VERITAS, jetzt-ARRESTED-DENIAL-Gitarrero Sascha in seinen Reihen und war damit neben KOUKOULOFORI die zweite Band des Abends, die sich ein Bandmitglied mit den Hamburger Streetpunks teilt. Sven stellte sich zwischenzeitlich als Cyndi Lauper vor und Sascha trat mit (gern auch mal übers Gesicht gezogener) Wollmütze und ein paar Kilo weniger auf den Rippen, dafür ein paar atü mehr auf dem Kessel auf. Musikalisch klang das für mich wie ’77-Punk meets THE EXPLOITED und damit durchaus reizvoll, schön schnörkellos und frontal. Beim ein oder anderen Song wütete sich Sven durchs Publikum, die kompetente Version von ANGELIC UPSTARTS‘ „Teenage Warning“ widmete man kurzerhand uns und auch das „Now I Wanna Be Your Dog“-Cover ging gut in Bein und Hüfte. Sascha verarschte permanent KOUKOULOFORI und bezichtigte sie des Studentenpunks; diese wiederum sind gut eskaliert und haben versucht, sich mit Sabotage-Akten wie dem Überkleben der Setlist zu rächen. Sehr unterhaltsame Showeinlage. Leider reichte die Aufmerksamkeitsspanne manch Villa-Besuchers nicht für drei Bands, so dass unverständlicherweise der Zuspruch abgenommen hatte, statt auf seinem Höhepunkt anzulangen. Der Band war’s glücklicherweise egal und hatte ebenfalls sichtlich Spaß an ihrem schweißtreibenden, angenehm dreckigen Gig.

Trotz zur Verfügung gestellter Pennplätze und avisierten Frühstücks machten sich nach und nach alle aus dem Staub, meine sonst so trinkfreudigen und feierwütigen Bandkollegen waren aus diversen Gründen sogar schon direkt nach unserem Gig kollektiv abgehauen. Mich und meine persönliche kleine Reisegruppe um Bleifuß-Chaffeur Dave zog es zurück nach Hamburg, als doch tatsächlich das Bier alle war (!), jedoch nicht, ohne mich herzlich für die die Einladung und die Gastfreund zu bedanken. Tolle Arbeit, die da (hoffentlich noch lange!) in der Villa geleistet wird und wir kommen beizeiten sehr gern wieder! Dann wird die „Total Escalation“ auch wieder wörtlich genommen…

P.S.: Danke an Katharina für unsere und die KOUKOULOFORI-Fotos.

01.04.2016, Menschenzoo, Hamburg: BARETTA LOVE + BOLANOW BRAWL

Kein Aprilscherz war’s, als man uns am 01.04. im Menschenzoo als Support für BARETTA LOVE auf die Bretter holte. Ich plaudere mal ein bisschen aus’m Nähkästchen unseres Bandbetriebs: Wenn man an so’nem Freitag erst noch arbeiten muss, sich diverser Feierabendverkehr mal wieder nach allen Regeln der Kunst staut und sich anschließend die Parkplatzsuche gefühlt stundenlang hinzieht, schafft man’s nun nicht unbedingt überpünktlich zum Veranstaltungsort. Irgendwann war man dann aber doch komplett und als das Equipment stand und wir mit dem Soundcheck dran waren, trat wieder das mysteriöse Phänomen der extrafiesen Pfeiftöne auf, die uns bereits bei unserem Gig zur Menschenzoo-Eröffnung das Leben schwer gemacht hatten. Aus irgendeinem Grund tritt es nur dort auf und scheint irgendwie mit Christians Gitarren-Tonabnehmern zusammenzuhängen. Diesmal allerdings waren wir darauf gefasst und mit viel Rumprobieren gelang es Ole und Christian irgendwie, des Problems Herr zu werden – wenn auch quasi erst nach dem eigentlichen Soundcheck, denn irgendwann war schlicht keine Zeit mehr. Wir hatten die Woche entgegen unserer Gewohnheiten gleich 2x geprobt und mit meiner anderen Krachcombo fand nach längerer Zeit auch endlich mal wieder ‘ne zünftige Probe statt, auf der ich mir nur einen Tag vorher die Kehle aus dem Leib gebrüllt hatte – so dass ich reichlich heiser war und mit Fenchelhonig gegen an kämpfte. Als hilfreich erwies sich auch der mordsgesunde frische Eintopf, mit dem die Zoo-Wärterinnen uns freundlicherweise fütterten. Nachdem unser Gig in der erfreulich gut gefüllten Spelunke begonnen hatte, wird Tontechniker Norman hier und da noch mal nachgeregelt haben, so dass der Sound weitestgehend gepasst haben sollte, wenngleich der eine oder andere sich im Anschluss meinen Gesang etwas lauter gewünscht hätte. Anstatt mich zu den anderen auf die kleine Bühne zu drängeln, sprang ich diesmal vor selbiger herum, was den Vorteil mit sich brachte, dass ich die P.A.-Boxen ein Stück weit als Monitorersatz nutzen konnte. Der Gig machte dann auch Laune, die Songs flutschten und ließen Oles lässige Soli ebenso wenig vermissen wie ’ne ordentliche Portion Rotz, was durch die nicht immer ganz harmonischen Backgrounds verstärkt wurde, haha. Die Resonanz des teilweise vollkommen neuen Publikums war gut und der eine oder andere Bandkollege hatte so viel Sabbelwasser getrunken, dass er die Gäste des Öfteren an seinem Humor teilhaben ließ. Ein überwiegend pannenfreier Gig trotz reichlichen Pfeffi-Konsums, wenngleich Stulle im Nachhinein darum bat, die Flasche nicht mehr so sehr in seine Nähe zu stellen – zumindest nicht während eines Auftritts.

