nervosa + rezet + killbite @bambi galore, hamburg, 20160615

Brazil’s finest in Sachen Thrash sind für mich momentan die Mädels von NERVOSA, die gerade ihr zweites Album „Agony“ veröffentlicht haben. Letztes Jahr hatte ich sie erstmals im Rock-Café St. Pauli gesehen (und mich direkt – wie vermutlich jeder Anwesende – ein bisschen in Bassistin/Shouterin Fernanda verknallt), dieses Jahr verschlug es sie nach Billstedt in Hamburgs geilste Metal-Butze. Den Anfang machen die Bremer KILLBITE, die ‘ne Mischung aus Crust und metalbeeinflusstem Hardcore zocken und vom aufgeschlossenen Publikum recht gut aufgenommen wurden. Der Shouter ging etwas auf Tuchfühlung, indem er auch mal die Bühne verließ und die ganze Band wirkte sympathisch und hochmotiviert. Kein schlechter Stoff!

Mit den Schleswigern REZET glaubte ich im Vorfeld, eigentlich weniger anfangen zu können. Auf eine Empfehlung hin hatte ich mir das jüngst veröffentlichte dritte Album „Reality is a Lie“ einmal angehört und konnte mit dem early-MEGADETH-beeinflussten Sound wenig anfangen. Live allerdings zog man nicht nur kräftig vom Leder, sondern auch ordentlich die Wurst vom Teller, so dass ich der Faszination der technisch anspruchsvollen, dennoch herrlich aggressiven Kompositionen mit dem recht eigenständigen, angepissten Organ Richtung Mustaine zu Demo-Zeiten immer mehr erlag. Ich werde mich noch mal in Ruhe mit der Diskografie der Band auseinandersetzen müssen und diesmal mit dem alten Material anfangen. Zugegebenermaßen liefen mir damals MEGADETH auch nicht gleich rein und musste ich mich erst mal an den Stil gewöhnen. Der Bombensound im Bambi wird seinen Teil zum positiven Gesamteindruck beigetragen haben und größere Teile des Publikums gingen längst steil.

Nach einem weiteren Bierchen an der frischen Luft und ’nem Klönschnack mit den TORTENSCHLACHT-Mädels, die eigens aus Rostock angereist waren (obwohl sie NERVOSA ein paar Tage zuvor bereits in Rostock gesehen hatten), betraten Prika Amaral, Fernanda Lira und Pitchu Ferraz die Bühne, um nach kurzem Linecheck das Tor zur Hölle aufzustoßen. Anfangs musste der Sound, insbesondere die Lautstärke des Basses und des Gesangs, noch kräftig nachjustiert werden, doch ab dann blies der Oldschool-Thrash des Trios ungetrübt durch die Gehörgänge. Atmosphärisch erinnerte mich der spezielle Klang, der an diesem Abend erzeugt wurde, in Verbindung mit der düsteren Lightshow an die Atmosphäre des SODOM-Erstlings „In the Sign of Evil“ – jedoch beherrschen NERVOSA ihre Instrumente weitaus besser als Angelripper & Co. damals. Trotz ihrer herrlich morbiden Ästhetik verstehen sich NERVOSA vornehmlich auf ernstzunehmende No-Bullshit-Lyrics und Fernanda mit ihrem gleichsam akzentuierten wie von Growls, Fauchen und Gekeife durchsetzten Gesang schreit und brüllt auf der neuen Platte gefühlt noch mehr als auf dem Debüt, dass es die reinste Freude ist, nur um live Sekunden später ihr entwaffnendes Lächeln aufzusetzen und fröhlich und entspannt mit dem Publikum zu kommunizieren. Allgemein knallt der neue Langdreher noch stärker als der erste, live kam Material beider Alben zum Zuge. Vom Demo spielte man leider nur „Masked Betrayer“, der Hammer wäre natürlich „Invisible Oppression“ gewesen. Ansonsten gab’s absolut nix zu mäkeln, das war großes Thrash-Kino! Fernanda riss mitten im Set übrigens eine Basssaite, was den weiteren Verlauf jedoch nur unwesentlich verzögerte. Ein großer Wermutstropfen war für mich, dass ich mich mit meinen frischen Beintattoos vom Vortag auf gar keinen Fall in den Pit stürzen oder nach vorn drängeln konnte, so dass ich mich vornehmlich im Hintergrund aufhielt. Deutlich gewachsen ist die Band, was sich an der vergrößerten Anhängerschaft ablesen lässt. Im Rockcafé letztes Jahr war noch wesentlich mehr Platz, diesmal war die Bude auch an einem Mittwochabend fast voll. Und wie ein Bekannter so schön bemerkte, schienen sich die Alpha-Banger gegenseitig darin übertreffen zu versuchen, die Mädels auf der Bühne zu beeindrucken. 😉 Leider schlugen am Merch-Stand LP und T-Shirt mit je 20,- EUR zu Buche, was mir dann doch etwas zu viel war, hatte ich doch auf Preise um die 15 Taler gehofft, immerhin atmen NERVOSA wesentlich stärker den guten alten D.I.Y.-HC- und Punk-Spirit als den Kommerz-Metal-Geschäftssinn. Nichtsdestotrotz war das Vinyl schnell vergriffen und evtl. war’s auch ‘ne Mischkalkulation, um den Eintrittspreis niedrig zu halten, der lag nämlich bei lediglich 8,- EUR! Das Timing passte perfekt, direkt nach dem letzten Scream, Akkord und Beat bekam ich noch die letzte Bahn nach Hause, Zugaben waren anscheinend ohnehin nicht eingeplant – auch meinerseits nicht, wenngleich ich mir vorsorglich den nächsten Tag freigenommen hatte. Man lernt ja dazu… Ich hoffe, NERVOSA beehren Hamburg bald wieder, denn momentan könnte ich mir die locker mehrmals pro Jahr geben.

P.S.: Leider auch hier keine vernünftigen Fotos, ist echt schlecht aus den hinteren Reihen…