Das sog. Thrash-Revival hat mittlerweile ja auch schon mehr Jährchen auf dem Buckel, als die Hochzeit des Thrashs in den seligen Achtzigern überhaupt andauerte. Und es ist nicht frei von Kritik; viele bemängeln fehlende Eigenständigkeit aktueller Bands, das Unvermögen, echte Songs mit Widerhaken zu schreiben und inhaltliche Belanglosigkeit. So viel Spaß es mir bereitet, dass wieder so viele Oldschool-Thrash-Bands unterwegs sind, so kann ich angesichts vieler Veröffentlichungen diese Kritik zumindest im Ansatz auch nachvollziehen. In jedem Falle aber gibt es einige Bands, die dieser absolut erhaben sind; eine davon sind definitiv die Brasilianer Violator, die Headliner dieses denkwürdigen Abends in Hamburgs bester Metal-Adresse, der ruhmreichen Bambi Galore.
Vor Ort angekommen, hatte sich schon reichlich bekuttetes Volk vor der Tür versammelt, ein moderner „Ghettoblaster“ im handlichen Format dudelte geschmackvolle Klassiker von Toxik über Kreator bis Crucifixion (!) und das erste Bierchen lief die Kehle herunter. Satte vier Bands umfasste das Billing, den Anfang machte der fast-lokale Support HYDROPHOBIC aus Uelzen – die an diesem Abend sicher nicht ihr Publikum hatten. Für einen Oldschool-Abend verflixt moderner Deathcore bollerte aus der P.A. und wie so oft bei solcher und ähnlicher Mucke war’s technisch mitunter durchaus beeindruckend, musikalisch aber so gar nicht meins. Vor der Bühne hatte man sich nur spärlich versammelt und einige warfen den Musikern entgeisterte Blicke zu, als wären sie Außerirdische.
Schon ein anderer Schnack waren dann REVOLT (heißen wirklich genauso wie die Metal-Veranstaltungsreihe im Bambi, daher also prädestiniert) aus Wolfsburg, die mit ihrem nicht 100% oldschooligen, aber deutlich stärker den Musikgeschmack des Publikums bedienenden Thrash Metal auf ehrliches Interesse stießen. Aufputschendes, wenn auch nicht immer wahnsinnig originelles Riffing und heiserer, kehliger Gesang, aufgelockert durch ein paar spitze Araya-Tribut-Screams. REVOLT spielten mehrere neue Songs, die im Juni veröffentlicht werden sollen und überrascht bei einem von ihnen mit einer Offbeat-Einlage. Hat mir gut gefallen und war dann auch der eigentliche Anheizer des Abends.
Nun gab’s nämlich die ganz grobe Kelle in Form der Niederländer NUCLEAR DEVASTATION, die den Geschwindigkeitsrekord des Abends aufstellten. Räudiger Speedster-Thrash traf hier auf Hardcore-/Crust-Punk-Chaos und -Attitüde und trotzdem blieb hier und da Gelegenheit zu einem melodischen Gitarrensolo. Unablässig und vollkommen kompromisslos watschte sich die junge, hungrige Band musikalisch durch das nun langsam aber sicher durchdrehende Publikum. Herrlich gottloses Geprügel von der Bühne, vor ihr mittlerweile ein anständiger Pit. Für mich die Überraschung des Abends und ich hab‘ mir gleich mal ‘ne Split-7“ mitgenommen. Vernünftige Fotos hab‘ ich leider keine hinbekommen…
Gar nicht mehr so viel mitzunehmen dabei hatten VIOLATOR, denen man während ihrer Tour anscheinend (verständlicherweise) das Vinyl und die Leibchen nur so aus den Händen riss, so dass sie ohne Vinyl ihres aktuellen Albums und mit T-Shirts vornehmlich nur noch in Kindergröße hinterm Merch-Stand verweilten. Nachdem sie die Bühne betreten hatten, luden sie freundlich alle Anwesenden auf dieselbe ein („Our stage is your stage!“) – ein Angebot, das gern angenommen wurde, als VIOLATOR den Laden endgültig zum Überkochen brachten. Der Mob eskalierte quasi kollektiv, Stagediver stürzten sich immer wieder von der Bühne, Mikros wurden okkupiert (ein gewisser Niko H. aus S. erwies sich als begnadeter Metal-Sänger), durch die adrenalingeschwängerte Luft bzw. das, was von ihr übrig war, flog kiloweise wallendes Haupthaar (ein echter Gang-Bang sozusagen), Bierduschen verdampften sofort. VIOLATOR zelebrieren nicht nur ihren zeitlosen Oldschool-Sound, sondern haben auch etwas zu sagen, kotzen sich über diverse Missstände aus und begeistern mit ihrer punkigen Attitüde, runden so das Gesamtpaket perfekt ab. Die Band beschwor immer wieder genau diesen Spirit, der auf offene Ohren in verzückten Gesichtern überall in der rappelvollen Bude stieß und ich hatte im Vorfeld nicht geglaubt, dass ein Thrash-Konzert mit solchen Publikumsreaktionen 2016 in Norddeutschland noch möglich wäre. Zwischendurch riss einem der Gitarristen übrigens der Gurt, der unkompliziert und schnell von jemandem aus dem Publikum geflickt wurde. Trotz zahlreicher Zugabe-Ovationen war irgendwann Schluss und die Band zog sich mit der alten POISON-IDEA-Taktik aus der Affäre, dass man generell keine Zugabe gäbe, sondern sein gesamtes Pulver während des regulären Sets verschieße. Schon jetzt auf jeden Fall eines der Konzerte des Jahres, zu dem auch einige eigens von weiter her angereist gekommen waren (zwei von ihnen wurden im Anschluss unglücklicherweise in der U-Bahn ohne Fahrkarte erwischt, schöne Scheiße).
Danke ans Bambi und allen, die zu diesem Abend beigetragen haben! So muss Thrash.
Schreibe einen Kommentar