BARETTA LOVE aus Berlin (aber anscheinend ursprünglich aus Magdeburg stammend…?) befanden sich gerade auf Tour und hatten schon einige Male in diesem Laden gezockt, schon zu Skorbut- und Kraken-Zeiten. Ihr Menschenzoo-Debüt war auch gleichzeitig das Live-Debüt für mich und das konnte sich hören lassen! Das Trio spielt hochmelodiösen Stoff, mal poppig, mal mit melancholischerer Note, aber immer verdammt eingängig und gern auch mal den Punk-Bereich schrittweise in Richtung Alternative/Indie-Rock verlassend. Hin und wieder erinnerten sie mich an THE GASLIGHT ANTHEM oder auch andere gern mal weniger auf Druck und fette Gitarren als mehr auf Hooks und das Unprätentiöse setzende Bands, die relativ entspannt um die Ecke biegen und einen bunten Melodienreigen mit nur halbverzerrter Klampfe vor dem Hörer ausbreiten. Dennoch gibt die Band live alles, schwitzt sich den Arsch ab und geht voll in ihrer Musik auf, die trotzdem oder gerade deswegen kräftig kickt. Weniger spannend fand’ ich das TOTE-HOSEN-Cover „1000 gute Gründe“, womit BARETTA LOVE jedoch den Überraschungseffekt auf ihrer Seite hatten. Alles in allem ein geiler Gig, der ohne aufgesetzte Attitüde o.ä. auskam und „schlicht“ durch seine ausgefeilten Songs überzeugte. Im Übrigen waren das auch sympathische, völlig unkomplizierte Jungs, so dass eigentlich alle Voraussetzungen gegeben sind, dass man zukünftig hoffentlich noch einiges von ihnen hören wird. Wer sie trotz ihrer Spielfreudigkeit und der allgemein guten Plattenkritiken noch nicht kennt, aber neugierig geworden ist, sollte sie mal hier anchecken.

Danke an BARETTA LOVE, den Menschenzoo und natürlich das Publikum für den geilen Abend sowie an Jana für die BOLANOW-BRAWL-Fotos!

Hier noch ein kleiner Livemitschnitt (danke an den Dubliner!):

12.03.2016, Monkeys Music Club, Hamburg: Ein Jahr Monkeys mit ARTHUR & THE SPOONERS + DIE JOHNNY BELINDA SHOW + CASHBAR CLUB

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Kinder, wie die Zeit vergeht! Ein Jahr ist der sympathische, Hamburgs subkulturell ausgerichtete Musikszene bereichernde Monkeys Music Club jetzt schon jung und hatte damit allen Anlass, es mit einer zünftigen Feier kräftig krachen zu lassen! So geschehen am 12. März, als man sich zwei Bands und einen Überraschungs-Act lud, den Gästen lediglich ‘nen Fünfer abknöpfte und zudem eine Menge cooler Preise unter ihnen verloste. Los ging’s mit den fälschlicherweise als THE-CLASH-Coverband angekündigten Düsseldorfern CASHBAR CLUB, die tatsächlich coverten, jedoch nur zwei, drei Stücke meiner erklärten Lieblings-UK-Punkband, dafür neben viel weiterem ’77-Gelöt aber auch THE GASLIGHT ANTHEMs Song über CLASH-Frontmann Joe Strummer und quasi die CLASH-Version des Reggae-Oldies „Police & Thieves“, auch an RANCIDs „Time Bomb“ meine ich mich zu erinnern. Die UK-Oi!-Sparte wurde ebenfalls berücksichtigt und ein paar wenige eigene Stücke hatten sich auch dazugesellt. Als Anheizer für die Party war das ‘ne runde Sache, die älteren Herren waren musikalisch auch zweifelsohne versiert, gerade einen CLASH-Klassiker wie „Safe European Home“ hätte ich mir aber dann doch etwas intensiver und dreckiger gewünscht.

