Günnis Reviews

Autor: Günni (page 33 of 104)

21.10.2017, Lobusch, Hamburg: AUWEIA! + THRASHING PUMPGUNS + STACKHUMANS

AUWEIA! auf Abschiedstour mit Halt in der Lobusch – also unbedingt mal hin da, jene achtbeliebteste (nach SLIME, DRITTE WAHL, TOXOPLASMA, CANALTERROR, VORKRIEGSJUGEND, BOSKOPS und RAZZIA) Deutschpunkband ever hatte ich schließlich lang genug mit Ignoranz gestraft – und ich weiß nicht mal, warum. Shouter Ullah machte in seinen Beiträgen zum „Plastic Bomb“-Fanzine i.d.R. einen sehr sympathischen Eindruck und die zwei, drei Songs, die ich kannte, konnten ‘ne Menge. Außerdem wurden sie allenthalben ziemlich abgefeiert und „Dat is Punk, dat raffste nie!“ zum geflügelten Wort. Weshalb ich mir trotzdem nicht mal ‘ne ganze Platte angehört hatte, kann ich echt nicht sagen – vielleicht gerade deshalb? Die Konzerte jedenfalls hab‘ ich anscheinend aus Zeitgründen immer verpasst. Genug des Blablas, erst mal zu den STACKHUMANS aus Itzehoe: Die hatte ich zuletzt im Februar im Gängeviertel gesehen. Seitdem haben die sich ganz schön gemacht: Was damals noch ziemlich rudimentär rumpelte, klang jetzt wesentlich gereifter nach recht tightem Aggro-HC-Punk mit Crust-Einschlag (oder so). Die Band, insbesondere der auch mal seine Bühne verlassende (und sich seiner Schuhe entledigende!?) Shouter, legte sich kräftig ins Zeug und konnte sich grundsätzlich eigentlich nicht über mangelndes Publikumsinteresse beklagen. Weshalb die Leute aber wie angewurzelt dastanden und die Band begafften, weiß ich nicht, doch auch Applaus scheint mittlerweile als uncool und unpunkig zu gelten. Mir gefiel’s über weite Strecken gut, halt die schön grobe, humorlose, radikale Kelle, allerdings täte die Band gut daran, ihr Set etwas zu kürzen – die STACKHUMANS schienen gar nicht mehr von der Bühne zu wollen, doch ihr Sound nutzte sich mit der Zeit spürbar ab und wurde monoton, zu sehr ähneln sich irgendwann die Songs.

THRASHING-PUMPGUNS-Rolf schien vor dem Gig etwas in Sorge um seinen Bassisten zu sein, der bereits bei meinem Erscheinen deutlich Schlagseite hatte. Beim HC-/Thrash-Crossover-Livesound schließlich schien das egal zu sein, die Band pustete den Laden kräftig durch, brachte die vorderen Reihen zum Tanzen und motivierte auch mich zu ekstatischen Ausdrucksformen. Der neue Gitarrist scheint bestens dazu zu passen und Shouter Rolf ist nach wie vor nicht zuletzt ein verdammt geübter Entertainer, der ebenfalls auf Tuchfühlung mit dem Mob ging. Geile Scheiße wieder!

Als AUWEIA! gegen halb eins auf die Bühne kletterten, war ich längst zu breit und ausgepowert, um mir noch Details merken zu können. Fakt ist aber, dass der geschmackssichere Ullah & Co. die Fahne des relativ schnörkellosen, flotten, rauen und unprätentiösen deutschsprachigen Punkrocks bzw. HC-Punks, der irgendwann später mal „Deutschpunk“ getauft wurde, hochhalten (bzw. -hielten) und frei jeglichen aufgesetzten Images, intellektuellen Überaus oder affektierten Getues ordentlich auf die Kacke hauten, wie man es sich wünscht. Ullah sangbrüllschrie sich hektisch und inbrünstig durch etliche straßentaugliche Punk-Weisen und zappelte sich seinen Schnurri schwindelig. Tonnenweise Papierschnipsel wurden von der Bühne geworfen und flogen auf dieselbe zurück, bis die Lobusch aussah wie ein überdimensionierter Aktenschredder. Das Publikum war mittlerweile natürlich auch aufgetaut, bisweilen schwer besoffen, und feierte gut mit. Gegen Ende wurden Spezi und Tommy (beide ex-STAHLSCHWESTER) auf die Bühne gebeten und sangen zusammen mit Ullah, fragt mich aber bitte nicht, was. Nach dem Gig war ich hackedicht, quatschte Ullah noch mit irgendeinem Mist voll und trat schließlich den Heimweg an, das Bier schien auch irgendwie alle zu sein. Bands wie AUWEIA! gibt’s leider zu wenige in der Szene und insofern ist dieser Abschied durchaus ein etwas trauriger – obwohl gerade erst so richtig kennengelernt. Hoffentlich lässt man uns nicht über kurz oder lang mit all diesen „selbstironischen“ D-Punk-Bands allein…

