Silvester auf dem Kiez – ob das so eine gute Idee ist? Schließlich laufen bereits an „normalen“ Wochenenden genügend fragwürdige Gestalten dort herum. An einem Tag wie dem des Jahresausklangs muss man diese potenzieren und zudem davon ausgehen, dass sie mit Feuerwerkskörpern ausgestattet und doppelt so besoffen sind wie sonst. Andererseits: Das schaffe ich auch, außerdem lockte der Menschenzoo mit einer Art „Pogo ins neue Jahr“ mit den Ösis von MISSSTAND und den Bochumern SHITLERS, die gerade gemeinsam auf Tour waren und ich beide schon mal im „Zoo“ gesehen hatte. Eintritt zu ‘nem schmalen Kurs, dazu schickes Ambiente, kaltes Bier und mehr oder weniger gute Gesellschaft – da gab’s dann nicht mehr viel zu lamentieren. Ich war bei Weitem nicht der einzige, der so dachte und so wurde die Bude sehr schnell rappelvoll. Nachdem mir Martin Shitler backstage stolz den neuen Bandaufkleber präsentiert hatte, legten MISSSTAND mit ihrem etwas plakativen Antifa-D-Punk los und rotzten sich bei klasse Sound schnörkellos und motiviert durch ihre vornehmlich flotten Songs, dass der Adrenalinpegel ebenso schnell wie die Stimmung stieg. Vor der Bühne bildete sich ein kleiner Tanzmob und allgemein wurde sehr dankbar aufgenommen, was das Trio da in die enge Spelunke peitschte – übrigens inkl. KNOCHENFABRIK-Cover „Grüne Haare“. Prima Gig einer aufstachelnden Liveband, bei der es sich gut feiern und ein paar Bierchen reinschrauben ließ.
Nach dem Umbau dann zum wiederholten Male die Bochumer Satire-Punks, die mittlerweile Hamburg als Zweitwohnsitz angeben können, so oft, wie sie hier zu Gast sind. Überraschung: Nach diversen absturzbedingten Improvisationen, Umbesetzungen, Ersatzmusikern und Fan-Protestaktionen („Shitlers nur mit Tristam!“) standen sie nun zu viert auf der Bühne und dürften damit alles aufgeboten haben, was zuletzt so unter dem Bandnamen die Hansestadt heimsuchte. Offenbar lautete die Parole diesmal weniger Gesabbel, mehr Mucke und so hat man zumindest in meiner etwas nebulösen Erinnerung das Set geradliniger und abbruchfreier als sonst durchgezogen. Das bestand wie üblich aus zahlreichen Coverversionen verdienter Oi!-, Streetpunk- und Melodicore-Klassiker mit neuen deutschen Pannetexten, wozu es sich ganz wunderbar mitsingen (egal ob die alten oder neuen Texte) und herumspringen ließ, was ich fleißig in Freude über den gelungenen Abend und vor lauter Feierwut tat. Mit punkiger Fuck-off-Attitüde ließ man Mitternacht dann auch Mitternacht sein und zockte bis laßmichnichlügen ca. 00:30 Uhr durch, bevor ich mich dann endlich vor der Tür in den Wahnsinn einreihen und meine Batterie zünden konnte.
Ein absolut geglückter Silvesterabend fast schon klassisch inkl. Konfetti und Luftschlangen und vermutlich das Beste, was der Veranstaltungskalender für Punks und Konsorten an diesem Abend in Hamburg so hergab. Bei und unter uns blieb alles friedlich und kollegial, was man beileibe nicht von allen Ecken des Kiezes (sowie des einen oder anderen Hauptbahnhofs) behaupten kann, wie die Medien ab Neujahr fleißig berichteten und dabei das positive Gegenbeispiel des SHITLERS/MISSSTANDS-Gigs gänzlich unter den Tisch fallen ließen. Besser spät als nie leiste ich hiermit also meinen Beitrag zu einer ausgewogenen Berichterstattung (wenn ich auch nicht 100%ig ausschließen kann, dass die verhinderten Gangsta-Rapper von den SHITLERS nach dem Gig nicht doch noch den einen oder anderen angetanzt, betatscht und abgezogen haben).
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