Unter DIE JOHNNY BELINDA SHOW konnten sich wohl die wenigsten etwas vorstellen. Johnny im Rüschenhemd und sein Kompagnon coverten sich durch ein humoristisches Ska-, Schlager- und Country-Set zu Musik vom Band, fingen mit Schluckauf-Lauten an, gaben einen Bluebeat zum Besten und hielten sinnbefreit Schilder mit entsprechender Aufschrift hoch, übten sich in ironischen Liebesliedern und endeten irgendwann bei „Country Roads“ in einer auf Johnnys Heimat Lübeck textlich umgemünzten Version. Klasse Humor, witzig und kurzweilig . Den beiden wurde dann auch die ehrenvolle Aufgabe zuteil, dem Monkeys-Team hochoffiziell zu gratulieren und im Anschluss an die Performance die Verlosung zu moderieren, bei der manch hochprozentige Buddel den Besitzer wechselte und die ihren Höhepunkt im Hauptgewinn fand, dem goldenen Ticket, das ein Jahr lang freien Eintritt zu allen Monkeys-Veranstaltungen gewährt. Na dann Prost und herzlichen Glückwunsch!

Die Berliner ARTHUR & THE SPOONERS waren dann der Haupt-Act. Im – bis auf den Sänger – Paketboten-Outfit coverte man sich vornehmlich im Offbeat inkl. Orgel/Keyboard durch die Oi!- und (Street-)Punk-Historie und streute anscheinend auch immer mal wieder eigene Stücke ein. „The Ballad Of Jimmy & Johnny“ von RANCID, „New England“, „G.L.C.“, 4-SKINS‘ „A.C.A.B.“ als langsame Ska-/Reggae-Nummer, THE CLASHs „Guns of Brixton“, „Saturdays Heroes“ und „Hooligans Heaven“, sogar Bruce Springsteens „I’m Going Down“ und – wie zuvor schon CASHBAR CLUB – noch mal „We’re Coming Back“ etc. pp. Manch Klassiker gewann durch diese Art eine interessante neue Note, bei anderen klang’s etwas bemüht auf Party getrimmt, insgesamt aber natürlich durchweg tanzbar, so dass sich vor der Bühne auch fleißig bewegt wurde. Ging gut uns Bein, der Gig und war die passende Beschallung für diese Geburtstagsparty, auf die sich quasi alle einigen konnten. Nur an „Gotta Go“ hätte man sich nicht unbedingt vergreifen müssen – ich kann’s echt nicht mehr hören. Die Band war hochmotiviert und mit viel Spielfreude dabei (und ließ sich immer mal wieder von ihrem Sänger anbaggern), der Sound war über jeden Zweifel erhaben und so wurde auch dieser Gig zu ‘ner vergnüglichen, kurzweiligen Schose.

Zwischendurch verteilten die Club-Betreiber immer wieder Gratis-Mexikaner und-Pfeffis und als der letzte Akkord verklungen war, lud der Pub-Bereich noch zu zwei, drei Bierchen in geselliger Runde , bis die Vernunft siegte und ich den Ort des Geschehens verließ. Danke an die three Monkeys & Co. für bereits im ersten Jahr viele grandiose Konzertabende im Allgemeinen sowie diese feine Sause im Speziellen und auch von mir an dieser Stelle noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch zu einem Jahr verdammt guter Arbeit!

Auf die nächsten Jahre und PROST!

11.03.2016: Menschenzoo, Hamburg: SELFISH HATE + FIRM HAND

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Eigentlich sollte ich an diesem Abend mit DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS auf der Bambi-Galore-Bühne stehen, doch die noch immer akute Verletzung/Erkrankung unseres Drummers verhinderte dies. Als man mir anbot, den „DJ“ im Menschenzoo an diesem ersten von zwei aufeinanderfolgenden Hardcore-Abenden zu machen, hab‘ ich daher zugesagt und konnte mir so auch Hamburgs aktuelle Oldschool-HC-Hoffnung FIRM HAND endlich mal wieder ansehen und -hören. Die sind mit ihrem schnörkellosen Upperspeed-Sound richtig tight geworden und strahlen auf der Bühne mittlerweile zu Recht ein Selbstbewusstsein aus, das ihnen gut steht. Der Shouter tobt in der Menge und zwei Gitarren sorgen dafür, dass erst gar keine Lücke im Sound entsteht. Gecovert wurde irgendwas von SLAPSHOT, mit denen ich nun wiederum nie so richtig warm geworden bin und ich glaube, von THIS BELIEF war auch etwas dabei. Norman an den Reglern regelte einen gewohnt knackigen Sound, das war alles in allem ‘ne wirklich runde Sache. Einer von beiden Klampfern ist übrigens Tim H., der im unmittelbaren Anschluss an den Gig mit einer Junggesellenabschiedsparty im El Brujito überrascht wurde, was einer der Gründe dafür war, weshalb sich die Reihen im zuvor proppevollen Zoo nun etwas lichteten.