Guy Deluchey – Ich, Tarzan. Wie er wurde, was er ist

Tarzan, „Affenmensch“ und Bewohner des afrikanischen Urwalds, wurde 1912 vom Schriftsteller Edgar Rice Burroughs erfunden und somit Protagonist von rund 30 Abenteuerromanen. Der französische Journalist Guy Deluchey ist beinharter Fan dieser fiktiven Figur und Autor dieses rund 290-seitigen, 2010 in Frankreich und übersetzt 2011 im Knesebeck-Verlag erschienen Buchs, einer Mischung aus Bildband und Filmographie. Neben Burroughs’ Büchern existieren nämlich nicht weniger als 43 Tarzan-Verfilmungen und diverse TV-Serien mit insgesamt 21 verschiedenen Tarzan-Darstellern, darunter Namen wie Johnny Weissmuller, Lex Barker, Miles O’Keeffe und Christopher Lambert. Zwischen etlichen großformatigen, raren Set- und Aushangfotos, Filmplakaten etc. schlüpft Deluchey als besonderer erzählerischer Kniff in die Rolle Tarzans und lässt ihn im großzügig gesetzten Textteil all seine Verfilmungen in chronologischer Reihenfolge nicht nur beurteilen, sondern auch interessante Anekdoten und Details von den Dreharbeiten berichten. Das ist filmgeschichtlich auch für Nicht-Tarzan-Fans überaus interessant, zumal auch sämtliche Stummfilme abgehandelt werden und der Rezipient erfährt, inwiefern die Verfilmungen von den literarischen Vorlagen abweichen – teils nämlich beträchtlich. Interessanterweise sind insbesondere die Stummfilme wesentlich vorlagengetreuer als die späteren, viel populäreren Tonfilme. Dass sich Tarzan von Liane zu Liane schwingt war beispielsweise ebenso wenig Intention Burroughs’ wie sein jodelnder Schrei – und auch Tarzans Doppelleben als Herr des Urwalds auf der einen und zivilisierter Lebemann auf der anderen Seite wurde häufig unterschlagen. Zwischendurch wird in Exkursionen auf Tarzan-Comics, -Fernsehserien, -Zeichentrickfilme und -Fanartikel eingegangen. Das liest sich alles recht gut und liefert einen schönen Überblick über das Tarzan-Universum und seine Hintergründe unter Berücksichtigung des jeweiligen Zeitgeists. Auch optisch wie haptisch macht das großformatige Buch im Hardcover-Einband einiges her. Das matte Kartonpapier ist wertig und riecht gut und unabhängig vom Text macht es insbesondere für cineastisch Interessierte Spaß, durch all die Fotos und Illustrationen zu blättern. Die Krux ist jedoch, dass das Buch von außen inkl. Rückentext den Eindruck erweckt, die gesamte Geschichte Tarzans abzudecken, während der Inhalt sich eben vornehmlich den Verfilmungen widmet. Dies könnte für Frust beim ein oder anderen Käufer sorgen, denn „Wie er wurde, was er ist“ erläutert Deluchey nicht wirklich. Zudem hätte eine sorgfältigere Qualitätskontrolle sicherlich verpixelte Bilder sowie hier und da etwas ungelenkte Formulierungen getilgt. Mit meinem Faible für Filmgeschichte und meinen Erinnerungen an die alten Weissmuller-Filme aber konnte ich viel mit diesem schönen Werk anfangen.

06.10.2017, Villa, Rotenburg: RESTMENSCH + ANGEBRACHTE PANIK + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Eigentlich hätte eine Mini-Tour daraus werden sollen: Freitag in Rotenburg und Samstag zusammen mit KILLBITE und RESTMENSCH in Rostock. Als wir kurz vor Toreschluss erfuhren, dass in Rostock zeitgleich ein Konzert stattfindet, von dem die Bagehl-Veranstalter vermuteten, dass es das ganze Publikum ziehen würde und sie dieses auch selbst gern besuchen würden, war kurzzeitig ein Nachmittags-Konzert im Gespräch, worauf wir letztlich in gegenseitigem Einvernehmen und vor dem Hintergrund des Rotenburg-Gigs dann doch lieber verzichteten – aufgeschoben ist natürlich nicht aufgehoben!

Nichtsdestotrotz hatte uns der gute KILLBITE-Ballo in der Rotenburger Villa untergebracht, die ich einst bereits mit BOLANOW BRAWL bespaßen durfte und auf die ich mich aufgrund der positiven Erfahrungen besonders freute. Doch warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Einen Tag vorher war Xavier (nicht Naidoo, sondern der Orkan – egal, beide scheiße) über Deutschland hinweggefegt und hatte eine Schneise der Verwüstung hinterlassen: Zerstörung, Tote, Verkehrschaos. So wurde schon mal nichts aus dem Plan, dass Eisenkarl und Tentakel mit dem Wohnmobil anreisen und wir übrigen inkl. Jana und dem österreichischen Matjesmädchen Lisa mit der Bahn loseiern, denn die Bahnstrecke war gesperrt. Also erklärte sich Jana dankenswerterweise bereit, ihre alte Schüssel nicht nur zur Verfügung zu stellen, sondern auch höchstpersönlich zu steuern, wenn auch mit einem etwas mulmigen Gefühl und der Befürchtung, irgendwo auf der Autobahn liegenzubleiben. Dies passierte zwar nicht, doch musste zunächst einmal Eisenkarl Starthilfe geben. Durch heillos verstopfte Straßen quälten wir uns dann durch den Hamburger Feierabend- und Wochenendverkehr und konnten nicht einmal auf den Elbtunnel ausweichen, da dieser ebenfalls gesperrt war. Endlich raus aus der Hanse- und Bullenstadt ging’s auf besagte Autobahn, auf der wir prompt in zähflüssigsten Verkehr und Stau gerieten, sodass wir uns nur quälend langsam gen Rotenburg a.d. Wümme fortbewegen konnten. In jenem Bremer Vorort endlich angekommen, ging das Chaos direkt weiter, denn aufgrund einer Kirmes war die halbe Stadt abgesperrt, wovon unsere Navis natürlich nichts wussten. So kurvten wir ein paarmal durch den Kreisverkehr, bis wir ENDLICH zur Villa gelangten. Boah ey!

