Mein BOLANOW-BRAWL-Bandkollege Christian wurde 40 und hat die beste Freundin, die er sich nur wünschen kann, organisierte sie doch eine superfette Überraschungsparty für ihn. Sein gesamter, nicht gerade kleiner Freundeskreis war eingeweiht; nur er ahnte von nichts, denn alle hielten dicht. Im eigens angemieteten Indra sollten THE SPARTANICS aus Leipzig und SMALL TOWN RIOT auftreten und wir – inklusive Christian – in neuer Besetzung für zumindest drei Songs erstmals auf der Bühne stehen. Es gab Freigetränke und ein von Sandys und Christians Eltern zubereitetes kaltes Buffet, Luftballons, lustige Fotos Christians, die überall ausgehängt wurden, und eine von unserem ehemaligen Bassisten Keith zusammengestellte, ultralange Playlist (in Ermangelung eines DJs, der ursprünglich auch vorgesehen war). Ein Riesenaufwand für Sandy & Co., der es aber tatsächlich gelang, bis zum Schluss alles geheimzuhalten und sogar Christians Klampfe samt Effektpedalen heimlich ins Indra zu schmuggeln. Erst als er unter einem Vorwand gegen 20:30 Uhr mit sanftem Druck ins Indra geschubst wurde, realisierte er langsam, dass dort eine Party zu seinen Ehren stattfand. Und dass er gleich mit auf die Bühne musste…
Nach mehreren Besetzungswechseln sind wir mit BOLANOW BRAWL nun endlich wieder livefähig. Unser Kurzauftritt wurde die Livepremiere unseres neuen Bassers Urko und unseres noch neueren Leadgitarristen Jogi, wenn auch in geschlossener Gesellschaft. Obwohl sich Christian nicht hatte am Soundcheck beteiligen können, ist es Tonchef Andy gelungen, uns einen amtlichen Sound zurechtzuregeln, und so erklangen nach einer Ewigkeit mal wieder „Tattooed Like Me“, „Two Day Session“ und „Red Lips“ von der Bühne, jeweils eingeleitet von Anekdoten Christians zur Entstehung der Songs. Irgendjemand, dem unsere Antlitze offenbar missfielen, bekam jedoch Zugriff auf die Nebelmaschine und nebelte uns derart ein, dass ich aufpassen musste, wo ich hintrat. Keith, der die Texte zu den beiden letztgenannten Nummern verfasst hatte, sang den Schlusschor bei „Red Lips“ mit, die versammelte Geburtstagsmeute jubelte und applaudierte und Urko + Jogi bewährten sich während ihrer Feuertaufe beanstandungslos. Mit Ole, Keith und Stulle waren alle ehemaligen Bandmitglieder im Publikum. Wat willste mehr? Hat viel Spaß gemacht, wir sind wieder angefixt!
Als nach nur kurzer Umbaupause die Streetpunk’n’Roller SMALL TOWN RIOT die Bühne betraten, musste Andy als zweiter Gitarrist der Band selbst ran, weshalb Bommy von den STUMBLING BOI!S das Mischpult übernahm. SMALL TOWN RIOT, eine alte Lieblingsband Christians (und meiner Wenigkeit), macht sich schon lange rar und spielt nur noch alle Jubeljahre mal zu ausgewählten Anlässen, ohne neue Songs zu komponieren oder gar Platten herauszubringen. Einer der Gründe sind familiäre Verpflichtungen der Bandmitglieder, weshalb bereits die Zeit für gemeinsame Proben schwierig zu finden ist – so auch im Vorfeld dieses Auftritts. Umso schöner, dass es trotzdem geklappt hat! Noch am selben Tag wurde gemeinsam ‘ne Handvoll Songs geprobt, anschließend ging’s ins Indra. Elf Songs gab man zum Besten, darunter unwiderstehliche Ohrwürmer wie der Opener „Addicted to Authority“, „Working Class Family“ und „Cheers & Goodbye“, Nachdenkliches wie „Living Hell“ und „Cemetery Hall“, Romantisches wie die „Love Song Trilogy“ oder „It’s True“ und Partykracher wie „Suicidal Lifestyle“ und „Timmy“. Trotz Fluppe im Mundwinkel und Bierkanne am Hals ist Leadsänger Norman nach wie vor bestens bei Stimme, gerade auch in den höheren Registern, und die Melodien sitzen wie ‘ne Eins. Lehmann trommelt sich lässig durchs Set, Timo ist als zweiter Sänger für die rauere Stimmlage zuständig und zockt den Bass dazu, während Andy per zweiter Klampfe für einen schön satten Sound sorgt und sich an den melodischen Backgroundchören beteiligt. Bis auf den Umstand, dass die „Jungs“ (von Andy abgesehen) etwas älter als in ihrer Blütezeit aussahen und Norman sein Haupthaar wallen ließ, statt es streng zurückzukämmen, war es überwiegend so, wie man die Band in Erinnerung hatte – verlernt wurde da jedenfalls nix und wenn hier und da mal ein bisschen Routine flötengeht, macht’s das nur charmanter. Für ‘ne Zugabe fehlte dann aber doch die Kondition. Macht nichts, soll ja nicht in Arbeit ausarten!
Apropos Puste: Bei einem der Luftballons handelte es sich um ein überlebensgroßes Bierglas, das sich stets aufrechthielt und dazu neigte, ein Stück über dem Fußboden zu schweben. Das Teil bot einen echten Mehrwert an Spaß, eignete es sich doch als Tanzpartner ebenso wie für alberne Fotos und landete immer wieder auf der Bühne, wo es sich zwischen der Band gemütlich machte. Konzerte ab sofort bitte nie mehr ohne!
Die Streetpunks SPARTANICS hatten leider krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen, zwei Drittel des Trios reisten als minimalistisch auftretende COCKHEADS trotzdem an. Jene Zweitband der beiden kannte ich bis dato gar nicht, wodurch mir astreiner deutschsprachiger, schnörkelloser ’77-Punk mit Anleihen bei den SHOCKS und Konsorten entgangen war. Die oft hektischen, kurzen Songs kamen ohne Bass aus, dafür perfekt auf den Punkt, gingen gut ins Bein und waren ein erstklassiger Abschluss des Liveprogramms, der noch mal richtig Laune machte. Wer auf einen solchen Sound steht, sollte die unbedingt mal anchecken! Spätestens jetzt fiel auf, dass die Hamburger Trinker/Songwriter-Legende ANTOINE DE LA KACQUE, die eigentlich für wenigstens einen Song noch auf die Bühne hätte sollen, bisher sträflich vernachlässigt worden und mittlerweile gar nicht mehr zugegen war. Sorry!
Alles in allem eine unvergessliche Party, doch wer sich an alles erinnern kann, war nicht dabei… Danke an Sandy und ihre heldinnenhafte Organisation, an alle Helferinnen und Helfer, ans Indra-Team, an die Bands, an meine Liebste für die Schnappschüsse unseres Auftritts und speziell an Andy: Der gute Mann war mein Indra-Ansprechpartner im Vorfeld und kümmerte sich nicht nur um den Sound, sondern zockte zwischendurch noch ‘nen Gig, sorgte dafür, dass jedes Kabel richtig steckte, schraubte in aller Seelenruhe auf der Leiter an den P.A.-Boxen herum und behielt bei allem Trubel um ihn herum stets Überblick und Contenance.
Ey Christian, volle Punktzahl, gerne wieder!