SELFISH HATE aus dem südlichen Freiburg hatten ihren eigenen Soundmann dabei, korrekte Ansagen und vermutlich ebensolche Textinhalte und kamen menschlich sympathisch rüber, aber der Sound… das war dann leider nix so recht für mich: Permanentes Dicke-Eier-Gebrülle, dazu ein Bassdrum-Sound, unter dem die Gitarren untergingen. Wie schon bei FIRM HAND feierten das aber doch einige vor der Bühne kräftig mit einigem Körpereinsatz ab und die Zugabe „Fight For Your Right To Party“ hat dann auch tatsächlich Spaß gemacht – mir ebenso wie dem gemischten Publikum. Angefixt durch die Gigs hab‘ ich dann längere Zeit einfach mal Hardcore-lastiger als sonst aufgelegt und noch bis in die frühen Morgenstunden das Gehege beschallt, bevor’s nach ‘ ner Absacker-Pizza in die Koje ging, denn am Abend stand die nächste Party auf dem Programm – aber dazu später mehr…

05.03.2016, Menschenzoo, Hamburg: DIE SHITLERS + BEI BEDARF

shitlers, die + bei bedarf @menschenzoo, hamburg, 20160305

In rekordverdächtiger Kürze: Anscheinend Schlusspunkt der gemeinsamen Tour, BEI BEDARF zockten wohl so was wie bedeutungsschwangeren Polit-Punk in deutscher Sprache mit etwas nöligem Gesang und fitten Musikern; der Lead-Gitarrist machte jedenfalls den Eindruck, als würde er gern mehr Soli spielen, als er darf. Gecovert wurde irgendwas vonne TERRORGRUPPE. Ich fand‘s auf Dauer aber weniger spannend und widmete mich mehr dem Gesabbel im hinteren Teil des Zoos. DIE SHITLERS haben Hamburg inzwischen anscheinend zur zweiten Heimat erklärt und spielen alle paar Wochen hier. Diesmal griffen folgende Optionen: Die Band in Triogröße, Martin war anwesend und spielte Bass. Also eigentlich alles wie immer, nur eben wieder etwas schäbbiger als zuletzt und mit extraviel Gesabbel. Vor amtlicher Kulisse war sich die Band mit dem Lacoste-Endorsement nur für wenig zu schade und brachte mich glaube ich irgendwann dazu, mit Bier herumzuspritzen. Außerdem feierte ich das endlich einmal wieder in angebrachter Frequenz vollzogene TURBOSTAAT-Bashing hart. Schlimm: Fast alle anderen Bolanow-Brawler waren ebenfalls zugegen und verhinderten, dass ich mich voll aufs Konzert konzentrieren konnte.

26.02.2016, Island, Hamburg: BOLANOW BRAWL

Weil Bolanow-Brawler Stulle all sein Geld versoffen, verhurt und den Rest verprasst hatte, war nichts mehr für den 40. Geburtstag seines Bruders und seiner Schwägerin übrig. Noch unter dem Eindruck unseres Privat-Gigs in Rostock stehend, kam er auf die Idee, ihnen einfach einen solchen zu schenken. Gesagt, getan, Equipment eingepackt und das „Island“ in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs aufgesucht, um alles aufzubauen und sich die ersten Freigetränke einzuverleiben. Das Island ist für gewöhnlich ‘ne schummrige Disse ohne Punkrock-Faktor, hat aber den Vorteil, ordentlich Krach machen zu können, ohne dass es irgendwelche nervigen Nachbarn gäbe – und den Nachteil, dass es über eine Liveakustik verfügt, die uns mit ihrem arschlauten Hall vor Herausforderungen stellte. Mit Jazzbesen statt den normalen Klöppeln die Drums zu bedienen, fiel soundtechnisch jedenfalls flach. Letztlich nahmen wir die Gegebenheiten mehr oder weniger in Kauf, mussten uns einige Stunden lang gedulden und zockten dann hörbar ungeprobt (Drummer Raoul war gerade erst aus Malle zurückgekommen) ein gekürztes Set. Ergebnis: Die Spreu trennte sich vom Weizen, einige verließen die Räumlichkeiten, andere hielten tapfer durch und ein paar tanzten sogar oder gaben über Höflichkeitsapplaus hinausgehende Begeisterungslaute von sich. War ok, aber auch nicht sonderlich spektakulär – und darüber, welchen Aufwand man für ‘ne gute halbe Stunde Livemucke vor größtenteils genrefremdem Publikum betrieben hat, denkt man besser nicht nach. Die Freigetränke rissen’s raus und mit MICHAEL JACKSON oder DEPECHE MODE hatte der Elektro-DJ, der die restliche Nacht die Beschallung übernahm, sogar einige lichte Momente – bevor es mich endgültig zurück in eine Punk-Spelunke trieb. Dennoch ‘ne interessante Erfahrung und danke an Stulles lockere Familie sowie diejenigen, die ehrliches Interesse zeigten und sichtlich ihren Spaß hatten!