Dort nahmen uns Einheimische sowie die RESTMENSCHen in Empfang. Beim Einchecken erfuhren wir dann, dass unser Veranstalter und Mann vor Ort ebenfalls noch gar nicht da ist, weil er einen Autounfall hatte – ein Laster war ihm hinten reingefahren. Zum Glück ist dem guten Mann aber nichts weiter passiert und er konnte später dazustoßen. Um uns eine Mahlzeit zu kredenzen, hatte man improvisiert und uns Veggie-Dürüms vom örtlichen Döner-Restaurant besorgt, was ‘ne sehr feine Sache war. Mein Magen dankte es und zwischen Aufbau und Soundcheck begann ich mit der Druckbetankung, denn natürlich waren wir arschspät dran. ANGEBRACHTE PANIK aus Bremen wähnte ich als lokalen Opener, doch die Panikmacher favorisierten selbstbewusst die mittlere Spielposition für sich (RESTMENSCH waren als Headliner eh gesetzt), was uns nur entgegenkam. Der Sound-Maestro zauberte uns einen vernünftigen Klang und hatte sogar bischn Hall für die Gesänge parat, was immer sehr angenehm, aber nicht selbstverständlich ist. Ferner berichtete man uns, dass aufgrund einer Konkurrenzveranstaltung weniger Gäste als gedacht anwesend seien. Ein paar Hamburger, die sich angekündigt hatten, mussten aufgrund besagter Bahnstreckensperrung ebenfalls passen, aber ich war mit dem Publikumszuspruch eigentlich ganz zufrieden.

Denn als wir wesentlich später als geplant endlich zu schrammeln, scheppern, brüllen und hassen begannen, zeigte sich der Mob nicht nur interessiert, sondern sogar tanzfreudig. Relativ unfallfrei zockten wir unser leicht gekürztes Set durch, abgesehen von ein paar Rumplern, meinem Tritt aufs Mikrokabel, was mir das Ding fast aus der Hand riss und ähnlich üblichen Sperenzien, bis Kai unmittelbar vorm letzten Song die E-Saite seines Besens riss. „Ghettoromantik“ wollten wir aber schon noch gern spielen und so zog er ‘ne neue auf, während ich die Zeit mit Bullshit-Gesabbel überbrückte. Nach allen Widrigkeiten hatten wir endlich abgeliefert und konnten nun zum entspannten Teil des Abends übergehen.

Dies bedeutete, sich den deutschsprachigen Punk von ANGEBRACHTE PANIK um die Ohren schlagen zu lassen. Stilistisch etwas eigen und gewöhnungsbedürftig mit seinen funkigen Einlagen und Sprech-Passagen, textlich ambitioniert, wütend und ziemlich undoof gegen Nationalismus, sexistische Geschlechterrollenklischees und ähnliche Unappetitlichkeiten wetternd und meines Erachtens immer dann am stärksten, wenn die Sängerin und Bassistin in Personalunion so richtig schön giftig singkeift. Den Gesang teilt sie sich übrigens mit dem Gitarristen. Die meiste Zeit verbrachte ich glaube ich hinterm Merch-Stand, doch von dort aus hatte man noch gute Sicht und guten Sound. Da fiel mir auch die liebevoll gestaltete CD der Band auf, die anstelle einer normalen Plastikschachtel in Stoff gehüllt wurde. Weiß gar nicht, warum ich mir die nicht mitgenommen habe. Musikalisch ist das nicht 100%ig meine Schiene und hier und da vielleicht noch etwas überambitioniert, aber die selbstbewusste und kritische Attitüde kam gut rüber. Interessante Band.

Was dann geschah, erfüllte einerseits all meine Erwartungen und doch wieder nicht: RESTMENSCH prügelten gewohnt souverän ihren herrlichen ‘80er-HC-D-Punk durch und ließen das Adrenalin fließen, taten dies nach relativ kurzer Zeit jedoch in erster Linie nur noch für uns andere beiden Bands, die wir die Hamburger kräftig abfeierten, sowie einen versprengten Haufen Einheimischer. Ey Rotenburger, was war los? Müsst ihr alle so früh ins Bett? Aufmerksamkeitsspanne nach zwei Bands bereits ausgereizt? Hat das Haake-Beck zu sehr reingeknallt? Falls ihr das lest und wissen wollt, was ihr verpasst habt, konsultiert gern einen meiner anderen RESTMENSCH-Konzertberichte oder hört euch das Album „Die Erde ist eine Scheiße“ an.  Die AP-Sängerin ergriff zwischen zwei Songs das Mikro und tat kund, dass sie es bedauerlich fände, dass sie an diesem Abend die einzige Frau auf der Bühne gewesen sei und machte auf das Ungleichverhältnis zwischen den Geschlechtern aufmerksam.  Dabei war das Publikum – als es denn noch in stärkerer Anzahl da war – ziemlich gut gemischt und ich vermute einfach mal, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Frauenanteil in Bands derart gestiegen ist, dass Mädels auch auf der Bühne nicht weiter derart unterrepräsentiert sind. Bei RESTMENSCH konnte ich mich jedenfalls schön austoben und anschließend oben im Kneipenbereich auf den Sofas entspannen, bis man uns in unser nahegelegenes Schlafgemach geleitete, eine luxuriöse Wohnung mit reichlich Betten und eigenem Zimmer für uns. Seltsamerweise wollte dort niemand mehr mit mir Aftershow-Party feiern und/oder meine TV-Melodien- oder Surf-Musik-Sammlung hören. Also öffnete ich mir ein letztes Bier und verabschiedete mich nach nur einem Schluck von den Banausen, indem ich spontan wegknackte und den anderen scheinbar den Schlaf raubte, indem ich paar dicke Äste sägte, durchs Gebäude auf der Suche nach dem Klo – bzw. dem Weg zurück – schlich und angeblich gar Zwiebel- und Krautsalat-bedingter Flatulenz freien Lauf ließ. Ich weise sämtliche Vorwürfe natürlich entschieden zurück.

