Marathon: Vier Konzerte in drei Tagen

Los ging’s Donnerstag, 01.09.2011, mit den für einige Gigs reformierten Lokalhelden EMILS, die im Molotow auf dem Kiez spielen sollten. Die erste EMILS-Platte „Fight Together For…“ besitzt einen hohen Stellenwert bei mir und ist neben der neu eingespielten Best-Of „Der schwarze Fleck“ das einzige Album der Band, das ich habe. Auf „Der schwarze Fleck“ waren aber auch locker 50% echte Hits, wie auch vieles, was ich von Samplern kannte. Angefangen als Hardcore-Punk-Band nahmen später die Metal-Anteile immer mehr Raum ein und die Songstrukturen wurden komplexer, die Stücke verkopfter. So hatte ich das zumindest bei einigem Material empfunden und mir deshalb keine weiteren Alben mehr zugelegt. Das letzte Album „Partytime“ bekam fast ausschließlich miese Kritiken und bald löste sich die Band auf. Die Gelegenheit, die EMILS einmal live zu sehen, hatte sich in der Vergangenheit nie für mich ergeben. Umso mehr freute ich mich auf das Konzert, denn die Zeit scheint mir reif für ein „Comeback“. AMMUNATION machten den Anfang, hassiger Hardcore aus Hamburg, mehr old- als newschool, ein guter Anheizer. Die EMILS starteten mit „Viel zu langsam“ und hatten mich sofort auf ihrer Seite. Geiler Sound im Molotow, eine total sympathisch wirkende Band auf der Bühne, einer meiner Lieblingssongs direkt zu Beginn und dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, diese schon länger nicht mehr gehörten Hits alter Zeiten ungefiltert live um die Ohren geballert zu bekommen. Der Glückshormonausstoß beförderte mich direkt in die erste Reihe, um ekstatisch zu zucken, die Faust zu ballen und trotz einiger Textunsicherheiten die Band nach allen Kräften zu unterstützen. Der Großteil des Publikums nahm die Band zwar grundsätzlich sehr positiv auf („Schön, dass ihr wieder da seid!“ hieß es da z.B.), war aber eher bewegungsfaul. Das war aber auch sicherlich dem Umstand geschuldet, dass a) das Konzert mitten in der Woche stattfand und b) ich nach langer Zeit mal wieder das Gefühl hatte, den Altersschnitt eher zu senken denn zu erhöhen. Die Kids waren bei SS-KALIERT, die zeitgleich im Hafenklang lärmten, bei den EMILS die älteren Semester. Scheißegal, zusammen mit einer Handvoll weiterer Hartgesottener wurde ordentlich gefeiert und zu etwas vorgerückter Stunde war letztlich dann doch auch ein amtlicher Mob vor der Bühne zu sehen. Die Band wirkte bisweilen ein klein wenig unsicher; ich kann mir vorstellen, dass es früher mehr Interaktion mit dem Publikum gab. Dafür wurden die Songs aber nicht in gemäßigten Rentnerversionen dargeboten, sondern in Hochgeschwindigkeit wie eh und je. Wie bereits erwähnt „Viel zu langsam“, gefolgt von „Wer frisst wen?“, „Kosaken-Kaffee“, der Oberknaller „Die Abrechnung“, „Kirche nein“, „Kampfsignal“, „Schönes Leben“ etc. pp – man ließ sich nicht lumpen und feuerte eine Salve nach der anderen ab. Exzellente Songauswahl, in die sich ein paar Stücke eingeschlichen hatten, die ich gar nicht kannte, die sich aber so gut anhörten, dass ich beschlossen habe, meine Sammlung nun doch endlich um die noch fehlenden Scheiben zu erweitern. Zwischendurch sorgte ein Amp-Ausfall für Zeit zur Erholung, eigentlich gar nicht verkehrt. Als eigentlich der Zugabenblock beginnen sollte, fiel eben jener Amp aber erneut aus und sorgte für eine diesmal etwas nervige Zwangspause. Die Band bzw. vor allem deren Sänger überspielten diese aber durch humorvolle Kommunikation mit dem Publikum, bat den Schlagzeuger, etwas von Slayer zu spielen (was dieser auch tat) usw. und irgendwann ging es mit Zeug wie „Neo-Nazis“, „Deutsch und gut“ und „Dumm-Punk“ weiter, bis der Abend seinen Schluss fand. Die EMILS hatten lange genug gespielt, um mich auszupowern, ich hab keinen Song zwingend vermisst und der Gesamteindruck war sowas von positiv, dass ich hoffe, dass es das nicht schon wieder gewesen sein soll und man vielleicht doch noch weitermacht. Zumindest unregelmäßige Live-Gigs wären klasse und werden definitiv gebraucht! Ach ja, eine Coverversion gab’s, „Nein nein nein“ von den BUTTOCKS.