Außerdem danke an Katharina für die Fotos!

20.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: DÖDELHAIE + ASIMATRIX

dödelhaie + asimatrix @menschenzoo, hamburg, 20160220

Ein historisches Ereignis: In ihrem gefühlt 100-jährigen Bestehen hatten die Duisburger DÖDELHAIE noch kein einziges verdammtes Mal in Hamburg gespielt, weshalb auch immer – das weiß wohl niemand so genau. Am 20.02.2016 sollte sich dies endlich ändern, denn die Haie schwammen sämtliche verdreckten Flüsse vom Ruhrpott bis in die Elbe herunter und strandeten schließlich im Menschenzoo, der eigens in ein großes Aquarium verwandelt wurde. Eigentlich sollte das für meine kleine Krawallcombo DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS darüber hinaus ebenfalls ein besonderes Ereignis werden, denn nach unserer Schrumpfung auf Quartettgröße wollten wir live mit Eisenkarl am Bass debütieren. Doch Pustekuchen, wieder einmal schlug das Verletzungspech erbarmungslos zu wie ein japanischer Walfänger, denn unser Drummer hatte sich eine seiner Tentakeln so fies verknotet, dass an einen Gig nicht mehr zu denken war. Das war extrem ärgerlich, umso erfreulicher jedoch, dass superkurzfristig Ersatz in Form der erst seit Kurzem existierenden HH-Punk-Combo ASIMATRIX gefunden wurde.

Die Band um Frontfrau Juli spielt eine recht eigenständige Mischung aus HC-Punk und Ska-Core, die so richtig schön giftig und gemein klingt, wenn Juli kratzig ins Mikro shoutet und die Vers-Enden extra dreckig fauchrotzt. Der Sound hat eine interessante düstere Schlagseite und unterstützt wird die agile, sich ständig in Bewegung befindende Sängerin vornehmlich vom Gitarristen, der ab und an kräftig und grimassierend mitbrüllen darf. Während der gelegentlichen hektischen Ska-Core-Eruptionen springt Juli gern ins Publikum und fordert es rempelnd zum Tanzen auf, was den Pöbel vor der Bühne weiter aus der Reserve lockte. Ich war überrascht vom bereits ziemlich tighten Zusammenspiel der Band, was sicherlich nicht zuletzt am zotteligen Drummer lag, der sich eine ulkige Brille für den Gig aufgesetzt hatte. Die deutschsprachigen Songs wurden um eine mir anscheinend unbekannte (oder arg verfremdete) Coverversion erweitert und unterm Strich war’s ein absolut respektabler Auftritt, der mir richtig gut reinlief. Sehe ich mir gern beizeiten wieder an und wäre auf jeden Fall auch was für ‘nen gemeinsamen Gig mit uns, wenn Dr. Tentakel wieder genesen ist!

Dann also endlich der geschichtsträchtige Augenblick: Der Große Graue live in Hamburg in der proppevollen Spelunke, die DÖDELHAIE fletschten ihre Zahnreihen, Hai-Alarm im Menschenzoo! Begleitet von Konfettikanonen aus dem Publikum führte der „immer gut gelaunte Sänger, Bassist und Berufspunk“ (wie ich ihn einst in einer Plattenkritik beschrieb) Andy Kulosa am halslosen Viersaiter und mit den berüchtigten, immer länger werdenden, aber unbedingt dazugehörenden, fast schon kabarettistischen Ansagen durch ein Killerhai-Set, das sich natürlich in erster Linie aus den so richtig punkpartytauglichen Stücken zusammensetzte. Düsterere, nachdenklichere Songs (z.B. vom sträflich unterbewerteten „Mitternacht“-Album) wurden ebenso ausgespart wie Uralt-Kracher à la „Meine kleine Welt“ oder „Feinde“, dafür gab’s Kultsongs wie den Opener „Heute Nacht“, „Weiter gehn“, das von Monty Python entlehnte „Holzfällerlied“, „Gerechtigkeit“, „Radieschen auf Frischkäse“ usw., ferner die Revolutions-Hymnen „Die letzte Schlacht“ von TON STEINE SCHERBEN und das eingedeutschte „Solidarity“ der ANGELIC UPSTARTS (von der kultigen „Oi! It’s Deutschpunk“-EP). Letzteres sang eine Dame namens Eva mit, die zuvor bereits das auf dem „Cats“-Musical-Hit „Memory“ basierende „Memmen“ bestens interpretiert hatte.