Am nächsten Morgen weckte man mich offenbar aus Rache zu nachtschlafender Zeit. Ich kapitulierte und begab mich ebenfalls zurück zur Villa, wo wir unser Zeug einluden, nachdem ich den armen Veranstalter aus den Federn klingeln musste. Eine Katze lief umher und ließ sich streicheln, Kalle suchte einen Bäcker und kam mit Fladenbrot, Käse und Knobiwurst vom Dönerman zurück und die Rückfahrt gestaltete sich unspektakulär, dank Konterbier (und natürlich Janas besonnener Fahrweise auf nun freieren Straßen) erträglich. Nur Kai wirkte irgendwie unausgeschlafen…

Danke ans Villa-Team für alles, an Ballo für die Vermittlung, an HH-Martin, der’s tatsächlich bis nach ROW geschafft hatte, die Bands, die Leute vor der Bühne und Jana + Lisa fürs Fahren, DJing, Fotografieren und Merch-Stand-Betreuung!

Mad-Taschenbuch Nr. 12: Stan Hart / Paul Coker Jr. – Das Mad-Buch der Rache

Mad-Taschenbuch-Premiere für das Texter/Zeichner-Duo Hart und Coker Jr. im 1976 erschienenen zwölften Band der Reihe, der leider ein wenig Etikettenschwindel betreibt: Zwar beginnt er in Comicform mit der amüsanten Gegenüberstellung nerviger menschengemachter Alltagssituationen und der Möglichkeit, auf diese nicht nur adäquat, sondern derart zu reagieren, dass man es hübsch zurückzahlt – gestreckt wird dieses Konzept jedoch durch weniger lustige „Du weißt, dass dir eine qualvolle Zeit bevorsteht, wenn…“-Panels und anhand sämtlicher Sternzeichen durchexerzierter, jedoch offenbar völlig willkürlicher und weitestgehend verzichtbarer Horoskop-Parodien in Form des „astrologischen Qual-Kalenders“. „Die Mad-Fibeln der süßen Rache“ greifen das Konzept in Gedichtform wieder erfreulich lustig auf, während „Die Ehrengalerie unbekannter Quäler“ sich einmal mehr menschgemachten Alltagsqualen widmet und „Qual per Post“ auf unliebsame Briefe eingeht. Das ist der typische, mal mehr, mal weniger pointenstarke Mad-Humor, wie man ihn mag, mir jedoch letztlich etwas zu viel Füllmaterial und im Endeffekt hätte man besser daran getan, den Band „Das Mad-Buch der Qual“ zu nennen. Für diese Ausgabe kehrte man im Übrigen zur alten Seitenstärke (160 Seiten) zurück.

René Goscinny / Albert Uderzo – Asterix, Band 15: Streit um Asterix

Der 15. Band der frankobelgischen Comic-Reihe „Asterix“ um das renitent wehrhafte gallische Dorf, das sich mithilfe eines Zaubertranks gegen die römischen Invasoren zur Wehr setzt, erschien erstmals 1970 und in der bekannten 48-seitigen Albenform in Deutschland 1973. Die Römer engagieren Destructivus, um Zwietracht bei den Galliern zu sähen und diese dadurch zu spalten, um sie – derart geschwächt – leichter bekämpfen und schließlich ihr Dorf einnehmen können. „Streit um Asterix“ bietet damit einen schönen humoristischen Exkurs in psychologische Kriegsführung (was auch Anlass für einen gelungenen Running Gag ist) sowie Entstehung und Potential von Intrigen und verfügt darüber hinaus über viele gesellschaftssatirische Momente, wenn der Umgang im Dorf untereinander aufs Korn genommen wird. Einzig schade ist es insbesondere vor diesem Hintergrund, dass es den Galliern leider nicht gelingt, entsprechend rein mit List, Tücke und Psychologie zu reagieren, sondern man einmal mehr auf den Zaubertrank zurückgreifen muss, der ihnen übermenschliche Kräfte verleiht.

