violent instinct + the mortis + yacøpsae + bolanow brawl + kaos kabeljau @juz reinbek, 16.08.2013Heidi und Christian haben geheiratet! Und direkt vom Standesamt ging’s ins Reinbeker Jugendzentrum, um dieses einschneidende Ereignis zünftig zu feiern. Schon früh wurden wir gefragt, ob wir mit BOLANOW BRAWL dort aufspielen wollten und sagten selbstverständlich zu. Zusammen mit drei oder vier anderen Bands sollte der Gig über die Bühne gehen, doch je näher der Termin rückte, desto stärker wurde das geplante Line-up durchgeschüttelt, rotierte munter das Band-Karussell: Die Oi!-Punks und -Skins von IN VINO VERITAS sahen sich gezwungen, ihren Auftritt wegen Querelen mit dem VIOLENT-INSTINCT-Drummer abzusagen. Evtl. sollten die Kolumbianer von INFESTO, die gerade in Deutschland weilten, noch vor ihrem Gig in der Lobusch spontan für ein paar Songs einspringen, was letztlich leider nicht klappte. KAOS KABELJAU kamen ins Gespräch, was jedoch bis zuletzt auf der Kippe stand, allein schon, weil man sich kurz zuvor von seinem Sänger getrennt hatte. Usw. usf. – die Zeichen standen auf Überraschungs-Line-up und selbst unser Gig auf der Kippe, da Lead-Gitarrist Ole auf Montage in Brasilien festhing und aufgrund eines Helikopterpiloten-Streiks nicht rechtzeitig nach Deutschland zurückkam. Kurzerhand hatten wir aber beschlossen, einfach auf die zweite Gitarre zu verzichten und schneller, lauter und dreckiger unser Set durchzuziehen – allerdings auch noch ungeprobt, weil die Urlaubssaison ausgebrochen war… Am Juz angekommen wurde, nachdem der zickige und unterkühlte Grill endlich lief, nicht nur für reichlich Freibier, sondern auch für Speisen gesorgt und nach gar nicht allzu langer Zeit betraten dann auch KAOS KABELJAU die Bretter, tatsächlich ohne ihren Sänger, also nur noch als Trio, wobei man sich den Gesang aufteilte. Dem deutschsprachigen Hardcore-Punk der Kiemenkaoten schadete das nicht unbedingt, allgemein wirkten die Songs etwas kompakter als zuletzt und war ein Fortschritt erkennbar, der der Band gut zu Gesicht stand. Das Fehlen des Sängers geht allerdings zu Ungunsten des Charismas der Band – mal schauen, wie sich das weiterentwickeln wird. Der Opener zu recht früher Stunde zu sein, ist natürlich immer eine etwas undankbare Aufgabe, aber man erntete Applaus und zog sich sehr achtbar aus der Affäre!
Dann schlug die Stunde der Wahrheit und wir fanden uns zum Soundcheck auf der Bühne ein. Ein paar technische Probleme wurden schnell gelöst und uns ein glaube ich ganz guter Sound zurechtgezimmert. Der Alkoholisierungsgrad unserer Band hatte jedoch einen neuen Rekord aufgestellt, zumindest, was die Zeit auf der Bühne betrifft. Bis auf einen neuen Coversong zogen wir das komplette Set durch, das dann doch recht dankbar aufgenommen wurde, da kam was vom Publikum zurück (und es war kein faules Obst!). Die Luft war noch gut und unverbraucht, meine Texte saßen souverän und dass Oles Gitarre fehlte, hörten wir natürlich an allen Ecken und Enden, störte das in Ermangelung von erhältlichen Aufnahmen nicht sonderlich mit dem Material vertraute Publikum aber natürlich weitaus weniger als uns. Wir machten schlicht das Beste aus der Situation und hatten viel Spaß dabei, laberten so viel Mist wie nie zuvor auf der Bühne und überspielten die etwas widrigen Umstände mit Grottenhumor. Christian an der einzig verbliebenen Gitarre sang zwischenzeitlich sogar ein Solo – hört man auch nicht alle Tage. Wie gesagt war der Funke übergesprungen und führte dazu, dass Heirats-Christian die Bühne besetzte und eine Zugabe forderte, als wir schon längst wieder am Einpacken waren. Also doch noch einmal „Total Escalation“ herausgepeitscht und Schluss!
