Wieder einmal ein Hardcore-Konzi mit lokalen Bands in der sympathischen Wedeler Villa und wieder einmal anlässlich Lars‘ und Lars‘ Geburtstags. Das Besondere diesmal war jedoch zugleich ein etwas trauriger Anlass: Alle drei Bands sollten ihr jeweils letztes Konzert spielen und galten eigentlich schon als aufgelöst. Nun wollte man es aber noch mal so richtig krachen lassen und sich auch für die Nachwelt verewigen, weshalb die Gigs mit Kameras festgehalten wurden.

Das Publikum ließ sich trotz zweier Konkurrenzveranstaltungen in Hamburg nicht lumpen und erschien so zahlreich, dass die Villa restlos ausverkauft war – Derartiges hatte ich dort noch nie erlebt. Nicht unbedingt wenige und zum Teil von weit her Angereiste konnten nicht mehr hineingelassen werden, was verständlicherweise zu enttäuschten Mienen führte. Ich kam glücklicherweise rechtzeitig, also flugs die zu vernachlässigenden 4,- EUR Eintritt gelöhnt, den Freibierstempel abgeholt (danke, Lars!) und hinein ins Vergnügen. Die im Original-Line-Up zu diesem Anlass reformierten ABOUT FACE machten den Anfang mit ihrer Mischung aus rasantem, gern aber auch eher im Midtempo-Bereich angesiedeltem, punkigem Hardcore und brachten den rappelvollen Saal auf Temperatur. Da ich von der Band nichts von Konserve kenne und mich auch an kein Konzert erinnern kann, fehlte mir natürlich der Bezug, weshalb ich das Geschehen vom Rande aus beäugte und Zeuge eines guten Gigs einer sympathisch wirkenden Band wurde.

THIS BELIEF betraten zum geschmackvoll gewählten Intro, dem „Cannibal Holocaust“-Titelthema des italienischen Komponisten Riz Ortolani, die Bühne und hatten ihr zweites Album „Reputation For Nothing“ im Gepäck, das die Auflösung der Band umso bedauerlicher erscheinen lässt. Ihr aggressiver Newschool-Hardcore mit Metaleinschlag, aber auch zwischenzeitlichen Streetpunk-Versatzstücken wurde unerbittlich in die Meute gebolzt und Shouter Valentin gab ebenso alles wie der Rest der Gruppe, der mit zwei Gitarren eine breite Krachwand auffuhr. Das kam nicht nur klasse an, das hatte auch Klasse und machte unmissverständlich klar, dass man sich zwischen gehypten Metalcore-Bands und anderen modernen Szeneauswüchsen nicht nur nicht zu verstecken braucht, sondern mit seiner Authentizität und sympathischen D.I.Y.-Attitüde als Gesamtpaket so manche Brüllaffencombo locker in die Tasche steckt. Die SMEGMA-Coverversion „Die Jungs von nebenan“ bewies wie immer Humor und Selbstironie. Ein zu Recht umjubelter Gig, der der beste gewesen sein dürfte, den ich bisher von THIS BELIEF zu sehen bekam. Obligatorisch, dass ich die neue, auf nur 100 Exemplare limitierte CD gleich mitnahm.

Die Wedeler Lokalheroen LAST LINE OF DEFENSE bürgen seit jeher für die volle Kelle Oldschool-Street-Hardcore und ließen wie zu erwarten war die Sau raus. Energiebündel Eloi am Mikrophon muss das Publikum vor heimischer Kulisse nicht lange, genau genommen: gar nicht bitten und LLOD feierten zusammen mit dem ausgelassenen Pöbel einen wahrhaft ehrenvollen Abschiedsgig. Schlag auf Schlag reihte sich Hit an Hit, angereichert mit der einen oder anderen Coverversion wie z.B. dem unvermeidlichen „Porno-Nazi“ von SCHLIMME AUGENWURST. In diesem Zusammenhang schmerzlich vermisst habe ich leider „Tied Down“ von NEGATIVE APPROACH, das durch den Standard „Crucified“ von IRON CROSS ersetzt wurde. Zwischenzeitlich verteilte man Luftschlangen zum Sprühen aus der Dose, was zu einer weiteren Erhöhung des Spaßfaktors führte. Die flotten, energisch vorgetragenen Songs mit ihren griffigen, zum Fäusterecken und Mitgrölen einladenden Songs weisen trotz selbstgewählter Beschränkung auf das Wesentliche einen hohen Wiedererkennungswert auf, was bei Weitem nicht jeder diesen oder einen ähnlichen Stil spielenden Gruppe gelingt. Ein weiterer Gig, der glücklicherweise festgehalten wurde, so dass sich nachfolgende Generationen ein Bild davon machen können, welch großartige HC-Band die schleswig-holstein’sche Kleinstadt da hervorgebracht hatte. Diese Lücke zu füllen wird schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Der Sound war stets wie in der Villa üblich top, das Publikum umgänglich, trotz Gedrängels rücksichtsvoll und rekrutierte sich aus unterschiedlichen subkulturellen Bereichen, wobei man respektvoll miteinander umging. Einige alte Bekannte und Szenehasen waren anzutreffen und manch Klönschnack trug seinen Teil zum Gelingen des Abends bei. Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle die aus meiner Sicht als Gast gelungene Organisation und das lockere, nette Villa-Personal, das es immer wieder vollbringt, dass man sich willkommen und gut aufgehoben fühlt – wofür sich die etwas längere Anreise aus meiner sympathischen Kleinstadt doch immer wieder und vor allem mehr als in den nächsten Kommerztempel lohnt. Es würde mich freuen, wenn sowohl THIS BELIEF als auch LAST LINE OF DEFENSE sich zukünftig vielleicht doch dann und wann wieder zusammenraufen und für sporadische Gigs zu haben wären, wofür sich der alljährliche Doppellarsgeburtstag natürlich anbieten würde.