orängättäng + schrotz + crass defected character @störtebeker, 24.10.2015HC-Punk-Gig im schwer sympathischen und altehrwürdigen Störtebeker und ich hatte a) es rechtzeitig vernommen und b) sogar Zeit! Natürlich war ich wieder viel zu früh, so dass ich noch in Ruhe etwas essen gehen und mit Valentin über Kitsch im Metal diskutieren konnte. Der Andrang war dann irgendwann groß, als die lokalen CRASS DEFECTED CHARACTER die Bühne betraten und, verdammt, derart souverän hatte ich die bisher noch nicht gesehen! An Selbstbewusstsein mangelte es dem Trio überhaupt nicht mehr und das zu Recht, bei den HC-Punk-Songs ihres vor einigen Monaten veröffentlichten Debüt-Albums „…an der Zeit“ saßen jeder Griff, jedes Break, jeder Fill. Die Soundqualität war zudem derart gut, dass die deutschsprachigen Texte der größtenteils vom Gitarristen mit reichlich Nachdruck dargebrachten Stücke prima zu verstehen waren und sich so jeder Anwesende vom gleichsam provokanten wie kapitalismuskritischen Inhalt überzeugen konnte. Da es keine klassischen „Vorbands“ gab, konnten CDC quasi ihr komplettes Set zocken und auch die Gesangseinlage einer jungen Dame, die leicht an selige RIOT-OF-RATS-Zeiten erinnerte (wenn auch nicht ganz so schrill), kam gut. Klasse Gig!

Die Rostocker SCHROTZ wiederum schlugen in eine musikalische etwas andere Kerbe, das aber brachial. Derbes Crust-Geballer und -Geröhre brachten das Störte zum Erbeben, wozu der Sänger durch die vorderen Publikumsreihen tingelte und mit Nachdruck Körperkontakt suchte. Der Auftritt polarisierte aber auch, so dass sich die Reihen etwas lichteten; die, die blieben, fanden’s aber richtig gut und feierten es auch gebührend ab, während ich mich ehrlich gesagt zwischendurch auf ein Bierchen und etwas Klönschnack vor die Tür und ins Onkel Otto verzog. War nicht so wirklich meine Mucke, zu kalkuliert auf pure Härte getrimmt und damit mir zu eindimensional, Anhänger des kompromisslosen Crust-Punks dürften aber auf ihre Kosten gekommen sein.

Das kam ich schließlich bei ORÄNGÄTTÄNG, die ich erst zwei Wochen zuvor so richtig im Rahmen des Hamburg-Inzest-Abstechers nach Kiel für mich entdeckt hatte. Pfeilschnelle HC-Punks-Riffs zerschnitten die stickige Luft im nun wieder eng gewordenen Club, hektischer und aggressiver Gesang stachelte die Meute an und das versierte Powerdrumming des Schlagwerkers dürfte locker zum Besten zählen, was in diesem Bereich gerade in der Hansestadt zu bekommen ist. Die Stimmung war ausgelassen und lud auch mich zum Tänzchen; erweitert wurde der Gig wieder um diesmal wegen der großen Nachfrage gleich zwei Gastgesangseinlagen eines Typen, der zum OÄ-Sound nasal bedeutungsvolle Texte von Notizzetteln ablas und zum aufmerksamen Zuhören riet, immerhin gehe es um medizinisch-psychologische Untersuchungen, die uns allen noch bevorstünden… Später sprangen noch zwei Mädels auf die Bühne und unterstützten das Trio mit Gesang und Tanz und nach dem ersten chaotischen Abgang der Band folgte der erste Zugabenblock, auf den sogar noch ein zweiter folgte. GG ALLINs „Don’t Talk To Me“ durfte dabei nicht fehlen und irgendwann war dann leider wirklich Schluss. Mich laust der Affe, ein grandioser Gig!

Ähnlich klasse übrigens das Publikum inkl. einiger alter Bekannter, denen ich auf dem Hinweg zufällig über den Weg lief, die meinen Konzerttipp dankend annahmen und ebenso wenig enttäuscht wurden wie ich. Schade nur, dass der Abend für eine junge Punkette reichlich unschön endete, als sie – wenn ich das richtig mitbekommen habe – mit einem Asthmaanfall vom Notarzt abgeholt werden musste, weil ihr Spray verschwunden war. Davon einmal abgesehen war der Heiermann bestens investiert und ich hoff e, dass sich bald wieder die Gelegenheit für einen Abstecher ins Störtebeker ergibt.