Am nächsten Tag wollte ich das Wochenende mit HAMMERHEAD auf der MS Stubnitz einläuten. Die MS Stubnitz ist ein im Hamburger Hafen liegendes Rostocker Schiff, auf dem ich, wie sich herausstellen sollte, bereits vor Jahren in Rostock schon mal war, als DRITTE WAHL auf ihm spielten. Zunächst einmal musste ich den ollen Kutter aber finden, denn sonderlich zentral liegt er nicht. Einen so langen Fußmarsch hat man in Hamburg auch nicht alle Tage, aber zusammen mit zwei anderen unterwegs getroffenen nicht ganz Ortskundigen war man dann doch irgendwann am Ziel angelangt. Zwar stand irgendwo im Internet irgendwas von 19:00 Uhr, doch mit der Realität hatte das nicht viel zu tun. Man musste ‘ne Zeitlang auf den Einlass warten und dann noch mal auf die erste Band. Die Zeit verbrachte ich natürlich mit viel Gequatsche, außerdem floss das „Force-Attack-Bier“, original Rostocker Pilsener, stets bis an den Rand der 0,5-l-Becher gezapft, wie Wasser die Kehle runter. Ein netter Gruß aus meiner mecklenburg-vorpommer’schen Heimat. Irgendwann machten T-34 den Anfang, eine augenscheinlich sehr junge Hardcore-Band mit schnörkellosem, sehr angenehmem Sound. Gefiel mir sehr gut, Plattitüden wie einen Anti-Oi!-Song hab ich geflissentlich überhört und lieber das BUTTOCKS-Cover (schon wieder?) „Deutsche raus aus Deutschland“ wohlwollend wahrgenommen. Geiler Gig, interessante Band! Die nun folgenden Leipziger OVERPOWER wussten ebenfalls zu gefallen, HC mit bischn Metalkante oder so und schön aggressiv röhrendem Sänger. Mittlerweile war die Zeit schon ordentlich vorangeschritten und von meinem Gedanken, nach Konzertschluss mit der letzten Bahn zurück in meine sympathische Kleinstadt zu fahren, verabschiedete ich mich langsam, aber sicher und besoff mich stattdessen mit dem köstlichen Rostocker Pils, das zudem meine Halsschmerzen vom übertriebenen Mitgegröle am Vortag bei den EMILS angenehm linderte. Irgendwie war die Luft aber bei mir raus, trotzdem wollte ich endlich HAMMERHEAD sehen. Ich erwartete nicht weniger als eine hasserfüllte, unterhaltsame Show, die Songs sind meines Erachtens beim Gesamtkunstwerk HAMMERHEAD nebensächlich. Ich kannte sie von Platte und von der schwerst unterhaltsamen „Sterbt alle!“-DVD, hatte aber bisher konsequent jeden Live-Gig verpasst. Ich weiß nicht genau, ob es an meinem Zustand lag oder meine Erwartungshaltung zu groß war, jedenfalls war ich von der HAMMERHEAD-Show mit ein paar wenig spontan wirkenden Sprüchen, monotonen Songs und albernem Outfits etwas enttäuscht. Hatte ich mir mehr von versprochen, hatte aber eben auch irgendwie nicht mehr so recht Bock. Vielleicht an anderer Stelle zu ‘nem anderen Zeitpunkt. Für den Rückweg schloss ich mich einer Gruppe Kidpunks an, die vorgaben, einen guten Weg zu kennen, der mich diesmal aber nach heillosem Gelatsche direkt zum Hauptbahnhof führte… Das kommt davon, wenn man sein Taxigeld versäuft. So richtig scheiße dekadent ging’s dann aber von der S-Bahn-Endhaltestelle noch mit dem Taxi nach Hause und es hieß Kraft tanken für…