Mad-Taschenbuch Nr. 11: Don Martin tanzt aus der Reihe

Einer der beliebtesten Mad-Stammzeichner war Don Martin mit seinen charakteristischen Figuren mit ihren langen Gesichtern und umgeknickten Zehen. „Er galt als Meister des bebilderten Slapsticks und des schwarzen Humors“, weiß die Wikipedia zu berichten und fasst damit treffend Martins inhaltlichen Stil zusammen. An Martin war es auch, mit „Don Martin hat Premiere“ die Mad-Taschenbuchreihe zu eröffnen, doch leider liegt mir jenes Debüt nicht vor. Für die 1976 erschienene Nummer 11 aber durfte er erneut den Stift schwingen: Er zeichnete die Abenteuer von Fester und Karbunkel, einem unternehmungslustigen, bauernschlauen, etwas kleingeratenen Schlitzohr und seinem Kumpel, einem stupiden, grobschlächtigen doch gutmütigen Simpel, der kaum mehr als Grunzlaute herausbekommt. Da beide ständig pleite sind, befinden sie sich vornehmlich auf Jobsuche, was sie in meist ungut aussehende Situationen bringt. Unterteilt in acht Kapitel verschlägt es sie in den Wilden Westen, auf den Rummelplatz in den Schrebergarten oder ins Kaufhaus, was eine Menge Gefahren mit sich bringt. Mit dem Platz ging man seitens Mad recht großzügig um und platzierte pro Seite lediglich ein Panel, so dass sich das Büchlein schnell durchblättert. Fairerweise erhöhte man die Seitenzahl von den sonst üblichen 160 dafür auf über 220. In Kombination mit den Leser beleidigendem Rückentext und Don Martin beleidigendem Vorwort ist „Don Martin tanzt aus der Reihe“ der erwartete kurzweilige Spaß, der Lust auf mehr von Martins Absurditäten macht, wenngleich er seinen Zenit hiermit noch längst nicht erreicht hatte.

22.09.2017, Lobusch, Hamburg: THE MAD MOISELLES + THE SOUL INVADERS + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Pott-Export Mäggi blies zur Geburtstagsfeier in der Lobusch und hatte all seine Lieblingsbands eingeladen. Weil aber weder die DIE AMIGOS noch DIE FLIPPERS und leider auch nicht BRUNNER & BRUNNER konnten, sprangen wir stattdessen zusammen mit zwei Bands aus seiner alten Heimat ein. Diesmal war’s nicht ich, der im Vorfeld mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, sondern Dr. Tentakel kroch auf allen Achten und war ein erbarmungswürdig vergripptes Häufchen Elend. Dazu aber ein tapferes und so verzichteten wir auf die letzten Proben und versorgten ihn stattdessen mit schlauen Tipps („Iss mal ‘nen Apfel!“), Freitag stand er Gewehr bei Fuß.  Gegen 22:30 Uhr ging’s mit „Pogromstimmung“ los und elf weitere Songs folgten, von denen wir „Ghettoromantik“ spontan etwas umstrukturierten, ähem… Obwohl’s in der Lobusch keine Monitore mehr gibt, konnte ich den Sound über die P.A. gut vernehmen und der klang gar nicht übel – zumindest so lange mein Mikro nicht plötzlich leiser wurde oder zwischendurch gar ganz ausfiel. Hrmpf.  Auch das Publikum war diesmal seltsam reserviert, dafür aber ungefähr in der von mir in etwa vermuteten Stärke aufgeschlagen – wenn Mäggi auch mit mehr gerechnet hatte. Hinterher konnten wir uns aber ein Lob abholen, wie schnell unsere Songs mittlerweile geworden seien – klar, wir mussten uns ja auch beeilen, schließlich musste das Tentakelchen schnellstens zurück ins Lazarett.

THE SOUL INVADERS aus Hagen traten anschließend kräftig Arsch mittels flottem englischsprachigem Oldschool-Punkrock, mal rockiger, mal melodischer, mal Richtung Rock’n’Roll oder Garage, aber immer 100 % nach vorn. Teile des Publikums tauten nun etwas auf und feierten die vor allem vom Sänger inbrünstig transportiere Punkrock-Show. Das hatte Stil, Druck und Qualität und war in jedem Fall der beste SOUL-INVADERS-Gig, dem ich bisher beigewohnt habe. Die Soundprobleme hatten hier anscheinend auch ein Ende und der coolen Abgewichstheit, mit der die SOUL INVADERS ihr Set durchzockten, merkte man die langjährige Live-Erfahrung zu jeder Sekunde an. Der Sänger, der als Ritual unmittelbar vor jedem Gig noch mal aufs Scheißhaus geht, hatte offenbar guten Stuhlgang… Ohne Zugabe ging’s nicht zur Aftershow-Party und damit hatte der Abend seinen musikalischen Zenit erreicht.

THE MAD MOISELLES stammen ebenfalls aus Hagen, dürften aber bei weitem noch nicht so lange unterwegs wie die Kollegen sein. Musikalisch fährt man ganz grob ‘ne ähnliche Schiene, englischsprachiger Punkrock der alten Schule eben, etwas ruppiger und aggressiver, angepisster und grundsätzlich echt nicht verkehrt, musikalisch ‘ne ehrenwerte, wohlklingende Angelegenheit. Nach ein paar Minuten jedoch verweigerte das Quintett den Dienst und verlangte mehr Bier – bis dahin absolut verständlich. Doch auch mit neuen Kannen ausgestattet tat sich erst mal nix und der Sänger lümmelte auf dem Bühnenboden herum. Irgendwann ging’s dann nach ‘nem verbalen Arschtritt des Drummers weiter, woraufhin der Sänger sich offenbar genötigt fühlte, ‘ne besonders ausgefallene Show hinzulegen: Er mimte den Besoffski und saß, kroch oder lag mehr auf der Bühne herum, als dass er sich in der Senkrechten befand. So richtig authentisch wirkte das nur leider nicht, was aber wiederum ganz gut war, da die Texte anscheinend saßen und gesanglich alles gepasst zu haben schien. Gute Songs und Performance aller Beteiligten also mit seltsamer, übertriebener Show-Einlage, deren Sinn sich mir nicht erschloss und die irgendwie bizarr und einfach drüber war.

