city rats + disillusioned motherfuckers @el dorado, hamburg, 29.12.2012Wenn der Hamburger Gaußplatz spontan für ein Kneipenkonzert anfragt, sagt man natürlich zu – auch, wenn sich der Bassist gerade irgendwo im Exil („Urlaub“) auf einer einsamen Insel befindet, telefonisch nicht erreichbar ist und erst einen Tag vorher in hiesige Breitengrade zurückkehrt. Glücklicherweise war dieser aber Feuer und Flamme, wenngleich er seinen Rückflug verpasste und erst noch später wieder zur Verfügung stehen sollte. Dies war jedoch noch das Harmloseste in einer Kette aus Pleiten, Pech und Pannen, die uns hinsichtlich des letzten DISILLUSIONED-MOTHERFUCKERS-Gigs im Jahre 2012 das Leben erschwerten. Da man sich eigentlich in einer Art Winterpause befand und dementsprechend länger nicht mehr geprobt hatte, wollte man am Nachmittag vor dem Gig noch einmal den Set im Probebus komplett durchzocken. Unglücklicherweise geriet mein Alkoholkonsum auf einer Party in Kiel am Tage zuvor letztlich dann doch ziemlich außer Kontrolle und erwies sich die Rückfahrt in klirrender Kälte derselben Nacht als nicht ganz unkomplex und anstrengend, so dass ich viel zu spät in die Federn kam – und am nächsten Tag mit Mordskater so dermaßen verschlief, dass ich fast rekordverdächtige zwei Stunden zu spät zur Probe antrat. Nach den ersten paar Songs riss zudem eine Saite an Kais Gitarre, Ersatz befand sich nicht auf Lager und alle saitenführenden Läden hatten zu – perfekte Organisation im Hause DMF! Glücklicherweise konnte uns Wurzel, der sich auch um den Sound und allgemeinen Ablauf des Konzerts kümmerte, mit einer Ersatzgitarre aus seinem Fundus aushelfen – dafür noch einmal vielen Dank! Diese war aufgrund ihres verkürzten Halses ungewohnt in der Handhabung für Kai, sollte ihren Dienst aber tadellos verrichten. Meine alternden Knochen jedoch zollten Kälte, Bewegungsmangel etc. Tribut und die damals noch unbehandelten Lendenwirbelprobleme, die ich bereits einige Tage mit mir herumschleppte, erreichten einen neuen Höhepunkt. Normales Gehen wurde zum leichten Hinken, an schmerzfreie Bewegung war nicht zu denken und ich fand mich mit dem Gedanken ab, in der ohnehin schon engen Kneipe in den Bewegungsmöglichkeiten weiter eingeschränkt zu sein. Die Zeit bis zum Beginn nutzte ich, um etwas feste Nahrung in den Magen zu bekommen und mit Konterbieren dem Kater etwas entgegenzusetzen, was jedoch nicht so recht funktionieren wollte. Die gemütliche, beheizte Gaußplatz-Kneipe „El Dorado“ füllte sich zwischenzeitlich zusehends mit vielen Interessierten, die „zwischen den Jahren“ die Nase voll hatten von Idylle und Kitsch und sich durch die Kälte zum Ort des Geschehens schlugen. Irgendwann fiel der Startschuss und wir eröffneten für die CITY RATS aus Israel. Witzigerweise fanden zwei unserer bis dato drei Auftritte auf Bauwagenplätzen mit israelischen Bands statt – um uns eine ausgewiesene Israel-Konnektschn anzudichten, ist es aber wohl noch zu früh. 😉 Wie dem auch sei, im Publikum befanden sich viele, die uns zum ersten Mal sahen und wir gaben unser Bestes; auch das neue Stück „Montag, der 13.“ fand in den Set, wenngleich ich den Text noch vom Zettel ablesen musste. Wie gewohnt von solchen Auftrittsmöglichkeiten gibt es weder eine richtige Bühne noch Monitorboxen, was für solche Orte auch leicht überdimensioniert wäre. So stand man sich also wieder Auge in Auge gegenüber, wie es sich für eine vernünftige Hardcore-Punk-Show gehört. Die Bude war rappelvoll und es wurde somit unser bislang größter Auftritt. Mit letzten Kraftreserven brüllte ich die Texte heraus und vermied schmerzhafte Bewegungen wie z.B. Sprünge. Satan sei Dank konnte ich mich auf meine trotz aller widrigen Umstände souveränen Mitstreiter verlassen, die für eine früh abgebrochene Probe erstaunlich gut bei der Sache waren, nur kleinere Patzer schlichen sich ein wie z.B. eine etwas zusammenimprovisierte Version des Coversongs „Les Rebelles“, was aber kaum jemand bemerkt haben dürfte. Generell versicherten mir anschließend viele, dass man uns bzw. meinem verkaterten und angeschlagenen Häufchen Elend, das von meiner vorherigen Existenz noch übriggeblieben war, davon nichts oder kaum etwas angemerkt hätte und der Gig gut rüberkam, lediglich der Sound für den einen oder anderen wahlweise zu laut oder zu leise war, aber irgendwas ist ja immer und vor allem stark abhängig von der Perspektive zur Bühne. Eine Zugabe noch und: Uff, geschafft, und geschworen: Nie wieder so abschießen am Tag vorher!

Anschließend konnte ich mich endlich entspannt zurücklehnen, weiter am Konterbierchen nuckeln, das nicht mal zu einem Placebo-Effekt zu überreden war, mich von meiner aufopfernden und verständnisvollen besseren Hälfte umsorgen lassen und mir genüsslich den CITY-RATS-Auftritt reinziehen, der besten UK-’82-HC-D-Beat-Chaos-Schießmichtot-Pogo-Punk bot, der ohne Kompromisse sehr respekteinflößend vorgetragen wurde. Die Menge tobte, der Pöbel schwitzte und die Band spielte lange und ausgiebig, setzte immer noch einen drauf und unterstrich ihre seit Jahren bestehende Hamburg-Altona-Verbindung, indem sie Songs über den Fußballclub Altona 93 trällerte etc. Coverversionen fanden auch Berücksichtigung, aber ich kann mich leider nicht mehr genau erinnern… (ja ja, soviel zum Thema „nicht mal Placebo-Effekt“, is‘ klar…) War’s ein deutsch gesungenes SCHLEIMKEIM-Cover? Egal. Was für eine Power, was für eine Energie! Das komplette Gegenteil davon, wie ich mich fühlte. Das machte besonders zusammen mit dem sympathischen Publikum alles großen Spaß und endlich weiß ich, weshalb die CITY RATS, die ich bisher stets schändlicherweise verpasst hatte, immer wieder nach Hamburg eingeladen werden. Summa summarum ein geiler Gig, den ich unter anderen Umständen sicherlich noch mehr hätte genießen können. Freue mich schon auf den nächsten Hamburg-Besuch der Stadtratten!