Günnis Reviews

Datum: 15. April 2025

Comic Spiegel Extra: Erotische Geschichten 2

In den Jahren 1985 und 1986 erschienen im Reiner-Feest-Verlag zwei „Comic Spiegel“-Sonderausgaben als Softcover-Alben. Die erste Ausgabe ist mir unbekannt; die 40 Seiten umfassende zweite hingegen nimmt man schon mal mit, wenn sie einem der Comichändler quasi hinterherwirft und einen das schöne cyberpunkige Cover anspricht.

Das Editorial informiert darüber, dass es sich um einen Bonus zur ersten Ausgabe handelt, was auch erklärt, weshalb keine weiteren dieser Sonderausgaben erschienen. Die erste Geschichte lautet „Die Thailänderin“ und stammt von Dethorey und Giroud, die es bei semirealistischen Schwarzweißzeichnungen belassen, aber eine sehr zweckdienliche, dynamische Panelstruktur verwenden. Inhaltlich geht es um den in einem asozialen Milieu angesiedelten Versuch einer Gruppenvergewaltigung einer Thailänderin, der grandios scheitert – gefällt! Schwarzweiß geht’s auch mit Krugs „Autobahn-Blues“ weiter, einer abgefahrenen, nicht auf Anhieb verständlichen Geschichte um Homosex auf einem Raststättenklo und eine Vergewaltigung, die nicht abgebildet wird. Erotische Sexzeichnungen, meist heterosexueller Natur, illustrieren die großflächigen Panels in ihrem dunklen, realistischen Stil zusätzlich. Farbe kommt in Vatines und Cléments „Offenbarungen“ in Spiel, einem noch abgefahreneren Mystery-Erotikdrama um einen Aktfotografen, der sich plötzlich selbst auf den Fotos der Modelle wiederfindet – und um tödliche Eifersucht. Den realistischen Zeichenstil innerhalb der aufgebrochenen Panelstruktur dominieren kalte Blau- und satte Rottöne.

In beinahe farbfotorealistischem Stil zeichnet Andreas Marschall „Um Mitternacht“, eine fast wortlose Vampirparty und Pointe, die mit der Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit zusammenhängt. So wirken Teile der vier Seiten wie eine Fotocollage. In äußerst detailverliebten, dem Realismus verhafteten Schwarzweißzeichnungen innerhalb die Größen betreffend flexibel, letztlich aber doch streng angeordneten Panels erzählt Males „Die kleine Prinzessin“, eine im New Orleans der 1920er-Jahre spielende Geschichte: Ein Mann verliebt sich in eine Prostituierte, nimmt sie mit nach New York, wird aber Opfer der Eifersucht eines anderen. Die eigentliche Pointe ist der Schlussmonolog ihres… Hurensohns. Fonts schwarzweißer Schraffurstil in „Die Erotic-Sisters“ wirkt detailliert und verschmutzt zugleich, was zur Wildwest-Story passt: Ein Kerl (wohl ein Gangster oder Sträfling, dies wird leider nicht klar) riskiert alles, um einem Auftritt der „Erotic Sisters“ in einem Stadtsaloon beiwohnen zu können. Dass er all die Mühen für letzteres, also etwas vergleichsweise Unbedeutendes, auf sich nimmt, ist die aberwitzige Pointe.

Mouniers „Der Apfel“ bildet den Abschluss dieses Albums, eine eigenartige, etwas seltsam konstruierte Fortsetzung der Paradiesvertreibungsgeschichte aus der christlichen Mythologie in Fonts Stil nicht unähnlichen Zeichnungen. Alles in allem also ein bunter Mix mit eher wenig echter Erotik, aber einem interessanten Überblick über damalige, unterschiedliche Herangehensweisen ans Thema, in dem sowohl Gewalt als auch Wehrhaftigkeit eine Rolle spielen. Mit dem Cover hat aber leider keine der Geschichten etwas zu tun.

11.04.2025, Lobusch, Hamburg: SOCIAL DECLINE + GIF

Fox von ABRUPT feierte ihren Geburtstag mit einem Wochenende in Hamburg und hatte meine Liebste gefragt, was so los sei. U.a. schlugen wir diesen Gig vor, der ihren Zuschlag bekam. Also hin da. GIF kannte ich schon von der THRASHING-PUMPGUNS-Record-Release-Party im Sommer letzten Jahres, die Dänen SOCIAL DECLINE hingegen noch nicht. ‘nen alten Kumpel, der gerade aus der Schweiz auf HH-Besuch war, lockte ich auch noch dorthin. Obwohl zahlreiche Parallelveranstaltungen aus dem Punkbereich stattfanden, fand sich reichlich Volk ein, das es etwas deftiger mochte.

GIF machten exakt da weiter, wo sie aufgehört hatten, und ballerten konsequent hookbefreiten, dafür mit Breaks und ein paar Tempo- bzw. Rhythmuswechseln versetzten Hardcore ins Gebälk. Der Shouter legte, unterstützt von Gitarrist und Drummer, seine meist deutsch, mal englischsprachigen Texte über negative Facetten menschlicher Existenz darüber und befand sich dauerhaft vor statt auf der Bühne, wo er mit dem Publikum tanzte (weshalb er auf keinem Foto ist). Und das hatte Bock, haute kräftig, aber fair auf die Kacke und ließ sich die Lauscher durchpusten. Die Band spielte präzise statt chaotisch und ließ sich zu zwei Zugaben überreden. Der Shouter war noch gar nicht ganz fertig, da baute seine Band schon ab. Wat ‘ne Hektik!

Die im Jahre 2019 gegründeten SOCIAL DECLINE aus Kopenhagen waren musikalisch dann doch ganz anders geartet und lieferten vor allem Riffs, Riffs, Riffs aus zwei Klampfen. Der Thrash Metal des Quartetts wies ein paar Hardcore-Einflüsse auf, erinnerte mich aber vor allem an SACRED REICH und ähnlich klingende Bands. Kontrollierter, wuchtiger Abriss zum Headbangen also, weniger überdrehter Stoff à la MUNICIPAL WASTE und Konsorten. Der Sound hatte Druck, für meinen Geschmack hätte es aber gern etwas weniger Mid-, dafür mehr Uptempo sein dürfen – das flottere Zeug lief mir verdammt gut rein, aber generell machte der Auftritt Laune. Ein neuer, bisher unveröffentlichter Song war auch dabei und vor der Zugabe gab’s ‘ne etwas längere Ansage, in der man sich gegen dänische wie deutsche Faschoparteien und Menschenfeindlichkeit allgemein auskotzte. Die Band hinterließ einen sympathischen Eindruck und mit Sicherheit den einen oder anderen Nackenmuskelkater.

Schöner Konzertabend zum schmalen Eintrittskurs im gewohnt herrlich rustikalen DIY-Umfeld!

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