Das war’s dann auch mit dem öffentlichen Teil  der Geburtstagssause Señor Mäggies, der nur einen Tag später mit den SOUL INVADERS im privaten Kreise auf dem Gaußplatz weiterfeiern sollte – je oller, je doller. Glückwunsch noch mal und danke darüber hinaus an seine Helfer und das Lobusch-Team (insbesondere Sonja fürs Überwachen unseres eigentlich nur zu repräsentativen Zwecken aufgebauten Merch-Stands) sowie an Meisterkoch Olax fürs leibliche Wohl über Kaltgetränke hinaus und last but noch least an Jana und Flo für die Schnappschüsse unseres Gigs!

15.09.2017, Archiv, Potsdam: ZUNAME + BOLANOW BRAWL

Nach mehreren Anläufen hatte es an diesem Spätestsommerabend endlich mit dem Archiv geklappt: Die Brigada-Caoz-/Ready-To-Fight-Shows-Konzertgruppe war so freundlich wie mutig, uns als Support für die russischen Folk-Streetpunks ZUNAME zu buchen, die sich auf Deutschland-Tour befanden und erst am Wochenende zuvor in Hamburg gezockt hatten. Wodka meets Whisky sozusagen, das passte doch. Ich will hier gar nicht lange mit meinen fast schon obligatorischen Ausführungen zu meinem Gesundheitszustand langweilen; natürlich hatte ich mir auch vor diesem Gig ‘nen Röchelhusten eingefangen, aber dank pharmazeutischer Erzeugnisse rechtzeitig weitestgehend in den Griff bekommen. Die Hinfahrt gestaltete sich unspektakulär; am meisten zu schaffen machte uns eigentlich der Hamburger Freitagnachmittagsverkehr – die Potsdamer Sackgasse, in die uns der Navi leitete, konnte uns da nicht mehr schocken. Vor Ort nahm man uns freundlich in Empfang und versorgte uns mit Sternburg Export sowie weiteren Bier-Spezialitäten. Im geräumigen Backstage-Bereich standen Knabbergebäck, Handtücher und Pfeffi bereit und man führte uns durch das ehemals besetzte, schon mal geräumte, doch unlängst rebesetzte wieder legalisierte Gebäude. Das Archiv ist eine riesige Bude mit räumlich abgetrenntem Kneipenbereich, langen Gängen und rustikalem Charme, dabei pikobello sauber und aufgeräumt. Kein Vergleich also zu den engen, drängeligen HH-D.I.Y-Clubs.

Das Konzert war für etwas später angesetzt worden, da der eine oder andere Besucher und Helfer an der vorher stattfindenden Demo für bezahlbaren Wohnraum teilnahm. Letztlich wurden es mit 21:00 Uhr Einlass und 22:20 Uhr Konzertbeginn aber gewohnte Zeiten. Vorher soundcheckten wir auf der „kleinen“, ebenerdigen Bühne, wo der kompetente Soundchef den üblichen Lautstärkekrieg unserer Saitenfraktion resolut unterband. Danke! Anschließend konnte ich in Ruhe unseren kleinen Merch-Bauchladen aufbauen, der sogar frequentiert wurde (hätte ich das gewusst, hätte ich Wechselgeld eingepackt), bis es plötzlich doch hektisch wurde: Zehn Minuten früher als von mir anhand einer komplexen Konzertbeginnformel errechnet komplimentierte man uns auf die Bühne; meine Band stand Gewehr bei Fuß und rief panisch nach mir, als ich noch einen provisorischen Toilettengang für angebracht hielt – wir waren hier schließlich nicht bei GG Allin. Also ohne viel Federlesen 1, 2, 3, 4, „Total Escalation“ und elf weitere Kamellen, angekündigt als Buxtehuder Rock-Oper in zwölf Akten auf den Spuren von The Who. Bei „Where Is My Hope“ – ausgerechnet einem der Oldies – erwischte mich ein kurzer Blackout, ein Gitarrensolo sprang über die Klinge und der eine oder anderen Ton hatte etwas Schlagseite, alles in allem schlugen wir uns aber wohl recht ordentlich. Teile der Band waren jedoch dem Gerücht aufgesessen, dass genereller Zeitmangel herrsche und hasteten dadurch ungewohnt eilig durchs Set. Dies verhinderte indes das normalerweise zwischen die Songs verteilte Stand-Up-Programm aus alten Witzen à la Fips Asmussen und gegenseitigen Beleidigungen und sorgte dafür, dass man mich ausnahmsweise einmal nicht zu düpieren versuchte. Ganz am Ende rief sogar einer „Zugabe“ – wir taten aber so, als hätten wir es nicht vernommen.

