elb-tsunami 2013Nach der Hafenklang-True-Rebel-Bolanow-Sause am Tag zuvor erst um 15:15 Uhr in desolatem Zustand aus der Koje gekrochen, ging es am späten Nachmittag Richtung Elbinsel, wo ich mir erstmals den (mittlerweile schon dritten) ELB-TSUNAMI anschauen wollte. Ja, in Wilhelmsburg wird einem mittlerweile auch in Sachen Subkultur einiges geboten, einer der Höhepunkte dürfte das kostenlose Open-Air-Festival ELB-TSUNAMI sein, das gleich neun Bands aus Hamburg und Umgebung zu bieten hatte. Leider kamen wir zu spät auf das asphaltierte Gelände in Bahnhofsnähe, um noch YARD BOMB zu sehen, dafür bauten gerade UPPER CRUST auf. Bierchen 1,50 EUR, da kannste nix sagen, was zu essen gab’s auch, meine Süße und ich hielten uns erst mal an ’ne Cola. Da lief zwar einiges an Volk herum, doch vermutlich hatten die ungünstigen Wetterverhältnisse und der Regen, den wir zum Glück verpasst hatten, sowie manch Kater dem einen oder anderen die Lust vermiest, hier aufzulaufen. Ich wollte mir das aber keinesfalls entgehen lassen und tat auch gut daran, denn UPPER CRUST, die ich zum zweiten Mal sehen durfte und die zwei Dritteln aus STAHLSCHWESTERn bestehen, versetzten mich erneut mit ihrem sehr eigenständigen Hardcore-/Metal-/Crossover-Punk in Verzückung. Hammerharter Nacken- und Knochenbrecher-Sound mit eigenwilligen deutschen Texten, gesanglich darf jeder mal ran, wobei den Hauptteil Gitarrist Tommy übernimmt, Drummer Lars spielt einen ultrafiesen, technisch verdammt versierten Beat und der Bassist malträtiert sein Instrument und verleiht der Energie der Musik mit wilden Körperzuckungen und -windungen Ausdruck. Mir schienen einzelne Songs diesmal länger und ausgefeilter, als habe man sich mehr Zeit für ausgiebiges Geriffe genommen. Geile Scheiße, könnte ich mir direkt noch einmal reinziehen und ich hoffe, man teilt die Bühne in absehbarer Zeit mal miteinander!

Die EMILS hab ich seit ihrer Reunion glaube ich drei Mal gesehen, alle drei Gigs waren göttlich und somit waren sie neben YARD BOMB und UPPER CRUST der Hauptgrund für mein Erscheinen auf dem ELB-TSUNAMI – neben der Unterstützung der Sache an sich natürlich. Nun wurde deutlich, dass es auch hier einen engen Zeitplan gab, die EMILS mussten ihr Set etwas kürzen. Außerdem war der Sound zwar grundsätzlich gut, doch was ich bei UPPER CRUST nur vermutet hatte, wurde nun zur Gewissheit: Der Snaresound war sehr leise, evtl. nicht richtig abgenommen, keine Ahnung. Das tat meiner Laune und der Qualität aber keinen Abbruch, die EMILS reihten Hit an Hit und luden zum Fäusteballen und Mitgrölen ein. Das tat ich auch, für mehr war ich diesmal (erstmalig!) aber nicht zu bewegen, nicht in meinem Zustand. Generell hatten es die Hardcore-Punks mit ihren durchdachten und kämpferischen deutschen Texten und ihrer leichten Metal/Crossover-Kante aber schwer, die Meute zu animieren, wenngleich sich dann doch wenigstens regelmäßig fünf bis zehn vor der Bühne mehr oder weniger rhythmisch bewegten. Daran sieht man mal wieder, wie verwöhnt das Hamburger Publikum ist – wenn eine Band wie die EMILS gratis an einem Samstagabend aufspielt, lässt man sich doch eigentlich nicht lange bitten – das Gelände muss voll sein, da gibt’s gar keine zwei Meinungen! Aber was weiß ich denn schon… Sänger Ille führte gewohnt humorvoll durchs Programm und machte Faxen, der Kerl ist ein Entertainer. Gecovert wurde der Hamburger Brachialpunk-Klassiker „Nein nein nein“ von den BUTTOCKS, immer ’ne astreine Wahl. Gegen Ende fielen dann leider sogar noch die Monitorboxen aus, so dass die Band auf der Bühne gar nix mehr hörte, doch sie zog dennoch tapfer die letzten drei Stücke durch, und das völlig unbeeindruckt und abgezockt. Auch eine dieser Bands, die ich mir ständig geben kann, noch hat’s sich zumindest nicht abgenutzt. Ich wünsche den EMILS für ihren nächsten Gig aber wieder mehr und begeisterungsfähigeres Publikum!

Über ICHSUCHT hatte ich schon viel Gutes gehört, bisher ging aber jeder Gig an mir vorbei. Hardcore-Punk aus Hamburg mit deutschen Texten und weiblichem Gesang, und dies war meine Gelegenheit, mir das Ganze mal reinzuziehen. Ja, schlecht ist anders: Die Dame kniet sich voll rein, gibt 100 Prozent, kann keifen und zetern, kann aber vor allem auch singen, was ’ne bemerkenswerte und verdammt gut hörbare Mischung ergibt. Musikalisch bekommt man HC-Punk serviert, der immer wieder mit feinen Melodien auffällt. Textlich gibt man sich sehr engagiert und kämpferisch, gesellschafts- und szenekritisch, und man geizt nicht damit, mitunter etwas dicker aufzutragen, gar Pathos zu verwenden. Ich find das ja gar nicht verkehrt, hab für so etwas ’ne gewisse Schwäche, wenn’s gut gemacht ist – so z.B. bei „Ein Leben“, der sich als echter Ohrwurm entpuppte, der mir noch lange im Gehörgang nachhallte. Witzig war übrigens der mitunter recht exzessive Kunstnebelgebrauch bei allen Bands, den sich ICHSUCHT nach ein, zwei Songs verbaten, aus Angst, auf die Nase zu fliegen. Verständlich! Nach diesem überzeugenden und von den Anwesenden auch recht gut angenommenen Gig zog es uns heimwärts und wir ließen den Abend erschöpft, aber glücklich bei Spaghetti und „Henry – Portrait of a Serial Killer“ ausklingen, während auf der Veddel hoffentlich noch kräftig mit den übrigen Bands weitergefeiert wurde! Ganz feine Sache, das, ich hoffe auf eine stärker frequentierte Wiederholung bei besserem Wetter!