Drei Tage Konzertmarathon – aber was soll man machen, wenn wieder alles so geballt kommt? Genau, in den Festival-Modus schalten und durchziehen! Startpunkt war der Menschenzoo am Freitagabend, der die FAST SLUTS und DIE SHITLERS geladen hatte. Die Damen hatte ich ja nun schon länger nicht mehr gesehen und war gespannt, welche Entwicklung sie in der Zwischenzeit gemacht haben. Natürlich eine Gute! Zwar rumpelt ihr deutschsprachiger Oi!-Punk noch immer charmant durch die P.A., doch an den Instrumenten waren deutliche Steigerungen zu vernehmen und man macht einen recht eingespielten Eindruck. Im vollen Zoo wurden zehn Songs kredenzt, die allesamt das richtige Gespür für diese Art Musik beweisen und Ohrwurmcharakter haben. Sängerin Alex stand stilecht mit Bierpulle auf der Bühne und sang sich textsicher durch Material wie „Fast Sluts“, „Roiberleiter“ oder den mittlerweile altbekannten und frenetisch mitgesungenen „Landgang“, der dann auch noch mal als Zugabe herhalten musste. Zum LOIKAEMIE-Cover „Wir sind geil, wir sind schön“ gesellten sich neue Songs übers besoffene Einpennen in der Bahn mit Überraschungsziel (dass sich dieses Themas mal jemand annimmt, war überfällig!) und Sex („Lieber selbst“, das mich etwas an das Rostocker All-Girl-Pendant TORTENSCHLACHT erinnerte), die über Humor, Selbstironie, aber auch Selbstbewusstsein und prollige Oi!-Attitüde aus weiblicher Sicht verfügen. Kurios: Alex quatschte Bassistin Jule während ihrer politischen Ansage zu „Partypatrioten“ rein, indem sie eindringlich darum bat, doch bitte ein weiteres Bier zu bekommen – dieser Kontrast symbolisiert die unterschiedlichen Pfeiler des Bandselbstverständnisses eigentlich ganz gut. 😉 Klasse Gig, schwer sympathische Band und gute Stimmung im glücklicherweise bis auf Schweißflecken und Getränke trockenen Menschenzoo, denn draußen goss es aus Kübeln und überschwemmte manch Keller.

Für die Bochumer Satire-Punks DIE SHITLERS ist Hamburg so etwas wie eine zweite Heimat geworden, ihre Zuneigung zur Metropole fand sogar Ausdruck im unvernünftig kitschigen Song „Hamburg“. Diesmal wurde wieder in klassischer Trio-Besetzung Martin/Frank/Tristan angetreten und Martin bewies seltenen Musikgeschmack, als er als erste Amtshandlung sein Smartphone ans Gesangsmikro hielt und GIANNA NANNINIs Megahit „Bello e impossibile“ abspielte – was schmerzlich bewusst machte, wie wenig textsicher man ist, wenn man am liebsten jede Zeile mitsingen würde, jedoch nicht über den Titel hinauskommt (oder aber auf Phantasie-Italienisch zurückgreifen muss). Zu Beginn des eigentlichen Auftritts gab sich per „Halt die Fresse und spiel!“-Zwischenruf direkt der Typ zu erkennen, der ihnen laut Band durch die ganze Republik hinterherreist, um sein Sprüchlein aufzusagen. Viel schockierender aber war, dass die Endstufe abgeraucht war und Hamburgs hardest working sound technician, the one and only Norman, im Schweiße seines Angesichts hinter die Bühne klettern und sich auf Fehlersuche begeben musste, während das Konzert über nur einen P.A.-Lautsprecher weiterlief. Tatsächlich gelang es ihm nach einiger Zeit, etwas zu improvisieren, sodass Songs wie „Oi! + Rap“, „Weintrinkender Idiot“ oder „Warum gehst du nicht nach Nordkorea?“ wieder in ihnen angemessener Form präsentiert werden konnten. Dass mind. die Hälfte davon musikalisch auf altbekannte Punkrock-Melodien gesungen wird, ist positiv zu bewerten, da sich so die Hitdichte entscheidend erhöht. Beim eigentlich viel interessanteren Gesabbel zwischen den Songs kommt der Humor der SHITLERS besser denn je zur Geltung, zumal die Jungs verdammt souverän und schlagfertig sind. Martin ist aber durchaus auch in der Lage, sich ordentlich auf seiner Gitarre einen abzugniedeln, das soll hier nicht unterschlagen werden. Mit erkennbarer Schlagseite auf der Bühne sah er zudem als einziger einen Rollenstuhlfahrer, der doch bitte nach vorn durchgelassen werden sollte. Diverse Versuche, eine Wall of Death zu formen, scheiterten jedoch ebenso wie die Aufteilung des Publikums in die Anhänger verschiedener Rockerclubs oder das Finden eines Nazis, den man des Clubs hätte verweisen können. Höhepunkt war Franks Verlesen einer unfassbar pathetisch und selbstbeweihräuchernden Dankesrede an Hamburg, das „SHITLERS Street Team“ und sich selbst, wie ich mittlerweile weiß inspiriert von einer sich selbst etwas arg wichtig nehmenden Band, begleitet von Martins Unterfangen, für Ruhe im Puff zu sorgen. So drohte er dem „kleinen Scheißhaufen“, dass er „dieses Konzert nich‘ in‘ Arsch machen“ werde, wie es in Hamburg gute Tradition ist und bezichtigte einen offenbar aus der Schweiz stammenden Gast, mit bayrischem Akzent dazwischenzuplappern. Der grandiose Schlusspunkt eines denkwürdigen Abends mit Bochums Punk-Geschmackspolizei, die mit sicherem Gespür Szene-Bullshit aufspürt und satirisch verarbeitet – und mit erstaunlich trockenem Humor noch immer für die eine oder andere Irritation sorgt. Ob Frank seinen Quinoa-Salat noch bekommen hat, ist allerdings nicht überliefert.

Im Anschluss bot sich dann mal wieder die Gelegenheit, DJane Eddelbüttel abzufeiern, bis die Vernunft uns aus dem Laden in die Koje trieb, ohne Exzesse bis 10:00 Uhr morgens mitzunehmen. Ausnahmsweise – schließlich sollte es am nächsten Abend bereits weitergehen…