…den Samstag, für den ich mich hatte überreden lassen, dem Auftritt SMALL-TOWN-RIOT-Normans vorm True Rebel Store in Hamburg-Altona beizuwohnen, der dort anlässlich eines Straßenfestes unplugged ein paar Rock’n’Roll-Klassiker und Artverwandtes zum Besten geben sollte. Bei bestem Wetter bekämpfte ich meinen leichten Kater mit Asianudeln, Cola und alkoholfreiem Bier und genoss die Zusammenkunft einer respektablen Rasselbande vorm Laden. Der Beginn verzögerte sich von 15:00 auf ca. 16:00 Uhr und als die ersten Akkorde gespielt waren, platzte mitten im Song ein Ordnungsfutzi herein, der anscheinend die Aufbauarbeiten beobachtet und nur darauf gewartet hatte, sich wichtig zu machen. Die Veranstaltung sei nicht angemeldet, Norman könne nicht weiterspielen, blabla, die ganze Scheiße. Während das sich mittlerweile zu ca. 50% aus „Laufkundschaft“ und 50% Freundes- und Bekanntenkreis zusammensetzende Publikum in den vorderen Reihen freundlich darum bat, ihn einfach weiterspielen zu lassen, kamen aus den hinteren Reihen bereits unentspanntere Sprüche und letztlich verschwand der Depp und es ging einfach weiter, diesmal ungestört. Norman spielte sich durch drei ca. halbstündige Sets und der eine oder andere soff sich bereits zu dieser Zeit einen beachtlichen Pegel an, während um ihn herum Familien mitsamt Kindern das Ambiente genossen. Schön war’s!

Ich hingegen hielt mich zurück, da ich beschlossen hatte, abends den Linken Laden in der Schanze aufzusuchen, um mir die UK-Alt-Punks MENACE anzuschauen. Sehr kleiner Laden für eine Band dieses Bekanntheitsgrads, die ich zuletzt vor etlichen Jahren im Logo gesehen hatte, wo sie vollends überzeugten. In sehr netter Atmosphäre wurden nun ein paar aktive Getränke gekippt, bis es gegen 21:30 Uhr losging. Der Konzertraum mit seiner Wohnzimmeratmosphäre war natürlich proppenvoll, doch das Schlimmste war die fast unerträgliche Hitze! Ich glaube, ich war noch nie auf einem Konzert, bei dem es so dermaßen heiß war… der Ventilator an der Decke verweigerte seinen Dienst und nur vom reinen Rumstehen lief einem schon die Suppe runter, das Bier verdunstete in Sekundenschnelle. Viele hatten da offensichtlich wenig Bock drauf und hielten sich lieber draußen am Tresen auf, hätten aber vermutlich eh nicht alle hineingepasst. MENACE waren gut drauf und hatten Bock, spielten natürlich hauptsächlich die alten Klassiker und weniger Zeug von den neueren, nach der Reunion veröffentlichten Alben. Leider ist der Originalsänger tot und als Trio, das sich den Gesang teilt, funktionieren MENACE zwar durchaus, mit einem richtigen Frontmann wär’s aber sicherlich geiler. Gerade der Gesang klang diesmal teilweise recht übel, was aber alles wiederum zur Atmosphäre des Gigs passte. Witzigerweise startete das Publikum irgendwann eine fiese Pogo-Attacke, bei der zwangsläufig alle mitmachen mussten, anders ging es angesichts der Enge gar nicht. Da kam richtig Bewegung in die Bude. Dass es der Luft nicht sonderlich gut tat, dürfte aber klar sein, und gnädigerweise wurde der Auftritt durch eine längere Pause unterbrochen. Neben der schönen und obligatorischen CLIFF-RICHARD-Coverversion „The Young Ones“ wurde übrigens mit „Monkey Man“ von den SPECIALS einer der miesesten Coverversionen gespielt, die ich jemals hören musste, haha… Letztendlich war sowas aber völlig egal, denn der Gig war einfach nett, hat Spaß gemacht, das Publikum war cool, der Laden schwül, die Band sympathisch usw… Seinen Ausklang fand dieser erinnerungswürdige Tag im Skorbut, wo ich bald mehr alkoholfreies als -haltiges Bier trank – von wegen „The Young Ones“, „The Last Year’s Youth“ und wie sie alle heißen – „I’m Civilised“, fürchte ich…