Seit Jahren eine feste Hamburger Institution und Sommer-Attraktion ist das Elbdisharmonie-Soli-Festival, das umsonst und draußen auf den Balduintreppen an der Hafenstraße stattfindet. Die Stufen zwischen den Punk-Kneipen Onkel Otto und Ahoi dienen dann jeweils als Zuschauerränge und bieten optimalen Blick auf die Bühne, die sich unten neben dem Ahoi befindet. Leicht verkatert vom Vortag, an dem wir (DMF) einen Gig auf dem Rondenbarg gespielt hatten, trudelte ich nebst netter Begleitung pünktlich nach Abpfiff der Bundesliga-Konferenz ein – also viel zu spät, um die erste Band TAPE SHAPES zu sehen. Stattdessen waren LIFELINE gerade zugange, wie zu erwarten vor beachtlicher Kulisse. Der melodische, flotte Punkrock nach US-Manier lief mir prima rein und bot einen prima Soundtrack zum Open-Air-Bierchen. Die MESCAL OWLS im Anschluss weckten verstärkt mein Interesse, da sie während des Aufbaus verdächtig nach Rockabilly oder ähnlichem Oldestschool-Sound aussahen und tatsächlich: Die kredenzte Mischung aus ursprünglichem Rock’n’Roll, Garage und Surf inklusive herrlich übertrieben lauter und halliger Gitarre erwies sich als willkommene Abwechslung zu meinen vergangenen Konzertbesuchen und -aktivitäten und ließ mich kräftig applaudieren, während ich es mir bei für Hamburger Verhältnisse keinen Anlass zur Kritik bietendem Sommerwetter bequem gemacht hatte. Das war richtig gut, gern mehr davon! Die zu Hamburgs neuen Hoffnungsträgern in Sachen individuellem Punk mit gewissem politischem Anspruch zählenden KOUKOULOFORI hatte ich vor ein paar Monaten schon in der Villa Dunkelbunt gesehen, wo ich absolut positiv überrascht war. Auch heute ließen die abwechslungsreichen, gern mal ungewöhnlichen, jedoch nie zu sperrigen Songs aufhorchen, jedoch war der Sound (zumindest direkt vor der Bühne) nicht ganz optimal. Was genau, ist bereits meiner Erinnerung entfleucht, aber gerade die etwas wütenderen Songs kommen im Zusammenhang mit kurzen, prägnanten Ansagen ziemlich überzeugend, während es der Bassist vielleicht ein wenig übertrieb, als er das Publikum beinahe für dessen Anwesenheit kritisierte, weil zeitgleich die Demo für das von staatlicher Repression betroffene Koze-Wohnprojekt stattfand. Ich weiß natürlich, wie’s gemeint war, finde aber beides wichtig – immerhin dient das Elbdisharmonie-Festival ja auch einem guten Zweck und ist auf Gäste angewiesen. Trotzdem nicht verkehrt, auch mal darauf hinzuweisen, was sonst noch gerade in Hamburg abseits von Partymeilen und Fußball passiert. Den Anspruch des Festivals unterstrich auch dieses Jahr wieder Rapper SUH, der nicht nur moderierte, sondern zwischen den Gigs auch Rap-Einlagen zu diversen aktuellen Themen lieferte. Das sorgt immer mal wieder für verdutzte Gesichter, wenn der Sound aus der P.A. kommt, aber viele Blicke zur leeren Bühne gerichtet sind – bis man irgendwann schnallt, dass SUH mit Funkmikro von den Treppenstufen aus, also aus dem Publikum heraus, agiert. Bei der WILLY WANKER GROUP, die sich wenig puristisch „Ska-Rock-Funk-Metal“ auf die Fahne geschrieben hat, gönnte ich mir eine Auszeit, ging TIN CAN ARMY aus der Konserve im Onkel Otto hören und gesellte mich schließlich zu mittlerweile bis auf die Straße sitzenden Bekannten, wo man den mittlerweile lauen Sommerabend bei mehr oder weniger gehaltvollen Gesprächen und in freundschaftlicher, entspannter Atmosphäre genießen konnte. Rechtzeitig zum „Guerilla-Soul“ von JAMES & BLACK, die ich einst im Vorprogramm der SLACKERSim Hafenklang sah, gesellte ich mich wieder vor die Bühne, wo es mittlerweile so voll war, dass man sich fast gegenseitig auf die Füße trat. Kein Wunder, denn der Soul der alten Schule, den die Texaner zum Besten geben, ist ebenso hör- wie tanzbar, Sängerin Black brachte mit ihrem kraftvollen Organ manch Trommelfell zum Klingeln und dass außer James’ Orgel alle Sounds von einem DJ beigesteuert werden, tut dem dennoch sehr traditionell anmutenden Vergnügen keinen Abbruch. So wurde im Abenddunkel geschwoft, getanzt und gewankt und vor allem nicht nur seitens der Festivalleitung, sondern auch des Publikums viel musikalische Aufgeschlossenheit bewiesen, die anscheinend von rauem Punk bis zu ans Herz gehendem Soul reichte. Für mich bedeutete das sodann auch den Schlusspunkt des Festivals, der „Gypsy Swing“ von DANUBE’S BANKS ging ohne mich über die Bühne, stieß aber bestimmt ebenfalls auf viele offene Ohren – ebenso wie die Aftershow-Party im Ahoi.
Die Elbdisharmoniker hatten ein gutes Händchen bei der Bandauswahl und Glück mit dem Wetter. Gerade die zugleich kämpferische und entspannte Stimmung trug zusätzlich dazu bei, mir diesen verkatert begonnenen Samstag zu versüßen, die Organisation schien wieder top, die Getränkepreise waren fair wie immer, will sagen: das Gesamtambiente stimmte. Bleibt zu hoffen, dass es sich nicht nur fürs Publikum gelohnt hat und uns das Festival noch lange erhalten bleibt. Danke an alle, die den organisatorischen Aufwand auf sich nehmen und einmal jährlich so viel subversive Kultur auf die Treppen wuchten!
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