Die Stimmung war prächtig, vor der Bühne ging’s gut ab, der teilweise von weiter weg angereiste Pöbel legte sich gut ins Zeug. Die DÖDELHAIE sind ja im Prinzip ‘ne typische ‘90er-Deutschpunk-Band, wenn es so was überhaupt gibt. Einerseits haben viele Jünglinge sie damals bestimmt auch durch ihre rege Teilnahme an diversen weit verbreiteten Punk-Samplern kennengelernt, andererseits ist diese Stilbezeichnung szeneintern ja bisweilen eine Art Schimpfwort. Die DÖDELHAIE mit ihrer (oft missverstandenen?) Selbstironie, Andys Rufgesang und den gern mal in Metal-Gefilden inkl. doppelten Gitarren-Leads wildernden Klampfen gehören für mich aber eindeutig zu den Guten, und zwar gerade wegen dieser Zutaten. Das wiederum liegt neben meiner Schwäche für IRON MAIDEN und Co. vor allem auch daran, dass man überaus fit an den Instrumenten ist und die Gitarristen klasse Melodien hervorbringen, statt irgendeinen Metal für Arme zu dilettieren. Der Sound im engen Menschenzoo war bestens, Norman hat am Mischpult ganze Arbeit geleistet. Ich schätze mal, dass die Kulosa-Brüder & Co. normalerweise durch etwas größeren Kaschemmen schwimmen, aber sie ließen sich auch nicht von immer mal wieder auf die Bühne und in die Mikros fliegenden Leuten aus dem Konzept bringen. Umgefallene oder verdrehte Mikroständer wurden von den in Bühnennähe stehenden Leuten jeweils schnell wieder in Position gebracht, das ganz normale Chaos ohne negative Auswirkungen also.

Für mich gab’s, nachdem ich lange Zeit mitsingend und fäustereckend am Rand mit einem Dauergrinsen in der Fresse gestanden hatte, auch kein Halten mehr und ich saute mich kräftig beim Tanzen ein. Leider wurde mein Zugabewunsch „Spiegelbild“ nicht erhört, stattdessen noch einmal „Heute Nacht“ gespielt. Das wäre dann auch mein einziger Kritikpunkt an diesem ansonsten durchgehend erhabenen Auftritt: So viel Spaß die Songauswahl auch gemacht hat, so bestand sie doch auch zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil aus Coverversionen bzw. Neuinterpretationen fremder Stücke – obwohl man nun wirklich über eine Vielzahl spielenswerter eigener Songs verfügt. Von mir aus kann gern der eine oder andere ureigene DÖDELHAIE-Song zurück ins Set – vielleicht beim nächsten Mal, denn ich gehe doch davon aus, dass man jetzt, da der Bann gebrochen ist, einmal jährlich die Hansestadt an der Elbe beehren wird, oder?

Nach einem Klönschnack mit der Band im Anschluss endete dieser grandios fischige, vielen Erinnerungen an mehr oder weniger selige alte Zeiten weckende Abend, der so viel Laune gemacht hat, dass er mich unsere Absage fast vergessen ließ. Seufz…

Der Hetzer. Joseph Goebbels – Der Mann, der Hitler machte DVD

hetzer, der dvdDie Dokumentation „Der Hetzer. Joseph Goebbels – Der Mann, der Hitler machte“ von „Spiegel TV“-Autor Michael Kloft aus dem Jahre 2010 widmet sich rund 77 Minuten lang der Person Joseph Goebbels’, einem der Wegbereiter der Nazi-Diktatur und späterem Propagandaminister des Dritten Reichs. Sie basiert auf der damals neuen Goebbels-Biografie des Historikers Peter Longerich.

Dieser hat u.a. Goebbels’ Tagebücher studiert und stellt zu Beginn der Dokumentation die These auf, Goebbels habe bereits in früher Kindheit eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickelt, die ihn sich derart faszinieren für Hitlers Führerkult lassen habe, den er schließlich mithilfe seiner Propagandamaschinerie in die Köpfe der Bevölkerung injizierte und dem er bis zum Ende durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg treu verbunden bis zur Selbstaufgabe war. Die Dokumentation wurde dahingehend konzipiert, dass sich O-Ton-Aussagen des in einem Studio gefilmten Longerichs abwechseln mit Klofts Kommentar aus dem Off, der Goebbels privaten wie beruflichen bzw. politischen Lebensweg grob nachzeichnet und partiell ins Detail geht. Dies wird illustriert durch zahlreiche Original-Filmaufnahmen der Jahre bis 1945, wofür auf Unmengen an teil seltenem Archivmaterial zurückgegriffen wurde.