Die russischen Celtic-Folk-Streetpunks ZUNAME hatte ich bereits in Hamburg ausgekundschaftet und für unbedingt abfeierungswert befunden. Auch diesmal gab’s wieder ordentlich was fürs Geld, ein sattes Set von ca. 20 Stücken wurde durchgepeitscht und Gitarrist Dimik spielte sich beinahe ‘nen Fingerkrampf. Der kehlige, raue, doch melodische bis hymnische Streetpunk mit seinen Dudelsack-Einsätzen, -Soli und -Leads der stets fröhlichen Marina kam auch ins Potsdam bestens an, sorgte für ‘nen vollen Saal und eine Traube Tanzwütiger und zog auch mich weg vom Merch-Stand. Nach ‘ner Zugabe war irgendwann Schluss und alle waren glücklich – außer ich, denn mein bevorzugtes Shirt-Motiv gab’s nicht mehr in meiner Größe (nein, nicht XXXL) …

Backstage kümmerte sich Ole um den deutsch-russischen Kulturaustausch, indem er gemeinsam mit den Moskauern die trinkkulturellen Unterschiede erörterte und auf einem staubigen Spiegel skizzierte, vor dem etwas später noch streng wissenschaftlich übers Saufen doziert und über die korrekte Anwendung entsprechender Formeln debattiert wurde. Als die Veranstalter das nicht mehr verantworten konnten, begleitete man uns zu einem Gelände, wo für beide Bands komfortable Schlafgemächer bereitstanden, man Flo und mir sogar ein Einzelzimmer zur Verfügung stellte und wir auf Zombies, mit Bananen kämpfende Russen und weitere Bizarrerien trafen. Ein kleiner Wermutstopfen für eine zünftige After-Show-Party war, dass man zum Getränkeholen in den sich ebenfalls auf dem Gelände befindenden Club verwies, wo sich die absurde Plastikmusik in ohrenbetäubender Lautstärke auflegenden Veranstalter unwissend stellten und nichts von der Absprache wissen wollten, dass man mit Band-Bändchen aus dem Archiv keinen Eintritt berappen müsse, nur um an den Tresen zu gelangen. Aber sei’s drum, war hoffentlich für’n guten Zweck. An jedes gesprochene Wort in der Küche der Unterkunft kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es wurde viel gesabbelt, gelacht und weitergetrunken, bis irgendwann nichts mehr ging. Die letzte Bastion dürften Flo und ich gewesen sein, bis auch wir uns irgendwann ablegten und ich am nächsten Morgen zunächst nicht aus der Pofe kam. So ließ ich den anderen den Vortritt beim reichhaltigen Frühstücksbuffet inkl. selbstgemachter Brotaufstriche, frischem Grünzeug etc. – glücklicherweise ließ man genug für mich übrig! Beim Gruppenfoto mit der ganzen Crew war ich dann leider Zähneputzen, aber auch Stulle fehlte, da er sich mit seiner schwangeren Freundin bereits nach dem Gig abgesetzt und an diesem Tag einen weiteren Termin wahrzunehmen hatte.

Bis uns unsere Fahrerin auf ihrem Weg von Erfurt nach Hamburg abholen sollte, hatten wir noch ein paar Stunden Zeit, die wir – von Brigada Caoz mit einem Kinderstadtplan ausgestattet – bei bestem Wetter für einen ausgiebigen Spaziergang durch die Hauptverkehrsstraßen der Stadt nutzten, bis wir uns auf dem Zeppifest in der Zeppelinstraße einfanden, wo’s Konterbierchen zu sübbeln und die ersten beiden Bands zu hören gab. Meine Freunde vom PROJEKT PULVERTOASTMANN verpasste ich aber, so viel Zeit hatten wir dann doch nicht mehr. In eine Band wie KRUSTENBOXER mit der Beschreibung „Anti-Crust-GeOi!e“ o.ä. hätte ich dann eigentlich aber schon gern noch reingehört…

Als uns unsere Fahrerin mit ihrer fantastischen Frisur an der Unterkunft einsammelte, war diese schon wieder blitzblank gewienert – Respekt! Die Rückfahrt verlief ohne Zwischenfälle und mit einigen von Studio Braun und dem Gelaber meiner Bandkollegen provozierten Lachflashs, bis Hamburg uns zu vorgerückter Stunde zurückhatte. ZUNAME bezeichneten Potsdam im Nachhinein als den Höhepunkt ihrer Tour, was sicherlich mit dem großartigen Job zu tun haben dürfte, den die Veranstalter geleistet haben. Angefangen beim warmherzigen Empfang über das schmackhafte Essen bis hin zur Abrissparty fühlten wir uns jederzeit bestens aufgehoben und sprechen an dieser Stelle noch einmal allen Beteiligten unseren Dank aus! Die sind mit viel Hingabe bei der Sache, was sich nicht zuletzt in zahlreichen Details äußert, die ich hier nicht alle aufführen kann. Äußerst angenehm ist es auch, dass man im Archiv offenbar den Merch-Stand auch mal alleinlassen kann, ohne Fünf-Finger-Discounter befürchten zu müssen. Noch vor Ort lud man uns zum Open-Air-Festival am 18. und 19.05.2018 ein, was wir bereits zugesagt haben. Ein Wiedersehen ist also lediglich eine Frage der Zeit. Fazit: Wer braucht Berlin, wenn er Potsdam haben kann?

P.S.: Danke auch an Flo für die Fotos unseres Gigs!

