Die NYHC-Legende SHEER TERROR im Monkeys? Hatte die da nicht gerade erst gespielt? Ja, im November, aber ohne mich, und tatsächlich lag mein letztes SHEER-TERROR-Konzert beinahe unentschuldbar schon wieder saulange zurück (2015 war’s). Offenbar hatte das Monkeys der Band auf ihrer Sommer-Tour kurzerhand mit diesem Slot ausgeholfen, entsprechend kurzfristig war das Konzert für diesen Sonntag anberaumt worden. Es war der Sonntag eines wunderschönen Wochenendes, das sich beinahe wie Sommerferien angefühlt hatte, wenngleich Hamburg unter einem Hitze-Hoch ächzte. Der krönende Abschluss dieses Wochenendes sollte dieser Gig werden, für den ich mir vornahm, es nicht zu übertreiben, da ich am nächsten Morgen wieder zur Maloche musste.

Um 20:00 Uhr sollte es eigentlich losgehen, doch als ich um kurz nach halb acht eintraf und die 18,- EUR an der Abendkasse latzte, war noch ziemlich tote Hose. So richtig voll sollte es auch bis 20:30 Uhr nicht mehr werden, als die Band um Wutbrocken Paul Bearer mit „Here To Stay“ loslegte, aber das war wohl auch nicht zu erwarten. Um die 30 Besucherinnen und Besucher dürften ob des wuchtigen P.A.-Sounds, des genialen, bandtypischen Gitarren-Tunings und Pauls brachialem, fiesen Gebrüll ebenso verzückt gewesen sein wie ich. Der Fokus des Sets lag auf den Klassikern wie „I, Spoiler“, „Twisting and Turning“, dem außergewöhnlichen „Roses“ mit Pauls cleanem Gesang, „3 Year Bitch“, „Ashes, Ashes“ usw., angereichert mit Material vom starken Comeback-Album „Standing Up For Falling Down“ oder auch dem (ebenfalls clean gesungenen, punkrockig-melancholischen) OLD-97‘S-Cover „Salome“.

Zwischendurch ließ sich Paul seine berüchtigten Spoken-Word-Beiträge natürlich nicht nehmen. Den ersten widmete er dem leider vor wenigen Tagen an den Folgen seiner langen Krankheit verstorbenen GROWING-MOVEMENT-Sänger und ehemaligen APPD-Sportminister Loll – ein schöner Nachruf auf einen alten Haudegen, den ich seinerzeit als Talkshow-Gast bei „Vera am Mittag“ über die Mattscheibe flimmern sah und den Auftritt abfeierte. Im zweiten machte er unmissverständlich klar, dass Homophobie in der Hardcore-Szene nichts verloren hat, schon gar nicht im Jahre 2023. Beim dritten war ich gerade Wasser abschlagen und bekam daher nicht alles mit, aber er übte wohl (Selbst-)Kritik an der New Yorker Hardcore-Szene, die er polemisch als so etwas wie eine internationale T-Shirt-Verkaufsindustrie bezeichnete. Damit nicht so ganz d’accord ging einer der Gäste, der Paul auf Deutsch ein paar Widerworte gab, die dieser nicht verstand, woraufhin der Besucher um Nachsicht bat („I cannot so good English“) und ein Kumpel von ihm insofern dolmetschte, als er Paul sagte, sein Kollege sei not angry at him, wovon Paul nämlich ausgegangen war. Shakehands, alles gut, weiter im Programm mit Original-Hatecore der alten Schule (lange bevor Neonazis diese Bezeichnung für sich adaptierten).

Einer der Höhepunkte war erwartungsgemäß „Just Can’t Hate Enough“, eine der SHEER-TERROR-„Hymnen“ schlechthin. Doch damit war dann leider auch schon Schluss; auf das eigentlich noch auf der Setlist verzeichnete, zum festen Live-Bestand der Band zählende THE-CURE-Cover „Boys Don’t Cry“ musste man leider verzichten – auch die „One More Song!“-Rufe lockten Paul nicht mehr aus dem Backstage zurück. Gut möglich, dass er seiner Kondition Tribut zollen musste; der Gute wird ja auch nicht jünger und bei seiner körperlichen Konstitution sind Temperaturen wie an diesem Wochenende sicherlich noch mal wesentlich kräftezehrender als für unsereins, die wir zudem keine Hardcore-Show abreißen müssen. Ich gönnte ihm seinen Feierabend und freute mich darüber, einen geilen Gig bei Spitzensound erlebt zu haben, der mich zu ein paar grobmotorischen Zuckungen und Tanzschritten verleitet, mir vor allem aber Songs um die Ohren gehauen hatte, die mir viel bedeuten und mich seinerzeit dazu inspiriert hatten, selbst ‘ne kleine Krawallcombo zu gründen. Ich wünsche SHEER TERROR noch viele geile Konzerte vor wesentlich mehr Publikum auf ihrer Tour!

Nach einem lütten Absacker ging’s flugs nach Hause, denn für den späten Abend waren Regen und Gewitter angesagt und ich war nur in T-Shirt und Kutte unterwegs. Zu Hause ließ ich das Wochenende mit Kopfhörern in den Ohren bei ein, zwei Bierchen auf dem Balkon ausklingen, wo ich aufs Gewitter wartete, das irgendwann eher zaghaft kam, aber die ersehnte leichte Abkühlung mit sich brachte…