Unabhängig davon, inwieweit man bereit ist, Longerichs Erklärungsversuch für Goebbels’ Wahn zu akzeptieren, bekommt man recht kompakt die Entwicklung der Nazi-Diktatur mit Schwerpunkt auf der Rolle Goebbels’ nachgezeichnet und auch der durchschnittlich politisch-historisch gebildete Zuschauer dürfte das eine oder andere neue Detail erfahren, jedoch keine grundlegend neuen Erkenntnisse erlangen. Die Kriegsjahre werden relativ schnell abgehandelt, doch für einen groben Überblick und ein recht stimmig wirkendes skizziertes Porträt Goebbels halte ich den Film für passabel geeignet. Auf die ideologischen Hintergründe im Vergleich mit anderen Kräften zu Zeiten der Weimarer Republik indes wird wenig eingegangen, was jedoch sicherlich dem Schwerpunkt auf die Person Goebbels geschuldet ist. Insgesamt bietet sich wie so oft in Filmen, die sich mit dieser Zeit auseinandersetzen, ein gruseliges Bild Deutschlands. Dass Goebbels Propaganda-Mechanismen aus heutiger Sicht so unfassbar durchschaubar erscheinen, nährt die Hoffnung, dass eine durch diese Mittel begünstigte Wiederholung nicht mehr ohne Weiteres möglich scheint, lässt aber auch den Kopf darüber schütteln, wie willfährig viele Deutsche all jenem auf dem Leim gegangen sind – und lässt angesichts der wieder in verstärktem Ausmaße um sich greifenden Geschichtsvergessenheit und des Zulaufs rechtsextremer Demagogen mit den vermeintlich einfachen Antworten, ihrem völkischen Duktus, ihrer Sündenbockmentalität und ihren dumpfen Parolen erschaudern.

13.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: DEFUSED HOLOCAUST

defused-holocaust-@menschenzoo,-hamburg,-20160213

Eine der letzten Hamburger Punkbands, die nun auch schon ein paar Jährchen aktiv ist, ich aber bisher konsequent (aber ohne böse Absicht) jedes Mal verpasst habe, ist EAT THE BITCH. Das wollte ich an diesem wieder einmal einem absoluten Überangebot an subkulturell interessanten Veranstaltungen ausgesetzten Abend eigentlich ändern und entschied mich nicht nur, erneut einem Menschenzoo-Konzert meine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, sondern war auch noch spontan als „DJ“ bzw. vielmehr FJ (Filejockey ) eingesprungen. Aber so’n 13ter soll ja manch einem Unglück bescheren und so hatte sich der EAT-THE-BITCH-Gitarrist versehentlich die Hand aufgeschlitzt. Damit fiel der Gig zu meinem Bedauern flach, die Rostocker von DEFUSED HOLOCAUST (nicht zu verwechseln mit DEFUSED, die dort Freitag zusammen mit CDC zocken und schon gar nicht zu verwechseln mit HOLOCAUST) mussten alleine ran und der Eintritt wurde auf „gegen Spende“ reduziert. Als kleinen Ausgleich versuchte ich, verstärkt Punk mit Frauengesang zu spielen, was aber niemandem aufgefallen sein dürfte. 😉 DEFUSED HOLOCAUST beschlossen aufgrund der Situation, ihr Set zu teilen, also zwischendurch eine Pause einzulegen und zwei Blöcke zu zocken. Soweit, so gut und die noch junge HC-Punkband knallte anfangs auch ganz ordentlich. Der Shouter tobte vor der Bühne, einer der Gitarreros sang kräftig mit. Mischer Norman hatte ihnen einen druckvollen Sound gezimmert und ein paar der leider diesmal nicht sonderlich zahlreich erschienenen Gäste feierten die Nordost-Hansestädter gebührend ab, unter ihnen auch ein paar ältere Semester, offensichtlich bereits stark alkoholisierte Partykanonen. Nach der Pause ging’s dann hauptsächlich mit Coversongs weiter und nun weiß ich nicht, was davon aus der Verlegenheit heraus, alleine einen ganzen Konzertabend bestreiten zu müssen und dem Publikum etwas bieten zu wollen, gespielt wurde und was zum regulären Set gehört, aber was mit GGs „Bite It You Scum“ und „Zusamm’n-Halt“ von ZUSAMM-ROTTUNG passabel anfing, ließ mit auch gar nicht unbedingt so geil gespielten Standards, die ich so gut wie nicht mehr hören kann, stark nach: „Bro Hymn“, „Vaterland“, „Gotta Go“, „Sex and Violence“ mit Drummer aus dem Publikum – solange sie nicht in irgendwelchen halbwegs originellen Spezialversionen dargeboten werden, sollte über diese Songs das absolute Coververbot verhängt werden! Je länger sie spielten, desto mehr wühlten sie auch in der eigenen Vergangenheit, spielten frühe Proberaumnummern und entfernten sich immer weiter vom ursprünglichen Stil, bewegten sich stattdessen irgendwo zwischen den Polen Schunkel-D-Punk und Metalcore und fanden einfach kein Ende. Die Attitüde stimmte und die Jungs waren supermotiviert und gut drauf, aber das war dann doch etwas zu viel des Guten. Potential ist aber da; sie gefielen mir am besten, wenn sie ihren möglichst kompromisslosen HC/HC-Punk-Stiefel zockten und sollten sich meines Erachtens vornehmlich auf diesen Stil konzentrieren, der die beiden Gitarren und das aggressive Organ des Sänger auch einfach am besten zur Geltung kommen lässt. Für mich dauerte die Nacht dann zusammen mit den Menschenzoowärtern logischerweise noch bis zum nächsten Morgen und hat noch viel Laune gemacht, doch der EAT-THE-BITCH-Ausfall blieb ein Wermutstropfen. Rasche Genesung wünsche ich an dieser Stelle und hoffe, dass der Gig bald nachgeholt wird!?

