punkrock-karaoke

Donnerstag Probe, Freitag Gig – um gar nicht erst aus dem Grölrhythmus zu kommen, fand ich mich am Halloween-Abend im Menschenzoo ein, wo es ein Wiedersehen mit der Dresdner Punkrock-Karaoke-Band gab, die erst wenige Wochen zuvor das Monkeys im Rahmen der KASSIERER-Aftershow-Party zum Kochen brachte. Zunächst sah’s aber sehr mau aus, es war schlicht noch keine Sau da. Der Beginn der Sause wurde also leicht nach hinten korrigiert und tatsächlich stolperten noch ein paar Leute herein und so langsam ging’s dann los. In reichlich ausgelegten Flyern konnte sich jeder aus dem schier unerschöpflichen Repertoire der Sachsen einen oder mehrere Songs aussuchen, die er oder sie mit der Band schmettern wollte. Doch wie das manchmal – gerade im Norden – so ist: Alle übten sich in Zurückhaltung, niemand traute sich. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich der erste war, der sich erbarmte oder ob ich lediglich die peinliche Stille nach dem Debütanten brach, jedenfalls nahm ich mich SLIMEs „Deutschland“ an und unterschlug die letzte Strophe, weil ich noch nicht kapiert hatte, dass die ausgehändigten Textblätter auch auf der Rückseite bedruckt sind – mal ganz davon abgesehen, dass man diesen Text eigentlich auswendig zu können hat – Grundlagen erstes Semester Punkrock. Boah ey… Mit glücklicherweise steigender Besucherzahl fiel mir auf, wie aufwändig viele aufgrund der Halloween-Feierlichkeiten geschminkt waren. Das scheint von Jahr zu Jahr mehr zu werden!? Nette Anblicke jedenfalls, die diversen Horrorfratzen (und JA, es war wirklich lediglich Schminke). Die Band jedoch hatte nach wie vor große Mühe, den jeweils nächsten Kandidaten zu finden, obwohl sie mit ‘nem Schnappo nach jedem Einsatz lockte. Zwischenzeitlich sprang der Fahrer, Ausschenker und Zettelverteiler der Band (sorry, Namen vergessen) immer mal wieder ein und gab bekanntes Liedgut zum Besten. Als Aktivposten erwiesen sich zwei Mädels, die mehrmals zum Mikro griffen und direkt zu Beginn eine klasse „Schrei nach Liebe“-Performance hinlegten. „All the Small Things“ wurde ebenso kompetent rübergebracht, eine andere Dame verdingte sich hörenswert an „Teenage Kicks“ und ließ gleich ihre Handtasche auf der Bühne liegen, „Bonnie & Clyde“ der TOTEN HOSEN gab’s im Duett, „Für immer Punk“ ging reichlich in die Hose, AGNOSTIC FRONTs „Gotta Go“ passte wieder und wenn zwischenzeitlich dann doch trotz mittlerweile respektablen Besucherandrangs und immer lockerer werdender Stimmung mal wieder gar nichts ging, hat die Band einfach selbst gesungen, z.B. „Born to Lose“ oder „Reach for the Sky“.

Zwischendurch gab’s auch mal ‘ne längere Pause, die die Band sich verdient hatte, spielte sie doch insgesamt mehrere Stunden! „Kopfschuss“ von WIZO kam ebenso zu Ehren wie „Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland“ von der TERRORGRUPPE und das unsägliche „Punk und Polizei“ vom UNTERGANGSKOMMANO, also relativ „Deutschpunk“-lastig. Dass einige Leute mehrmals ranmussten/-durften, war längst obligatorisch, wurde jedoch immer wieder aufgelockert durch spontan reinschneiende, mittlerweile gern mal gut alkoholisierte verhinderte Chorknaben, wobei die beiden in Frauenkleider gewandeten Punks den Vogel abschossen und meine im ersten Block abgelieferte „Kneipe zur trockenen Kehle“-Version in Sachen Dreck und Authentizität locker in den Schatten stellten. Barfrau Iris zuliebe versuchte ich mich zusammen mit einer der Damen an „Should I Stay Or Should I Go“, was mit Abstand meine schwierigste Übung war, ansonsten mussten noch „Ace of Spades“ (bei dem ich schön über’s Solo sang…), „Last Caress“ und „Fotze“ (LOKALMATADORE), bei dem man mir versehentlich die letzte Strophe vorenthielt (die ich aber dennoch irgendwie hineinpresste 😀 ), herhalten, bis ich nach dem abschließenden kollektiven „Banned from the Pubs“-Refrain-Mitgegröle, bei dem gefühlt die ganze Kneipe mitsang, endgültig keine Stimme mehr hatte.

Meinen tiefsten Respekt hat übrigens die Band dafür, wie sie es schafft, trotz anfänglicher extremer Zurückhaltung seitens des Publikums animierend und motivierend zu wirken, dabei den Humor nie zu verlieren und sich auch von schrägsten und falschesten Interpretationen nicht aus dem Konzept oder Spielfluss bringen zu lassen. Im Gegenteil, die drei Jungs sind derart versiert, dass sie bei Unsicherheiten der jeweiligen Sangeskünstler auch mal helfend eingreifen oder zu improvisieren verstehen. Apropos, beinahe hätte ich’s vergessen: Eines der Mädels forderte vehement „Zombie“ von den CRANBERRIES, das die Band eigentlich überhaupt nicht im Programm hat, es sich nach der Pause aber kurzerhand selbst draufschaffte, ohne das Original im Vergleich hören zu können! Die anschließende Karaoke-Nummer war dann aber musikalisch wie gesanglich tip top, hatte sich also tatsächlich gelohnt. Und zu späterer Stunde kam noch jemand mit ‘nem gänzlich unbekannten Stück, teilte jedoch kurz die Akkorde mit und schon konnte auch das Ding gezockt werden – herrlich, wie simpel Punkrock manchmal sein kann! Soundmann Norman hielt die Nacht wacker durch und regelte immer wieder die Gesangskanäle nach, um diese auf die unterschiedlichen Stimmen einzustellen. Hut ab auch vor allen, die das Risiko eingingen, sich auf der Bühne zum Horst zu machen, denn das macht eigentlich niemand – außer denjenigen, die insgeheim eigentlich auch gern mal würden, sich aber einfach nicht trauen, unverrichteter Dinge irgendwann nach Hause gehen und sich dann über sich selbst ärgern. Hut ab auch deshalb, weil der Umstand, dass man evtl. gar nicht singen kann oder den Text ablesen muss, nicht die einzige Herausforderung bei dieser Form von Karaoke ist: In der Regel hat man weder alle Einsätze sofort korrekt parat noch die Songstruktur detailliert vor Augen und ein verpatzter Einsatz kann einen auch schon mal komplett aus dem Konzept bringen. Insofern Chapeau an alle, die sich davon nicht abhalten lassen, sich mal locker machen und diesen Spaß mitmachen!

Punkrock-Karaoke mit Live-Band – dieses Konzept hat Zukunft. Wenn dein Club dazu aufruft, geh hin und schnapp dir das Mikro!