Wilhelmsburg – Elbinsel, Migrantenhochburg und seit mittlerweile doch geraumer Zeit auch Heimat woanders weggentrifizierten subkulturellen Jelumpes. Alteingesessen ist die Honigfabrik und die Zugezogenen organisieren regelmäßig Konzerte in der Fährstraße, doch das „Vorland“, wo an diesem Abend (die nichts mit Heinz Burt zu tun habenden und auch nicht „just like Eddie“ spielenden) BURT aus dem Saarland sowie die Hamburger Nicht-Crusties UPPER CRUST auftreten sollten, war mir neu. Die Wegbeschreibung klang irgendwie wenig vertrauenserweckend, aber auch neugierig machend konspirativ: Erst mal mit dem Schienenersatzverkehr auf die Insel, vorbei an ‘nem Asylbewerberheim und einer dicken Frau mit freilaufendem, schlecht hörendem Rottweiler, zu Fuß vor bis zur Autobahn und anschließend ein Loch im Gebüsch suchen, durch das es behände zu schlüpfen gilt. Letztendlich nichts, was mich abhalten könnte und als mich näherte, schallten UPPER CRUST schon gut durch die (von einer Regenattacke durchnässten) Botanik, wodurch sie mir die letzten Meter wiesen. Das Gelände erwies sich als eine Art Kleingartenparzelle mitten im Grünen mit kleiner Bühne, Tresen etc., wo sich für einen Donnerstagabend irgendwo in Nirgendwo eine beachtliche Zahl Interessierter zusammengefunden hatte. UPPER CRUST hatten anscheinend gerade angefangen, ihren deutschsprachigen HC-Punk mit ‘80er-Hektik-/Mosh-Metal-Einflüssen runterzuzocken und mussten leider auf ihren Sänger verzichten, der krank das Bett hütete, traten also wieder in der alten Dreierbesetzung an, in der sich der Gesang vornehmlich auf Drummer Lars und Klampfer Tommy verteilt. Der Sound war recht klar und druckvoll und die Performance garstig wie eh und je. Zwischendurch riss Jörg eine Basssaite, was aber schnell geflickt werden konnte. ‘ne Zugabe gab’s auch und laut Lars habe man sich wohl den einen oder anderen Lapsus erlaubt, wovon ich aber bis auf eine Ausnahme nichts mitbekommen habe. Auch zu Dritt wieder geile Scheiße für Freunde der gröberen Kelle!
In der Umbaupause erklärte man mir, dass dieser Ort wohl hauptsächlich für Elektroveranstaltungen genutzt werde und Punk/HC-Konzerte die Ausnahme seien. Das ist zwar bedauerlich, hielt mich aber auch nicht davon ab, mir das eine oder andere Dithmarscher zum „Zahl so viel du willst“-Preis einzuverleiben und langsam auf Temperatur zu kommen. Allzu lange sollte der offizielle Teil des Abends aber nicht mehr andauern, denn die als „Highspeed-Punk“ angekündigten BURT zockten ‘ne Art Powerviolence, was in diesem Fall ultraschnelles Gedresche sekundenkurzer Songs bedeutete, deren Übergänge sich allenfalls erahnen und sich schon gar nicht auseinanderhalten lassen, abgesehen vom einen oder anderen langsam Intro oder abfedernden Mosh-Parts. Der Shouter legte eine Psychopathenfresse auf und wurde leider meist von der Gitarre übertönt. Nach maximal 20 Minuten war der Spuk auch schon vorüber, wonach sich der Witz dann wohl auch spätestens abgenutzt hätte. Wohldosiert macht mir so’n Zeug aber durchaus auch Spaß und die Vorstellung, dass so’ne Band für 15-minütige Auftritte quer durch die Republik gurkt, gefällt mir.
Der Eintritt war übrigens frei, gegen Ende des Gigs ging der Spendenhut um. Angenehmerweise wurde man im Anschluss nicht gleich fortgejagt, im Gegenteil: Eine nicht unbeträchtliche Anzahl Menschen, unter die sich auch einige Flüchtlinge gemischt hatten, blieb vor Ort, führte diverse mehr oder minder gehaltvolle Gespräche, machte sich weiter über die Getränkevorräte her und ließ sich von den Mücken zerstechen. Die Organisatoren spendierten irgendwann sogar das reichlich übriggebliebene Band-Essen, bis wir in mittelgroßer Runde schließlich eine Spelunke für ‘nen gediegenen Absacker in Wilhelmsburg-City suchten, was sich als gar nicht mal so einfach erwies. Allerdings hatte ich auch längst vergessen, dass es ja noch nicht mal Wochenende war und letztendlich kam sowie alles anders… Spitzenabend in außergewöhnlichem Ambiente – bis auf die scheiß Mücken!
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