09.09.2017, Menschenzoo, Hamburg: ZUNAME + HAMBURGER ABSCHAUM

Auf ihrer Deutschland-Tour unternahmen die russischen Folk-Streetpunks ZUNAME auch einen Abstecher in den Menschenzoo, wo der ehrenwerte HAMBURGER ABSCHAUM den Vornamen (höhö…) machte. Gegen 22:30 Uhr blies der siebenköpfige Lokalmatador in gewohnter Manier zum Angriff, wenn auch diesmal aufgrund der Affenhitze im Zoo unter etwas erschwerten Bedingungen. Beide Sänger schwitzten sich den Arsch ab, bewiesen aber Durchhaltevermögen und boten Hamburger Trompetenpunk-Folklore der sympathischen Sorte. Das Publikum stand dichtgedrängt und kam dank des mit zahlreichen Klassikern sowie einigen neueren Stücken gespickten Sets auf seine Kosten. Los ging’s mit dem schon länger bekannten, kürzlich jedoch endlich auf Vinyl verewigten „Hetze“, für „Rasur“ wurde die Kettensäge ausgepackt, die den Raum mit wundervollem Benzingeruch erfüllte, die AfD bekam gleich zweimal „Auf’s Maul“, mit „Lauf“ erinnerte man an die Band LABSKAUS, der „Trekker Song“ freute nicht nur Hobbybauern und „Nich‘ mein Ding“ provozierte den obligatorischen „Döp-Döp“-Chor. Die „Refugees Welcome“-Nummer vom Lampedusa-Soli-Sampler fehlte ebenso wenig wie „Ein Schritt nach vorn“, das wie der Opener auf der neuen Split-7“ vertreten ist und Gitarrist Dauxis Talent in Sachen Gitarren-Leads unter Beweis stellt, mit dem er auch den einen oder anderen Song, der vor seiner Zeit entstanden ist, etwas aufmöbelt. Gänzlich unbekannt war mir eine düstere, fast metalige Nummer, die ebenfalls gut reinlief. Einzig zwischen den Songs hatte man mit fiesen Rückkopplungen zu kämpfen, die glücklicherweise verstummten, sobald weitermusiziert wurde. Als Zugabe wurde nochmals kräftig auf die Norm geschissen, denn „Nich‘ mein Ding“ musste noch mal herhalten und alle döpten wieder kräftig mit. Erwartungsgemäß geiler Gig!

Und was erwartete uns jetzt? Russen, die einen auf Irish Folk machen und Whisky statt Wodka saufen? DROPKICK MURPHYS in der Ostblock-Variante, THE POGUES mit russischem Akzent? Alles Quatsch, ZUNAME (die man wohl am ehesten „Tsunami“ ausspricht) tanzten auch nicht ihren Namen, sondern spielten mehrstimmigen rauen Streetpunk, kraftvoll und unaufdringlich melodisch, in russischer und englischer Sprache und begleitet von einer dauerlächelnden, offenbar sehr glücklichen Dudelsackspielerin, die für den Folk-Anteil sorgte. Dieser war also weit weniger dominant, als ich es erwartet hatte und das machte auch nichts. Diese Mischung hatte es in sich, denn die Songs gingen sofort ins Ohr, der Dudelsack fügte sich gut ein und dank zweier Gitarren blieb die Saitenfraktion stets im Vordergrund und sorgte für einen satten Sound. Der Bassist und einer der Gitarristen wechselten zwischenzeitlich ihre Bühnenposition, alle drei Vorderleute sangen und der Drummer gab ‘nen kräftigen Beat vor. Zwar hatten sich nach der Vorband die Reihen ein wenig gelichtet, aber alle Dagebliebenen schienen sich einig zu sein, dass ZUNAME ordentlich Stimmung in die Bude bringen und feierten die Band entsprechend ab. Soundprobleme gab’s keine mehr, schön satt knallte die Moskauer Melange aus den Boxen. Eine Zugabe wurde ebenfalls verlangt und insgesamt dürften ZUNAME auf knapp 20 Songs gekommen sein. Klasse Band, ich freue mich auf unseren gemeinsamen Gig in Potsdam diesen Freitag!

Mad-Taschenbuch Nr. 10: Dick De Bartolo / Mort Drucker / Jack Davis – Mad in Hollywood: Das große Kino-Lachbuch

Die klassischen Mad-Hefte begannen i.d.R. mit einem mehrseitigen Comic, der einen aktuellen Kinofilm, eine Serie, eine TV-Show o.ä. persiflierte. Diese waren meist erfrischend frech und respektlos und trugen dazu bei, den typischen Mad-Humor zu prägen. Mit dem Mitte der 1970er erschienen zehnten Taschenbuch erschienen diese in Deutschland erstmal gesammelt in Buchform: Auf rund 160 Seiten werden nach einem die Zeichner Jack Davis und Mort Drucker sowie den Autoren Dick De Bartolo beleidigenden Vorwort fünf Filmgenres abgedeckt: „Seenot“ persifliert den Untergang der Titanic und ähnliche Katastrophenfilme und bezieht seinen Humor in erster Linie aus einem komplett unfähigen Kapitän, „Mord um Mitternacht“ nimmt die „Der dünne Mann“-Krimis köstlich aufs Korn, „Flug 1313“ klingt nach einem weiteren Katastrophenfilm, ist jedoch eine amüsante Abhandlung über menschlichen Opportunismus und Doppelmoral angesichts des drohenden Todes, „Dr. Krankenscheins Fluch“ ist eine „Frankenstein“-Persiflage, die es auf Mad-Scientist-Klischees abgesehen hat und „Goldene Träume, gebrochene Herzen“ parodiert kitschige Musicals, ihre Oberflächlichkeit und den immensen Druck hinter den Kulissen, dem sich die Darsteller ausgesetzt sehen. Mein humoristischer Favorit ist „Mord um Mitternacht“, inhaltlich hat es „Flug 1313“ am stärksten in sich, meinen Humor treffen jedoch alle fünf Geschichten. Nicht nur für Filmfreunde ein schöner Spaß, der sich allen Kino-Trends zum Trotz erstaunlich wenig abgenutzt hat.

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