Mein viertes Konzert dieses Jahr, davon das dritte, das ausverkauft war – aber auch das dritte, für das ich trotzdem noch ‘ne Karte bekam. Und glücklicherweise nicht nur ich, sondern auch meine Liebste, sodass wir zusammen den Reeperbahn-Club Bahnhof Pauli aufsuchen konnten, der eigentlich nicht dafür bekannt ist, Bands der Punk-/Oi!/HC-Szene zu beherbergen. Vorab: Um STOMPER gab’s in der Vergangenheit einige Kontroversen, die beigelegt zu sein scheinen. Anderenfalls würden Bands wie die BROILERS oder EMSCHERKURVE 77 wohl auch nichts mit den Göttingern machen und würde M.A.D. Tourbooking nicht die Gigs organisieren, Bandkopf Sebi nicht fürs Ox schreiben usw. An mein letztes STOMPER-Konzert kann ich mich nicht mehr erinnern, so lange ist es her – das dürfte in der ersten Hälfte der 2000er gewesen sein…? Aufgemerkt hatte ich erst wieder beim für mich überraschend klugen „Agenda der Angst“ vom 2018er-Album, und die aktuelle Platte der mittlerweile zumindest für Studioaktivitäten um Lars Frederiksen von RANCID verstärkten Band hat neben Pathos und deutlichen Frankfurter Einflüssen doch so einiges zu bieten. Dass auch Freunde das Konzert besuchen würden und ich neugierig wurde, wie so’n STOMPER-Gig heutzutage wohl aussieht und klingt, gab letztlich ziemlich spontan den Ausschlag, noch irgendwo Karten abzugreifen und mal vorbeizuschauen. Im Zweifelsfall (also wenn’s ätzend wird), verbuche ich’s unter Feldstudie.

Als wir uns in den im Stile einer U-Bahnstation eigentlich recht schick gestalteten Laden zwängten und uns an die unglücklich mit den WC-Gängern kollidierende Schlange des mit nur einer Person unterbesetzten Getränkestand anstellten, um überteuertes Bier zu erwerben (Astra und Holsten Edel 0,3 l für 3,80 EUR?! Carlsberg 0,3 l 4,- EUR?! Ernsthaft??), spielte die EMSCHERKURVE schon. Am Rande des Saals klang der Gitarrensound reichlich dünn, also mehr mittig reingedrängelt, wo’s besser wurde – vermutlich wurde auch noch mal nachgeregelt. Die Band aus dem Ruhrpott verstand sich ganz als Anheizer und zockte viele Coverversionen, darunter „Wochenendhelden“ (eingedeutschtes „Saturdays Heroes“ von THE BUSINESS), den SLIME-Klassiker „Religion“, „Alte dreckige Stadt“ (das Traditional „Dirty Old Town“) und „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ vonne befreundeten KASSIERER, aber auch ‘nen eigenen Ohrwurm-Singalong wie „Wir haben den Punk verstanden“, jeweils mit mehrstimmigen Gesängen. Die Stimmung war gerade am bisherigen Siedepunkt angelangt, als EK77 ziemlich abrupt ihren Auftritt beendeten und trotz lautstarker Zugabe-Rufe nicht mehr wiederkamen. Nach dem Konzert sprach ich Sänger Spiller darauf an und er bestätigte, was ich mir schon gedacht hatte: Der Zeitplan war zu eng, weil im Anschluss noch irgend’ne Disco oder so was hatte stattfinden sollen. Boah ey, wie ich so was liebe…

Zum Rauchen ging’s vor die Tür, das Bier musste dafür aus den Glasflaschen in Plastikbecher umgefüllt werden – und zwar schon deutlich vor 22:00 Uhr, obwohl die Verordnung erst ab dann gilt. Drinnen entdeckten wir dann einen wesentlich größeren Ausschankbereich am anderen Ende des Saals, wodurch es sich auch verschmerzen ließ, dass der andere, kleinere, plötzlich dichtmachte. Allerdings war irgendwann das Carlsberg alle. Man hat’s nicht leicht! Davon sangen dann auch STOMPER 98 ein Lied: „Niemand hat gesagt, dass es leicht wird“ klang so viel fetter als auf Platte und wurde wie fast jeder Song von etlichen Anwesenden lauthals mitgesungen, was für eine beeindruckende Klangkulisse sorgte. Sänger Sebi stand am vordersten Bühnenrand und dirigierte mühelos das Publikum, wobei er sich die Bühne mit fünf Bandkollegen teilte: Neben der Rhythmussektion spielt STOMPER mit zwei Gitarristen und einem Saxofonisten, der die eingängigen Melodien mal vorgibt und mal unterstützt oder auch zwischendrin soliert. Man hatte sich ‘ne offenbar zünftige Best-Of-Setlist zusammengeklöppelt, von der ich dann irgendwie doch erstaunlich viel kannte (live ein ziemlicher Hammer: „Antisocial“), ergänzt um Material vom neuen Album, auf das man selbstbewusst immer wieder den Fokus lenkte und bei dem das Publikum genauso textsicher war. Empowernde Oi!-Punk-Hymnen zum Fäusterecken zwischen pathetisch und arschtretend, die manch Klischee nicht nur streifen, sondern anscheinend gezielt bedienen (z.B. „Boots, Bier und Bomberjacken“ – inkl. von den LOKALMATADOREN entlehntem „Bababa“-Intro), damit in jedem Falle Geschmackssache sind, aber den Nerv sowohl der Pogofraktion als auch der Mitbrüllenden dahinter trafen. Im Set fanden sich ferner neue Perlen wie „Wir halten die Fahnen weiter hoch“ über zu früh von einem gegangene Freunde oder das fast schon hardcore-punkige, polit- und gesellschaftskritische „Deutschland im Chaos“, vor dem Sebi in seiner Ansage mit der Legende aufräumte, Oi!-Musik sei komplett unpolitisch, und der verfickten AfD eine unmissverständliche Absage erteilte. Ein Typ im Publikum schwenkte dazu eine „Kein Bock auf Nazis“-Fahne. Damit sollte klar sein, welche Haltung STOMPER 98 in der aktuellen Situation des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der mit den Hufen scharrenden Faschisten einnimmt. Gegen Ende wurde das leicht umgedichtete Sesamstraßenlied „Alle haben Bier gern“ vom ersten Album entmottet, obwohl Sebi meines Wissens längst alkoholfrei lebt. Aber gibt ja auch Jever Fun und Konsorten!

Apropos Bier: Je später der Abend, desto mehr glich der Konzertsaal einem Scherbenmeer, da der Bahnhof Pauli kein Pfandsystem hatte und es kaum Möglichkeiten gab, seine leeren Pullen irgendwo abzustellen. Aber das nur am Rande. Leider endete der starke Gig, ohne dass mein Lieblingslied vom aktuellen Album, „Achtundneunzig Nächte“, gespielt worden wäre. Damit, dass dieser Kracher unbedingt in Liveset gehört, lag ich Gitarrist Tommi anschließend noch in den Ohren, bevor’s auf ein bis drölf Absacker ins St. Pauli Eck ging. War ein schönes Konzert, das aber eigentlich in eine Szene-Location wie das Monkeys gehört hätte! Vielleicht ja nächstes Mal?