Die Herren YACØPSAE, seit Jahr und Tag eine Hamburger Legende, wenn es um Klangerruptionen der heftigsten Sorte geht, waren nun an der Reihe und die orakelige Ansage, gleich den Laden leerzuspielen, sollte sich unverständlicherweise ein Stück weit bewahrheiten. Tatsächlich war das folgende Soundgewitter dem einen oder anderen anscheinend zu derbe, so dass sie sich lieber bei bestem Wetter vor der Tür tummelten. Auch unser Drummer Raoul versicherte mir noch mit Bolanow-geschwängertem Blick, dass Power Violence sein „Lieblings-Violence“ wäre – und ward anschließend nicht mehr gesehen. YACØPSAE begannen mit einem schleppenden Stück und ließen die tiefstgestimmten Instrumente röhren, beim pfeilschnellen Grindgedonner hatte ich dann durchaus meine Freude. Zugegeben, so richtig tanzbar ist das dann weniger, aber nach relativ kurzer Zeit (20 Minuten?) hatte der Spuk (?) auch schon wieder ein Ende und THE MORTIS aus Meppen, die mir nun so gar nichts sagten, legten los – und wie! Die Band machte einen sehr erfahrenen Eindruck und begann mit einigen Songs, die mich ein wenig an die flotteren älteren BACK-SABBATH-Songs mit ’ner Punknote erinnerten, was schon sehr ohrenschmeichelnd klang. Doch man hatte glatt noch ein Ass im Ärmel, tauschte kurzerhand die Bassgitarre gegen einen Kontrabass aus und änderte den Stil zugunsten hymnischen Punk’n’Rolls mit gewisser MISFITS-Horrorpunk-Kante, ohne Glenn Danzig & Co. stumpf zu kopieren. Das überraschte, denn manch einer hätte sicherlich eher mit Rocka- oder Psychobilly gerechnet. Mir hat der Stil außerordentlich gut gemundet und dem Rest der Anwesenden ebenfalls, wodurch der Abend seinen ersten echten Höhepunkt erreichte.
Währenddessen flossen auch die Erfrischungsgetränke in Strömen und VIOLENT INSTINCT um die charismatische Sängerin Aga und mit einem neuen Bassisten für die ausgeschiedene Viersaiterin hatten leichtes Spiel, den Ball aufzunehmen und zu verwandeln. 1A-Streetpunk mit intelligenten deutschen Texten, Genre-Klischees weitestgehend außen vor lassend und ebenso druckvoll wie leidenschaftlich vorgetragen. Der Sound war auch klasse und eingestreute Oi!-Klassiker wie „Watch Your Back“ und „Solidarity“ luden zum kollektiven Mitgrölen ein, während Aga immer wieder das Mikro ins Publikum reichte. BOLANOW-BRAWL-Bassist Stulle und ich feierten die Band gnadenlos ab und gaben uns den Rest. In meiner Erinnerung verließen wir nach dem Schlussakkord brav den Ort des Geschehens und traten die Heimreise an, doch Pustekuchen, wie mir meine glücklicherweise stets die Übersicht bewahrende Perle von Freundin am nächsten Tag eröffnete: Nach VIOLENT INSTINCT wurde noch fleißig weitergefeiert, bis Stulle und ich uns sogar noch einen waschechten Bolanow-Brawl lieferten – Authentizität ist eben alles!
Alles in allem war’s ’ne überaus gelungene Party bei und mit fitten Leuten in einem coolen Laden und mir bleibt nur, mich bei den Roses zu bedanken! Klar, ein paar mehr Leute hätten von mir aus ruhig noch reingepasst, aber dafür war’s eben ’ne Privatparty, die im Vorfeld nicht an die große Glocke gehängt wurde. Dass wir auch auf deren nächster Hochzeit spielen würden, verkneif ich mir an dieser Stelle aber aus gutem Grunde. 😉