Danke übrigens an Karl Nagel für die schnieken Schwarzweißbilder, die er mir freundlicherweise für meinen kleinen Familienblog zur Verfügung stellte!

12.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: FRIEDEMANN

friedemann @menschenzoo, hamburg, 20160212

Den Rüganer FRIEDEMANN hatte ich seinerzeit als Schlagzeuger von TONNENSTURZ kennengelernt. Nach deren Auflösung gründete er mit COR eine Hardcore-/Thrash-Crossover-Combo und trommelte 2004 das Monster von einem TROOPERS-Album, „Mein Kopf dem Henker“, ein, bevor er sich anscheinend mit Atze überwarf. 2014 veröffentlichte er mit „Uhr vs. Zeit“ sein Solodebüt, auf dem er in Singer/Songwriter-Manier mit der Akustikklampfe unterwegs ist. Anfang 2016 betourt(e) er ausgiebig dessen Nachfolger „Wer hören will muss schweigen“ und als er dafür Halt im Menschenzoo machte, kam ich spontan auf ‘nen Abstecher rum – leider etwas zu spät, FRIEDEMANN und seine beiden Mitstreiter (u.a. Matze, der auch bei COR dabei ist und mit dem er auch bei den TROOPERS gemeinsame Sache machte) hatten bereits begonnen. Glücklicherweise gelang es mir irgendwie, mich noch in den proppevollen Laden zu drängeln, der diesmal übrigens bestuhlt war. Nein, nicht im Sinne von GG ALLIN, es wurden schlicht Sitzgelegenheiten vor der Bühne geschaffen. Dort war nur leider überhaupt kein Platz mehr, so dass ich mich um die Ecke an den Tresen begab, wo ich wenig sah, aber wenigstens die auf drei Akustikgitarren vorgetragenen Songs hören konnte. Die Atmosphäre war entspannt und ruhig, die Leute lauschten andächtig dem Songmaterial. Der schwersttätowierte FRIEDEMANN ist jemand, der etwas zu erzählen hat und das auch gern tut, weshalb ihm diese Darbietungsform perfekt liegt. Er nahm sich Zeit für längere anekdotengespickte Ansagen und erzählt in seinen Songs viele kleine, persönliche Geschichten und widmet sich Details, kann aber durchaus auch mal die Protestkeule auspacken und anprangern. Das ist ‘ne wirklich interessante Mischung, die in Liedern wie „Haben und brauchen“, „Gejammer“, „Nichts können“ oder „Daneben“ Ausdruck findet und raubeinig-charmant mit MeckPommer Slang zum Besten gegeben wird. Aus Friedemanns Songs sprechen häufig ehrliches Interesse an den kleinen und großen Themen des Lebens sowie der eigenen Individualität, Stolz auf und Dankbarkeit für das Erreichte und letztlich viel Lebensfreude abseits von aufgesetztem Trallala, die die Augen vor dem Elend dennoch nicht verschließt – im Gegenteil. In den melancholerischen Momenten erinnert er mich bisweilen etwas an ELEMENT OF CRIME, was ich weniger als hinkenden Vergleich denn vielmehr als Kompliment verstanden wissen möchte. Bei lauschiger Stimmung und ein paar Jever im Menschenzoo freute ich mich auch über das große Interesse, das FRIEDEMANN offenbar hervorruft und den Publikumszuspruch, der sich in verdientem Applaus äußerte. Da es jedoch vollkommen sinnlos erschien, von meiner Position aus Fotos zu machen, half mir netterweise Lena V. aus, die den Gegebenheiten vor Ort zum Trotz fantastische Bilder schoss, mit denen ich mein Konzerttagebuch illustrieren darf – vielen Dank!

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